Landgericht Hannover:
Urteil vom 2. November 2004
Aktenzeichen: 18 O 356/02

(LG Hannover: Urteil v. 02.11.2004, Az.: 18 O 356/02)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Architekt der Architektengruppe L. , die in den Jahren 1997 und 1998 für die Wohn-Bau S. GmbH, eine stadteigene Entwicklungsgesellschaft, die A.-L. -Grundschule in S., ... , entworfen und realisiert hat. Der Raumbedarf wurde zunächst auf eine 1,5-Zügigkeit ausgelegt, ein Ausbau auf eine 3-Zügigkeit sowie eine Erweiterung der Turnhalle war von vornherein vorgesehen. Hinsichtlich des Urheberrechtes vereinbarten die Parteien in § 7 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der Gemeinde S. zu den Verträgen für freiberuflich Tätige in der Fassung vom 11. September 1994 folgende Klausel:

§ 7 Urheberrecht

7.1 Der Auftraggeber darf die Unterlagen für die im Vertrag genannte Baumaßnahme ohne Mitwirkung des Auftragnehmers nutzen und ändern; dasselbe gilt auch für das ausgeführte Werk. Der Auftraggeber wird dem Auftragnehmer vor wesentlichen Änderungen eines nach dem Urheberrecht geschützten Werkes - soweit zumutbar - anhören.

7.2 Der Auftraggeber hat das Recht zur Veröffentlichung unter Namensangabe des Auftragnehmers. Der Auftragnehmer bedarf zur Veröffentlichung der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Auftraggebers.

Im Jahr 1999 kam es zu einer ersten Erweiterung der Grundschule, die von der Architektengruppe L. entworfen wurde. Im Jahre 2002 bat die Stadt S. die Architektengruppe L. um Vorschläge für die zweite Erweiterung der A.-L.-Schule. Mit Schreiben vom 11.6.2002 wurde der Stadt eine Planung mit einer Kostenschätzung übersandt. Insoweit wird auf die Anlage K 3 (Bl. 14 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Architektengruppe L. erhielt jedoch aus Kostengründen keinen Auftrag. Statt dessen wurde die Beklagte mit der Realisierung der zweiten Erweiterung von der Wohn-Bau S. beauftragt.

Die Architektengruppe L. ermächtigten den Kläger am 1.11.2002 zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Realisierung der zweiten Ausbaustufe der Grundschule.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe den von der Architektengruppe eingereichten Entwurf einfach mit kleineren Änderungen übernommen und sich damit wettbewerbswidrig verhalten. Er ist der Ansicht, dass die von der Architektengruppe geplante und errichtete Schule ein Werk im Sinne des Urheberrechtes gem. § 2 UrhG sei. Die von der Beklagten durchgeführte Bauerweiterung stelle daher auch einen Eingriff in das Urheberrecht der Architektengruppe dar.

Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsgeld zu verpflichten, es zu unterlassen, die Erweiterung der A.-L.-Grundschule zu realisieren, beantragt er nunmehr im Wege einer Teilklage Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns in Form der Nichtrealisierung von Architektenhonorar für die Planung und Umsetzung der zweiten Ausbaustufe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn 15.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 22.8.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die von ihr realisierte Planung in verschiedenen Details von der Ursprungsplanung der Architektengruppe abweiche, so dass von einem reinen Abkupfern, wie es der Kläger unterstellt, nicht gesprochen werden könne.

Soweit die individuell gestalterischen Elemente des Bauwerks durch die Beklagte weiter fortgeführt worden seien, beruhe dies gerade auf der schon vorgefundenen Realisierung des Bauwerkes, die letztlich nur konsequent mit eigenen planerischen Elementen weiter fortgeführt worden sei. Eine hiervon abweichende gestalterische Planung hätte im übrigen zu einer Verschandelung des ursprünglichen Bauwerks geführt und sei daher auch von vornherein nicht in Betracht gekommen.

Das Gericht hat hinsichtlich der individuellen Eigenart der Grundschule sowie über die Inhaltsgleichheit der jeweiligen Entwürfe der Parteien Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Grundschule sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 4. Mai 2004 (Bl. 93 d. A.), das Sachverständigengutachten vom 14.6.2004 sowie die Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2004 durch den Sachverständigen ... . (Bl. 132 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 15.000,00 € gem. § 97 UrhG zu, da die Beklagten das Urheberrecht der Architektengruppe LSM widerrechtlich durch den erfolgten Anbau verletzt haben.

Das Bauwerk der Architektengruppe L., Grundschule S., hat vorliegend Werksqualität gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Maßgeblich für die Bejahung von Werksqualität ist, dass eine ästhetische, über die technische, zweckgebundene Lösung hinausgehende Leistung von individueller Eigenart vorliegt (Fromm-Nordemann, Urheberrecht, 9. Auflage, § 2 Rn. 6).

Vorliegend weist das Bauwerk der Architektengruppe eine solche hinreichende schöpferische Gestaltung auf. Dies steht zur Überzeugung der Kammer zum einen aufgrund der Inaugenscheinnahme der Grundschule sowie der Ausführungen des Sachverständigen ... fest. Sowohl die Art des Gebäudekörpers wie auch die Detailausbildungen weisen individuelle Merkmale auf, die das Bauwerk von sonstigen Schulbauwerken erheblich unterscheiden. Dieses passt sich, wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend ausführte, in gelungener Weise in Maßstab und Proportion in die örtliche Umgebung ein. Das überragende Pultdach mit den sichtbaren Sparrenkörper nimmt hierbei, wie der Sachverständige für das Gericht nachvollziehbar dargelegt hat, auf typische Merkmale ländlicher Bauten Bezug und interpretiert das architektonische Thema der sichtbaren Konstruktion auf eine moderne Weise. Die Materialwahl von Mauerwerk im Erdgeschoss und einer weißen Putzfassade im Obergeschoss nimmt den Gedanken eines Sockels auf. Dieses Architekturelement ordnet sich der Gesamtgestaltung ländlichen Bauens unter und verstärkt somit das horizontale Erscheinungsbild des Gesamtbaukörpers. Die farbliche Gestaltung der Fensterbänder, das Hervorheben der Öffnungsflügel in den Fenstern und besonders die Ausgestaltung der inneren Erschließung mit der blauen €Leitwand€ zeigt ein positiv gestimmtes Gesamtbild eines Gebäudes. Der Sachverständige hat insoweit für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass die Leitwand eine für den Schulbau neue Idee ist, die einen anspruchsvollen Innenraum und eine kreative Gestaltung in Material und Farbgebung entwickelt. Auch die Ausbildung der Details am Treppenaufgang zeigen insoweit eine kreative Gestaltung, die über das sonst übliche Maß bei weitem hinausgeht. Die Schule stellt insoweit gerade keine Zusammenfügung allgemein bekannter Elemente dar, sondern ist von individuellen Ideen geprägt, die dem Gesamtbauwerk Werksqualität verleiht.

Dieses Urheberrecht am Bauwerk haben die Beklagten durch die von ihnen vorgenommene Erweiterung verletzt. Sie haben, wie der Sachverständige für das Gericht ebenfalls nachvollziehbar dargelegt hat, sämtliche gestalterischen Grundideen des Bauwerks übernommen und diese fortgesetzt. Hierzu waren sie aufgrund des Urheberrechts der Architektengruppe jedoch nicht befugt.

Eine solche Befugnis der Beklagten ergibt sich auch nicht indirekt aus dem Vertrag der Architektengruppe mit der damaligen Bauherrin, der Wohn-Bau S. , und Auftraggeberin der Beklagten.

Die Wohn-Bau S. durfte zwar gem. § 7 des Vertrages die Unterlagen der Architektengruppe für die im Vertrag genannte Baumaßnahme ohne Mitwirkung der Architektengruppe nutzen und ändern sowie das ausgeführte Werk nutzen und ändern. Hieraus ergibt sich aber keine Befugnis das urheberrechtliche Werk der Architektengruppe in gleicher Weise fortzuführen bzw. nachzubauen. Vielmehr wird in dem Vertrag der Architektengruppe mit der Wohn-Bau S. dieser nur das Recht eingeräumt, dass Bauwerk im Rahmen einer Erweiterung auch zu ändern, nicht aber mit den selben gestalterischen Elementen einfach weiter fortzuführen.

Auch der Umstand, dass eine Erweiterung der Schule von vornherein beabsichtigt war, führt zu keinem anderen Ergebnis, da dies auf keine konkludente Einwilligung mit einer urheberrechtlich unselbstständigen Erweiterung durch Dritte schließen lässt.

Die Beklagte ist daher wegen Verletzung des Urheberrechts gemäß § 97 UrhG zum Schadensersatz verpflichtet.

Im Rahmen des Schadensersatzes kann der Verletzte regelmäßig eine angemessene Lizenzgebühr fordern, wobei die übliche Vergütung ist in der Regel als angemessen angesehen wird. Die übliche Vergütung ergibt sich vorliegend aus der HOAI (Fromm-Nordermann, § 97 RN 40). Die von dem Kläger geltend gemachten Leistungsphasen 1, 2, 3, 5 und 8 HOAI sind urheberrechtlich relevant und bei der Lizenzgebühr anzusetzen (vgl. OLG Hamm BauR. 99 S. 1198 ff). Danach ergibt sich eine Forderung von 51 v. H. nach der (mittleren) Honorarzone III gemäß der Honorartafel zu § 16 HOAI. Bei den unstreitig anrechenbaren Kosten von mindestens 374.000,00 €, ergibt sich ein Anspruch, zumindest in Höhe des geforderten Betrages.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 288, 291 BGB, 91, 709 ZPO.






LG Hannover:
Urteil v. 02.11.2004
Az: 18 O 356/02


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