Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 5. Oktober 2004
Aktenzeichen: 4 U 96/04

(OLG Hamm: Urteil v. 05.10.2004, Az.: 4 U 96/04)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Mai 2004 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht und sie dementsprechend auch den eingeklagten Aufwendungsersatz nicht beanspruchen kann.

1) Der Unterlassungsantrag ist nach der erfolgten Erörterung des Verbotsumfangs bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Verbotsgegenstand soll es sein, dass der ohnehin mit "AA" beginnenden Firma oder einer sonstigen zur Individualisierung der Beklagten bestimmten Bezeichnung in Registern oder Verzeichnissen der genannten Art ein weiteres "A" vorangestellt wird. Bei diesen Registern oder Verzeichnissen geht es nicht nur um solche, die im Internet erscheinen, sondern auch um gedruckte "Gelbe Seiten" oder Telefonbücher. Ob dieses so zu verstehende Verbot zu weit gefasst ist und ob es mit den gerügten Verletzungshandlungen in Einklang zu bringen ist, sind Fragen der Begründetheit und können hier dahin stehen.

2) Die Passivlegitimation der Beklagten könnte hier auch ungeachtet der Fragen, ob sie die Anzeigenaufträge selbst erteilt hat und ob die beanstandeten Eintragungen als sonstige zur Individualisierung der Beklagten bestimmte Bezeichnungen anzusehen sein könnten, infolge der Gesamtumstände und ihrer Betriebsstruktur gegeben sein. Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Beklagte für die Eintragungen verantwortlich und von ihnen betroffen ist, weil der Klägerin selbst dann kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustünde.

3) Ein Unterlassungsanspruch der klagebefugten Klägerin ergibt sich nicht aus den einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen der §§ 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3, 4 Nrn. 1 und 10 UWG. Das Verbotsbegehren ist weder unter dem Aspekt des übertriebenen Anlockens noch unter dem Aspekt der gezielten Behinderung gerechtfertigt.

a) Angesichts der weiten Definition der Wettbewerbshandlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG fällt auch die Werbung der S-Gruppe etwa in den "Gelben Seiten" und im Internet in der beanstandeten Weise darunter. Sie verfolgt das Ziel, die Erbringung von Dienstleistungen auch durch die Beklagte zu fördern.

b) Diese Wettbewerbshandlung ist nicht nach § 4 Nr. 1 UWG unlauter, weil sie in keiner Weise geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch Druck oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Durch das Voranstellen des Buchstabens "A" wird kein Druck auf den Verbraucher ausgeübt, der sich in den "Gelben Seiten" informiert, um einen Schlüsseldienst zu finden. Der dem heutigen Leitbild entsprechende Verbraucher wird selbst dann, wenn eine Firma nur durch Voranstellen von mehreren "A" an erster Stelle erscheint, in seiner Entscheidungsfreiheit nicht ernsthaft beeinträchtigt, zumal er sich bewusst ist, dass diese Stellung nichts über die Qualität der von der Firma angebotenen Dienstleistungen aussagt und von Zufällen abhängen kann (BGH WRP 2001, 1286, 1289 -Mitwohnzentrale.de).

c) Das beanstandete Verhalten ist auch nicht nach § 4 Nr. 10 UWG unlauter, weil kein Fall einer gezielten Behinderung vorliegt. Dieser ebenfalls weit gefasste Beispielstatbestand erfasst zwar alle Erscheinungsformen der individuellen Mitbewerberbehinderung, wie sie schon von der Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. entwickelt worden waren. Der neue Begriff der "gezielten" Behinderung stellt aber klar, dass eine Behinderung als notwendige Folge des Wettbewerbs nicht ausreicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass eine behindernde Maßnahme ihrer Art nach darauf gerichtet sein muss, den Mitbewerber an seiner wettbewerblichen Entfaltung zu hindern (vgl. Köhler, Das neue UWG, NJW 2004, 2121 ff.). Bei einer Umleitung von Kundenströmen, wie sie die Klägerin hier geltend macht, müsste demnach im Vordergrund stehen, mögliche Kunden vom Wettbewerber abzulenken. Wird nur beabsichtigt, Kunden zu sich hin zu lenken, und wird der Mitbewerber selber nur reflexartig durch einen schnellen Zugriff des Mitbewerbers behindert, weil er nicht mehr, später oder anders zum Zuge kommt, so ist das bloße Folge des Leistungswettbewerbs und reicht für eine gezielte Behinderung nicht aus. Die erforderliche Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Wettbewerbsfreiheit ergibt im vorliegenden Fall, dass die Grenze zur Wettbewerbswidrigkeit noch nicht überschritten wird. Sicherlich hat die Beklagte auch erstrebt oder davon profitieren wollen, durch das Voranstellen der "A"-Buchstaben als Schlüsseldienst an erster Stelle oder möglichst weit vorne in den entsprechenden Registern aufzutauchen, was sich eventuell insbesondere im Internet positiv auswirken kann. Davon hat sie sich zumindest auch versprochen, Kunden zu sich hinzuleiten, die sich gleich an die erste eingetragene Firma halten könnten. In diesem Werbeverhalten liegt aber gerade noch kein gezieltes Ablenken der Kunden von den zahlreichen anderen Wettbewerbern. Zum einen hatte die Beklagte zulässigerweise schon eine Firma gewählt, die im Alphabet durch das vorangestellte "AA" ohnehin weit vorne stand und sich gegenüber der Mehrzahl der anderen Schlüsseldienste durch das Voranstellen mindestens eines weiteren "A" bei der Registrierung nicht "vordrängeln" konnte (vgl. dazu die Verzeichnisse Bl. 6, 7 d.A., in denen die Beklagte selbst unter Verwenden ihrer Firmenbezeichnung vorne gestanden hätte). Zum anderen hatten auch alle anderen Mitbewerber die Möglichkeit, nicht nur Firmen oder Bezeichnungen zu wählen, in denen zu Beginn möglichst viele "A" vorkamen, wenn sie auch vorne stehen wollten und sich an dem "Rennen im Register" beteiligen wollten. Für die gedruckten Register gilt ohnehin eine Besonderheit, dass die S-Gruppe dort auch und in besonderer Weise zusätzlich mit Anzeigen wirbt, bei denen sie nur bedingt beeinflussen kann, wo genau sie platziert werden. In diesen Medien können auch alle anderen Mitbewerber mit Anzeigen auf sich aufmerksam machen. Die vorgelegten Unterlagen machen deutlich, wie viele davon Gebrauch gemacht haben. Deshalb genügt ein etwaiges Vordrängen unter Voranstellen von mehreren "A" dort in der Regel nicht, um besondere Aufmerksamkeit zu wecken. Nur bei dem Aufsuchen der "Gelben Seiten" im Internet (Bl. 6, 7 d.A.), das sicherlich immer noch nicht die Regel ist, werden die Firmen in eine klar erkennbare alphabetische Reihenfolge gebracht. In den gedruckten "Gelben Seiten" und den Telefonbüchern sind die Eintragungen mit den Anzeigen verbunden, auf die teilweise verwiesen wird. Diese Anzeigen, die einen ganz anderen Blickfang darstellen sollen und darstellen, werden nach eigenen Regeln abgedruckt. Das Beispiel von E (Bl.81 d.A.) zeigt, dass im Register selbst nicht etwa die S-Gruppe vorne steht, sondern zwei Firmen, die jeweils 6 x "A" vorangestellt haben. Auf diese wird der Kunde aber sicherlich nicht als erste hingewiesen. Die großen Anzeigen der Beklagten und des E2 Schlüssel-Notdienstes, der die Eintragungen auch noch trennt, bewirken, dass hier sicherlich nicht derjenige die erste und größte Aufmerksamkeit für sich in Anspruch nehmen kann, der als erstes im Register aufgeführt wird. Wenn die Beklagte dort Kundenströme auf sich hinlenkt, dann geschieht das mit der Anzeige (ohne Voranstellen der "A") und nicht mit der Bezeichnung der S-Gruppe mit den "A.A.A.A.A". Gerade die in der Berufungsinstanz vorgelegten Auszüge aus den Telefonbüchern von C und H zeigen auch, dass die S-Gruppe dort nur mit einem vorangestellten 3 x "A" auftritt und deshalb jeweils erst an dritter Stelle erscheint. Auch insoweit erwecken im Übrigen die Anzeigen eine weit größere Aufmerksamkeit. Das beanstandete Verhalten, welches somit noch nicht einmal konsequent durchgeführt wird und zu einem beträchtlichen Teil erfolglos bleibt, ist allein auf den eigenen Vorteil der Werbenden ausgerichtet. Mit diesem Verhalten stellt sich die Beklagte gerade nicht bildlich zwischen den Mitbewerber und diesem bereits zuzurechnende Kunden, um ihnen eine Beauftragung aufzudrängen (vgl. BGH, a.a.O. -Mitwohnzentrale.de).

c) Es kann somit auch dahin stehen, ob schon die Tatsache, dass bei den Bezeichnungen die Marke des Geschäftsführers S der Beklagten in identischer oder verwechslungsfähiger Weise benutzt worden ist, einem Wettbewerbsverstoß entgegen stehen könnte. Es erscheint dem Senat allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch eine eingetragene Marke zur gezielten Behinderung eines Mitbewerbers im Sinne des § 4 Nr.10 UWG eingesetzt werden und dann unlauter sein kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 05.10.2004
Az: 4 U 96/04


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