Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Januar 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 52/03
(BPatG: Beschluss v. 17.01.2006, Az.: 17 W (pat) 52/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:
"Arbeitsplatz für einen Gesundheitshandwerker, umfassend wenigstens ein Handwerkzeug"
ist am 21. Dezember 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts im Beschluss vom 7. Februar 2003 mit der Begründung zurück gewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei.
Die Anmelder haben Beschwerde eingelegt und stellen den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1-10, 8 Seiten Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung mit einer Figur, jeweils vom Anmeldetag;
gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1-9, Beschreibung Spalten 1-4 und 1 Blatt Zeichnung mit einer Figur, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung;
gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1-8, Beschreibung Spalten 1-4 und 1 Blatt Zeichnung mit einer Figur, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Arbeitsplatz für einen Gesundheitshandwerker, umfassend wenigstens ein Handwerkzeug, dadurch gekennzeichnet, dass er wenigstens eine mit einem Datennetzwerk verbundene Datenverarbeitungseinrichtung (3) umfasst, welche mit dem Handwerkzeug (1, 2) sowie mit wenigstens einem Sensor verknüpft ist."
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:
"Arbeitsplatz für einen Gesundheitshandwerker, umfassend wenigstens ein Handwerkzeug, dadurch gekennzeichnet, dass er wenigstens eine mit einem Datennetzwerk verbundene Datenverarbeitungseinrichtung (3) umfasst, welche mit dem Handwerkzeug (1, 2) sowie mit wenigstens einem Sensor verknüpft ist, unddass die Datenverarbeitungseinrichtung (3) wenigstens eine optische Bildverarbeitungseinheit aufweist unddass das Handwerkzeug (1, 2) im Blickfeld der optischen Bildverarbeitungseinheit angeordnet ist."
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet:
"Arbeitsplatz für einen Gesundheitshandwerker, umfassend wenigstens ein Handwerkzeug, dadurch gekennzeichnet, dass er wenigstens eine mit einem Datennetzwerk verbundene Datenverarbeitungseinrichtung (3) umfasst, welche mit dem Handwerkzeug (1, 2) sowie mit wenigstens einem Sensor verknüpft ist, unddass die Datenverarbeitungseinrichtung (3) wenigstens eine optische Bildverarbeitungseinheit aufweist unddass das Handwerkzeug (1, 2) im Blickfeld der optischen Bildverarbeitungseinheit angeordnet ist, wobei der Sensor ein Mikrofon ist."
Hinsichtlich der weiteren Ansprüche wird auf die Akten verwiesen.
Die Anmelder führen aus, dass mit dem vorgeschlagenen Arbeitsplatz für einen Gesundheitshandwerker das Erbringen einer Gesundheitsdienstleistung wie das Anpassen eines Hörgerätes so gestaltet werden solle, dass dem Patienten mehrfache Besuche beim Facharzt und Gesundheitshandwerker erspart blieben. Dazu weise der Arbeitsplatz eine Datenverarbeitungseinrichtung auf, die mit einem Handwerkzeug, z. B. einem Audiometer, einem Sensor und einem Datennetzwerk verbunden sei. Durch die Verbindung mit dem Datennetzwerk eröffne sich die Möglichkeit, den Facharzt bei der Erbringung der Gesundheitsdienstleistung interaktiv zu beteiligen, wodurch sich für den Patienten wiederholte Besuche erübrigten. Die in der DE 19742 244 A1 beschriebene Vorrichtung zur Augenbefundung könne den Arbeitsplatz nach dem Anspruch 1 nicht nahe legen. Denn diese gehe davon aus, dass ein erstbehandelnder Arzt den Rat eines Facharztes hinzuziehe. Eine handwerkliche Leistung werde hierbei nicht erbracht. Der Arbeitsplatz nach dem Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 unterscheide sich von der bekannten Vorrichtung durch eine zusätzliche Bildverarbeitungseinheit, die das Handwerkzeug im Blickfeld habe. Diese ermögliche es dem Facharzt, interaktiv auf die zu erbringende handwerkliche Leistung einzuwirken, bspw. Nacharbeiten vorzuschlagen und zu kontrollieren. Im Arbeitsplatz nach dem Hilfsantrag 2 sei konkret angegeben, dass der Sensor ein Mikrofon sei. Auch hierdurch unterscheide sich der Arbeitsplatz von dem bekannten Stand der Technik. Deshalb sei anzuerkennen, dass der beanspruchte Arbeitsplatz auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
II.
Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da die Gegenstände des nachgesuchten Patents in den beantragten Fassungen nicht patentfähig sind, weil sie entweder nicht neu sind oder nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§§ 1, 3, 4 PatG).
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu.
Wie von den Anmeldern erläutert und in der Beschreibungseinleitung ausgeführt, erbringen Gesundheitshandwerker wie Hörgeräteakustiker, Augenoptiker, Zahntechniker oder Orthopädiemechaniker handwerkliche Dienstleistungen, die von einem Arzt verordnet werden. Ein Patient, an dem eine solche Gesundheitsleistung erbracht werden soll, muss hierzu sowohl einen Arzt als auch einen Gesundheitshandwerker aufsuchen, ggf. mehrfach, was als nicht optimal angesehen wird. Entsprechend ist auf S. 2, Abs. 3 der Beschreibung als dem Anmeldungsgegenstand zugrunde liegende Aufgabe das Aufzeigen eines Arbeitsplatzes genannt, der eine optimale Versorgung eines Patienten ermöglicht, ohne dass für den Patienten Stresssituationen auftreten.
Der Anspruch 1 schlägt zur Vermeidung dieser für den Patienten nachteiligen Situation die Ausstattung des Arbeitsplatzes eines Gesundheitshandwerkers mit einer Datenverarbeitungseinrichtung vor, die mit einem Datennetzwerk verbunden und mit dem Handwerkzeug und dem wenigstens einen Sensor verknüpft ist. Als Sensor kann bspw. ein Mikrofon dienen, mit dem eine Sprechverbindung zwischen Gesundheitshandwerker, Patient und Arzt hergestellt wird (vgl. S. 5 Abs. 2); als Handwerkzeug bspw. eine Video-Otoskopie-Einrichtung. Wie auf S. 3, Abs. 3 bis S. 4 der Beschreibung erläutert, wird durch diese Gestaltung des Arbeitsplatzes ein zeitgleicher Dialog zwischen Patient, Gesundheitshandwerker und Arzt ermöglicht, so dass ein Besuch des Patienten beim Arzt nicht mehr erforderlich ist.
Dieser in der Beschreibung erwähnte nicht technische Aspekt der rationellen Erbringung einer Dienstleistung im Gesundheitswesen ist jedoch nicht Gegenstand des Anspruchs 1; dieser ist lediglich auf die als technisch anzuerkennende Ausgestaltung eines Arbeitsplatzes mit Datenverarbeitungseinrichtung, Datennetzwerk, Handwerkzeug und wenigstens einem Sensor gerichtet. Entsprechend besteht das vom Anmeldungsgegenstand objektiv gelöste konkrete technische Problem (vgl. BGH BlPMZ 2004, 428, 430, linke Spalte - Elektronischer Zahlungsverkehr-) darin, einen Arbeitsplatz so zu gestalten, dass die dort anfallenden Daten möglichst umfassend und zeitgleich an einen räumlich entfernten Ort, bspw. die Praxis eines Facharztes, übertragen werden.
Die mit dem Anspruch 1 nach Hauptantrag vorgeschlagene Lösung dieser technischen Problemstellung kann der Fachmann, ein Elektronikingenieur mit praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und -übertragung aus dem Stand der Technik entnehmen.
In der vorveröffentlichten DE 197 42 244 A1 ist eine Vorrichtung zur Augenbefundung beschrieben, mittels derer ein erstbehandelnder Arzt so schnell wie möglich fachärztlichen Befund erhalten soll (vgl. Sp. 1, Z. 19-23). Hierzu schlägt diese Druckschrift vor, einen Arbeitsplatz (Erfassungsvorrichtung 1) vorzusehen, bei dem eine Datenverarbeitungseinrichtung (PC oder Workstation 5) mit einem Handwerkzeug (Pneumotonometer 3), einem Sensor (Kamera 2) und einem Datennetzwerk (Datennetz 7) so verknüpft sind, dass die erfassten Bilder oder Daten an eine räumlich entfernte Befundungsstation übertragen werden, so dass sie bspw. einem Facharzt zugänglich sind (vgl. Sp. 2, Z. 15-44 i. V. m. Figur). Der Arbeitsplatz nach dem Patentanspruch 1 ist daher nicht neu und somit nicht patentfähig.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist nicht erfinderisch.
Der Arbeitsplatz für einen Gesundheitshandwerker nach dem Patentanspruch 1 in dieser Fassung unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag dadurch, dass die Datenverarbeitungseinrichtung wenigstens eine optische Bildverarbeitungseinheit aufweist, in deren Blickfeld das Handwerkzeug angeordnet ist. Wie die Anmelder erläutern, soll mit dieser Bildverarbeitungseinheit, die bspw. als Videokamera ausgebildet ist, einem Arzt in einer räumlich entfernten Praxis ein visueller Zugriff auf Gegenstände am Arbeitsplatz in Echtzeit ermöglicht werden. Damit soll der Arzt bspw. bei der Anpassung eines Hörgeräts über die räumliche Distanz hinweg Einfluss auf die Gestalt der Hörgerätemuschel nehmen können. Es ist den Anmeldern dahingehend beizupflichten, dass bei dem aus der DE 197 42 244 A1 bekannten Arbeitsplatz die optische Bildverarbeitungseinheit (Kamera 2) als Sensor zur Erfassung des Augenhintergrundes o. ä. dient und nicht so ausgerichtet ist, dass ihr Blickfeld auf ein Handwerkzeug gerichtet ist.
Sofern man, ausgehend von der objektiv gelösten technischen Problemstellung einer umfassenden und zeitgleichen Übertragung der an einem Arbeitsplatz anfallenden Daten, nicht die beanspruchte Ergänzung um eine optische Bildverarbeitungseinheit mit entsprechender Ausrichtung als für den Fachmann nahe gelegt ansehen will, so ist eine solche Ausbildung jedenfalls durch die Ausführungen in der US 5 441 047 angeregt.
In dieser Druckschrift ist ein Patientenüberwachungssystem beschrieben, das eine "twoway interactive visual communication" zwischen einem Patienten und einer medizinisch geschulten Person in einer Zentrale (central station) ermöglichen soll (vgl. Sp. 5, Z. 8-12, Sp. 8, Z. 30-34). Hierzu ist die Station am Ort des Patienten mit Sensoren für dessen medizinische Parameter und auch mit einer Kamera 22 ausgestattet, deren Bilder an die Zentrale übertragen werden. Wie in Sp. 10, Z. 62-68 erwähnt, kann diese Kamera auf den Patienten oder die Sensoren gerichtet sein. Diese Druckschrift legt es daher nahe, zur Herstellung eines umfassenden audiovisuellen Kontaktes zwischen Patient und medizinischem Personal eine Bildverarbeitungseinheit bzw. Kamera vorzusehen, in deren Blickfeld die zu übertragenden Informationen liegen. Der Arbeitsplatz in der Fassung nach Hilfsantrag 1 beruht sonach nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
3. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist nicht erfinderisch.
Nach dieser Fassung des Patentanspruchs 1 soll der Arbeitsplatz neben der Bildverarbeitungseinheit weiterhin mit einem Sensor in Form eines Mikrofons ausgestattet sein. Eine derartige Ausstattung des Arbeitsplatzes ist ebenfalls aus der US 5 441 047 angeregt. Wie dort in Sp. 9, Z. 30-37 ausgeführt, werden die "audio and visual signals of the patient" vom Ort des Patienten an die Zentrale übertragen, mithin erfolgt auch eine Tonübertragung, die - für den Fachmann selbstverständlich - am Platz des Patienten ein Mikrofon erfordert. Der Arbeitsplatz nach dieser Fassung des Patentanspruchs 1 beruht sonach ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
III.
Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät") fallen mit den jeweiligen Patentansprüchen 1 auch die Unteransprüche. Somit war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 17.01.2006
Az: 17 W (pat) 52/03
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