Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 28. November 2005
Aktenzeichen: 11 L 1879/05

(VG Köln: Beschluss v. 28.11.2005, Az.: 11 L 1879/05)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

der Antragsgegnerin aufzugeben, die Befristung der Zuteilung der an die Antragstellerin zugeteilten Rufnummern bzw. Rufnummernblöcke aus der Rufnummerngasse 0190 bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu verlängern, hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, die Befristung der Zuteilung der an die Antragstellerin zugeteilten Rufnummern bzw. Rufnummernblöcke aus der Rufnummerngasse 0190 bis zum 31. Dezember 2006 zu verlängern.

hat keinen Erfolg.

Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint, wobei die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Das Gericht kann dabei offenlassen, ob der Antrag der Antragstellerin dahingehend zu verstehen ist, die Antragsgegnerin generell zu einer Änderung der Vorläufigen Regeln für die befristete Zuteilung von 0190er-Rufnummern zu verpflichten oder ob sie lediglich die Verlängerung der Befristung der individuell ihr gegenüber ergangenen Zuteilungsbescheide für 0190er-Rufnummern anstrebt. Denn beide Begehren haben keine Aussicht auf Erfolg.

Ein Anspruch auf ein entsprechendes Tätigwerden der Antragsgegnerin ergibt sich zunächst nicht aus § 66 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Nach dieser Vorschrift kann die Regulierungsbehörde zur Umsetzung internationaler Verpflichtungen oder Empfehlungen sowie zur Sicherstellung der ausreichenden Verfügbarkeit von Nummern Änderungen der Struktur und Ausgestaltung des Nummernraumes und des nationalen Nummernplanes vornehmen. Das Gericht kann auch insofern offenlassen, ob die Antragstellerin überhaupt Begünstigte der Ermessensvorschrift des § 66 Abs. 2 TKG ist oder ob diese Vorschrift - trotz ihres Satzes 2 - nicht vorrangig oder sogar allein im öffentlichen Interesse ergangen ist und damit der Antragstellerin von vorneherein kein subjektiv-öffentliches Recht einräumt, das einstweilen gesichert werden könnte. Selbst wenn man den subjektiv- rechtlichen Charakter der Norm zugunsten der Antragstellerin unterstellt, fehlt es hier nämlich an den weiteren Voraussetzungen eines Anordnungsanspruches.

Soweit die Antragstellerin sich darauf beruft, sie habe einen Anspruch aus § 66 Abs. 2 TKG in Verbindung mit einer Ermessensreduzierung auf Null, da die Voraussetzungen für eine Änderung des Nummernraumes durch Einstellung der 0190er-Rufnummern nicht vorlägen, verkennt sie bereits den Sachverhalt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bildet die „Einstellung" der 0190er-Rufnummern keine Änderung der Struktur und Ausgestaltung des Rufnummernraumes im Sinne dieser Vorschrift. Im Gegenteil stellt vielmehr die Entscheidung, die Befristung nicht zu verlängern, nur das konsequente Festhalten an der ursprünglich getroffenen Strukturierungsentscheidung dar. Denn bereits die „Vorläufigen Regeln für die befristete Zuteilung von noch freien Rufnummern aus dem Teilbereich (0)190 für ‚Premium Rate'-Dienste" (Vfg 303/1997, Amtsblatt des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation 34/97, S. 1862, im Folgenden: „Vorläufige Zuteilungsregeln") sahen eine lediglich befristete Zuteilung vor; die ursprünglich vorgesehene Befristung bis zum 31. Dezember 2003 ist im Folgenden durch Vfg 51/2001 (Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post - Amtsbl. RegTP -, Nr. 22/2001 S. 3354) auf den 31. Dezember 2005 verlängert worden. Die Entscheidung, nunmehr an dieser Befristung festzuhalten, ist keine Änderung der Struktur und Ausgestaltung des Nummernraumes im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 TKG.

Soweit der Antrag der Antragstellerin dahingehend zu verstehen ist, dass sie nunmehr eine (erneute) Änderung der Vorläufigen Zuteilungsregeln begehrt, durch die die Antragsgegnerin die bisherige Befristung der Rufnummernzuteilung über den 31. Dezember 2005 hinaus verlängert, lässt sich ein derartiger Anspruch ebenfalls nicht aus § 66 TKG ableiten. Die Kammer lässt insofern offen, ob die bloße Befristung einer Zuteilung bzw. deren Verlängerung bereits eine nur unter engsten Voraussetzungen zulässige Änderung der Struktur und Ausgestaltung des Nummernraumes im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 TKG ist oder ob es sich insofern lediglich um eine Modalität der Rufnummernzuteilung im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 3 TKG handelt; die erstgenannte Anspruchsgrundlage dürfte näher liegen, wenn sich der Antrag der Antragstellerin auf eine generelle Änderung der Zuteilungsregeln richten sollte, die letztere Anspruchsgrundlage dürfte dagegen in Erwägung zu ziehen sein, wenn es der Antragstellerin um eine individuelle Abänderung der ihr gegenüber ergangenen Zuteilungsbescheide geht. Unabhängig von der Frage der richtigen Anspruchsgrundlage und dem Vorliegen von deren tatbestandlichen Voraussetzungen scheitert der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch jedenfalls daran, dass die begehrte Änderung im Ermessen der Antragsgegnerin steht. Ein Anspruch auf Vornahme der begehrten Handlung kommt nicht in Betracht, da keine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Antragstellerin vorliegt.

Eine solche Ermessensreduzierung auf Null lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin zunächst nicht aus der „erfolgten Zuteilung" von 0190er- Rufnummernblöcken und Rufnummern ableiten. Denn für die Zuteilungen von 0190er Rufnummern gelten bereits seit 1997 die Vorläufigen Zuteilungsregeln. Diese sahen eine lediglich befristete Zuteilung vor. Die Antragstellerin hat daher niemals ein unbeschränktes Recht zur Rufnummernnutzung erworben; ebensowenig konnte sich allein aus der Zuteilung der Nummern zu irgendeinem Zeitpunkt ein geschütztes Vertrauen darauf entwickeln, dass die Zuteilung der Nummern über das Ende der Befristung hinaus fortbestehen würde. Soweit die Antragstellerin sich nunmehr auf die erheblichen Investitionen für die Entwicklung der Dienste, die Schaffung der sachlichen, technischen und persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung der Dienste und ihre Werbeaufwendungen beruft, ist ihr daher entgegenzuhalten, dass ihr die begrenzte Nutzungsmöglichkeit der Nummern von Anfang an bekannt war und sie daher auch ihre Investitionsentscheidungen entsprechend ausrichten konnte und musste.

Eine Ermessensreduzierung auf Null lässt sich des Weiteren auch nicht aus einer Selbstbindung der Antragsgegnerin ableiten. Denn entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sich die Antragsgegnerin zu keiner Zeit selbst dahingehend gebunden, dass eine Abschaltung von 0190er-Rufnummern erst erfolgen sollte, wenn durch die 0900er-Rufnummern eine in jeder Hinsicht gleichwertige Alternative geschaffen ist. Eine solche Selbstbindung lässt sich insbesondere nicht der im Jahr 2001 getroffenen Entscheidung der Antragsgegnerin entnehmen, die Befristung einmalig bis zum 31. Dezember 2005 zu verlängern. Diese Verlängerung beruhte vielmehr nach der Erläuterung der Antragsgegnerin (vgl. das von der Antragstellerin als Anlage A 23 vorgelegte Schreiben vom 17. Januar 2005) darauf, dass sich die Einführung der 0900er-Rufnummern verzögert hatte, weil Netzbetreiber Mehrwertdiensterufnummern ohne Tarifkennung nicht hätten abrechnen können. Auch aus der Begründung zur Vfg 51/2001, wonach die zeitliche Überlappung der Gewährleistung eines „reibungslosen Übergangs" von den 0190er-Rufnummern auf die 0900er-Rufnummern diene, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich darüberhinausgehend verpflichten wollte oder verpflichtet hätte, die Befristung der 0190er-Rufnummern solange zu verlängern, bis identische Bedingungen für die 0190er und die 0900er-Rufnummerngasse geschaffen sind. Auf die Frage, ob die beiden Rufnummerngassen in jeder Hinsicht als gleichwertige Alternativen einzuschätzen sind, kommt es daher nicht an.

Weitere Gesichtspunkte, die für eine Ermessensreduzierung auf Null sprechen könnten, bestehen nicht.

Soweit die Antragstellerin schließlich geltend macht, die Entscheidung der Antragsgegnerin weise jedenfalls Ermessensfehler auf, vermag dies dem geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Bloße Ermessensfehler begründen allenfalls einen Anspruch auf Neubescheidung, nicht aber - wie hier von der Antragstellerin angestrebt - einen Anspruch auf Vornahme der beantragten Änderung, hier der Verlängerung der Befristung über den 31. Dezember 2005 hinaus. Dies gilt umso mehr, als die hier beantragte Entscheidung auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten zu sehen ist und daher auch diejenigen Inhaber von 0190er-Rufnummern zu schützen sind, die im Vertrauen auf das Auslaufen der Befristung bereits Aufwendungen für die Umstellung auf 0900er-Rufnummern getätigt haben. Eine Sicherung eines Neubescheidungsanspruchs durch eine vorläufige Verlängerung der Befristung scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt aus.

Nur vorsorglich weist die Kammer daher darauf hin, dass sie auch keine Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin angestellten Ermessenserwägungen hat, mit der Folge, dass kein Neubescheidungsanspruch der Antragstellerin besteht.

Die Antragsgegnerin hat zunächst ihrer Entscheidung keine falschen Annahmen zugrunde gelegt. Die Antragstellerin macht insofern geltend, die Antragsgegnerin gehe von falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Erreichbarkeit der 0900er- Rufnummern aus den Mobilfunknetzen aus, da die von ihr erwähnten Verabredungen zwischen vatm (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) und den Mobilfunknetzbetreibern zur Sicherstellung der Erreichbarkeit nicht geeignet seien. Dagegen spricht jedoch bereits, dass die Antragsgegnerin in der Mitteilung Nr. 227/2005 (Amtsbl. BNetzA 18/2005, S. 1339) die Herstellung hinreichender Erreichbarkeit der 0900er-Rufnummern insbesondere aus den Mobilfunknetzen nach der Anhörung durchaus als problematisch und in letzter Konsequenz offen eingeschätzt hat. Aufgrund der zwischenzeitlich verabredeten Verfahrensweise geht sie nunmehr allerdings davon aus, dass die derzeit maximale Erreichbarkeit zugesichert wurde und dass vor diesem Hintergrund weitere Maßnahmen zur Herstellung der erforderlichen Erreichbarkeit überflüssig gewesen seien. Anhaltspunkte dafür, dass diese - teilweise auch prognostische Elemente enthaltende - Einschätzung auf einer Verkennung der Sachlage beruhen, bestehen nicht. Sollten sich die Erwartungen der Antragsgegnerin nicht erfüllen, kann sie zudem erneut über entsprechende regulatorische Maßnahmen nachdenken; auch insofern bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die Antragsgegnerin ihre Aufgaben nicht sachgerecht wahrnehmen wird.

Ferner greift auch der Einwand der Antragstellerin nicht durch, die Antragsgegnerin gehe zu Unrecht von einem vierjährigen Parallelbetrieb aus, da erste Zuteilungen von 0900er-Rufnummern erst zum 1. Januar 2003 erfolgt seien und wegen der mangelnden Erreichbarkeit der 0900er-Nummern allenfalls von einem teilweisen Parallelbetrieb gesprochen werden könne, der für die Diensteanbieter weitgehend nutzlos gewesen sei. Es ist bereits nicht erkennbar, dass es bei der Entscheidung der Antragsgegnerin, eine weitere Verlängerung der Befristung abzulehnen, tragend auf die Länge des Parallelbetriebs angekommen wäre. Im Gegenteil führt die Antragsgegnerin in der Mitteilung Nr. 227/2005, a.a.O., S. 1340, zur Bewertung der im Rahmen der Anhörung ermittelten Belange unter 3.3 aus, ein längerer Parallellauf von 0190 und 0900 erscheine nicht erforderlich, da in der Regel immer nur eine Nummer beworben werde und der Umstellungszeitpunkt seit Jahren bekannt sei. Auch die Formulierung in der Vfg 51/2001, in der von einem Übergangszeitraum von 3 Jahren zur Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs die Rede ist, deutet darauf hin, dass vorrangig technischen Problemen der Umstellung begegnet werden sollte, nicht aber die Möglichkeit eines mehrjährigen parallelen „Testlaufs" beabsichtigt war.

Schließlich verfolgte die Antragsgegnerin auch keinen unzulässigen Zweck, indem sie als Grund für die Einstellung der 0190er-Rufnummern die Herstellung von Wettbewerbsgleichheit, die Tarifflexibilisierung und die Ersetzung des einstufigen durch das zweistufige Zuteilungsverfahren nannte. Die Ansicht der Antragstellerin, diese Belange seien mit den engen Zwecksetzungen des § 66 Abs. 2 TKG nicht zu vereinbaren, ist bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil - wie oben bereits ausgeführt wurde - die Entscheidung der Antragsgegnerin, keine weitere Verlängerung auszusprechen, keine Änderung im Sinne des § 66 Abs. 2 TKG darstellt. Sonstige Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin genannten Ziele sind nicht ersichtlich, da es sich sämtlich um Belange handelt, die in engem Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Nummernraumes stehen.

Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin sind ebenfalls nicht ersichtlich, da die Befristung der Nummernzuteilung seit Jahren bekannt war und die Antragsgegnerin durch die übergangsweise Zulassung von Bandansagen den Interessen von Mehrwertdiensteanbietern ausreichend Rechnung getragen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Bei der Streitwertfestsetzung hat die Kammer das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin angesichts einer Zahl von insgesamt mehr als 10.000 betroffenen Mehrwertdiensterufnummern mit 1.000.000,- EUR bewertet.






VG Köln:
Beschluss v. 28.11.2005
Az: 11 L 1879/05


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