Landgericht Köln:
Urteil vom 29. März 2012
Aktenzeichen: 86 O 78/11

(LG Köln: Urteil v. 29.03.2012, Az.: 86 O 78/11)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen und streiten über Zahlungsansprüche für Verbindungsleistungen.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die U AG, und die Klägerin, die vormals unter der Fa. A firmierte, schlossen am 19./27.10.2006 eine Zusammenschaltungsvereinbarung, die sie mit Vertrag vom 24./30.04.2008 änderten. Diese Vereinbarung ermöglicht eine Zusammenschaltung der Telekommunikationsnetze der Klägerin und der Beklagten in der Weise, dass Anrufe aus beiden Netzen in das jeweils andere Netz zugestellt werden können. Mit Wirkung zum 01.04.2010 übernahm die Beklagte den Festnetz-Geschäftsbereich der U AG im Wege einer Übertragung durch Ausgliederung. Die Klägerin macht aus der Zusammenschaltungsvereinbarung Zahlungsansprüche für die Terminierungsleistung „A1.“ für die Zeiträume Oktober 2010 bis Januar 2011 geltend.

Gemäß Ziffer 14 der Zusammenschaltungsvereinbarung i.V.m. Teil 3 der Anlage C „Diensteportfolio“ werden von der Klägerin Terminierungsleistungen nach dem Tarif „A1.“ erbracht, der Verbindungen zu sogenannten geographischen Zielrufnummern in das Telefonnetz national der Klägerin aus dem Telefonnetz der Beklagten zum Gegenstand hat. Unter Ziffer 14 „Diensteportfolio“ der Zusammenschaltungsvereinbarung heißt es:

„A bietet der T-Com in den in Anhang G - Gegenseitige Leistungsbeziehungen vereinbarten EZB Zusammenschaltungsdienste gem. Teil 3 der Anlage C - Diensteportfolio mit der in Anlage E - Qualität genannten Qualität an.

Verbindungen zu geographischen Rufnummern, die aus rein vermittlungstechnischen Gründen nichtgeographischen Rufnummern (z.B. Dienstekennzahlen) zugeordnet sind, und Verbindungen zu geographischen Rufnummern über die Online-Verbindungen bzw. Verbindungen zu Diensten, für die die BNetzA spezielle Rufnummerngassen zuteilt, abgewickelt werden, sind von den Zusammenschaltungsdiensten gem. Anlage C - Diensteportfolio nicht umfasst und somit vertraglich nicht vereinbart.“

Die Höhe des Terminierungsentgelts berechnet sich gemäß Ziffer 16 der Zusammenschaltungsvereinbarung i.V.m. Anlage D Preis u.a. nach drei unterschiedlichen Tarifzonen, abhängig davon, ob eine unmittelbare Zusammenschaltung der Telefonnetze der Parteien besteht.

Die Rechnungsstellung für die Zusammenschaltungsdienste ist in Ziffer 17 der Zusammenschaltungsvereinbarung geregelt. Nach Ziffer 17.6 sind Einwendungen grundsätzlich innerhalb von drei Monaten nach Zugang schriftlich zu erheben. Dazu heißt es:

„Einwendungen gegen die in Rechnung gestellten Forderungen sind innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Rechnung schriftlich bei der in Anhang F - Abrechnung genannten Stelle zu erheben, sofern der dieser Einwendung zugrunde liegende Umstand innerhalb der o.g. Frist bekannt geworden ist. Nach Ablauf eines Jahres seit Zugang der Rechnung ist die Erhebung von Einwendungen ausgeschlossen. Die Unterlassung der rechtzeitigen Einwendung gilt als Genehmigung. Die Vertragspartner werden in den Rechnungen auf die Folgen einer unterlassenen rechtzeitigen Einwendung besonders hinweisen. […]

Einwendungen gegen die in Rechnung gestellten Forderungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler gem. Anhang F - Abrechnung vorliegen und nur im Umfang des aufgrund des offensichtlichen Fehlers beanstandeten Teils der Rechnung.“

Wann ein „offensichtlicher Fehler“ vorliegt, bestimmt Anlage F:

„Ein offensichtlicher Fehler liegt nur dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise keine vernünftigen Zweifel an der Fehlerhaftigkeit bestehen, der Fehler also „auf der Hand liegt“.

Kein offensichtlicher Fehler liegt vor, wenn vertiefte rechtliche Überlegungen oder umfangreiche tatsächliche Aufklärungen notwendig sind […]“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Zusammenschaltungsvereinbarung wird auf den Inhalt der als Anlage zur Akte gereichten auszugsweisen Kopie der Vereinbarung nebst ihren Anlagen und Anhängen verwiesen.

Geographische Rufnummern wurden u.a. auch der B ltd (im Folgenden: „B1“) zugeteilt, die im Internet unter der Webseite www.B1.com auftrat. Auf dieser Webseite wurde Kunden der Beklagten für die Anwahl geografischer Rufnummern im Telefonnetz der Klägerin, unter denen automatische Werbeansagen abgespielt wurden, nach einem Gewinnsystem abhängig von der Dauer der Telefonverbindungen „Credits“ versprochen, die sich die Anrufer schließlich in Eurobeträgen auszahlen lassen konnten. Beworben wurden rein fiktive Produkte und Dienstleistungen, die Aussagen waren akustisch kaum verständlich. Dieses Gewinnsystem führte dazu, dass Kunden der Beklagten mit Telefonflatrate Telefonverbindungen bis hin zur maximalen Dauer offen hielten, ohne aktiv am Telefonhörer zu sitzen, und auf diese Weise Terminierungsentgelte zugunsten der Klägerin generierten. Die von „B1“ verwendeten Festnetzrufnummern waren fast ausnahmslos solche, die in dem Abrechnungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu Terminierungsentgelten der teureren Tarifzonen II und III führten.

Die Beklagte hat das Geschäftsmodell „B1“ beanstandet und die Klägerin und die B ltd auf Unterlassung in Anspruch genommen. In einem vor dem Landgericht Köln geschlossenen Vergleich vom 10.1.2012 haben sich die Klägerin und B ltd sinngemäß verpflichtet, das Geschäftsmodell „B1“ zukünftig zu unterlassen. Insoweit wird auf den von der Beklagten als Anlage B 17 vorgelegten Beschluss des Landgerichts Köln vom 10.1.2010 Bezug genommen.

Nach der Zusammenschaltungsvereinbarung fällt bei Verbindungen innerhalb desselben Lokalen Einzugsbereichs („LEZB“) die Terminierung jeweils in die günstigste Tarifzone I. Dies ist der Fall, wo die Telefonnetze der Parteien aufgrund von Interconnectionanschlüssen („ICA“) ausgebaut sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, fallen Terminierungsentgelte der teureren Preisstufen II und III an. In der Zusammenschaltungsvereinbarung ist unter Punkt 10 i.V.m. Teil 3 des Anhangs B vereinbart, dass die Beklagte auf einen erhöhten Terminierungsbedarf der Klägerin mit der Ausübung eines Nachfragerechts reagieren kann. In der Folge ist die Klägerin grundsätzlich zum physischen Netzausbau unter Verwendung von ICAs verpflichtet und kann damit für dieselbe Verbindung nur noch nach der günstigeren Tarifzone I abrechnen.

Die Beklagte übte ihr Nachfragerecht in 2010 mehrfach aus. Mit den Zusatzvereinbarungen vom 28.04.2010 und vom 28.10.2010 vereinbarten die Parteien zur Vermeidung hoher Investitionskosten, dass unabhängig von einem physischen Netzausbau bei Ausübung des Nachfragerechts eine fiktive Tarifierung der Verbindungen zu Anschlüssen in den betreffenden LEZBs zu Tarifzone I erfolgen sollte. Bei den von B1 beworbenen Rufnummern wurden nach Ausübung des Nachfragerechts auf der Webseite von B1 unmittelbar neue Festnetzrufnummern zur Nutzung veröffentlicht, die in bisher nicht nachgefragten und ausgebauten Einzugsbereichen lagen, so dass wiederum der höchste Terminierungstarif III einschlägig war. In der Folge reduzierte sich der Verkehr auf den vom Nachfragerecht betroffenen Rufnummern teilweise um nahezu 100 %, während er auf den anderen Rufnummern, die in der Tarifzone III lagen, ebenso stark anstieg.

Die Klägerin erbrachte im streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2011 Zusammenschaltungsdienste in dem Umfang, der sich aus den Rechnungen vom 03.11.2010, vom 02.12.2010, vom 05.01.2011 sowie vom 02.02.2011 ergibt. Ob die Verbindungsleistung A1. vertragsgemäß erbracht wurde, ist zwischen den Parteien streitig. In den Rechnungen wies die Klägerin auf die Folgen einer unterlassenen rechtzeitigen Einwendung besonders hin. Die Beklagte beglich die Rechnungen jeweils nur bis auf den Anteil, der auf die in Rechnung gestellte Leistung A1. entfiel. Ein in Rechnung gestellter Betrag von 930.265,37 € (die Klägerin war zunächst von einem Betrag von 947.246,57 € ausgegangen) wurde bislang nicht ausgeglichen.

Mit Schreiben vom 30.11.2010, 27.12.2010, 27.01.2011 und 01.03.2011, jeweils übersandt per Einschreiben mit Rückschein, machte die Beklagte Einwendungen gegen die Rechnungen für die Abrechnungszeiträume Oktober, November und Dezember 2010 und Januar 2011 hinsichtlich des Rechnungspostens A1. geltend. Zur Begründung ihrer Auffassung, dass die Erbringung der Zusammenschaltungsdienste nicht vertragsgemäß erfolgt sei, verwies die Beklagte darauf, dass offensichtlich unter den Ortsnetzrufnummern nicht vertragsgemäß Dienste erbracht worden seien, so dass es sich nicht um Telefonie unter natürlichen Personen handele und verlangte die Beantwortung einer Reihe von Fragen zum Geschäftsmodell der Klägerin, wobei beispielhaft B1 genannt wurde.

Die Klägerin behauptet, dass sie bei allen Ortsnetzrufnummern, die ein Kunde beantrage, überprüfe, ob dort ein Ortsnetzbezug bestehe, indem Handelsregisterauszug, Gewerbeanmeldung und Adresse überprüft würden. Zudem würden die Rechnungen an diese Adresse gesandt und, falls die Rechnungen als unzustellbar zurückkommen, entsprechende Schritte zur Überprüfung und gegebenenfalls Abschaltung der Rufnummer ergriffen. Die Verbindungen, die dem Teilnehmer „B1“ zuzuordnen seien, machten nur einen Bruchteil des streitgegenständlichen Betrages aus.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie habe ihre Terminierungsleistungen vertragsgemäß erbracht. Die in der Verfügung Nr. .../2006 zum Ortsnetzbezug bei geographischen Rufnummern durch die Bundesnetzagentur getroffenen Vorgaben seien allein öffentlichrechtlicher Natur und könnten keine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Verpflichtungen der Parteien finden.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.2.2012 die Klage in Höhe eines Betrages von 16.981,12 € zurückgenommen und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 930.265,37 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz

auf 417.539,38 € seit dem 5.12.2010,

auf 391.495,28 € seit dem 2.1.2011,

auf 75.556,36 € seit dem 5.2.2011 und

auf 45.674,35 € seit dem 2.3.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass die streitgegenständlichen Vergütungsforderungen aus Verbindungen zu geographischen Rufnummern herrühren, die von der Klägerin Teilnehmern zugeteilt wurden, die ihren Wohn- bzw. Betriebssitz tatsächlich in dem jeweiligen geografischen Gebiet haben.

Die Beklagte behauptet, der Umfang der über das Geschäftsmodell „B1“ generierten Verbindungen mache mehr als die Hälfte des streitigen Betrages aus. Auch zu anderen Verbindungszielen habe es entsprechende Auffälligkeiten gegeben. Im Oktober 2010 seien von insgesamt 42.377.134 Gesprächsminuten auf das Geschäftsmodell „B1“ 18.806.108 Minuten entfallen; weitere 18.564.760 Minuten seien automatisch, d.h. computergestützt generiert worden. Dies ergebe sich aus der geringen Anzahl der von den betreffenden A-Rufnummern angewählten Ziele im Netz der Klägerin, aus der Gesprächsdauer von jeweils mehr als 100 Minuten, aus der hohen täglichen Minutenmenge der bestreffenden A-Rufnummern sowie aus in auffälliger Weise synchronisierten Pausenzeiten zwischen zwei aufeinander folgenden Anrufen. Insoweit wird auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 13.2.2012 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Dem von der Klägerin auf der Grundlage der Zusammenschaltungsvereinbarung geltend gemachten Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen Verbindungsentgelte stehen Einwendungen entgegen, die die Beklagte nach Ziffer 17.6 der Vereinbarung zu Recht erhoben hat.

Die Klägerin hat die geschuldeten Terminierungsleistungen in den Leistungszeiträumen Oktober 2010 bis Januar 2011 nicht in dem Umfang vertragsgemäß erbracht, wie sie in den betreffenden Rechnungen ausgewiesen sind. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat schon den erforderlichen Ortsnetzbezug nicht hinreichend dargelegt. Es genügt nicht, dass die Klägerin unter Beweisantritt vorträgt, dass sie bei allen geographischen Rufnummern, die ein Kunde beantragt, den Ortsnetzbezug anhand von Handelsregisterauszug, Gewerbeanmeldung und Adresse überprüft sowie die Rechnungen an diese Adresse übersendet. Die Klägerin ist vielmehr gehalten, konkret vorzutragen, zu welchen geographischen Rufnummern sie in den streitgegenständlichen Zeiträumen ihre Terminierungsleistungen erbracht hat, welchen natürlichen bzw. juristischen Personen die jeweiligen B-Anschlüsse zugeordnet sind, ob ein den Vorgaben der BNetzA entsprechender Ortsnetzbezug aufgrund der Lokation der Wohn- bzw. Betriebssitze in dem jeweiligen geographischen Gebiet vorliegt und wie dieser Ortsnetzbezug verifiziert wurde. Die Klägerin hat bislang lediglich diesen letzten Punkt unter Beweisantritt pauschal behauptet, ohne zu substantiieren, welche Personen wann und wie überprüft wurden.

Die vertraglichen Leistungspflichten der Klägerin aufgrund der Zusammenschaltungsvereinbarung reichen über den in Ziffer 1.3 der Leistungsbeschreibung in Anlage C „Diensteportfolio“ beschriebenen und unstreitig auch erbrachten rein technischen Vorgang des Durchschaltens und Haltens der Verbindung zu geographischen Rufnummern hinaus. Die Parteien sind begrifflich übereinstimmend im Einklang mit den Zuteilungsregeln für Ortsnetzrufnummern gemäß Verfügung Nr. .../2006 der BNetzA, Ziffer 3 b) davon ausgegangen, dass geographische Rufnummern nur an Teilnehmer vergeben werden, die im jeweiligen Gebiet ihre Lokation haben, so dass auch nur die Terminierung an solche B-Anschlüsse eine Vergütungspflicht auslöst. Dies ergibt eine Auslegung der Zusammenschaltungsvereinbarung nach dem objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Dritten des maßgeblichen Verkehrskreises gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien und folgt insbesondere aus Ziffer 1.1 der Leistungsbeschreibung. Demnach hat die Klägerin vollautomatisch aufgebaute Verbindungen aus dem Telefonnetz der Beklagten zu allen Telefonanschlüssen in ihrem nationalen Telefonnetz mit geographischer Zielrufnummer (Ortsnetzkennzahl und Teilnehmernummer) herzustellen. Es handelt sich bei den Parteien dieses Rechtsstreits wie auch der U AG als Vertragspartei der Zusammenschaltungsvereinbarung um Telekommunikationsunternehmen. Wenn aber diese Parteien in Kenntnis der Begriffe des Telekommunikationsrechts und der Verfügungen der Bundesnetzagentur, einen Vertrag schließen, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass sie dem Begriff der geographischen Zielrufnummer auch diesen wesentlich von der Praxis der Bundesnetzagentur geprägten telekommunikationsrechtlichen Bedeutungsgehalt zumessen. Dieser ist nicht allein technischdefinitorisch, sondern unter Berücksichtigung der maßgeblichen Verfügung Nr. .../2006 zu verstehen. Wollte man nicht auf die Lokation abstellen, wäre vielmehr gänzlich unklar, was die Parteien dann unter dem Begriff „geographische Rufnummer“ hätten verstanden wissen wollen (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 27.07.2011, 24 U 183/10). Dass der Ortsnetzbezug den zentralen Ansatz für die Terminierungsentgelte bildet, zeigt sich auch daran, dass sich die Tarifierung in drei Tarifzonen abhängig davon unterteilt, ob die Verbindung innerhalb desselben Lokalen Einzugsbereichs, innerhalb desselben Grundeinzugsbereichs oder zwischen zwei Grundeinzugsbereichen hergestellt wird. Dann kann es aber nicht im Belieben einer Vertragspartei stehen, geographische Rufnummern ohne Berücksichtigung des Wohn- bzw. Betriebssitzes des Teilnehmers zuzuweisen und so die Höhe des Terminierungsentgeltes zu beeinflussen.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus Ziffer 14 der Zusammenschaltungsvereinbarung, wonach für einzeln aufgezählte Verbindungsarten zu geographischen Rufnummern betreffend Dienstekennzahlen, Verbindungen über Online-Verbindungen und Verbindungen zu Diensten, für die die BNetzA spezielle Rufnummerngassen zuteilt, Terminierungsentgelte nicht berechnet werden sollen. Weder ist der Begriff der geographischen Telefonnummer lediglich technischdefinitorisch zu verstehen, noch bilden die Vorgaben der BNetzA an die Vergabe geographischer Rufnummern, wie die Klägerin meint, nur den öffentlichrechtlichen Rahmen vergleichbar einer Fahrerlaubnis. Vielmehr bestätigt die Aufzählung unter Ziffer 14, dass die Zusammenschaltungsvereinbarung so auszulegen ist, dass der Ortsnetzbezug den zentralen Ansatz für die Berechnung der Terminierungsentgelte bildet. Die Vertragsparteien haben unter Ziffer 14 die Leistungen von der Vergütungspflicht für Terminierungen ausgenommen, die im Rahmen der Vorgaben der BNetzA den Aufbau einer Verbindung zu einer geographischen Rufnummer bedeuten würden, aber nach der Vorstellung der Parteien keine Vergütungspflicht auslösen sollen, da sie keine typische Terminierungsleistung darstellen. Aus dieser Aufzählung kann aber keineswegs geschlossen werden, dass sie abschließend alle Fälle erfasst, in denen keine vertragsgemäße Leistung vorliegt. Vielmehr sollen Terminierungen zu solchen B-Teilnehmern, die nach den Vorgaben der BNetzA keine geographische Rufnummer mit der entsprechenden Ortskennziffer hätten erhalten dürfen, nach dem Verständnis der Vertragsparteien von vornherein keine vertragsgemäßen Leistungen darstellen.

Die Geltendmachung des fehlenden Ortsnetzbezugs ist auch nicht gemäß Ziffer 17.6 der Zusammenschaltungsvereinbarung ausgeschlossen. Sofern der Ortsnetzbezug nicht dargelegt und bewiesen wird, liegt die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Abrechnung auf der Hand. Der Umstand, dass zur Geltendmachung der Terminierungsentgelte eine geographische Rufnummer erforderlich ist, die ohne einen Betriebssitz nicht vorliegt, erfordert keine „vertiefte“ rechtliche Überlegung. Das Erfordernis der Betriebssitzes und dessen Überprüfung ergibt sich, wie dargelegt, aus der Verfügung der Bundesnetzagentur. Dass es an einem Betriebssitz bei den Geschäftsadressen fehlt, erfordert keine umfangreiche, tatsächliche Aufklärung.

Darüber hinaus würde sich die offensichtliche Fehlerhaftigkeit bereits daraus ergeben, wenn ein Betriebssitz nicht unter den von den Kunden genannten Geschäftsadressen vorliegt (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 27.07.2011, 24 U 183/10, Seite 5).

Die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit erfolgte auch fristgemäß innerhalb der Dreimonatsfrist, nämlich jeweils etwa einen Monat nach Rechnungsstellung und genügte der gemäß Anhang F/ Teil A, Ziffer 10 erforderlichen Form des Einschreibens. Wenngleich der fehlende Ortsnetzbezug nicht ausdrücklich geltend gemacht wurde, so ergibt sich aus dem Verlangen nach Aufklärung des Geschäftsmodells der Klägerin, dass der gerade aufgrund des möglichen Zusammenwirkens mit B1 möglicherweise fehlende Ortsnetzbezug der geographischen Rufnummern von den geltend gemachten Einwendungen erfasst wird.

Im Übrigen ergibt sich auch aus einer Gesamtschau der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der klägerseitigen Abrechnung im Umfang der von der Beklagten vorgenommenen Einbehalte.

Die Vorgänge um das „LEZB-Hopping“, d.h. dass nach Ausübung des Nachfragerechts auf der Webseite von B1 wiederholt und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang neue geographische Nummern geschaltet wurden, die in den teuren Tarifzonen II und III lagen und dorthin die Verbindungsströme verlagert wurden, legen nahe, dass die Klägerin im kollusiven Zusammenwirken mit B1 Terminierungsentgelte zu Lasten der Beklagten generiert hat. Anders lässt sich nicht erklären, warum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausübung des Nachfragerechts die Verbindungsströme in die nunmehr mit Tarif I tarifierten LEZB signifikant zurückgingen, während gleichzeitig B-Anschlüsse von B1, die zu einer Tarifierung in Tarifzone III führen, in großem Umfange angerufen wurden. Nach Ausübung des Nachfragerechts durch die Beklagte gemäß Ziffer 1.5, Teil 3 des Anhangs B der Zusammenschaltungsvereinbarung (Anlage B5, Bl. 199 des Anlagenheftes), wonach die Klägerin verpflichtet wäre, ihren Netzausbau durch die Bestellung von ICAs zu verbessern, andernfalls eine Abrechnung der Leistung A1. nur noch nach Tarifzone I möglich gewesen wäre, und der einvernehmlichen Modifikation dieser Verpflichtung durch eine virtuelle Tarifierung nach Tarifzone I gemäß zweier Zusatzvereinbarungen vom 28.04.2010 und 28.10.2010 (Anlage B6, Bl. 207 des Anlagenheftes) verlagerten sich die Verbindungsvolumina. Dabei kann die Klägerin nicht einwenden, sie habe sich jedenfalls im Rahmen der „Spielregeln“ der Beklagten gehalten. Die Umstände lassen das Verhalten der Klägerin als treuwidrig erscheinen, so dass die Geltendmachung der Terminierungsentgelte gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Verletzung von Rücksichtnahmepflichten auf die Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils nach § 241 Abs. 2 BGB regelmäßig Schadensersatzansprüche nach sich zieht.

Dagegen kann die Beklagte nichts aus dem Umstand herleiten, dass die Klägerin im kollusiven Zusammenwirken mit B1 einen unzulässigen Massenverkehr erzeuge. Dass die Klägerin dadurch die Gefahr einer Netzüberlastung provoziere, hat die Beklagte schon nicht dargelegt. Auch im Übrigen lassen sich unter dem Gesichtspunkt des Massenverkehrs keine Einwendungen gegen die Geltendmachung der Terminierungsentgelte herleiten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach dem Nummerierungskonzept 2011, S. 40, 41 der BNetzA (Anlage K 16) über Ortnetzrufnummern kein Massenverkehr erbracht werden darf. Bei den von B1 geschalteten Webeansagen handelt es sich nicht um Massenverkehrsdienste im Sinne des § 3 Nr. 11 lit. d) TKG, d.h. nicht um Dienste, die charakterisiert sind durch ein hohes Verkehrsaufkommen in einem oder mehreren kurzen Zeitintervallen mit kurzer Belegungsdauer zu einem Ziel mit begrenzter Abfragekapazität. Beim „B1-Dienst“ fehlt es gerade am kurzen Zeitintervall und es liegen, wie von der Beklagten vorgetragen, erhebliche Belegungsdauern vor.

Die BNetzA lehnt weitere Einschränkungen der Nummernvergabe als einen Massenverkehr oder eine Betreibervorauswahl wegen damit verbundener Nachteile und mangelnder Vollzugsmöglichkeiten ausweislich des Nummerierungskonzepts 2011, S. 40, 41 ab. Der Zweck der mittels einer Ortsnetzrufnummer aufgebauten Verbindung ist demnach nicht reguliert.

Durch das Zusammenwirken der Klägerin mit Dritten wie etwa B1, wurde der überwiegende Anteil die streitgegenständlichen Terminierungsentgelte generiert. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, in welchem Umfang in den Monaten Oktober 2010 bis Januar 2011 abgerechnete Gesprächsminuten auf das Geschäftsmodell „B1“ entfielen. Zudem hat sie vorgetragen, dass ein erheblicher weiterer Anteil der Gesprächsminuten automatisch, d.h. computergestützt generiert wurde.

Die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen wurde auch rechtzeitig gerügt. Dass das LEZB-Hopping nur nach umfangreicher Datenanalyse festgestellt wurde, steht der Offensichtlichkeit nicht entgegen. Diese ergibt sich bereits aus der Generierung der Langzeitverbindungen. Die Datenanalyse soll lediglich aufdecken, dass ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Klägerin und B1 vorlag.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert:

bis 23.2.2012: 947.247,00 €

danach: 930.265,37 €






LG Köln:
Urteil v. 29.03.2012
Az: 86 O 78/11


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