Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Oktober 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 352/01

(BPatG: Beschluss v. 29.10.2002, Az.: 33 W (pat) 352/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. November 1999 und vom 19.September 2001 aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke 398 44 178 angeordnet.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die - am 19. November 1998 veröffentlichte - Eintragung der Marke 398 44 178 BossaAntikfür die Waren der Klasse 19

"Formsteine und sonstige Fertigbauteile aus Beton zur Straßen-, Platz-, Garten- und Landschaftsgestaltung; Pflastersteine; Verbundsteine, Bordsteine, Rabattensteine; Mauersteine; Palisadenpfosten, vorgefertigte Treppenstufen und -podeste, Wasserablaufrinnen, Bodenplatten, Abdeckplatten für Mauern, nicht aus Metall; Natursteine"

vom 19. Oktober 1998 auf Grund der für die Waren der Klasse 19

"nichtmetallische Baustoffe, Betonsteine, Betonplatten, Betonpalisaden; Hang- und Böschungssteine; Bauelemente aus Beton für Mauern, Wälle und Treppen; Pflastersteine"

am 7. Juli 1987 eingetragenen Marke 1 108 261 Bosso Widerspruch erhoben worden.

Auf die Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Widersprechende zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Pflastersteine, insbesondere Rasenpflaster, Rabattensteine" im Zeitraum der Jahre 1995 bis 1999 die eidesstattliche Erklärung ihres Geschäftsführers, Herrn P..., vom 13. Januar 2000, einen Bei packzettel, einige Rechnungen und Lieferscheine, Auszüge aus verschiedenen Katalogen der Jahre 1995 bis 2000 sowie Preislisten aus den Jahren 1995, 1997, 1998 und 1999 vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 19 des Patentamts hat den Widerspruch durch Beschluß vom 23. November 1999 sowie die Erinnerung der Widersprechenden durch Beschluß vom 19. September 2001 gemäß §§ 9 Abs 1 Nr 2, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt worden, es werde von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls für die Waren "Betonsteine" ausgegangen, welche die Inhaberin der angegriffenen Marke grundsätzlich auch nicht mehr in Frage stelle. Selbst wenn man berücksichtige, daß die Wortbildung "Bosso" auf das "Bossieren" der jeweiligen Steine zurückgehe, habe die Widerspruchsmarke normale Kennzeichnungskraft. Die zu berücksichtigenden Waren der Widerspruchsmarke und die Waren der angegriffenen Marke seien identisch oder unbedenklich ähnlich. Die jüngere Marke halte aber noch einen ausreichenden Abstand von der Widerspruchsmarke ein. In der jüngeren Marke sei "Bossa" nämlich kein prägender Bestandteil, da das weitere Zeichenelement "Antik" nicht glatt und ausschließlich beschreibend sei.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, dem Bestandteil "Bossa" komme in der angegriffenen Marke die kennzeichnende Stellung zu, da der zweite Bestandteil "Antik" auf Grund seiner beschreibenden Eigenschaft völlig in den Hintergrund trete. Denn das Adjektiv "antik" bedeute insbesondere auch "vergangene Stilepochen nachahmend" oder "in altertümlichem Stil hergestellt" und werde in der Baubranche häufig für Baumaterialien verwendet, die durch eine spezielle Oberflächenbehandlung einen benutzten, gealterten, verwitterten Eindruck hervorrufen sollen, wie beispielsweise der Fachbegriff "Antikmarmor" belege.

Sie beantragt, die Beschlüsse des Patentamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Sie trägt vor, aus den vorgelegten Benutzungsunterlagen ergebe sich, daß die Widerspruchsmarke lediglich in abgewandelter Form als Wortbildmarke mit auffallend bildlich gestalteten Buchstaben "SS" benutzt worden sei. Insofern könne eine rechtserhaltende Benutzung nicht ohne weiteres angenommen werden. Die Benutzung der Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form werde weiterhin bestritten. Da die Benutzung für Betonformsteine, Rasensteine und Pflastersteine nur mit geringen Umsätzen erfolgt sei, komme der Widerspruchsmarke allenfalls eine normale Kennzeichnungskraft zu. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde auch durch den zweiten Bestandteil "Antik" mitbestimmt. Auf dem hier betroffenen Warengebiet weise der Begriff "Antik" eher einen phantasievollen Gehalt auf, denn der Begriff "Antik" sei insbesondere bei Betonformsteinen und sonstigen Betonformelementen durchaus von Angaben wie "abgenutzt" oder "gealtert" zu unterscheiden. Der erste Markenbestandteil "Bossa" sei für die vorliegenden Bauelemente jedoch auch ein beschreibender oder kennzeichnungsschwacher Begriff, weil er ebenso wie "Bosso" den Fachbegriffen "Bossen" und "bossieren" nahekomme. Da hier zwei ähnlich kennzeichnungsschwache Bestandteile miteinander verbunden seien, stünden diese sich gleichwertig gegenüber, so daß keiner allein die angegriffene Marke präge. Im übrigen lägen selbst bei einer isolierten Gegenüberstellung der Widerspruchsmarke "Bosso" und des Bestandteils "Bossa" keine für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichenden Übereinstimmungen vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen sowie sonstigen eingereichten Unterlagen Bezug genommen, soweit sie in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Nach der mündlichen Verhandlung und dem Beschluß des Senats vom 29. Oktober 2002, daß eine Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt wird, jedoch nicht vor dem 30. November 2002, beantragt die Beschwerdegegnerin nunmehr mit Schriftsatz vom 7. November 2002 "die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 296a Satz 2 ZPO, § 156 ZPO bzw § 76 Abs 6 Satz 2 MarkenG" und trägt gleichzeitig weiterhin - unter Einreichung zahlreicher Anlagen - Umstände und Rechtsansichten zur Frage der Verwechslungsgefahr vor.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.

Der Senat hält - entgegen der Auffassung der Markenstelle des Patentamts - die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG iVm §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 1 MarkenG zwischen der angegriffenen Marke 398 44 178 "BossaAntik" und der Widerspruchsmarke "Bosso" (1 108 261) für gegeben. Die Löschung der angegriffenen Marke ist somit gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen.

Die Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke ist gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG zulässig. Die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Pflastersteine, Rasensteine, Rabattensteine aus Beton" wird jedoch nur noch hinsichtlich der von ihrer Eintragung abweichenden Benutzungsform bestritten. Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke aber auch insoweit glaubhaft gemacht. Denn die benutzte Wiedergabe der Widerspruchsmarke in Großbuchstaben mit graphisch verhältnismäßig geringfügig gestalteten Buchstaben "SS" vermag nach Auffassung des Senats den kennzeichnenden Charakter iSd § 26 Abs 3 MarkenG nicht zu verändern.

Die demnach gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG zu berücksichtigenden Waren der Widerspruchsmarke und die Waren der angegriffenen Marke sind offensichtlich - wie unter den Beteiligten auch unstreitig - teils identisch und im übrigen hochgradig ähnlich.

Die ursprüngliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "Bosso" beurteilt der Senat als unterdurchschnittlich, da sie sich jedenfalls für einen beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise - insbesondere der Fachleute wie Architekten, Garten- und Landschaftsarchitekten, Bauunternehmer oder Handwerker des Garten- und Landschaftsbaues - ersichtlich an den beschreibenden Fachbegriff "Bosse" mit der Bedeutung "die rohe oder nur wenig bearbeitete Form eines Werksteines" (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Auflage 1996, S 277) anlehnt. Dem Verkehr wird diese Abwandlung von der Widersprechenden in ihren Prospekten auch regelmäßig dadurch nahegebracht, daß sie ihre mit "BOSSO" gekennzeichneten Steine als "bossiert" beschreibt. Eine etwaige Stärkung der Kennzeichnungskraft durch intensive umfangreiche Benutzung und Bekanntheit der Widerspruchsmarke ergibt sich nicht aus den Benutzungsunterlagen und ist von der Widersprechenden auch nicht hinreichend vorgetragen worden (vgl dazu EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 Ez 23, 24 - Lloyd).

Desweiteren liegt eine enge Markenähnlichkeit vor.

Der Gesamteindruck der jüngeren angegriffenen Marke "BossaAntik" wird nämlich für sämtliche angesprochenen Verkehrskreise - Fachleute ebenso wie private Heimwerker, Bauherrn oder Grundstücksbesitzer etc - ohne weiteres ersichtlich eindeutig durch den Bestandteil "Bossa" geprägt. Durch die Schreibweise mit jeweils einem Großbuchstaben an den Wortanfängen wirkt die Marke "BossaAntik" trotz der aneinandergerückten Wiedergabe der Wörter "Bossa" und "Antik" nicht wie eine Verschmelzung zu einem einheitlichen Markenwort, sondern erscheint deutlich als Wortfolge. Der Bestandteil "Bossa" wird zwar - grundsätzlich genauso wie die Widerspruchsmarke "Bosso" - in der Anschauung derjenigen angesprochenen Verkehrskreise, denen der Begriff "Bosse" sowie das entsprechende Verb "bossieren" und Partizip "bossiert" geläufig sind, eine gewisse Kennzeichnungsschwäche aufweisen. Der Verkehr wird aber auch insoweit das Element "Bossa" dennoch als das einzig kennzeichnende Markenwort der angegriffenen Marke ansehen müssen, weil das weitere Adjektiv "Antik" offensichtlich bloß einen glatt beschreibenden Zusatz darstellt, der nichts zur unternehmenskennzeichnenden Unterscheidungseignung beiträgt.

Der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Bestandteil "Antik" sei eher phantasievoll und jedenfalls ebenso kennzeichnungsschwach wie "Bossa", so daß das gleichgewichtige Element "Bossa" die jüngere Marke nicht prägen könne, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn alle angesprochenen Verkehrskreise verstehen das Adjektiv "Antik" in der angegriffenen Marke "BossaAntik" ohne weiteres lediglich in dem Sinne, daß die verschiedenen Steine und Steinwaren durch bestimmte Oberflächenbehandlungen ein älteres oder gealtertes Aussehen besitzen. Dieses Verständnis des allgemein bekannten Wortes "Antik" liegt hier hinsichtlich der Waren der angegriffenen Marke besonders nahe, weil einerseits "antik" insbesondere "in altertümlichem Stil / in alter Art hergestellt; vergangene Stilepochen (jedoch nicht die Antike) nachahmend" bedeutet (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Auflage 2001, S 152) und andererseits auch für neue Anlagen heutzutage Steingestaltungen "wie früher" in älterem Stil ("rustikale Natursteinoptik", "Rustikalpflaster" oä) in erheblichem Umfang beliebt und gefragt sind. So wirbt die Widersprechende für identische Waren in ihren Prospekten beispielsweise:

"Die guten alten Zeiten sind wieder im Trend."

"In seinem Aussehen erinnert dieses Pflaster ein wenig an Kopfsteinpflaster."

"Seine beinahe "handwerklich" geschaffene Optik erinnert an Kopfsteinpflaster und verbreitet den Charme vergangener Zeiten."

Im übrigen gibt es für ähnliche Stilarten schon Fachbegriffe wie "Antikmarmor" oder "Antikglas".

Die sich demnach gegenüberstehenden Markenwörter "Bossa" und "Bosso" sind schriftbildlich, klanglich und begrifflich sehr ähnlich.

In der umfassenden, alle Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigenden Gesamtwürdigung muß die Verwechslungsgefahr festgestellt werden, weil die Warennähe und teilweise Warenidentität sowie die starke Markenähnlichkeit Verwechslungen so wahrscheinlich erscheinen lassen, daß sich in Wechselwirkung dazu die geringere Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mit einem entsprechend engeren Schutzumfang nicht maßgeblich auswirkt.

III Dem Antrag der Beschwerdegegnerin, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, wird nicht stattgegeben. Die Antragstellerin macht keine zwingenden Wiedereröffnungsgründe gemäß § 156 Abs 2 ZPO geltend; sie liegen auch nicht vor. Im übrigen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 76 Abs 6 Satz 2 MarkenG, § 156 Abs 1 ZPO anzuordnen. Die Beschwerdegegnerin hatte bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung reichlich Gelegenheit zu umfassendem Sachvortrag. Der Beschwerdegegnerin ist vom Senat durch die Zustellung an Verkündungs Statt sogar noch die Möglichkeit eingeräumt worden, innerhalb einer bestimmten, aber nunmehr abgelaufenen Frist die Rücknahme des Widerspruchs auf Grund eines Vergleichs zu erreichen.

Das nach der mündlichen Verhandlung eingereichte Vorbringen der Beschwerdeführerin darf gemäß § 296 a Satz 1 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden, weil kein Fall eines nachgelassenen Schriftsatzes gemäß § 139 Abs 5 ZPO oder § 283 ZPO iVm § 296a Satz 2 ZPO vorliegt.

IV Die Beteiligten tragen die ihnen erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils selbst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).

Winkler Kätkerv. Zglinitzki Cl






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