Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 19/05

(BPatG: Beschluss v. 02.08.2005, Az.: 27 W (pat) 19/05)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. November 2004 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch den angegriffenen Beschluss der IR-Marke 805 426 NAVpiloteingetragen für Klasse 9: Autopilot controllers for ships/boats, global positioning system receivers (GPS receivers), satellite navigational apparatus, track indicating apparatus and instruments for ships/boats, position measuring apparatus for ships/boats, bearing measuring device for ships/boats, gyrocompasses, marine compasses, computer programsden Schutz für die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 MMA, §§ 107, 113 Abs.1, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verweigert.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Schutzgewährung stehe das Hindernis des Freihaltebedürfnisses entgegen. Die Angabe "NAVpilot" beschreibe die hier zum Schutz angemeldeten Waren, die maßgeblich und spezifisch den Bereich der Navigationsgeräte beträfen, unmittelbar in Bezug auf deren Beschaffenheit und Verwendungszweck. Denn das Markenwort bestehe aus der Abkürzung NAV, die für "Navigation" stehe, während "pilot" in dem hier maßgeblichen Warenbereich ein Steuerungsgerät darstelle. Auch die angemeldeten Waren könnten Steuergeräte darstellen, die der Navigation dienten, Bestandteile solcher Navigationsgeräte oder für die Verwendung in solchen Geräten bestimmt sein. Ebenso wirke sich eine denkbare Mehrdeutigkeit des Begriffes nicht schutzbegründend aus, da der Begriff in wenigstens einer seiner denkbaren Bedeutungen rein beschreibend sei. Auch die grafische Ausgestaltung der angemeldeten Marke sei nicht geeignet, deren Schutzfähigkeit zu begründen, denn ihr wohne keine kennzeichenkräftige Verfremdung inne. Vielmehr handele es sich um Gestaltungselemente, die sich im Rahmen des allgemein Üblichen hielten. Sie beschränkten sich auf den Wechsel der Schriftart in den Bestandteilen "NAV" und "pilot", welcher der Erfassung des Sinngehalts der Begriffe unterstütze, sowie auf eine Unterstreichung des gesamten Wortes. Die Schutzbewilligung in Großbritannien könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Ob darüber hinaus der Versagungsgrund der fehlenden Unterscheidungskraft vorliege, könne dahingestellt bleiben.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie hält das angemeldete Zeichen für schutzfähig, weil es nicht freihaltebedürftig sei und zudem die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise. In Bezug auf die tatsächliche Wahrnehmung des Markenwortes durch die angesprochenen Verkehrskreise legt sie 28 wortgleich formulierte Erklärungen verschiedener Privatpersonen vor, die darin bekunden, sie seien seit Jahren mit der Hobbyseefahrt befasst und würden die hier betroffene Marke nicht als beschreibend für eine Autopilotsteuerung oder eines globalen Navigationssystems ansehen, dies gelte erst recht angesichts der bildlichen Ausgestaltung der Marke. Zudem trägt die Markeninhaberin vor, der Marke sei in einer Reihe europäischer Staaten bereits Schutz gewährt worden, absolute Schutzhindernisse seien letztlich nicht zum Tragen gekommen. Lediglich in Japan würden noch relative Schutzhindernisse überprüft.

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der IR-Marke 805 426 Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Für die den Schutz begehrende Marke vermag ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden. Der angemeldeten Marke kann auch die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden.

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind unter anderem solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, sollen von allen Unternehmen frei verwendet werden können und dürfen nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD). So liegt der vorliegende Fall indessen nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass das Markenwort als konkret beschreibende Aussage für Selbststeuerungsanlagen und Navigationsinstrumente und -geräte, für Software, geschweige denn für Schiffskompasse, verwendet wird oder einen Begriff darstellt, dessen beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass er seine Funktion als Sachbegriff für die genannten Geräte ohne weiteres erfüllen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn. 380). Das Markenwort "NAVpilot" repräsentiert keine rein beschreibende Angabe für die hier beanspruchten Waren, da es aus einer freien Zusammensetzung zweier auf einen Bestimmungszweck des Waren als Navigationsgeräte anspielenden Abkürzungen besteht, die jedoch nicht direkt beschreibend für die beanspruchten Waren angesehen werden kann. Die Buchstabenfolge "NAV" deutet im Zusammenhang mit den in Anspruch genommenen Waren auf den bekannten Begriff der "Navigation" hin, also auf die "Gesamtheit der Maßnahmen zur Bestimmung des Standorts und zur Einhaltung des gewählten Kurses" (vgl. DUDEN, Bd. 5 <Fremdwörterbuch>, 6. Aufl., Stichwort: Navigation, der Sache nach ebenso: http://de.wikipedia.org/wiki/Navigation). Wenn auch "Nav." einen Hinweis auf "Navigation" gibt und sogar eine anerkannte Abkürzung hierfür darstellt, so findet diese Abkürzung nach den Recherchen des Senats jedenfalls im allgemeinsprachlichen Kontext weder für den Bereich der Schifffahrt im Allgemeinen noch der Schiffsnavigation bzw. betreffend Autopiloten oder GPS-Systeme im Speziellen eine relevante Verwendung. Soweit festgestellt werden konnte, kommt allenfalls der Begriff "Navi" als gängige Abkürzung für "Navigation" in Betracht. Diese Abkürzung wird aber in dem Markenwort nicht verwendet. Das Wort "Pilot" wiederum ist ebenfalls nicht als unmittelbar beschreibend für die genannten Geräte anzusehen. Er entstammt dem Bereich der Luftfahrt und bezeichnet dort fachterminologisch einen Flugzeugführer, das Wort wird zudem für Autorennfahrer verwendet. In der Seefahrt findet es dagegen - außer gelegentlich für Rennbootfahrer - jedenfalls in heutiger Zeit regelmäßig keine Verwendung, ein Schiffsführer wird nicht als "Pilot", sondern als "Skipper" oder auch als Lotse oder Steuermann bezeichnet (vgl. http://www.schifffahrtslexikon.de/lexikon/lemma/def/steuermann_de.htm). Soweit das Wort "pilot" im Bereich der Computertechnik auch als Sachbegriff für ein "Steuergerät" im Sinne einer gerätetechnischen elektronischen Steuereinheit angesehen werden kann, kommt dies jedenfalls für die vorliegend in Anspruch genommenen Waren nicht in Betracht. Solche Geräte werden nach den Ermittlungen des Senats im allgemeinen Sprachgebrauch nicht abgekürzt als "Pilot" bezeichnet. Daher erweist sich die Wortkombination für die in Anspruch genommenen Waren weder als gegenwärtig noch zukünftig freihaltebedürftig.

Soweit andere Senate des Bundespatentgerichts den Begriff "Pilot" im technischen Bereich regelmäßig als Synonym für "Steuergerät" im Sinne einer elektronischen Steuereinrichtung angesehen haben und entsprechende Wortkombinationen als rein beschreibende Sachangabe angesehen haben (vgl. Bundespatentgericht 24 W (pat) 355/03 - Krisenpilot; 30 W (pat) 222/95 - GRAPHIC-PILOT; 24 W (pat) 73/96 - MULTI-PILOT; 30 W (pat) 66/02 - NETPILOT; 30 W (pat) 56/02 - PARKPILOT; 33 W (pat) 348/01 - PressPilot; 24 W (pat) 288/03 - processpilot; 24 W (pat) 48/95 - CNC-Pilot; sämtlich auszugsweise veröffentlicht auf der PAVIS-CD-RM), unterscheiden sich die dortigen Sachverhalte von dem vorliegenden Fall. Diese zurückgewiesenen Markenworte erweisen sich - anders als hier - zum einen als sprachüblich gebildet, insbesondere sind sie auch nicht in einzelnen Bestandteilen aus - geläufigen oder auch seltenen - Abkürzungen gebildet, sondern aus mehreren vollständigen Worten. Hier handelt es sich jedoch sogar um zwei Abkürzungen, die beide nach den Recherchen des Senats als Beschreibung für die mit ihnen gekennzeichneten Waren keine Verwendung finden.

Gleiches gilt für die Beurteilung des Schutzhindernisses der mangelnden Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, die dem vorliegenden Markenwort jedoch nicht abgesprochen werden kann. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (stdg. Rspr., BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn. 70 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist einerseits auf die in Anspruch genommenen Waren, andererseits auf die vermutete Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittverbrauchers dieser Waren abzustellen (EuGH, GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2). Enthalten die Wortbestandteile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).

So liegt der Fall hier aber nicht. Wie dargelegt, handelt es sich bei dem Markenwort "NAVpilot" nicht um eine unmittelbar beschreibende Sachangabe. Ohne Berücksichtigung der in dieselbe Richtung weisenden, von der Markeninhaberin eingereichten zahlreichen Erklärungen aus Kreisen des angesprochenen Verkehrs, deren Verwertung im Verfahren allerdings schon deswegen Bedenken entgegenstehen, weil sie nur Meinungen einzelner Personen wiedergeben, nicht aber einzelne Gedankenschritte zur Erfassung der Bedeutung des Markenwortes erkennen lassen, die eine eigene Schlussfolgerung ermöglichen, ist auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Unterscheidungskraft festzustellen, dass das Markenwort zwar beschreibende Anklänge beinhaltet. Diese werden letztlich aber erst aufgrund mehrerer interpretierender Zwischenschritte verständlich. "NAV" weist auf einen Zusammenhang mit Navigation hin, der zunächst ergänzt werden muss, der im Markenwort verwendete Begriff "Pilot" erschließt sich zudem im Zusammenhang mit den in Anspruch genommenen Waren erst aus der gedanklichen Assoziation zu "Autopilot", wobei es sich um eine selbsttätige (Fahrzeug- oder Schiffs-) Steuerungsanlage handelt, die die Führung der Fahrzeuge zu dem angestrebten Ziel, vor allem das Halten des optimalen Kurses, ermöglicht (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Autopilot). Zur Erfassung der dem Wort "NAVpilot" innewohnenden Begrifflichkeit sind demnach mehrere Interpretationsschritte erforderlich, die der Annahme entgegenstehen, der angesprochene Verkehr könnte das Markenwort ohne weiteres und ohne Unklarheiten als reine Sachangabe auffassen. Die Marke ist als sprechende Marke - mit einem dementsprechend geringen Schutzumfang - anzusehen, aber auch als solche ist sie als Identifikationsmittel für die Produkte und als Hinweis auf einen Hersteller geeignet und kann ihrer Funktion als Marke gerecht werden. Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die grafische Ausgestaltung des Markenwortes, dessen Buchstabenfolge zunächst Großbuchstaben, gefolgt von Kleinbuchstaben aufweist, die mit einer sich verjüngenden und zum Wortende hin auslaufenden Linie unterstrichen ist, unabhängig vom Markenwort die notwendige Unterscheidungskraft hätte begründen können.

Dr. van Raden Richter Schwarz istwegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert.

Dr. van Raden Prietzel-Funk Na






BPatG:
Beschluss v. 02.08.2005
Az: 27 W (pat) 19/05


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