Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 82/01

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2006, Az.: 26 W (pat) 82/01)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 vom 16. Februar 2001 teilweise aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 396 09 933 in Bezug auf die Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" der angegriffenen Marke zurückgewiesen wurde, und die teilweise Löschung der Marke 399 57 699 für die Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" angeordnet.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Marke 399 57 699 Grafikunter anderem für "Unternehmensverwaltung, Werbung; Mietwagendienste, Kurierdienste, Taxidienste" ist ein auf die vorgenannten Dienstleistungen eingeschränkter Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 395 14 027 SMART, die eingetragen ist für die Waren und Dienstleistungen

"Kraftfahrzeuge und deren Teile (soweit in Klasse 7 enthalten)

Kraftfahrzeuge und deren Teile (soweit in Klasse 12 enthalten)

Vermittlung und Abrechnung von Ersatzkraftfahrzeugen für Leasing- oder Mietkraftfahrzeuge Vermittlung von Versicherungen, auch für Rechtsschutzversicherungen Vermittlung von Parkplätzen für Kraftfahrzeuge Fahr- und Sicherheitstraining; Ausbildung auf dem Gebiet des Kraftfahrwesens Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Technische Beratung und Erstellen von technischen Gutachten Beförderung von Personen und Gütern und Kraftfahrzeugen; Veranstaltung und Vermittlung von Reisen Zimmervermittlung Leasing von Kraftfahrzeugen Vermittlung von Kraftfahrzeugen Begleitende Leistungen bei Leasing und Vermittlung von Kraftfahrzeugen, nämlich Wagenpflege, insbesondere Reinigung, Instandhaltung und Reparatur, einschließlich des Ersatzes aller zur Erhaltung der Betriebsfähigkeit erforderlichen Teile und Zubehör"

sowie ein in gleichem Umfang beschränkter Widerspruch aus der Wortmarke 396 09 933 Smart-Card, die eingetragen ist für die Dienstleistungen

"Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit, Aufstellung von Statistiken, Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, Marketing, Marktforschung und Marktanalyse, Schaufensterdekoration, Unternehmensberatung, Personalberatung, Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere, Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren, Verteilung von Waren zu Werbezwecken, Vervielfältigung von Dokumenten, Werbemittlung, Werbung, Rundfunk und Fernsehwerbung, Kinowerbung, sämtliche Dienstleistungen ausschließlich im Zusammenhang mit dem Kraftfahrwesen Absatzfinanzierung und Kreditrisikoabsicherung, Ausgabe von Kreditkarten, Beleihung von Gebrauchsgütern, Finanzwesen, insbesondere Ausgabe von Reiseschecks, Effektenvermittlung, Geldwechselgeschäfte, Investmentgeschäfte, Kreditberatung, Kreditvermittlung, sämtliche Dienstleistungen ausschließlich im Zusammenhang mit dem Kraftfahrwesen; Leasing, Veranstaltung von Lotterien, Vermittlung von Versicherungen, Versicherungswesen, sämtliche Dienstleistungen ausschließlich im Zusammenhang mit dem Kraftfahrwesen Vermietung von Kraftfahrzeugen."

Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die beiden Wortbestandteile der angegriffenen Marke bildeten einen einheitlichen Gesamtbegriff, der sich dem inländischen Publikum ohne Weiteres erschließe, zumal auch die Grafik der Marke die Einheitlichkeit der Wortfolge herausstelle. Mit einer Verkürzung auf Einzelelemente sei regelmäßig nicht zu rechnen. "Cab" sei nicht in größerem Maße beschreibend als "smart". Auch wenn der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch "smart" wesentlich mitbestimmt werde, so sei nicht davon auszugehen, dass der Verkehr den weiteren Wortbestandteil unberücksichtigt lasse. Zwischen der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke SMART bestehe deshalb keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Da in der angegriffenen Marke der Bestandteil "smart" keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion habe, bestehe zwischen ihr und der Widerspruchsmarke "SMART" auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr.

Im Vergleich zur Widerspruchsmarke "Smart-Card" ständen einander zwei einheitliche Gesamtbegriffe ("smartcab" und "smartcard") gegenüber. Deren Unterschiede seien auch in klanglicher Hinsicht deutlich; i. Ü. würden die unterschiedlichen Bedeutungen einer Verwechslung entgegenwirken.

Hiergegen richtet sich das als "Widerspruch" bezeichnete, mit einem Abbuchungsauftrag für die Beschwerdegebühr versehene Rechtsmittel der Widersprechenden. Sie meint, bei "Smart-Card" könne der Betrachter die jeweils letzten Buchstaben sowohl in klanglicher wie auch in bildlicher Hinsicht mit den entsprechenden Buchstaben im Wortbestandteil der jüngeren Marke verwechseln. Auch zwischen "SMART" und der angegriffenen Marke bestehe Verwechslungsgefahr. Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen seien identisch oder sehr ähnlich. Die Widerspruchsmarke "SMART" habe eine normale Kennzeichnungskraft. Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und wegen der Widersprüche im beantragten Umfang die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

1. Das Rechtsmittel der Widersprechenden ist als Beschwerde zu werten. Diese ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Im Hinblick auf die Anträge in der Widerspruchsschrift, die jüngere Marke für die Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" sowie "Mietwagendienste, Kurierdienste, Taxidienste" zu löschen, sieht der Senat den Widerspruch als allein gegen die Eintragung der vorgenannten Dienstleistungen gerichtet an, wobei sich - wie sich der Widerspruchsbegründung entnehmen lässt - der Widerspruch gegen die Eintragung für die Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" auf die Widerspruchsmarke "Smart-Card" und der Widerspruch gegen die Eintragung für die Dienstleistungen "Mietwagendienste, Kurierdienste, Taxidienste" auf die Widerspruchsmarke "SMART" stützt.

2. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Hierbei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Marken, die eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, genießen einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (vgl. EuGH MarkenR 1999, 22, 23 f. - Canon, st. Rspr.).

Die Widersprechende bewertet die Kennzeichnungskraft des Wortes "SMART" als durchschnittlich und beruft sich auf die Entscheidung des 28. Senats des Bundespatentgerichts in der Sache 28 W (pat) 199/99, in der es allerdings um die Kennzeichnungskraft dieser Bezeichnung für "Kraftfahrzeuge und deren Teile; technische Beratung und Erstellung von technischen Gutachten" ging. Ob der Marke "SMART" dieselbe Kennzeichnungskraft auch für die vorliegend relevanten Dienstleistungen "Beförderung von Personen und Gütern und Kraftfahrzeugen" zukommt, ist zweifelhaft, denn "smart" ist in der Bedeutung "geschickt, pfiffig, clever" für die vorgenannten Dienstleistungen erheblich beschreibender als für die Waren und Dienstleistungen, die der Entscheidung des 28. Senats zugrunde lagen. Wie hoch der Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die hier maßgeblichen Dienstleistungen letztlich anzusetzen ist, kann aber dahinstehen, weil es hierauf für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht entscheidend ankommt. Jedenfalls ist die Kennzeichnungskraft des Wortes "SMART" im Hinblick auf diese Dienstleistungen nicht höher als durchschnittlich.

Die Kennzeichnungskraft von "Smart-Card" für die relevanten Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" ist deutlich unterdurchschnittlich, weil "SmartCard" ein gängiger Begriff für Chipkarten mit Mikroprozessor, ROM und aufladbarem Speicher ist, so dass eine SmartCard allgemein z. B. als Geldkarte etc. benutzt werden kann (http://de.wikipedia.org/wiki/Smart_Card).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen. Hierbei ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart abzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich diesem nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH vom 22. Juni 1999 - Lloyd, zu finden auf der Website des EuGH curia.eu.int).

In bildlicher Hinsicht besteht zwischen den einander gegenüberstehenden Marken keinerlei Ähnlichkeit, weil die grafische Gestaltung der (farbig beanspruchten) jüngeren Marke, die in den Widerspruchsmarken keine Entsprechung hat, nicht zu übersehen ist.

In klanglicher Hinsicht besteht keine Ähnlichkeit zwischen der Widerspruchsmarke "SMART" und dem Wortbestandteil "smartcab" der angegriffenen Marke. Der Senat teilt die Beurteilung der Markenstelle, dass es sich bei "smartcab" um einen Gesamtbegriff handelt, der nicht auf einen seiner Bestandteile verkürzt wird. Der Verkehr wird sich daher bei der angegriffenen Marke auch nicht allein an dessen Bestandteil "smart" orientieren. Eine klangliche Ähnlichkeit zwischen der angegriffenen Marke mit dem insoweit selbständig kennzeichnenden Wortbestandteil "smartcab" und der Widerspruchsmarke 396 09 933 "Smart-Card" ist dagegen nicht zu verneinen. Der Senat sieht sie als mittelgradig ähnlich an. Zwar sind "Smart-Card" und "smartcab" Gesamtbegriffe mit unterschiedlicher Bedeutung, was einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich entgegenwirken kann, denn - wie bereits oben ausgeführt - ist eine "Smart Card" eine Chipkarte mit Mikroprozessor, ROM und aufladbarem Speicher, während "cab" ein englisches Wort für "Taxi" ist, was weiten Teilen der angesprochenen Verkehrskreise bekannt ist. Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall aber, dass beide Begriffe für die relevanten Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" nicht beschreibend sind, was die erforderliche sofortige Erfassbarkeit ihrer Begriffsgehalte erschweren dürfte.

Die im Verzeichnis der jüngeren Marke aufgeführte Dienstleistung "Werbung" umfasst auch "Werbung ausschließlich im Zusammenhang mit dem Kraftfahrwesen", für die die Widerspruchsmarke "Smart-Card" Schutz genießt, so dass insoweit Dienstleistungsidentität besteht. Die mit der angegriffenen Marke des Weiteren beanspruchte Dienstleistung "Unternehmensverwaltung" ist zwar so nicht im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke "Smart-Card" enthalten, dafür aber eine Vielzahl von Einzeldienstleistungen, die im Rahmen der Unternehmensverwaltung anfallen. Auch insoweit geht der Senat daher von identischen bzw. hochgradig ähnlichen Dienstleistungen aus.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Feststellung zur Ähnlichkeiten der einander gegenüberstehenden Marken, der Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit und der jeweiligen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der Dienstleistungen "Mietwagendienste, Kurierdienste, Taxidienste", weil zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 395 14 027 "SMART" keine relevante Markenähnlichkeit besteht. Dagegen ist hinsichtlich der Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Werbung" unter Berücksichtigung identischer bzw. hochgradig ähnlicher Dienstleistungen und mittelgradiger Ähnlichkeit der Marken in klanglicher Hinsicht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 396 09 933 "Smart-Card" trotz unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht zu verneinen.

3. Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.






BPatG:
Beschluss v. 26.04.2006
Az: 26 W (pat) 82/01


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