Landgericht Berlin:
Urteil vom 7. März 2008
Aktenzeichen: 15 O 818/07

(LG Berlin: Urteil v. 07.03.2008, Az.: 15 O 818/07)

Nach Änderung des Verjährungsrechts besteht kein Grund mehr für besonders kurze Fristen im Abschlussverfahren

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Begleichung der Kosten für ein Abschlussschreiben, das aufgrund des Vertriebs von gefälschten Designerstühlen durch den Beklagten erforderlich gewesen sein soll.

Auf den Antrag der Klägerin hatte die Kammer mit Beschluss vom 26. Juni 2007 - 15 O 512/07 - dem Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung insbesondere den Vertrieb des sogenannten €Lounge Chair€, für den die Klägerin Markenschutz beansprucht, untersagt. Die Beschlussverfügung wurde dem Beklagten am 13. Juli 2007 zugestellt.

Am 26. Juli 2007 meldete sich die Prozessbevollmächtigte des Beklagten beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch. Der Inhalt dieses Telefonats ist zwischen den Parteien streitig. Noch am 26. Juli 2007 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den der Beschlussverfügung zugrunde liegenden Verfügungsantrag an die Prozessbevollmächtigte des Beklagten; die Anlagen des Antrags waren der E-Mail jedoch nicht beigefügt.

Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 (lose Anlage K3) bezog sich die Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf das Gespräch vom Vortag, benannte den Hersteller und Lieferanten der Stühle und führte weiter aus, dass neun der Stühle an nicht gewerbliche Endkunden ausgeliefert worden seien. Ferner führte sie Folgendes aus:

€Wie besprochen, werde ich nach der Rückkehr aus meinem Urlaub in der KW 32 diese Unterlagen (den übersandten Verfügungsantrag) überprüfen und - bei Vorliegen der besseren Rechte Ihrer Mandantin - unaufgefordert eine Abschlusserklärung namens unseres Mandanten abgeben.€

Mit Schreiben vom 30. Juli 2007 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf, wobei sie gleichzeitig anzeigte, dass die Rechtsanwälte € €, Schweiz, in der Angelegenheit mitwirken. Zudem forderte sie den Beklagten auf, die Kosten für das Abschlussschreiben, und zwar berechnet anhand eines Gegenstandswertes von 600.000,00 Euro und jeweils einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr ihrer Prozessbevollmächtigten sowie der Patentanwälte € und €, bis zum 30. August 2007 zu bezahlen.

Mit Schreiben vom 9. August 2007 ließ der Beklagte die von ihm am 7. August 2007 unterzeichnete Abschlusserklärung übersenden.

Die Klägerin bestreitet, dass bereits in dem Telefongespräch vom 26. Juli 2007 die Prozessbevollmächtigte des Beklagten angekündigt habe, dass eine Abschlusserklärung abgegeben werde. Sie ist der Ansicht, dass auch in dem Schreiben vom 27. Juli 2007 lediglich eine Überprüfung der Unterlagen und der Rechtslage angekündigt sei, was in solchen Fällen eigentlich immer geschehe, aber nicht bedeute, dass dann zwangsläufig eine Abschlusserklärung abgegeben werde. Es sei spätestens nach dem 26. Juli 2007 auch keine weitere Überprüfungsfrist für den Beklagten erforderlich gewesen, da eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage bereits anhand der Begründung der Beschlussverfügung, spätestens jedoch anhand des am 26. Juli 2007 übersandten Verfügungsantrags hätte erfolgen können. Die Kosten der schweizerischen Anwälte seien nach § 140 Abs. 3 MarkenG erstattungsfähig.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 8.609,60 nebst 5 Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (29. November 2007) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass das Abschlussschreiben zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen und die geltend gemachten Kosten daher nicht zu erstatten seien. Aufgrund des Schreibens vom 27. Juli 2007 habe die Klägerin abwarten müssen, ob nicht binnen der angekündigten zwei Wochen eine Abschlusserklärung abgegeben wird. Er habe in diesem Schreiben auch bereits seine Kooperationsbereitschaft erkennen lassen, indem er Auskünfte erteilt habe. Zudem verweist er auf den Grundsatz, dass ein Abschlussschreiben nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erst dann erforderlich wird, wenn der Schuldner das bestätigende Urteil in vollständiger Form zur Kenntnis nehmen konnte, was mit dem hiesigen Fall vergleichbar sei, da er angesichts der unvollständigen Unterlagen erst habe Akteneinsicht in das Verfügungsverfahren nehmen müssen. Das an den Beklagten direkt gerichtete Abschlussschreiben stelle schließlich eine Umgehung des Gegenanwaltes gemäß § 12 BORA dar, da sich seine Prozessbevollmächtigte bereits vorher bestellt habe.

Im Übrigen macht der Beklagte geltend, dass kein Grund für die Erstattung der Kosten der Schweizer Anwälte bestehe und der Streitwert unangemessen hoch sei.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch als Schadensersatzanspruch zu. Das Abschlussschreiben entsprach nach den Umständen des vorliegenden Falles zu dem Zeitpunkt, als es versandt wurde, nicht dem mutmaßlichen Willen des Beklagten und stellte auch keine notwendige Maßnahme der Rechtsverfolgung dar. Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin in dem Abschlussschreiben die gegnerische Anwältin umgangen hat (§ 12 BORA) und ob bereits daher eine Kostenerstattung ausscheidet. Denn der Unterlassungsgläubiger, der eine einstweilige Verfügung erwirkt und zugestellt hat, hat vor der Versendung des Abschlussschreibens einige Zeit abzuwarten, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, von sich aus eine Abschlusserklärung abzugeben (siehe nur etwa Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auflage 2007, Kapitel 43 Rdnr. 31 m. w. N.). Dies hat die Klägerin hier nicht getan:

171. Es erscheint bereits fraglich, ob eine Wartefrist von nur 2 Wochen nach Zustellung der Beschlussverfügung ausreicht (so etwa Teplitzky, a. a. O., m. w. N.) oder ob der Unterlassungsgläubiger länger zu warten hat (siehe etwa OLG Stuttgart, WRP 2007, 688: 1 Monat). Für Letzteres spricht nach Ansicht des Gerichts, dass die weithin in Rechtsprechung und Lehre vertretene 2-Wochen-Frist auf dem alten Verjährungsrecht beruht haben dürfte, während mittlerweile das einstweilige Verfügungsverfahren die kurze wettbewerbsrechtliche Verjährungsfrist hemmt (§ 204 Nr. 9 BGB); diese Hemmung endet gemäß § 204 Abs. 2 BGB erst 6 Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Daraus folgt, dass der Unterlassungsgläubiger mittlerweile 6 Monate mehr Zeit hat, um durch Erhebung der Hauptsachenklage die Verjährung zu verhindern, also keinerlei Grund mehr für eine besonders kurze Frist, innerhalb der Schuldner reagieren muss, besteht. Innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung lag die Abschlusserklärung des Beklagten der Klägerin im hiesigen Fall jedenfalls vor.

182. Die vorstehend aufgeworfene Frage kann jedoch hier dahin stehen. Denn selbst bei Zugrundelegen der kurzen 2-wöchigen Wartefrist vor Versendung des Abschlussschreibens hätte die Klägerin aufgrund der Umstände des Einzelfalles zumindest weitere zwei Wochen die angekündigte Reaktion abwarten müssen. Denn es ist dem Gläubiger zuzumuten, länger als zwei Wochen zu warten, wenn der Schuldner die Bereitschaft zum Einlenken bereits signalisiert hat und der Abschlusserklärung nur noch solche Hinderungsgründe entgegen stehen, mit deren alsbaldiger Behebung zuverlässig gerechnet werden kann (OLG Frankfurt, GRUR - RR 2003, 294 - Wartefrist vor Abschlussschreiben). Auch die Klägerin greift diesen Grundsatz nicht an, meint aber, dass dessen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Dies sieht das Gericht anders, ohne dass es darauf ankommt, was genau in dem Telefonat vom 26. Juli 2007 besprochen wurde:

a) Im Schreiben vom 27. Juli 2007 signalisierte der Beklagte hinreichend seine Bereitschaft zum Einlenken, da er die Abgabe der Abschlusserklärung unter gewissen Voraussetzungen (Überprüfung und Vorliegen besserer Rechte der Klägerin) in Aussicht stellte und ferner bereits gewisse Auskünfte erteilte. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte mittels seiner Prozessbevollmächtigten unaufgefordert an die Klägerin herangetreten war, was dafür spricht, dass dort die Risiken des Abschlussverfahrens und auch die Möglichkeit, weitere Kosten durch eine Einlenken - Abgabe der Abschlusserklärung - zu vermeiden, bekannt waren.

20b) Der Abschlusserklärung standen auch nur noch solche Hinderungsgründe entgegen, mit deren alsbaldiger Behebung die Klägerin zuverlässig rechnen konnte. Aus der Sicht der Klägerin konnte die Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Prozessbevollmächtigte des Beklagten anhand der vollständigen Unterlagen nur zu dem Ergebnis führen, dass die Abschlusserklärung abzugeben war. Dies entspricht auch der Erfahrung des Gerichts, vor dem die Klägerin zahlreiche Unterlassungs- und sonstige Ansprüche durchgesetzt hat, ohne dass es - soweit ersichtlich - jemals durchgreifende Bedenken gegen den Klagegrund gegeben hätte. Der Verweis der Klägerin darauf, dass derartige Reaktionen des Schuldners eigentlich immer erfolgten, verfängt hingegen nicht: Selbst wenn dem so sein sollte, ist es der Klägerin aufgrund der obigen Ausführungen zu Ziffer 1. (nach Änderung des Verjährungsrechts besteht kein Grund mehr für besonders kurze Fristen im Abschlussverfahren) aber jedenfalls zuzumuten, zumindest weitere zwei Wochen abzuwarten. Wenn sie hingegen die angekündigte Reaktion der Unterlassungsschuldners in angemessener Zeit nicht abwarten will, trägt sie das Risiko, die für das Abschlussschreiben aufgewandten Kosten nicht erstattet zu bekommen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 Abs. 1, 709 ZPO.






LG Berlin:
Urteil v. 07.03.2008
Az: 15 O 818/07


Link zum Urteil:
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