Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juni 2008
Aktenzeichen: 19 W (pat) 320/05

(BPatG: Beschluss v. 30.06.2008, Az.: 19 W (pat) 320/05)

Tenor

Das Patent DE 103 08 659 wird mit folgenden Unterlagen gemäß Hauptantrag beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 6 überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung, Absätze 0001 bis 0035, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 8 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat am 7. Oktober 2004 die Erteilung des Patents 103 08 659 veröffentlicht, das am 28. Februar 2003 angemeldet worden ist. Das Patent betrifft einen Halter für Blitzschutz-Leiter, insbesondere Flachbandhalter.

Gegen das Patent hat die Fa. D... & Co. KG in N..., mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2004, eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben. Zur Begründung hat sie behauptet, das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 sei nicht neu bzw. beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent DE 103 08 659 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent gemäß Hauptantrag mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, angepasster Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnungen wie Patentschrift;

hilfsweise, das Patent gemäß Hilfsanträgen 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, angepasster Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnungen wie Patentschrift, beschränkt aufrecht zu erhalten.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben a) bis j):

"a) Halter für einen Blitzschutz-Leiterb) in Form eines Flachbandleiters oder eines Leiterdrahtes mit flachem Fuß

c) umfassend eine Grundplatte mitd) einer Ausnehmung für eine Befestigungsschraube unde) daran angeordneten Halteeinrichtungen, dadurch gekennzeichnet, f) dass sich beiderseits der Grundplatte (2', 2'') im Halte-Zustand im Querschnitt U-förmige Halteansätze weg erstrecken, g) die die Außenkanten (19, 20) des Leiters (9, 9') um- und übergreifen, h) dass er mit einem Untergrund verschraubbar ist, undi) dass die im Halte-Zustand oberen Schenkel (21', 22') der Halteansätze sich von der Grundplatte (2') senkrecht nach oben erstrecken undj) zum Festlegen des Leiters (9) beziehungsweise des Leiterfußes (9') um 90 ¡ nach innen über den Leiter (9) beziehungsweise den Leiterfuß (9') umbiegbar sind."

Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag soll die Aufgabe zugrunde liegen, einen Leitungs-Halter der oberbegrifflichen Art so auszugestalten, dass eine schnelle und einfache Montage ermöglicht wird, dass er für Flachbandleiter und Leiterdrähte mit flachem Fuß einsetzbar ist, und dass trotz zuverlässiger Festlegung nach oben ein Nachgeben in Längsrichtung bei thermisch bedingter Ausdehnung möglich ist (Abs. 0005 der Beschreibung).

Es wurden Hilfsanträge 1 und 2 eingereicht, wozu auf die Akten verwiesen wird.

Die Einsprechende ist der Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruhe sowohl gegenüber dem in der DE 92 08 824 U1 (Fig. 3 und 7) beschriebenen Haltern als auch gegenüber dem in der DE 34 23 106 C2 gezeigten Halter nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dem Fachmann, einem FH-Maschinenbauingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Blitzschutz-Haltern, sei das Umbördeln als gängige Maßnahme im Maschinenbau bekannt, er könne es ohne weiteres auf die in den genannten Druckschriften beschriebenen Halter anwenden.

Die Patentinhaberin stellt nicht in Abrede, dass das Umbördeln zwar eine bekannte Maßnahme sei, aber nicht im Zusammenhang mit Haltern gemäß DE 92 08 824 U1 und DE 34 23 106 C2. Die Vorveröffentlichung bzw. öffentliche Zugänglichkeit des Prospekts "Blitzschutz-ErdungÜberspannungsschutz" der Firma D..., Seite 17 bestreitet sie. Sie ist der Meinung, dass der Fachmann gehindert sei, den in der DE 92 08 824 U1 (Fig. 7) gezeigten Halter im Hinblick auf ein Umbördeln abzuändern, da dieser aus Spritzguss oder Eisen bestehe und hierbei auch die Möglichkeit des Einschnappens des Leiters verlorengehe.

Es bestehe auch kein Anlass, bei dem Halter gemäß DE 92 08 824 U1 (Fig. 3) noch etwas abzuändern. Ebenso wenig bestehe Anlass an den Haltern nach der DE 34 23 106 C2 (Fig. 1 und 12) noch etwas zu verbiegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die durch § 147 Abs. 3 Nr.1 PatG für das vorliegendende Einspruchsverfahren (Einspruch erhoben am 23. Dezember 2004, eingegangen am selben Tag) begründete Zuständigkeit des Senats wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 (X ZB 6/05) - Informationsübermittlungsverfahren II).

Der Einspruch ist zulässig und hat im Umfang der beantragten Beschränkung Erfolg.

1. Fachmann Als Fachmann sieht der Senat hier einen Konstrukteur oder Techniker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Blitzschutzleiter-Haltern.

2. Zum Hauptantrag 2.1 Zulässigkeit/ Verständnis des Patentanspruchs 1 Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist zulässig. Er unterscheidet sich von dem erteilten patentierten Patentanspruch 1 dadurch, dass er zusätzlich aufweist,

- das aus dem Absatz 0001 der Streitpatentschrift (= Abs. 1 S. 1 u. U.) entnommene Merkmal b),

- das aus dem Absatz 0031 der Streitpatentschrift (= Brückenabsatz S. 5, 6 u. U.) entnommene Merkmal h), sowie - die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 9 (Merkmale i) und j)), der mit dem ursprünglichen Patentanspruch 9 übereinstimmt, wobei gegenüber diesem das Wort "einschwenkbar" durch das Wort "umbiegbar", folgend aus Absatz 0033 der Streitpatentschrift (= S. 6 le. Abs. u. U.) ersetzt ist.

Unter dem im Oberbegriff (Merkmal b)) erwähnten "flachem Fuß" ist der im Merkmal j) des Kennzeichens angegebene "Leiterfuß (9')" zu verstehen.

Die im Oberbegriff (Merkmal c) und e)) angegebenen, an der Grundplatte angeordneten "Halteeinrichtungen" entsprechen den im Kennzeichen (Merkmale f) und i)) beschriebenen "Halteansätzen".

"Um- und Übergreifen" (Merkmal g)) bedeutet nicht notwendig ein lückenloses, d. h. vollständiges Umfassen der Außenkanten des Leiters.

2.2 Neuheit Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist neu.

Die DE 92 08 824 U1 (Fig. 7) zeigt einena) Halter (2') für einen Blitzschutz-Leiter (3)

b1.Alternative) in Form eines Flachbandleiters (3)

c) umfassend eine Grundplatte (ohne Bezugszeichen) mite) daran angeordneten Halteeinrichtungen (bei 2'), wobei, fteilw) sich beiderseits der Grundplatte (ohne Bezugszeichen) im Halte-Zustand Halteansätze (bei 2') weg erstrecken, g) die die Außenkanten des Leiters (3) um- und übergreifen.

Der aus der DE 92 08 824 U1 (Fig. 7) bekannte Halter umfasst somit die Merkmale d), h), i) und j) nicht und die Halteansätze (bei 2') sind im Querschnitt nicht U-förmig (Restmerkmal f)).

Anders als beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 wird der Flachbandleiter bei dem aus Kunststoff gebildeten (S. 1 le. Abs.) Halter nach der DE 92 08 824 U1 (Fig. 7) eingeschnappt (S. 1, 7. bis 6. Z. v. u.).

Aus DE 92 08 824 U1 (Fig. 3) ist ein Halter bekannt, der keine mit dem Anspruchsgegenstand vergleichbare Grundplatte aufweist. Die dort gezeigte Platte 21 hat nämlich die Funktion, eine Klemmschraube 4 aufzunehmen, die der Festsetzung des unter ihr befindlichen Flachbandleiters dient (S. 4 drittle. Abs.). Auch die an der Platte 21 angeordneten Raststege 22 sind nicht mit den anspruchsgemäßen Halteeinrichtungen bzw. Halteansätzen vergleichbar. Denn sie dienen der Befestigung des Halters an einem Trägerkörper und nicht dem Halten des Flachbandleiters. Sonach zeigt die Figur 3 einen Halter mit lediglich den Merkmalen a) und b1. Alternative). Die Ausführungsform nach Figur 3 liegt auch - wie im Folgenden gezeigt - weiter ab, als der weitere Stand der Technik und braucht daher nicht mehr berücksichtigt zu werden.

In der DE 34 23 106 C2 (Fig. 1) ist beschrieben eina) Halter für einen Blitzschutz-Leiter (6)

b1.Alternative) in Form eines Flachbandleiters (zwar ist ein Leiter mit ovalem Querschnitt gezeigt, aus der Druckschrift ist aber vom Fachmann mitzulesen, dass auch ein Flachbandleiter in den Halter eingelegt werden könnte)

c) umfassend eine Grundplatte (4) mitd) einer Ausnehmung (beim Kopf 11) für eine Befestigungsschraube (Zapfen 10 i. V. m. Sp. 5 Z. 55, 56) unde) daran angeordneten Halteeinrichtungen (5), wobei, f) sich beiderseits der Grundplatte (4) im Halte-Zustand im Querschnitt (hier Querschnittsebene durch den Leiter 6 als Bezugsebene) U-förmige Halteansätze (5) weg erstrecken, g) die die Außenkanten (falls ein Flachbandleiter eingelegt wird, weist dieser auch Kanten auf) des Leiters (6) um- und übergreifen (vermöge hakenmaulartiger Aussparungen 7 - Sp. 5 Z. 13, 14 - in den Halteansätzen 5), h) wobei er (der Halter) mit einem Untergrund verschraubbar ist (Sp. 5 Z. 55, 56).

Der aus der DE 34 23 106 C2 (Fig. 1) bekannte Halter umfasst somit die Merkmale i) und j) nicht.

Der in Figur 12 der DE 34 23 106 C2 gezeigte Halter zeigt hinsichtlich des Anspruchs 1 nicht mehr als der in Figur 1 gezeigte.

Der im Prospekt der Firma D..., Seite 17 gezeigte Halter 253 021ist hinsichtlich der Gestaltung der U-förmigen Halteansätze mit dem aus der DE 34 23 106 C2 (Fig. 1) bekannten Halter vergleichbar. Allerdings ist dort eine Befestigungsschraube, mit der sich eine Verschraubung mit dem Untergrund vornehmen ließe, nicht vorgesehen, denn der Halter wird hier in den Untergrund eingeschnappt (S 17, Überschrift zum Halter 253 021: Halter (Adapter) zum Aufschnappen). Sonach fehlen hier neben den Merkmalen i) und j) auch die Merkmale d) und h).

Die weiterhin noch im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen in Bezug auf den Halter gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag weiter ab als der abgehandelte Stand der Technik und konnten daher außer Acht gelassen werden. Sie wurden in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen.

2.3 Erfinderische Tätigkeit Der Halter gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

2.3.1 Ausgangspunkt DE 92 08 824 U1 Ausgehend von einem Halter, wie er in der DE 92 08 824 U1 (Fig. 7) beschrieben ist, hätte der Fachmann, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, davon abgehen müssen, den Halter aus Kunststoff und schnappbar zu gestalten; dann hätte er die Halteeinrichtungen bzw. Halteansätze (bei 2') und die Grundplatte aus einem Material, das eine Umbiegung gestattet, gestalten müssen und schließlich hätte er die Halteansätze (bei 2') so umzugestalten gehabt, wie dies die Merkmale i) und j) lehren. Hierzu fehlte ihm aber jedoch Anlass, da der bekannte Halter vom anspruchgemäßen hinsichtlich Konstruktion und Funktionalität grundverschieden ist.

Auch die zusätzliche Kenntnis des aus der DE 34 23 106 C2 (Fig. 1) bekannten Halters veranlasst den Fachmann nicht zu einer derartigen Umkonstruktion. Denn es wäre - entgegen der Auffassung der Einsprechenden - nach Überzeugung des Senats völlig abwegig, bei dem Halter nach DE 34 23 106 C2 (Fig. 1) die Enden der Halteansätze 5 noch zusätzlich umzubiegen, da sich hierdurch keinerlei wirkungs- oder funktionsmäßige Verbesserung ergäbe.

Der in dem D...-Prospekt a. a. O - unterstellt er war vorveröffentlicht und öffent- lich zugänglich - gezeigte Halter 253 021 kann, schon weil er offensichtlich aus Kunststoff ist, ebenfalls keinen Hinweis auf einen Halter geben, der Leiter durch Umbiegen festlegt.

Man überschätzte die Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns, wenn man ihm zutraute, dass er all diese Überlegungen hätte durchführen können, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Andere Überlegungen beruhen auf rückschauender Sichtweise.

2.3.2 Ausgangspunkt DE 34 23 106 C2 Wie vorstehend ausgeführt, hält es der Senat für abwegig, dass der Fachmann bei dem aus der DE 34 23 106 C2 (Fig. 1) bekannten Halter die Halteansätze 5 noch zusätzlich umbiegt, da es sich hierbei um einen funktionsfertigen Gegenstand handelt und sich eine Verbesserung der Leiterbefestigung nicht einstellen würde.

Die jeweils Kunststoffhalter betreffenden Druckschriften DE 92 08 824 U1 und D...-Prospekt a. a. O können dem Fachmann dabei ebenfalls keinen Hinweis auf ein Umbiegen der aus DE 34 23 106 C2 bekannten Halteansätze geben, da Kunststoff hierfür nicht geeignet ist.

Auch hier überschätzte man die Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns, wenn man ihm zutraute, dass er all diese Überlegungen hätte durchführen können, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Eine andere Sicht ist rückschauend.

2.3.3 Ausgangspunkt ...Prospekt a. a. O Auch die Kombination des aus dem D...Prospekt bekannten Halters 253 021 mit den aus den Druckschriften DE 92 08 824 U1 und DE 34 23 106 C2 führt aus den vorstehend angegebenen Gründen nicht zum Anspruchsgegenstand.

3. Rechtsbestand Mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag haben auch die Patentansprüche 2 bis 6 nach Hauptantrag, die den erteilten Patentansprüchen 5 bis 9 in angepasster Rückbeziehung entsprechen, Bestand.

Bertl Dr. Kaminski Pagenberg Groß

Pr






BPatG:
Beschluss v. 30.06.2008
Az: 19 W (pat) 320/05


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