Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Februar 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 76/99
(BPatG: Beschluss v. 07.02.2000, Az.: 30 W (pat) 76/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister ist 1995 für die Waren
"Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke"
die Marke 2 908 474 Boaseingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die rangältere, am 21. Januar 1993 für die Waren
"Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen"
angemeldete und bisher noch nicht eingetragene Marke Sch 39 055/5 Wz BONVAS.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Marken könnten sich zwar auch auf identischen Waren begegnen, der allgemeine Verkehr wende aber bei Waren, die die Gesundheit beträfen, eine gewisse Sorgfalt auf, was der Verwechslungsgefahr entgegenwirke. Die Markenbegriffe "Boas" und "BONVAS" hätten die gleiche Silbenzahl und Vokalfolge, besäßen jedoch einen etwas anderen Sprech- und Betonungsrhythmus. Während die angegriffene Marke kürzer gesprochen werde, sei die Widerspruchsmarke durch die Konsonantenkombination "NV" in der Wortmitte etwas langgezogener. Dies gebe den Marken ein ausreichend unterschiedliches klangliches Gepräge, was bei den relativ kurzen Worten genüge, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und darauf hingewiesen, daß die angegriffene Marke in der Widerspruchsmarke vollständig enthalten sei. Auch die Abfolge der Buchstaben sei nahezu identisch. Die zusätzlichen Buchstaben "N" und "V" in der Wortmitte seien nicht geeignet, den Gesamtcharakter derart zu verändern, daß auch für identische Waren von einem ausreichenden Markenabstand gesprochen werden könne. Auch die angegriffene Marke werde letztlich von den Bestandteilen "bo" und "as" geprägt.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und (sinngemäß) die Eintragung der jüngeren Marke zu löschen.
Der Inhaber der jüngeren Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den patentamtlichen Beschluß und die Schriftsätze der Beteiligten im patentamtlichen Verfahren sowie im Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Markenstelle den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).
Die sich registerrechtlich gegenüberstehenden Waren sind teilweise identisch (was die Arzneimittel und pharmazeutischen Erzeugnisse und Präparate für die Gesundheitspflege betrifft), teilweise deutlich ähnlich (diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke). Im Warenverzeichnis ist weder eine Rezeptpflicht oder Apothekenpflicht verankert, so daß Endverbraucher als Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Aber auch diese allgemeinen Verkehrskreise wenden in der Regel bei Produkten, die mit der Gesundheit zusammenhängen, eine gewisse gesteigerte Aufmerksamkeit auf (BGH GRUR 1995, 50, 53 "Indorektal/Indohexal).
Der Entscheidung wurde eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und damit ein durchschnittlicher Schutzumfang zugrunde gelegt. Der Markenbestandteil "VAS" (aus lat. vas, vasis = Gefäß) ist die allgemeine Bezeichnung für alle röhrenförmigen, Körpersäfte führenden Gefäße, z. B. Blutgefäße (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Aufl, S 1613) und könnte mit dem Bestandteil "BON" (frz. bon = gut, tüchtig) auf "gute Blutgefäße" hinweisen, in der Kombination aber ist das Zeichen noch durchaus phantasievoll gebildet, weist eine schutzbegründende Eigenprägung auf und ist damit zur Produktkennzeichnung geeignet.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände muß das angemeldete Zeichen einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalten, um die Gefahr von Verwechslungen ausschließen zu können. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Frage der Ähnlichkeit von zwei Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (EuGH GRUR 1998, 387 - sabèl/Puma; BGH MarkenR 1999, 57 - Lions; BGH MarkenR 1999, 295 - Schlüssel). Für die Bejahung der Markenähnlichkeit reicht regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus, wobei immer auf den Gesamteindruck abzustellen ist. Der klangliche Gesamteindruck von Marken wird besonders bestimmt durch die Silbengliederung, die Vokalfolge und weiters auch durch die Verbindungskonsonanten (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 82). Übereinstimmungen sind regelmäßig stärker prägend als Unterschiede, denn Marken werden häufig aus einem undeutlichen Erinnerungsbild heraus benannt. Bei der Gegenüberstellung von Abweichungen und Übereinstimmungen ist die Länge der jeweiligen Worte aber von entscheidender Bedeutung. Kurzwörter werden durch Abweichungen im Verhältnis stärker beeinflußt als längere Markenwörter, bei mehrsilbigen Worten hingegen kann mitunter sogar eine zusätzliche Silbe den Gesamteindruck nur geringfügig berühren. Mit maßgebend ist, ob die Vergleichswörter Phantasiebegriffe sind oder ob sich für sie, sei es aufgrund einer Anlehnung an eine beschreibende Bedeutung, sei es wegen eines sonstigen Begriffsinhalts, in der Erinnerung eine Merkhilfe finden läßt. Dann nämlich wird eine Abweichung eher auffallen als dies bei reinen Phantasiebegriffen, die praktisch auswendig gelernt werden müßten, der Fall ist. Hier handelt es sich bei den Worten "Boas" und "BONVAS" um relativ kurze Begriffe. Beide haben zwar die gleiche Vokalfolge "oa", beide die gleiche Silbenzahl sowie eine völlige Übereinstimmung in den beiden Erst- und Letztbuchstaben. Dennoch ist dem Verkehr ein hinreichendes Auseinanderhalten der beiden Marken möglich. Das liegt zum einen an der recht ungewöhnlichen unmittelbaren Aufeinanderfolge der Vokale "oa" in der jüngeren Marke, die im allgemeinen Sprachgebrauch selten ist (z. B "Goa", bzw in englischen Wörtern "Toast", "Roastbeef" bei denen sie zu einem einheitlichen Laut verschmelzen), zum anderen an der deutlichen Begriffsstütze, die diese Marke wegen der gleichnamigen Riesenschlange (bzw dem schmalen Pelzumhang, die Federboa) hat. Für den Fachverkehr geben zudem die medizinischen Begriffe "Boas-Druckpunkte" (auf Druck empfindliche Körperstelle links vom Nabel bei Magengeschwür) und "Boasstäbchen" (Lactobakterien) eine Unterscheidungshilfe. Das Widerspruchszeichen "BONVAS" hingegen besitzt wegen der zusätzlichen Mittelkonsonanten "N" und "V" gerade nicht den für die jüngere Marke eigentümlichen Hiatus "oa", sondern erfährt dadurch eine deutlich Trennung dieser beiden Silben. Auch dürfte zumindest der Fachverkehr in der Widerspruchsmarke in dem Bestandteil "VAS" eine begriffliche Unterscheidungshilfe finden. Insgesamt sind somit die Abweichungen noch ausreichend, um ein zum sicheren Unterscheiden ausreichend anderes Gesamtklangbild der beiden Marken bejahen zu können.
Eine schriftbildliche Ähnlichkeit ist angesichts der unterschiedlichen Buchstabenzahl zu verneinen.
Die Beschwerde ist deshalb ohne Erfolg.
Für die Kosten gilt § 71 Abs 1 MarkenG.
Dr. Buchetmann Schramm Schwarz-Angele Mü/Fa
BPatG:
Beschluss v. 07.02.2000
Az: 30 W (pat) 76/99
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