Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Mai 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 48/02
(BPatG: Beschluss v. 23.05.2006, Az.: 6 W (pat) 48/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. März 2002 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Reibungskupplung Anmeldetag: 23. November 1992 Prioritätstage: 26. November 1991 5. März 1992 10. März 1992 18. April 1992 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Ansprüche 1 bis 39 (Seiten 1 bis 8), eingegangen am 23. November 1992, Ansprüche 40 bis 42 (Seite 9), eingegangen am 19. Mai 2006, Beschreibung Seiten 10 bis 101, eingegangen am 23. November 1992, 19 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7, 7a, 8 bis 20, 20a und 21 bis 32, eingegangen am 23. November 1992.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. März 2002 gerichtet, mit dem die vorliegende Anmeldung aus den Gründen des Bescheides vom 9. November 1999 zurückgewiesen worden war. In dem Bescheid war ausgeführt worden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
1) DE-Z: Antriebstechnik 14 (1975) Nr. 12, S. 689 - 693: "Moderne Kraftfahrzeug-Kupplungen, Teil I: Kupplungen für Personenwagen" von Ing. Wolfgang Köck 2) DE 34 20 537 A1 3) Mitteilungen des Technischen Beratungsdienstes der Christian Bauer KG: "Die Berechnung der Tellerfederkräfte - Gestaltung der Kennlinien", Welzheim April 1973, S. 3 bis 5 4) DE 17 75 116 A1 5) DE 29 20 932 C2 6) DE 35 18 781 A1 7) DE 40 13 186 A1.
Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 24. April 2002, eingegangen am 25. April 2002, Beschwerde eingelegt. Mit Schreiben vom 16. Mai 2006 hat sie eine neue Seite 9 vorgelegt und sinngemäß beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche 1 bis 39 (Seiten 1 bis 8), eingegangen am 23. November 1992, Ansprüche 40 bis 42 (Seite 9), eingegangen am 19. Mai 2006, Beschreibung Seiten 10 bis 101, eingegangen am 23. November 1992, 19 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7, 7a, 8 bis 20, 20a und 21 bis 32, eingegangen am 23. November 1992.
Der Anspruch 1 lautet:
"Reibungskupplung (1), insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einer Druckplatte (3), die drehfest, jedoch axial begrenzt verlagerbar mit einem Gehäuse (2) verbunden ist, wobei zwischen Gehäuse und Druckplatte eine die Anpresskraft erzeugende Tellerfeder (4) axial verspannt ist, die einerseits um eine vom Gehäuse getragene Schwenklagerung (12) verschwenkbar ist und andererseits die Druckplatte (3) in Richtung einer zwischen dieser und einer Gegendruckplatte (6), wie einem Schwungrad, einklemmbaren Kupplungsscheibe (8) beaufschlagt, wobei die vom Gehäuse getragene Schwenklagerung (12) von einer zumindest den Verschleiß der Reibbeläge (7) der Kupplungsscheibe kompensierenden, von einer Vorschubeinrichtung (26) weitertransportierten, zwischen Deckel und Tellerfeder wirksamen selbsttätigen Nachstelleinrichtung (16) axial verlagerbar ist und die Tellerfeder in Richtung auf die Schwenklagerung unter der Wirkung einer Abstützkraft steht."
Laut Beschreibung (S. 11, Abs. 2) soll die Aufgabe gelöst werden, Nachstellvorkehrungen der eingangs genannten Art zu schaffen, die in der Praxis auf breiter Basis und auch bei rauhem Betrieb einsetzbar sind, die einen einfachen Aufbau und eine dauerhaft sichere Funktion besitzen, die weiterhin einen geringen Einbauraum benötigen und die preiswert in der Herstellung sind. Außerdem sollen die erforderlichen Ausrückkräfte gering sein, über die Lebensdauer gering bleiben und die Lebensdauer von Reibungskupplungen darüber hinaus noch erhöht werden.
Hinsichtlich der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 42 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
1. Bei den geltenden Ansprüchen 1 bis 42 handelt es sich um die ursprünglichen Ansprüche, sie sind somit zulässig.
2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.
a. Die Reibungskupplung nach Anspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. Denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften zeigt eine Reibungskupplung mit sämtlichen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.
b. Der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Keine der im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften zeigt eine Reibungskupplung mit den Merkmalen, wobei die vom Gehäuse getragene Schwenklagerung von einer zumindest den Verschleiß der Reibbeläge der Kupplungsscheibe kompensierenden, von einer Vorschubeinrichtung weitertransportierten, zwischen Deckel und Tellerfeder wirksamen selbsttätigen Nachstelleinrichtung axial verlagerbar ist und die Tellerfeder in Richtung auf die Schwenklagerung unter der Wirkung einer Abstützkraft steht.
Die Literaturstellen "Antriebstechnik", "Mitteilungen des Technischen Beratungsdienstes", DE 17 75 116 A1 und DE 40 13 186 A1 zeigen noch nicht einmal eine selbsttätig wirkende Nachstelleinrichtung und können bereits von daher keine Anregung zu der beanspruchten Ausgestaltung liefern.
Die DE 34 20 537 A1 erläutert eine Reibungskupplung mit einem Verschleißausgleich an der Membranfederauflage. Dort stützt sich die Membranfeder 4 an am Kupplungsgehäuse 2 vorgesehenen Distanzbolzen 8 derart ab, dass sie zwischen an den Distanzbolzen 8 vorgesehenen Stützköpfen 13 und einem umlaufenden Anlagewulst 10 des Kupplungsgehäuses 2 schwenkbar gelagert ist. Wenn nach längerem Gebrauch bei dieser Reibungskupplung zwischen der Membranfeder 4 und dem Anlagewulst 10 Verschleiß auftritt, wird dieser durch einen die Distanzbolzen 8 umspannenden Ausgleichsring 12 kompensiert. Diese Druckschrift befasst sich aber ausschließlich mit dem an der Membranfederauflage auftretenden Verschleiß, nicht jedoch mit dem an den Reibbelägen auftretenden Verschleiß, wie es Ziel der vorliegenden Erfindung ist (vgl. Anspruch 1, Z. 11 bis 16). Die DE 34 20 537 A1 betrifft somit schon vom Ansatz her etwas grundsätzlich anderes und kann deshalb keine Anregung zum Auffinden der erfindungsgemäßen Lehre geben. Darüber hinaus fehlt sowohl eine Nachstelleinrichtung, welche die Schwenklagerung mittels einer Vorschubeinrichtung axial verlagern kann, als auch eine Abstützkraft, welche die Tellerfeder in Richtung auf die Schwenklagerung abstützt.
Die DE 29 20 932 C2 beschreibt einen Verschleißkompensator für eine federbetätigte Reibscheibenkupplung. Dort ist der Verschleißkompensator aber nicht im Bereich der Schwenklagerung der Tellerfeder, sondern im Bereich des an der Druckplatte 13 vorgesehenen Auflagers für die Tellerfeder 25 angeordnet (vgl. Fig. 2). Weiterhin steht dort die Tellerfeder auch nicht in Richtung auf die Schwenklagerung unter der Wirkung einer Abstützkraft.
Die DE 35 18 871 A1 erläutert eine selbstnachstellende Kupplung, bei der aber ebenfalls keine Verschleißkompensation durch eine axiale Verlagerung der Tellerfeder im Bereich der Schwenklagerung erfolgt, dort ist vielmehr - wie bei der DE 29 20 932 C2 - im Bereich des Auflagers der Tellerfeder 14 an der Druckplatte 12 eine in Richtung auf die Tellerfeder verstellbare Nachstelleinrichtung vorgesehen, welche zur Verschleißkompensation dient. Weiterhin steht auch dort die Tellerfeder nicht in Richtung auf die Schwenklagerung unter der Wirkung einer Abstützkraft.
Auch den von der Anmelderin in den Anmeldungsunterlagen genannten Druckschriften kann keine Ausgestaltung entnommen werden, bei der die Schwenklagerung von einer Nachstelleinrichtung axial verlagerbar ist und die Tellerfeder in Richtung auf die Schwenklagerung unter der Wirkung einer Abstützkraft steht.
Somit vermag der Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau Hinweise auf die beanspruchte Lehre zu geben, da eine Ausgestaltung, bei der die vom Gehäuse getragene Schwenklagerung von einer zumindest den Verschleiß der Reibbeläge der Kupplungsscheibe kompensierenden, von einer Vorschubeinrichtung weitertransportierten, zwischen Deckel und Tellerfeder wirksamen selbsttätigen Nachstelleinrichtung axial verlagerbar ist und die Tellerfeder in Richtung auf die Schwenklagerung unter der Wirkung einer Abstützkraft steht, im gesamten Stand der Technik ohne Vorbild ist.
Der Anspruch 1 ist somit gewährbar. Das gleiche gilt für die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 42, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Reibungskupplung nach Anspruch 1 gerichtet sind.
BPatG:
Beschluss v. 23.05.2006
Az: 6 W (pat) 48/02
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