Oberlandesgericht München:
Urteil vom 15. September 2011
Aktenzeichen: 29 U 982/11
(OLG München: Urteil v. 15.09.2011, Az.: 29 U 982/11)
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin, die T D GmbH, bietet klassische Telefonanschlüsse an, bei denen für den Anruf eine Leitung zwischen den Gesprächsteilnehmern geschaltet wird. Ihre Kunden können einzelne Gespräche mittels Anwahl entsprechender Kennzahlen durch andere Anbieter vermitteln lassen (Call-by-Call).
Die Beklagte bietet mit dem Verfahren VoIP (Voice over Internet Protocol) Internettelefonie an, bei der eine Call-by-Call-Auswahl anderer Anbieter nicht möglich ist. Ihre Kunden können zwischen reinen VoIP-Leistungen, die einen Internetanschluss voraussetzen, und einem Komplettanschluss - mit gleichzeitiger Bereitstellung einer Breitbandverbindung ins Internet - in jeweils drei Tarifvarianten wählen. Ein Komplettanschluss setzt die DSL-Fähigkeit der Teilnehmeranschlussleitung voraus, die nicht an allen Standorten in D gegeben ist.
Die Beklagte bewarb ihr Angebot in ihrem Internetauftritt folgendermaßen (vgl. Anl. K 1):
Folgt man auf der ersten Seite bei der Darstellung zum Komplettanschluss dem mit Details bezeichneten Link, so gelangt man zunächst auf eine Zwischenseite mit Informationen über die drei Tarifvarianten. Jede der Tarifvarianten ist dort mit einem weiteren Link Details versehen, welche zu Seiten mit folgender Gestaltung führen (vgl. Anl. B 14 Seiten 2 und 3):
Wird der optisch in der Art eines Karteikartenreiters ausgestaltete und mit Details beschriftete Link geöffnet, so wird eine Seite mit folgender Gestaltung aufgerufen (vgl. Anl. B 15):
Wird statt des Links Details der Link Verfügbarkeit aufgerufen, so gelangt man auf eine Seite mit folgender Gestaltung (vgl. Anl. B 14, Seite 1):
Die Klägerin erachtete die Werbung der Beklagten als unlauter, weil Hinweise darauf fehlten, dass bei den Komplettanschlüssen und den reinen VoIP-Leistungen der Beklagten Call-by-Call möglich ist; es fehle auch ein Hinweis auf die eingeschränkte Verfügbarkeit der Komplettanschlüsse. Die Beklagte gab nach einer entsprechenden Abmahnung lediglich hinsichtlich des Fehlens eines Call-by-Call-Hinweises bei der Werbung für die Komplettanschlüsse eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Von den Abmahnkosten in Höhe von 1.580,- € (auf der Grundlage einer 1,3-Geschäftsgebühr aus 75.000,- €) erstattete sie der Klägerin 707,70 €.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Ansprüche auf Unterlassung der Bewerbung des VoIP-Angebots ohne Hinweis auf das Fehlen der Call-by-Call-Möglichkeit und der Bewerbung der Komplettanschlüsse ohne Hin wies auf deren eingeschränkte Verfügbarkeit sowie auf Ersatz der noch nicht beglichenen Abmahnkosten verfolgt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 17. Januar 2011, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage mangels Irreführung abgewiesen.
Die Klägerin verfolgt ihre Klagebegehren mit der Berufung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung näher bestimmter Ordnungsmittel zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) Festnetztelefondienstleistungen, die auf der Grundlage eines Voice-over-IP-Anschlusses realisiert werden und bei deren Inanspruchnahme eine Nutzung von Call-by-Call ausgeschlossen ist, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne auf diesen Ausschluss hinzuweisen, insbesondere, wenn dies geschieht wie in den als Anlage K 1 beigefügten Internet-Auszügen;
hilfsweise: Festnetztelefondienstleistungen, die auf der Grundlage eines Voice-over-IP-Anschlusses realisiert werden und bei deren Inanspruchnahme mit Ausnahme der Verwendung der Verbindungsnetzbetreiberkennzahl 010010 eine Nutzung von Call-by-Call ausgeschlossen ist, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne auf diesen Ausschluss hinzuweisen, insbesondere, wenn dies geschieht wie in den als Anlage K 1 beigefügten Internet-Auszügen;
und/oder
b) Telefon- und Internetdienstleistungen, die regionalen Verfügbarkeitsbeschränkungen unterliegen, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne auf die regionalen Verfügbarkeitsbeschränkungen hinzuweisen;
2. an die Klägerin 872,30 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 15. Juni 2010 zu bezahlen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2011 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Klage ist unbegründet, soweit sie auf das Verbot gerichtet ist, für VoIP-Dienstleistungen ohne Hinweis darauf zu werben, dass diese keine Call-by-Call-Möglichkeit bieten (vgl. Berufungsantrag Ziff. 1. a]).
a) Die Klägerin macht Ansprüche geltend, die sich aus der Unlauterkeit der Werbung gemäß Anlage K 1 ergeben sollen. Soweit sie andere Aussagen der Beklagten zur Stützung ihres Begehrens heranzieht, hat sie damit keine weiteren Streitgegenstände in den Prozess eingeführt.
Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die von einem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat. Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens (vgl. BGH GRUR 2008, 1121 - Freundschaftswerbung im Internet Tz. 16; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 12 UWG Rz. 2.23, jeweils m. w. N.). Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers; will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt; ein neuer Sachvortrag genügt als solcher nicht. Das erfordert insbesondere der Schutz des Beklagten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechts Verteidigung danach ausrichten zu können (vgl. BGH GRUR 2006, 960 - Anschriftenliste Tz. 20; Köhler a. a. O.; jeweils m. w. N.).
Im Streitfall hat die Klägerin ihren Unterlassungsantrag lediglich auf die Werbung gemäß Anlage K 1 gestützt und diese in den Insbesondere-Teil aufgenommen. In späteren Schriftsätzen hat sie zwar weitere Äußerungen der Beklagten zur Stützung des von ihr zu Grunde gelegten Verkehrsverständnisses angeführt, jedoch nicht klargestellt, dass sie darin neue gesonderte Verletzungshandlungen sähe, und diese Äußerungen auch nicht in ihren Antrag aufgenommen. Neue Streitgegenstände sind dadurch nicht eingeführt worden.
b) Die Werbung gemäß Anlage K 1 ist nicht deshalb irreführend, weil sie nicht darauf hinweist, dass beim VoIP-Angebot der Beklagten das Call-by-Call-Verfahren nicht möglich ist.
aa) Das Verschweigen einer Tatsache, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nach der Verkehrsauffassung wesentliche Bedeutung hat, stellt gemäß § 5a Abs. 1 UWG eine unlautere Irreführung dar. Eine Irreführung durch Verschweigen von Tatsachen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, also seine Entschließung zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2011, 846 - Kein T-Anschluss nötig Tz. 21 m. w. N.).
Die im Streitfall angegriffene Internetwerbung richtet sich an Interessenten für Internet- und Telefonanschlüsse und damit an alle Internetnutzer. Diesen ist die im Festnetz gegebene Möglichkeit bekannt, den Betreiber, der eine Gesprächsverbindung herstellt, durch das Verfahren des Call-by-Call zu bestimmen und dadurch zwischen den preisgünstigsten Betreibern auszuwählen (vgl. BGH GRUR 2008, 729 - Werbung für Telefondienstleistungen Tz. 16; Senat, Urt. v. 29. Juli 2010 - 29 U 1589/10 - Ausschluss von Call-by-Call und Preselection, juris, dort Tz. 32). Die angesprochenen Verkehrskreise gehen deshalb davon aus, dass es sich bei diesem Verfahren um eine regelmäßig mit einem Festnetztelefonanschluss verbundene Möglichkeit handelt. Wenn andere Anbieter von Telefondienstleistungen ihr Angebot als Alternative bewerben, mit dem ein Telefonanschluss der Klägerin vollständig ersetzt werden könne, erwartet der Verkehr von deren Telefonanschluss die gleichen Funktionalitäten, die er von den Telefonanschlüssen der Klägerin kennt (vgl. BGH, a. a. O., - Kein T-Anschluss nötig Tz. 23 f.).
bb) Im Streitfall hat die Beklagte indes keine derartige Erwartung der angesprochenen Verkehrskreise geweckt, so dass das Fehlen eines Hinweises darauf, dass die von der Beklagten beworbenen VoIP-Dienstleistungen Call-by-Call nicht zulassen, nicht irreführend ist.
(1) Die Feststellungen zum Verkehrsverständnis kann der Senat selbst treffen. Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (vgl. BGH GRUR 2010, 1125 - Femur-Teil Tz. 50; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 5 UWG Rz. 3.10; jeweils m. w. N.). Da die Mitglieder des Senats zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und im Übrigen durch die ständige Befassung mit - auch im Bereich der Werbung für Telekommunikationsmöglichkeiten angesiedelten - Wettbewerbsstreitigkeiten besondere Sachkunde bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses besitzen, haben sie das im Streitfall erforderliche Erfahrungswissen, so dass auf die Erholung des von der Klägerin zu diesen Fragen angebotenen Sachverständigengutachtens verzichtet werden kann (vgl. BGH GRUR 2006, 937 - Ichthyol II Tz. 27 m. w. N.).
(2) Die angegriffene Werbung begründet beim Verkehr nicht die Erwartung, beim VoIP-Angebot der Beklagten bestünde die Möglichkeit des Call-by-Call-Verfahrens.
Ebenso, wie die angesprochenen Verkehrskreise zwischen Festnetz- und Mobilanschlüssen unterscheiden und ihnen unterschiedliche Erwartungen entgegenbringen (vgl. BGH, a. a. O. - Werbung für Telefondienstleistungen Tz. 16; Senat, a.a.O., - Ausschluss von Call-by-Call und Preselection, Tz. 33), ist ihnen auch bekannt, dass es sich bei Internetverbindungen und herkömmlichen Telefonverbindungen um unterschiedliche Dienstleistungen handelt, die sich unterschiedlicher Technologien bedienen. So kommt bei der Verwendung eines herkömmlichen Telefonanschlusses - ausschließlich - das klassische Telefonnetz zum Einsatz, in dem eine Leitung geschaltet wird, welche die Anrufteilnehmer für die Dauer des Gesprächs miteinander verbindet. Dagegen erfolgt die Übertragung bei Internetverbindungen in einzelnen Datenpaketen, die über das Internet zum empfangenden Rechner geschickt werden; entsprechend bedarf die Nutzung dieser Technologie den Einsatz eines Routers als Zusatzgerät. Die von der Beklagten beworbenen VoIP-Verbindungsleistungen können zwar in das Telefonfestnetz führen, wenn der Angerufene einen entsprechenden Anschluss hat; ihren Ausgang nimmt eine solche Verbindung jedoch immer im Internet. Schon wegen dieser Unterschiede ist es für die angesprochenen Verkehrskreise nicht naheliegend, bei dem Angebot der Beklagten die gleichen Funktionalitäten zu erwarten, die er von den Festnetztelefonanschlüssen der Klägerin kennt.
Zudem hat die Beklagte in der angegriffenen Werbung gemäß Anlage K 1 in keiner Weise auf das Festnetzangebot der Klägerin Bezug genommen und auf diese Weise eine entsprechende Verkehrserwartung geweckt; darin unterscheidet sich der Streitfall signifikant von den Sachverhalten, die den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (GRUR 2011, 846 - Kein T-Anschluss nötig; MMR 2010, 184 [auch diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem unter Bezugnahme auf die Klägerin geworben worden war, wie der Vorentscheidung des OLG Frankfurt, Urt. v. 29. Mai 2008 - 6 U 108/07, juris, dort Tz. 62, entnommen werden kann]) und des Senats (a.a.O., - Ausschluss von Call-by-Call und Preselection und MMR 2009, 562 - Kein T-Anschluss notwendig) zu Grunde lagen.
cc) Für die von der Klägerin nur kursorisch angesprochene Unlauterkeit wegen Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit gemäß § 4 Nr. 2 UWG ist keinerlei Anhaltspunkt vorgetragen oder sonst ersichtlich.
c) Aus den unter b) dargelegten Gründen kann auch der Hilfsantrag zum Berufungsantrag Ziffer 1. a) keinen Erfolg haben.
2. Die Klage ist auch hinsichtlich eines Hinweises auf die eingeschränkte Verfügbarkeit des Komplettanschluss-Angebots der Beklagten (vgl. Berufungsantrag Ziff. 1. b]) jedenfalls unbegründet, weil die angegriffene Werbung einen ausreichenden Hinweis enthielt.
a) Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass die von der Beklagten verwendeten Links mit der Aufschrift Verfügbarkeit keine Hinweise auf die regionalen Verfügbarkeitsbeschränkungen darstellten (vgl. S. 30 d. klägerischen Schriftsatzes v. 11. November 2010 = Bl. 85 d. A. u. S. 28 f. der Berufungsbegründung v. 31. März 2011 = Bl. 209 f. d.A.), ist der Antrag allerdings schon mangels Bestimmtheit unzulässig.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. August 2011 - TÜV II Tz. 36 m. w. N.). Allerdings ist die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht; davon ist im Regelfall auszugehen, wenn über die Bedeutung des an sich auslegungsbedürftigen Begriffs zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen oder wenn zum Verständnis des Begriffs auf die konkrete Verletzungshandlung und die gegebene Klagebegründung zurückgegriffen werden kann (vgl. BGH GRUR 2011, 539 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker Tz. 13 m. w. N.).
Danach ist im Streitfall der verallgemeinernd formulierte Antrag Ziffer 1. b) unbestimmt, weil wegen der Verwendung des Begriffs des Bewerbens, ohne auf die regionalen Verfügbarkeitsbeschränkungen hinzuweisen, unklar bleibt, was der Beklagten konkret verboten werden soll. Zum einen ist zwischen den Parteien umstritten, ob die Werbung unter Verwendung eines mit Verfügbarkeit bezeichneten Links unter den Begriff fällt. Zum anderen ist das von der Klägerin beantragte Verbot nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, weil es auf Grund seiner allgemein gehaltenen Formulierung über die konkrete Gestaltung des beanstandeten Internetauftritts der Beklagten hinausgeht, zumal die Klägerin hier - anders als im Antrag Ziffer 1. a) - davon abgesehen hat, im Antrag auf diese Gestaltung Bezug zu nehmen.
b) Soweit sich die Klägerin zur Begründung dieses Klageantrags darauf stützt, die Beklagte habe jedenfalls nicht rechtzeitig auf die Verfügbarkeitsbeschränkungen hingewiesen (vgl. S. 30 d. klägerischen Schriftsatzes v. 11. November 2010 = Bl. 85 d. A., S. 2 d. Prot. d. landgerichtlichen Termins v. 22. November 2010 = Bl. 105 d. A. u. S. 28 d. Berufungsbegründung v. 31. März 2011 = Bl. 209 d. A.), ist der Antrag schon deshalb unbegründet, weil er die behauptete Verletzungsform verfehlt (vgl. BGH GRUR 2011, 134 - Perlentaucher Tz. 20; Köhler, a.a.O., § 12 UWG Tz. 2.44; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 51 Rz. 11). Denn der Antrag selbst geht davon aus, dass die Beklagte keinerlei Hinweise auf Verfügbarkeitsbeschränkungen erteilt habe. Nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu Grunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts (vgl. S. 10 d. landgerichtlichen Urteils) wies die Beklagte indes jedenfalls in der Unterseite ihres Internetauftritts gemäß Anlage B 15 auf regionale Verfügbarkeitsbeschränkungen hin.
c) Auf die unter a) und b) dargestellten Mängel der Klage brauchte nicht hingewiesen zu werden, denn der Klägerin stehen keine ihrem Begehren entsprechenden materiell-rechtlichen Ansprüche zu (vgl. BGH GRUR 2009, 1075 - Betriebsbeobachtung Tz. 13 m. w. N.). Im Streitfall wird der Verbraucher hinreichend aufgeklärt, so dass die angegriffene Werbung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht irreführend ist.
aa) Ein von der Werbung der Beklagten angesprochener Verbraucher hat bereits aktiv deren Internetseite aufgesucht. Ein solcher Verbraucher verfügt erfahrungsgemäß über die Fähigkeit, einen Link zu erkennen; er wird gerade diejenigen über einen Link verknüpften Seiten aufrufen, die er zur Information über die von ihm ins Auge gefasste Leistung benötigt (vgl. BGH GRUR 2007, 981 - 150% Zinsbonus Tz. 25; GRUR 2005, 690 [692] - Internet-Versandhandel; Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rz. 4.119).
bb) Es ist davon auszugehen, dass sich ein Interessent auf den Unterseiten des Internetauftritts der Beklagten mit der Darstellung der Komplettanschluss-Angebote informiert, weil er auf diese durch den jeweils mit Details beschrifteten Link auf der Eingangsseite des Internetauftritts und den Zwischenseiten hingewiesen wird. Auf den Unterseiten finden sich - optisch in der Art von Karteikartenreitern ausgestaltete und beschriftete - Links (vgl. Anlage B 14); auch diese sieht der angesprochene Verbraucher als zur beworbenen Leistung gehörend an. Bereits durch die Beschriftung eines dieser Links mit Verfügbarkeit wird er darauf hingewiesen, dass die Verfügbarkeit der beworbenen Leistung nicht als Selbstverständlichkeit ohne Weiteres gegeben ist, sondern einer Erläuterung bedarf. Folgt er dem Link, um diese Erläuterung zu erhalten, so öffnet sich eine Unterseite, m der die Anschrift anzugeben ist; das zeigt dem Verbraucher unmissverständlich, dass die Verfügbarkeit der Leistung von dem Ort abhängig ist, an dem sie in Anspruch genommen werden soll, und wirkt einer möglichen Fehlvorstellung ausreichend entgegen.
Darüber hinaus wird der Verbraucher auch durch die Angabe
Verfügbarkeit: Schaltung nur bei Verfügbarkeit von ratenadaptivem ADSL2 von Telefonica (ca. 80 % Netzabdeckung)
auf der Seite mit den Details des Komplettanschlusses (vgl. Anl. B 15) auf die Verfügbarkeitsbeschränkungen hingewiesen. Da der angesprochene Verbraucher davon ausgeht, unter dem Link Details Informationen über die von ihm ins Auge gefasste Leistung zu finden, ist diese Stelle im Internetauftritt ebenfalls geeignet, eine Fehlvorstellung der Verbraucher zu verhindern.
3. Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten (vgl. Berufungsantrag Ziff. 2.) besteht ebenfalls nicht. Da das angegriffene Verhalten der Beklagten nicht wettbewerbswidrig ist, war die klägerische Abmahnung insoweit nicht berechtigt. Auch wenn die ebenfalls abgemahnte, aber wegen Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht mit der Klage verfolgte Werbung für Komplettanschlüsse ohne Hinweis auf das Fehlen der Call-by-Call-Möglichkeit unlauter war und die Abmahnung insoweit ihre Berechtigung hatte, wurde der entsprechende Anspruch der Klägerin auf Teilersatz ihrer Abmahnkosten (vgl. BGH GRUR 2010, 744 - Sondernewsletter Tz. 52) durch die Zahlung von 707,70 € erfüllt.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
OLG München:
Urteil v. 15.09.2011
Az: 29 U 982/11
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