Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 105/01

(BPatG: Beschluss v. 22.10.2001, Az.: 30 W (pat) 105/01)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung BLUE CHIP für "Verkaufsautomaten und geldbetätigte Apparate".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, davon einer im Erinnerungsverfahren ergangen, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Begründend ist insbesondere ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung stehe für große, international bekannte und weltweit bedeutende Aktiengesellschaften, weshalb die Vorstellung vermittelt werde, es handle sich bei einem entsprechend bezeichneten Unternehmen um ein besonderes, wichtiges Unternehmen, das auch hinsichtlich der Qualität seiner Produkte andere Unternehmen übertreffe. Aus diesem Grunde bewirke der angemeldete Begriff in seiner Gesamtheit keine betriebliche Herkunftskennzeichnung.

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, die angemeldete Bezeichnung sei schutzfähig, da es nicht um eine Unternehmenskennzeichnung, sondern um eine Warenkennzeichnung gehe. Im übrigen weise der angemeldete Begriff eine eng umrissene, feststehende Bedeutung als Bezeichnung für international bekannte Aktiengesellschaften auf, weshalb ein Zusammenhang mit den angemeldeten Waren nicht bestehe. Wegen des daraus resultierenden Fehlens eines beschreibenden Charakters sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht gegeben.

Der Anmelder beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist in der Sache ohne Erfolg. Die angemeldete Marke ist für die beanspruchten Waren nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen. Sie ist gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG eine beschreibende Angabe.

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Angaben ausgeschlossen, die im Verkehr unter anderem zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren dienen können.

Die Bezeichnung "BLUE CHIP" steht als Gesamtheit, worauf die Markenstelle zu Recht hingewiesen hat, ausgehend von einer blauen Spielmarke beim Pokerspiel, auch im Deutschen zunächst für erstklassige Wertpapiere und damit Spitzenwerte an der Börse (vgl DUDEN, Fremdwörterbuch, 5. Aufl, 1990, S 118), was infolge der Berichterstattung in der Tagespresse und der Werbung auch breiteren Verkehrskreisen geläufig ist.

Darüber hinaus hat sich die angemeldete Bezeichnung, wie die dem Anmelder mitgeteilten Fundstellen belegen, allgemein zur Umschreibung erstklassiger und zuverlässiger Produkte, Einrichtungen und Personen weiter entwickelt und ist in seinem Gebrauch nicht mehr auf den ursprünglichen Bereich der Aktien und Wertpapiere beschränkt, so dass ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG gegeben ist. So steht "blue chip" in der Werbesprache für ein "Produkt, das hohen Gewinn bringt oder verspricht" (vgl Koschnick, Standard dictionary of advertising, mass media, and marketing, English-German, 1983, S 64; ders, Encyclopedic dictionary marketing, English-German, 1994, Bd 1, S 204). Die Annahme eines (aktuellen) Freihaltebedürfnisses ist dabei nicht davon abhängig, dass die angemeldete Bezeichnung für den hier einschlägigen Warenbereich unmittelbar (lexikalisch) nachweisbar ist. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, der lediglich voraussetzt, dass die fragliche Bezeichnungen zur Beschreibung "dienen können", ergibt sich, dass auch die erstmalige Verwendung der angemeldeten Zeichenzusammensetzung nicht schutzbegründend ist (vgl BGH GRUR 1996, 770 - MEGA).

Der Senat vermag insoweit der Auffassung des Anmelders, die angemeldete Bezeichnung finde ausschließlich im Bereich der Charakterisierung großer erstklassiger und börsennotierter Unternehmen, nicht zu folgen. Insbesondere zeigt die -seinerzeitige - Verwendung des Begriffs durch einen Bekleidungshersteller zur Bezeichnung einer Kollektion als "Blue Chip" ebenso wie in einem Artikel über einen hochwertigen Sportwagen die Übertragung dieses Begriffs der Börsensprache ins Allgemeine und seine Gleichstellung mit "erstklassig"; dasselbe gilt auch für die Fundstellen, in denen die Schweiz oder der derzeitige Präsident der russischen Föderation als "Blue Chip" bezeichnet werden, da hierbei eine Assoziation zu "erstklassig, solide, verlässlich" erzeugt wird. Denn hier steht nicht der eigentliche Sinn von "Blue Chip" als Bezeichnung von Aktien bestimmter Unternehmen in Rede, sondern die Umschreibung besonderer Qualität, Sicherheit, Solidität. Soweit die Entwicklung des Zeichenworts zur reinen Qualitätsangabe noch nicht abgeschlossen sein sollte, deuten die Belegstellen hier jedenfalls in diese Richtung und begründen damit ein künftiges Freihaltbedürfnis.

Bei der Frage des Freihaltebedürfnisses, bei dem es vor allem auf die Belange der Mitbewerber des Anmelders ankommt, ist entgegen der vom Anmelder geäußerten Auffassung auch in erster Linie nicht darauf abzustellen, ob die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Bezeichnung richtig verstehen werden. Dies ist nur soweit von Bedeutung, als eine Eignung zur Warenbeschreibung dann nicht vorläge, wenn von vornherein feststünde, dass die Bezeichnung für das angesprochene Publikum völlig unverständlich sein und bleiben wird (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdnr 69). Gerade das trifft aber nicht zu, wie die Fundstellen der Benennung "Blue Chip", insbesondere auch in der Tagespresse, belegen. Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seiner Rechtsprechung seit geraumer Zeit einen Wandel des Verbraucherleitbildes vom flüchtigen Abnehmer zum durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher propagiert und auch der Bundesgerichtshof diesen Wandel im nationalen Markenrecht vollzogen hat (vgl EuGH GRURInt 1999, 734 - Lloyd; WRP 2000, 289 - Lifting Creme; BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND). Ausgehend davon kann bei den hier in Frage stehenden Waren nicht von einer so weitgehenden Unverständlichkeit der Marke für die von diesen Waren angesprochenen Verkehrskreise ausgegangen werden, dass die Mitbewerber kein Interesse an der Verwendung des angemeldeten Begriffs haben könnten.

An diesem Ergebnis vermögen auch die vom Anmelder vorgebrachten Voreintragungen nichts zu ändern, auch soweit sie im Inland erfolgt sind. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist eine Rechts- und keine Ermessensfrage und vermag daher eine - wie auch immer geartete - Selbstbindung nicht zu erzeugen (vgl Althammer/Ströbele aaO, § 8 Rdnr 85).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder die Voraussetzungen des § 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG noch diejenigen des § 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG vorliegen.

Dr. Buchetmann Schwarz-Angele Voit Hu






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Az: 30 W (pat) 105/01


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