Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 44/99
(BPatG: Beschluss v. 15.03.2000, Az.: 29 W (pat) 44/99)
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Kl. 16 des Deutschen Patentamts vom 15. Oktober 1998 mit der Maßgabe aufgehoben, daß Anmeldetag der 21. Juni 1995 ist.
II. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Anmelderin hatsiehe Abb. 1 am Endeam 1. Januar 1993 für "Lose, dämpfende Verpackungs-Füllkörper und Verpackungsmaterial zum Verpacken und Versenden von Waren" als Warenzeichen angemeldet. Das Anmeldeformular enthielt die zusätzliche Eintragung: "Es wird Schutz für die flächenhafte Darstellung und für die räumliche Gestalt des Zeichens sowie für die Form und Aufmachung der Ware beansprucht". Nach Erörterungen zwischen der Anmelderin und der Markenstelle über die Zulässigkeit einer solchen Markenbeanspruchung hat die Anmelderin mit der am 21. Juni 1995 eingegangenen "Teilungserklärung" die "räumliche Gestalt des Zeichens sowie die Form und Aufmachung der Ware" zum Gegenstand einer Teilungsanmeldung gemacht und "die Priorität der ursprünglichen Anmeldung, nämlich der 1. Januar 1993" in Anspruch genommen. Auf Bescheid der Markenstelle, diese Art von Teilung sei nicht möglich und die sich daraus ergebende Unklarheit der Markenbeanspruchung müsse behoben werden, hat die Anmelderin geltend gemacht, mit der ursprünglichen Markenanmeldung seien zwei voneinander unabhängige Marken zur Eintragung angemeldet worden. Hilfsweise beantrage sie die Eintragung des Zeichens als Bildmarke in flächenhafter Form und die Eintragung des Zeichens als hiervon unabhängige dreidimensionale Marke im Rahmen der "Teilungsanmeldung". Das Patentamt hat daraufhin eine neue Akte im Hinblick auf die Anmeldung einer dreidimensionalen Marke angelegt. Im Verfahren vor dem Patentamt hat die Anmelderin außerdem dem Warenverzeichnis folgende Fassung gegeben: "Verpackungsmaterial, soweit in Kl. 16 enthalten".
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentamts hat mit Beschluß die Anmeldung als Schutzbeanspruchung für eine Bildmarke beurteilt und sie wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie führt zur Begründung aus, das geänderte Warenverzeichnis umfasse auch Verpackungs-Füllkörper wie in der ursprünglichen Beanspruchung und damit die Ware selbst. Dann stelle die Bildmarke die Ware selbst dar ohne über die technische Gestaltung der Ware hinausreichende Elemente. Im übrigen sei das neue Warenverzeichnis unzulässig erweitert gegenüber der Ursprungsfassung.
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde, die sie nicht begründet hat, beantragt die Anmelderin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Dem Warenverzeichnis hat sie auf Hinweis des Senats die ursprüngliche Fassung gegeben.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, und sie hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als für die angemeldete Marke weder ein Freihaltebedürfnis noch das Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft festgestellt werden konnte (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1 i.V.m. § 152 MarkenG) und soweit mit der Anmeldung hilfsweise der Anmeldetag vom 21. Juni 1995 beansprucht wird. Soweit indessen der Anmeldetag, jedenfalls aber die Priorität vom 1. Januar 1993 beansprucht werden, war die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Die anfängliche Behandlung der Anmeldung durch die Markenstelle als Schutzbeanspruchung für eine dreidimensionale Marke ist zutreffend.
Die im Anmeldeformular enthaltene Bemerkung, mit der Anmeldung werde Schutz für zwei unterschiedliche Dimensionen der Marke beansprucht, machte den Inhalt der Anmeldung unzulässig. Es handelte sich um die Anmeldung zweier unterschiedlicher Zeichen, nämlich einer Bild- und einer dreidimensionalen Marke in einer einzigen Anmeldung. Unabhängig von der Frage, daß nach dem zur Zeit der Anmeldung geltenden Warenzeichengesetz die Anmeldung dreidimensionaler Marken nicht vorgesehen war, ist die Doppelanmeldung zweier Marken in einer Anmeldung nicht zulässig. Das Warenzeichengesetz ließ - ebenso wie jetzt das MarkenG - in einer Anmeldung nur ein einziges Zeichen zu (§ 2 Abs. 2 WZG i.V.m. § 1 der Anmeldebestimmungen für Warenzeichen und Dienstleistungsmarken, nach geltendem Recht § 2 Abs. 3 MarkenV). Dies führte zu einer Unbestimmtheit des Anmeldungsinhalts, die vor Erlaß einer Sachentscheidung behoben werden konnte und mußte.
Die hierfür notwendige Klarstellung erfolgte durch die sog. Teilungserklärung der Anmelderin vom 21. Juni 1995 zusammen mit der nachfolgenden schriftsätzlichen Interpretation dieser Erklärung.
Allerdings war die "Teilungserklärung" allein hierfür keine geeignete Grundlage. Zwar läßt der nach § 152 MarkenG zum Teilungszeitpunkt (21. Juni 1995) anzuwendende § 40 MarkenG eine Teilung der Anmeldung zu. Diese Möglichkeit beschränkt sich aber auf die Teilung durch Aufspaltung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der Anmeldung. Ebensowenig wie eine Teilung der Anmeldung im Wege einer Auftrennung der Marke selbst in einzelne Bestandteile zulässig ist (s. auch Althammer/Ströbele/Klaka, 5. Aufl, § 46 Rdn 2), kann im Rahmen einer einzigen Anmeldung die in ihr enthaltene Offenbarung zugleich für eine Bildmarke und eine dreidimensionale Marke genutzt und anschließend zum Gegenstand einer Teilung gemacht werden. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem die vorgeschriebene zweidimensionale graphische Wiedergabe sich für beide Offenbarungen gleichermaßen eignet, also sowohl nach § 8 Abs. 1 MarkenV eine Bildmarke verlautbart und nach § 9 Abs. 1 MarkenV eine dreidimensionale Marke. Es bedarf auch in solchen Fällen zweier getrennter Anmeldungen für die beiden Markenformen.
Der als solche unzulässige, im Wege eines Hauptantrags verfolgte Teilungserklärung hat die Anmelderin indessen mit ihrer nachfolgenden Interpretation einen zulässigen Inhalt gegeben. Mit der hilfsweise erklärten gesonderten Anmeldung einer dreidimensionalen Marke auf der Grundlage der bereits eingereichten Unterlagen hat sie die Weiterbehandlung dieses die Bildmarkenanmeldung überschießenden Anmeldungsinhalts im Rahmen eines neuen, nämlich des vorliegenden Eintragungsverfahrens möglich gemacht, so daß die bis dahin bestehende Unbestimmtheit der Anmeldung behoben ist.
2. Dieser Anmeldung konnte allerdings nur der Eingangstag der sog. Teilungserklärung, der 21. Juni 1995, zugebilligt werden. Der mit Hauptantrag beanspruchte Anmeldetag 1. Januar 1993 ist, wie oben ausgeführt, wegen der damit weiter aufrechterhaltenen Unbestimmtheit des damaligen Anmeldungsgegenstands unzulässig. Die sog. Teilungserklärung erlaubt allerdings durch die nachgereichte hilfsweise Schutzbeanspruchung die Festlegung des Anmeldetags 21. Juni 1995 mit Eingangstag dieser Erklärung. Erst von diesem Zeitpunkt an ist Rechtsklarheit hergestellt. Mangels einer auch für den die Bildmarke überschießenden Teil wirksamen Anmeldung war dann auch kein Raum für eine Zeitrangverschiebung nach § 156 MarkenG im Hinblick auf die nach altem Recht noch unzulässige dreidimensionale Markenform. Aus denselben Gründen kann der Anmeldung auch keine Zeitrangverschiebung nach § 37 Abs. 2 MarkenG zugebilligt werden, da die Behebung des Mangels der Unbestimmtheit einer Anmeldung nicht dem Wegfall absoluter Eintragungshindernisse im Sinne dieser Vorschrift gleicht. Schließlich kann der vorliegenden Anmeldung nicht, wie von der Anmelderin begehrt, zumindest die Priorität des 1. Januar 1993, dem Anmeldetag der parallelen Bildmarkenanmeldung, zuerkannt werden, weil dies die Beanspruchung einer inneren Priorität darstellt, die das Markengesetz nicht vorsieht.
3. Die gegenwärtige Fassung des Warenverzeichnisses ist zulässig. Die Änderung, die die Anmelderin im Verfahren vor dem Patentamt vorgenommen hatte, schuf durch Weglassen der einschränkenden Zweckangabe eine unzulässige Erweiterung, die durch Rückgriff auf die ursprüngliche, engere Fassung behoben ist. Dabei stellt die Wiederaufnahme der zunächst weggefallenen Waren "Lose, dämpfende Verpackungs-Füllkörper" keine Erweiterung dar, weil diese von dem erhalten gebliebenen Oberbegriff "Verpackungsmaterial" umfaßt sind.
4. Der angefochtene Beschluß war bereits deshalb aufzuheben, weil er statt der im vorliegenden Verfahren angemeldeten dreidimensionalen Marke eines "8"-förmigen Füllkörpers ausdrücklich deren Abbildung als Bildmarke beurteilt, insofern den aus dem Parallelverfahren über diese Marke gefaßten Beschluß nahezu wortgleich übernimmt, und damit die vorliegend allein maßgeblichen Schutzvoraussetzungen für eine dreidimensionale Marke (vgl. u.a. den Senatsbeschluß in GRUR 1998, 706 ff. "Montre I"; BPatGE 39, 132 "Weiße Kokosflasche"; BPatGE 39, 158 betr. sog. Dimple-Flasche) unerörtert läßt.
5. Der dreidimensionale Gegenstand der Anmeldung ist nach § 3 Abs. 1 MarkenG markenfähig; dies gilt grundsätzlich auch für dreidimensionale Füllkörper für Verpackungszwecke. Der vorliegend gewählten Form stehen auch keine Schutzausschließungsgründe i.S.d. § 3 Abs. 2 MarkenG entgegen, etwa derart, daß sie durch das Wesen der Ware selbst oder technische Wirkungen bedingt wäre (s. dazu unten). Die im Original dreidimensionale Gestaltung und der Gesamteindruck der angemeldeten Formgestaltung läßt sich der graphischen Wiedergabe auch noch ausreichend entnehmen.
6. Die Marke ist daher nach allgemeinen Grundsätzen auf das Vorliegen von absoluten Eintragungshindernissen insbesondere i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1 MarkenG zu prüfen. Maßgeblich hierfür ist, ob der beanspruchten Form die Eigenschaft als eine das beanspruchte Verpackungsmaterial beschreibende Sachangabe fehlt, die zugunsten der Wettbewerber freigehalten werden muß, und ob sie durch eine ausreichend eigentümliche und originelle Form (BGH BlPMZ 1997, 318, 319 "Autofelge"; Senatsentscheidung a.a.O. "Montre I") auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb hinweist. Dies ist vorliegend der Fall.
Eine Zurückweisung der Anmeldung käme in Betracht, wenn die angemeldete Formmarke nachweislich bereits gegenwärtig als beschreibende Angabe für die beanspruchten Verpackungsmaterialien in Gebrauch wäre. Zwar wird nach den Feststellungen des Senats die der Marke entsprechende Ware gegenwärtig für Verpackungszwecke in großem Umfang verwendet. Es ließ sich indessen nicht feststellen, daß die Marke darüber hinausgehend gegenwärtig für die beanspruchten Verpackungsmaterialien allgemein eine konkret und unmittelbar sachbeschreibende Bedeutung hat und für sie beschreibend verwendet wird.
Auch Anhaltspunkte dafür, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der werblichen Verwendung der angemeldeten Marke für diese Waren haben könnten, sind nicht ersichtlich. An ein solches potentielles Freihaltebedürfnis sind strenge Anforderungen zu stellen. Konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Entwicklung (s. BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE"; 1992, 515, 516 "VAMOS") sind aber weder von der Markenstelle erörtert worden noch haben sie sich für den Senat ergeben. Wie der Senat aufgrund seiner Ermittlungen festgestellt hat, sind die angesprochenen Abnehmer, nämlich weitestgehend Fachleute auf dem gewerblichen Verpackungssektor - Hersteller von Verpackungsmaterial und Verpackungsbetriebe als Dienstleister sowie Versandabteilungen von Warenherstellern oder -händlern (vgl. Gelbe Seiten München 2000/2001 unter "Verpackungen und Verpackungsmittel"), dagegen kaum je Privatpersonen - mit Füllkörpern unterschiedlichen Aussehens befaßt. So finden sich dreipaßähnliche und sternartige Formen, an Kartoffelchips und Gummibärchen erinnernde Gestaltungen, schlichte Kreisformen, schließlich auch die einer "8" angenäherte angemeldete Gestaltung. Diese Artikel dienen übereinstimmend dem Zweck, sich der Form des verpackten Guts anzupassen, die Ware in der Umverpackung zu umgeben und gegen Stöße abzufedern. Über diese Füllkörperformen hinaus ist eine so ausgeprägte Formenvielfalt vorstellbar, daß sich nicht erkennen läßt, inwieweit gerade die von der Anmelderin gewählte Form in naheliegender Weise solche Füllkörper nach ihren Eigenschaften, ihrem speziellen Zweck oder sonstigen wichtigen Merkmalen umfassend oder repräsentativ beschreibt. Insbesondere hat auch die an die Ziffer "8" erinnernde Formgebung im vorliegenden Sachzusammenhang keine erkennbar sachbeschreibende Aussage, da diese Ziffer keine nachweisbaren Zusammenhänge mit Sacheigenschaften solcher Füllkörper, etwa als Kennziffer für physikalische Eigenschaften, Material oder Nutzung oder als eine technisch besonders geeignete Form aufweist. Somit bestehen keine Anhaltspunkte, daß diese besondere Form ernstlich für den hervorgehobenen werblichen Gebrauch durch Wettbewerber frei nutzbar sein und deshalb von Markenschutz freigehalten werden müsse. Diesen Kreisen stehen zur Erzielung der angestrebten Funktion als Verpackungsmaterial ersichtlich viele andere, in ihrer Wirkungsweise gleichermaßen geeignete und zudem weniger materialaufwendige Formen auch in Zukunft zur Verfügung, so daß eine merkliche Behinderung durch eine Monopolisierung der angemeldeten Form nicht zu besorgen ist.
Der Marke kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Wie oben ausgeführt, hat der Senat hat im Rahmen der Beurteilung des Freihaltebedürfnisses keinen für die fraglichen Waren im Vordergrund stehenden sachbeschreibenden Gehalt der Marke im Hinblick auf die angemeldeten Waren (vgl. BGH MarkenR 1999, 347, 348f. - Absolut) feststellen können. Es kann zwar dahingestellt bleiben, ob der Verkehr bei Füllkörpern der vorliegenden Art in jeder der verschiedenen Formgestaltungen zugleich einen Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft sieht. Jedenfalls weist aber die abgebildete, zahlenartige Form auf den ersten Blick weder Elemente von gestalterischer Beliebigkeit (BGH a.a.O., S. 319 "Autofelge") noch ersichtlich eine rein technisch bedingte oder zum Wesen der Ware gehörende Formgestaltung auf. Es handelt sich vielmehr um eine im gegebenen Sachzusammenhang ausreichend phantasievolle Gestaltung, deren Abweichungen zu funktionell vergleichbaren Produkten nicht nur geringfügig sind (vgl. BPatGE 39, 158 betr. sog. Dimple-Flasche), sondern ins Auge fallen und den Verkehrskreisen ersichtlich dazu verhilft, sich - zumindest auch - an dieser Form orientieren und einem einzigen, bestimmten Herkunftsbetrieb zuzuordnen. Dies wurde durch eine Umfrage des Senats bei einschlägigen Unternehmen im Münchener Raum klar bestätigt (Gesichtspunkte für eine mangelnde Repräsentativität dieser Region haben sich insoweit nicht ergeben). Hiernach wird die angemeldete Füllkörperform von allen Konkurrenten als von einem einzigen, bestimmten Hersteller stammend erkannt und im konkreten Fall zudem allein der Anmelderin zugeordnet. Bei dieser Sachlage fehlen im vorliegenden Falle jegliche Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr ungeachtet dieser Marktverhältnisse die Marke als Sachangabe und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis deuten wird.
Meinhardt Dr. Vogel von Falckenstein Guth Cl Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/29W(pat)44-99.3.gif
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Beschluss v. 15.03.2000
Az: 29 W (pat) 44/99
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