Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. September 2004
Aktenzeichen: 8 W (pat) 33/02
(BPatG: Beschluss v. 09.09.2004, Az.: 8 W (pat) 33/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Patentanmeldung 44 45 232.2-14 mit der Bezeichnung "Werkzeugaufnahmeschaft mit Rundlaufeinstellungsmöglichkeit der zum Einsatz kommenden Werkzeuge" ist am 17. Dezember 1994 beim Patentamt eingegangen. Patentanspruch 1 (entspricht Hilfsantrag) lautet danach wie folgt:
"Werkzeugaufnahmeschaft mit Rundlaufeinstellungsmöglichkeit der zum Einsatz kommenden Werkzeuge, wobei der zylindrische Werkzeugschaft eines Werkzeuges in der Ausnehmung der Aufnahme fast spielfrei aufgenommen ist, und durch Madenschrauben verdreh- u. auszugssicher gehalten wird, ist dadurch gekennzeichnet, daß der zylindrische Werkzeugschaft (1) eines Werkzeuges (2) nur ca. der Hälfte (3) seiner Länge in der Ausnehmung (6) im Aufnahmeschaft (4a) der Aufnahme (4) fast spielfrei aufgenommen ist und durch mindestens einer eingebrachten Schraube (5) verdreh- u. auszugssicher gehalten wird. Im vorderen Spanbereich ist die Ausnehmung (7) zum Werkzeugschaft (1) mit etwas Spiel (Luft) gefertigt, wodurch dann über die eingebrachten Schrauben (8) im Aufnahmeschaft (4a) durch Drehen dieser Schrauben auf den Werkzeugschaft (1) in diesem Bereich (9) Druck ausgeübt werden kann."
Auf den Prüfungsbescheid vom 7. August 1995 hin, wonach der Gegenstand der Anmeldung mit Rücksicht auf folgenden Stand der Technik
(1) DE 41 27 770 A 1
(2) DE 35 01 889 C1 und
(3) DE 39 09 077 A 1 nicht schutzfähig sei, hat der Anmelder am 21. Oktober 1995 folgenden geänderten Patentanspruch 1 mit der Bezeichnung "Werkzeugaufnahmeschaft mit Rundlaufeinstellungsmöglichkeit der zum Einsatz kommenden Werkzeuge bzw. deren wesentlich auf nur ca. 3 mm verkürzten Umfangschneiden" eingereicht (entspricht Hauptantrag):
"Werkzeugaufnahmeschaft mit Rundlaufeinstellungsmöglichkeit der zum Einsatz kommenden Werkzeugschneiden bzw. deren wesentlich verkürzten Umfangschneiden, wobei der zylindrische Werkzeugschaft eines Werkzeuges im hinteren Spannbereich in der Ausnehmung der Aufnahme spielfrei aufgenommen ist und z.B. durch Madenschrauben oder eine Gewindeverbindung verdreh- u. auszugssicher gehalten wird, ist dadurch gekennzeichnet, daß der zylindrische Werkzeugschaft (1) eines Werkzeuges (2) nur ca. der hinteren Hälfte (3) seiner Länge in der Ausnehmung (6) im Aufnahmeschaft (4a) der Aufnahme (4) spielfrei aufgenommen ist. Im vorderen Spannbereich ist die Ausnehmung (7) zum Werkzeugschaft (1) mit etwas Spiel (Luft) gefertigt, wodurch dann über die eingebrachten Schrauben (8) im Aufnahmeschaft (4a) durch Drehen dieser Schrauben auf den Werkzeugschaft (1) in diesem Bereich (9) Druck ausgeübt werden kann."
Wegen des - nach Haupt- und Hilfsantrag identischen - Wortlauts der rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Akten Bezug genommen.
Die Anmeldung ist mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 23 B vom 4. Juni 2002, zugestellt am 20. Juni 2002, zurückgewiesen worden, weil der Gegenstand des geänderten Patentanspruchs 1 - wie bereits in den Prüfungsbescheiden vom 12. Februar 1999 und vom 17. Oktober 2001 ausgeführt - gegenüber der Ursprungsoffenbarung unzulässig erweitert sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 11. Juli 2002, eingegangen am 13. Juli 2002. Er meint, das u.a. geänderte Teilmerkmal, wonach der Werkzeugschaft im hinteren Spannbereich "spielfrei" in der Ausnehmung der Aufnahme aufgenommen ist, könne der Beschreibung zweifelsfrei entnommen werden. Zumindest der Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1 sei sowohl neu als auch erfinderisch.
Der zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladene Anmelder hat am 8. September 2004 dem Sitzungsdienst telephonisch mitgeteilt, dass er am Erscheinen zum festgesetzten Termin verhindert sei. Seitens des juristischen Senatsmitglieds fernmündlich auf die potentiellen prozessualen Risiken seines Ausbleibens hingewiesen, lehnte der Anmelder eine - wiederholt angebotene - Terminsverlegung mit dem ausdrücklichen Wunsch ab, der Senat möge die Beschwerde in seiner Abwesenheit "durchziehen", zumal er die vorliegenden Unterlagen als für eine abschließende Entscheidung ausreichend erachte.
Entsprechend dieser - als Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage zu wertenden - Äußerung beantragt der Beschwerdeführer sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das nachgesuchte Patent gemäß Hauptantrag mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentanspruch 1, eingegangen am 21. Oktober 1995,
- Patentansprüche 2 bis 10,
- Beschreibung Spalten 1 bis 3 und - 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, jeweils wie Offenlegungsschrift;
Hilfsweise beantragt er, das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 10,
- Beschreibung Spalten 1 bis 3,
- 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, jeweils wie Offenlegungsschrift.
Zur mündlichen Verhandlung ist der Anmelder, wie angekündigt, nicht erschienen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dabei kann die Frage, ob Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag über die ursprüngliche Offenbarung hinausgeht und daher wegen unzulässiger Erweiterung nicht gewährbar ist (§ 38 PatG) ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Haupt- oder Hilfsantrag gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und erfinderisch ist. Denn es liegen bereits mangelfreie Unterlagen, die die Erteilung des nachgesuchten Patents rechtfertigten, nicht vor:
1. Nach § 34 Abs. 3 PatG iVm §§ 4 Abs. 4; 8 Abs. 7 S. 3, 4 PatAnmV sind Patentansprüche so zu fassen, dass sie den Gegenstand des begehrten Schutzrechts wiedergeben; sie müssen mithin diejenigen Angaben enthalten, die zur Bestimmung dessen erforderlich sind, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Dabei sind diese Angaben, die ohne Rekurs auf Bezugszeichen aus sich heraus verständlich zu sein haben, unter Vermeidung von Weitschweifigkeit knapp sowie insbesondere klar und deutlich zu formulieren (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdnr. 56, 58 f.).
a. Diesen Anforderungen wird Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nicht gerecht: Nicht nur enthält der Oberbegriff die unbestimmte und damit unzulässige Angabe "Werkzeugschneiden bzw. deren wesentlich verkürzte Umfangschneiden", eine Formulierung, die offen lässt, ob Werkzeugschneiden und Umfangschneiden kumulativ (und/oder) oder ausschließend alternativ (entweder - oder) erfasst sein sollen. Als die Erteilungsfähigkeit hindernden gravierenden Mangel erachtet es der Senat, dass im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 genannte "eingebrachte Schrauben (8)", über welche (durch Drehen) Druck auf den Werkzeugschaft ausgeübt werden kann, jeglicher näherer Bestimmung entbehren. Zwar ist im Oberbegriff bereits von "Madenschrauben" die Rede. Insofern diese jedoch nur fakultativ neben oder anstelle einer Gewindeverbindung genannt sind, ist für den Fachmann ausgeschlossen, dass die im Kennzeichen erwähnten "eingebrachten Schrauben (8)" durch diese "Madenschrauben" eine nähere Bestimmung erfahren. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass die Madenschrauben der verdreh- und auszugssicheren Halterung des Werkzeugschafts im hinteren Spannbereich in der Ausnehmung der Aufnahme, d.h. der Fixierung des Werkzeugschafts dienen, während die Schrauben (8) das im vorderen Spannbereich vorhandene Spiel zwischen Ausnehmung und Werkzeugschaft zu dessen Justierung durch Druck auf den Werkzeugschaft nutzen sollen. Lässt Patentanspruch 1 demnach jegliche nähere Bestimmung der "eingebrachten Schrauben (8)" vermissen, mangelt es an der erforderlichen Klarheit des Gegenstands, für welchen Schutz beansprucht wird.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Unteransprüche an mangelnder Klarheit leiden. Wenn Anspruch 6 beispielsweise ein "anderes Maß" von "Durchmesser des Werkzeugschafts (1) und ... Ausnehmung ... im hinteren Bereich" zum "vorderen Spannbereich" vorsieht, bleibt gänzlich unbestimmt, welcher Art das beanspruchte andere Maß ist. Auch lässt Anspruch 7 offen, welches die "Stelle" ist, bis zu der die Ausnehmung in der Aufnahme reichen kann. Schließlich steht die nach dem (als Unteranspruch formulierten) Anspruch 10 vorgesehene Einsatzmöglichkeit der erfindungsgemäßen Rundlaufeinstellungsmöglichkeit "in anderen Bereichen" nicht nur im Widerspruch zu Anspruch 1; die Angabe ist darüber hinaus unklar, da offen bleibt, für welche weiteren Einsatzmöglichkeiten Schutz beansprucht wird.
Sind demnach die Unterlagen gemäß Hauptantrag angesichts der aufgezeigten Mängel nicht erteilungsfähig, konnte auch dem primären Begehren des Anmelders nicht entsprochen werden.
b. Für die Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag gilt im Ergebnis nichts anderes: Denn das Kennzeichen von Patentanspruch 1 ist insofern widersprüchlich formuliert, als dort von "eingebrachten Schrauben" die Rede ist, welche einerseits (als "mindestens eine eingebrachte Schraube 5") den Werkzeugschaft in der Ausnehmung der Aufnahme verdreh- und auszugssicher halten, andererseits jedoch als "eingebrachte Schrauben 8" dazu dienen, im vorderen Spannbereich durch Drehen Druck auf den Werkzeugschaft auszuüben. Zwar wird an Hand der unterschiedlichen Bezugsziffern 5 und 8 kenntlich, dass es sich dabei um verschiedene Schrauben handeln soll, die an unterschiedlichen Stellen angebracht sind und dort einerseits die Funktion der Fixierung (Schrauben 5), andererseits diejenige der Justierung (Schrauben 8) übernehmen. Dies findet jedoch im Wortlaut des Patentanspruchs 1 keinen hinreichenden Niederschlag. Damit wird die Anspruchsfassung dem Erfordernis nicht gerecht, wonach Ansprüche so klar gefasst sein müssen, dass der Gegenstand, für welchen Schutz begehrt wird, ohne Rekurs auf derlei Bezugszeichen klar und deutlich bestimmt ist.
Dass die - unter oben, lit. a., beispielhaft angeführten - Mängel der Unteransprüche 2 bis 10 gemäß Hauptantrag auch für diese Ansprüche gemäß Hilfsantrag gelten, bedarf angesichts des identischen Wortlauts keiner näheren Erörterung.
2. Ohne die Mitwirkung des in der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Anmelders war der Senat gehindert, die aufgezeigten Unklarheiten zu beheben. Denn nach dem Grundsatz der Antragsbindung darf das Gericht ein vom vorliegenden (Haupt- oder Hilfs-)Antrag abweichendes Patent im Erteilungsbeschwerdeverfahren nicht erteilen. Kann den Anträgen, wie hier, aus zwingenden patentrechtlichen Gründen nicht entsprochen werden, hat es die Beschwerde vielmehr zurückzuweisen.
Von der prozessualen Möglichkeit, von einer negativen Entscheidung zunächst abzusehen und den Anmelder nach Übergang ins schriftliche Verfahren auf die bestehenden Bedenken gegen die geltenden Anspruchsfassungen hinzuweisen, um ihm auf diese Weise Gelegenheit zur Anpassung der Patentansprüche zu geben, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht. Unabhängig davon, dass ein Beteiligter keinen Anspruch auf Mitteilung der vorläufigen Auffassung des Gerichts hat, war eine solche Verfahrensweise - auch mit Rücksicht auf das Gebot des rechtlichen Gehörs - nicht veranlasst. Denn dem Anmelder ist im Beschwerdeverfahren ebenso wie im vorausgegangenen patentamtlichen Verfahren rechtliches Gehör in hinreichendem Maße gewährt worden. Nicht nur hatte er die - von ihm auch genutzte - Gelegenheit, seine Argumente schriftsätzlich vorzutragen; ihm war überdies die Möglichkeit eingeräumt worden, in der mündlichen Verhandlung, welche der Senat bei der gegebenen Sach- und Rechtslage für sachdienlich erachtet (§ 78 Nr. 3 PatG) und deshalb anberaumt hatte, seine Anträge dem Ergebnis der Erörterung anzupassen (§§ 90, 91 PatG). Der Sinn einer mündlichen Verhandlung liegt vor allem darin, dass das Gericht in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) den Anmelder auf etwaige Mängel und Unklarheiten in den geltenden Unterlagen hinweisen und auf die Formulierung erteilungsreifer Unterlagen hinwirken kann (Schulte, PatG 6. Aufl., § 91 Rdnr. 2). Wenn der Anmelder freiwillig auf das Erscheinen vor Gericht verzichtet und damit die Gelegenheit ungenutzt lässt, auch mündlich rechtliches Gehör zu erhalten, so hat er den mangelnden Erfolg seines Rechtsbehelfs selbst zu verantworten. Dies gilt umso mehr, als er bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und insbesondere auch entschieden werden kann. Er musste daher damit rechnen, dass sämtliche patentrechtlichen Aspekte des Falles - auch soweit sie nicht Gegenstand seines schriftsätzlichen Vorbringens gewesen sind, in der zu treffenden Entscheidung Berücksichtigung finden würden (Schulte, a.a.O., vor § 34 Rdnr. 224, 225; § 89 Rdnr. 8). Im Übrigen hatte der Anmelder auf fernmündliche Rückfrage des juristischen Senatsmitglieds am Vortag der mündlichen Verhandlung nach nochmaliger Belehrung über der Bedeutung seines Erscheinens zur mündlichen Verhandlung und die möglichen Folgen seines Fernbleibens ausdrücklich erklärt, dass seine Teilnahme nicht erforderlich sei, da aus seiner Sicht erteilungsreife Unterlagen vorlägen. Das Angebot, den Verhandlungstermin auf einen ihm passenden Zeitpunkt zu verlegen, um ihm auf diese Weise die Teilnahme zu ermöglichen, hat er ausdrücklich abgelehnt. Bei dieser Sachlage sah sich der Senat nicht veranlasst, die nachdrücklich ausgeschlagene Gelegenheit zur weiteren Gewährung rechtlichen Gehörs erneut im Rahmen eines Übergangs ins schriftlichen Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Kowalski Dr. Huber Hübner Hildebrandt Cl
BPatG:
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