Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Februar 2011
Aktenzeichen: 35 W (pat) 403/09

(BPatG: Beschluss v. 08.02.2011, Az.: 35 W (pat) 403/09)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Gebrauchsmusterabteilung I -vom 10. Oktober 2008 aufgehoben.

2.

Die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters 200 04 094 wird festgestellt, soweit es über folgende Fassung sowie die nicht angegriffenen Schutzansprüche 6 und 7 hinausgeht:

1.

Tunnel-Härtungsgerät zum Aushärten von FingernagelModelage/Verstärkungsmaterialien durch Bestrahlung, mit einem Gehäuse (1, 5) mit Gehäuseboden (5), das einen Bestrahlungsraum (2) umschließt, der eine Wandöffnung (3) zum Einführen der Hand einr Benutzerin von außen her sowie einen als Gehäuse-Außenwand ausgebildeten Boden (4) zum Auflegen dieser Hand aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) der Bestrahlungskammer (2) als Gehäuse-Außenwand ausgebildet und unabhängig vom Gehäuseboden (5) abnehmbar ist.

2.

Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) wie eine Schublade in das Gehäuse (1, 5) eingeschoben und aus diesem herausziehbar ist.

3.

Gerät nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß der in das Gehäuse (1, 5) eingeschobene Boden (4) die Wandöffnung

(3) nach unten begrenzt.

4.

Gerät nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) in Richtung zur Wandöffnung (3) hin aus dem Gehäuse (1, 5) herausziehbar ist.

5.

Gerät nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß eine Halterung, bevorzugt eine Rast, vorgesehen ist, die den Boden (4) in eingeschobener Stellung im Gehäuse (1, 5) festhält.

3.

Im Übrigen wird der Feststellungsantrag zurückgewiesen.

4.

Die Kosten in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin ist Inhaberin des im Register eingetragenen Gebrauchsmusters 200 04 094 mit der Bezeichnung "Tunnel-Härtungsgerät", das am 3. März 2000 mit 7 Schutzansprüchen angemeldet und am 31. Mai 2000 auf der Grundlage dieser Anmeldungsunterlagen in das Register eingetragen worden ist. Das Gebrauchsmusters ist am 31. März 2010 nach Ablauf der Höchstlaufzeit erloschen. Die der Eintragung zugrundeliegenden Schutzansprüche 1 bis 7 lauten:

1.

Tunnel-Härtungsgerät zum Aushärten von FingernagelModelage/Verstärkungsmaterialien durch Bestrahlung, mit einem Gehäuse (1, 5) mit Gehäuseboden (5), das einen Bestrahlungsraum (2) umschließt, der eine Wandöffnung (3) zum Einführen der Hand einr Benutzerin von außen her sowie einen als Gehäuse-Außenwand ausgebildeten Boden (4) zum Auflegen dieser Hand aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) der Bestrahlungskammer (2) unabhängig vom Gehäuseboden (5) abnehmbar ist.

2.

Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) wie eine Schublade in das Gehäuse (1, 5) eingeschoben und aus diesem herausziehbar ist.

3.

Gerät nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß der in das Gehäuse (1, 5) eingeschobene Boden (4) die Wandöffnung

(3) nach unten begrenzt.

4.

Gerät nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) in Richtung zur Wandöffnung (3) hin aus dem Gehäuse (1, 5) herausziehbar ist.

5.

Gerät nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß eine Halterung, bevorzugt eine Rast, vorgesehen ist, die den Boden (4) in eingeschobener Stellung im Gehäuse (1, 5) festhält.

6.

Gerät nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Boden (4) auf seiner dem Bestrahlungsraum (2) zugewandten Seite mit einer nicht oder wenig reflektierenden Farbe versehen ist.

7.

Gerät nach einem der Ansprüche 1 bis 6, bei dem an der Oberseite des Bestrahlungsraums (2) mindestens eine Bestrahlungslampe (6) angebracht ist, dadurch gekennzeichnet, daß die die Bestrahlungslampe (6) bei abgenommenem (4) Boden voin unten her durch die von diesem vergrößerte oder freigegebene Öffnung auswechselbar ist.

Die Antragstellerin hat am 7. Dezember 2007 beim Deutschen Patentund Markenamt die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 beantragt. Zur Begründung ihres Antrags hat die Antragstellerin folgenden Stand der Technik benannt:

D1: DE8513789U1 D2: DE2161330A D3: US5803018A D4: US5617646A D5: WO 98/30850 A1 D6: US 2 260 687 D7: EP0330077A2 D8: EP 0 808 719 A2.

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts das Gebrauchsmuster im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 5 gelöscht. In den Gründen hat sie sinngemäß ausgeführt, dass der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Auch den Merkmalen der angegriffenen Unteransprüche 2 bis 5 komme keine eigene erfinderische Bedeutung zu.

Die Antragsgegnerin hat gegen diesen ihr am 3. Dezember 2008 zugestellten Beschluss am 31. Dezember 2008 Beschwerde eingelegt, der Schriftsatz ist allerdings nicht eigenhändig unterzeichnet, was der Beschwerdeführerin am 3. März 2009 mitgeteilt wurde. Sie hat daraufhin beantragt, sie nach § 21 GbmG in Verbindung mit § 123 PatG wieder in den vorigen Stand einzusetzen. In der Sache sieht sie die Schutzfähigkeit weiterhin als gegeben an.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen, da fraglich sei, ob das Fristversäumnis ohne Verschulden zustande gekommen sei und ob die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen ausreichend glaubhaft gemacht worden seien. Nach Ablauf der zehnjährigen Schutzdauer des Gebrauchsmusters im Jahre 2010 hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung den Löschungsantrag in einen Feststellungsantrag umgewandelt. Ihr Feststellungsinteresse hat sie damit begründet, dass sie wegen Verletzung des Gebrauchsmusters beim Landgericht Frankfurt/Main verklagt worden sei und diese Klage noch anhängig sei.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Feststellungsantrag im Umfang des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hauptantrags zurückzuweisen.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2011 hat die Antragstellerin noch geltend gemacht, ein Tunnel-Härtungsgerät mit sämtlichen Merkmalen des eingetragenen Anspruchs 1 sei bereits im Jahr 1999 in China hergestellt und insbesondere auch an Kunden in Deutschland geliefert worden. Die Antragsgegnerin hat dem Vortrag widersprochen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Soweit das Gebrauchsmuster nicht mehr verteidigt wird, ist es für unwirksam zu erklären, da insoweit der Widerspruch fallengelassen worden ist.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeschrift vom 31. Dezember 2008 ist zwar vom Vertreter der Antragsgegnerin nicht eigenhändig unterzeichnet (§ 73 Abs. 2 Satz 1 PatG), es bestehen aber im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde keinen durchgreifenden Bedenken, nachdem aufgrund der Umstände des konkreten Falles keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerde mit Wissen und Wollen der Antragsgegnerin eingelegt wurde (vgl. BVerfG NJW 1963, 755; Schulte, PatG, 8. Aufl. 2008, Einl. Rn. 312 m. w. N.). Damit kommt es auf den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin nicht mehr an.

2.

Der nach Merkmalen gegliederte Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (Änderungen gegenüber der eingetragenen Fassung hervorgehoben):

1.

Tunnel-Härtungsgerät zum Aushärten von Fingernagel-Modelage/Ver stärkungsmaterialien durch Bestrahlung, 2.

mit einem Gehäuse (1, 5)

3.

mit Gehäuseboden (5).

4.

Das Gehäuse umschließt einen Bestrahlungsraum (2), 5.

der eine Wandöffnung (3) zum Einführen der Hand einer Benutzerin von außen her 6.

sowie einen bevorzugt als Gehäuse-Außenwand ausgebildeten Boden (4) zum Auflegen dieser Hand aufweist.

7.

Der Boden (4) der Bestrahlungskammer (2) ist als Gehäuse-Außenwand ausgebildet und unabhängig vom Gehäuseboden (5) abnehmbar ist.

3. Mangelnde Schutzfähigkeit des Gegenstandes des verteidigten Anspruchs 1 lässt sich nicht feststellen.

Als Fachmann beschäftigte sich auf dem Gebiet des Streitgebrauchsmusters im Anmeldezeitpunkt ein Dipl.-Ing. (FH) Maschinenbau oder ein Maschinenbautechniker, der über langjährige Erfahrung in der Konstruktion von Geräten für die Kosmetikindustrie, insbesondere von Geräten zur Bestrahlung von photopolymerisierbaren Verbindungen auf Fingernägeln, verfügt.

A. Der Schutzanspruch 1 kann in dieser zulässigen Fassung verteidigt werden. Er stützt sich zunächst auf den eingetragenen Anspruch 1. Die Streichung des Wortes "bevorzugt" im Merkmal 6 führt zu einer Beschränkung, da nunmehr der Boden zum Auflegen der Hand, der Teil des Bestrahlungsraum gemäß Merkmal 4 ist, als Gehäuseaußenwand ausgebildet ist. Durch die beschränkende Angabe im Merkmal 7, dass der Boden der Bestrahlungskammer als Gehäuseaußenwand ausgebildet ist, ist außerdem klargestellt, dass hier der Boden zum Auflegen der Hand gemäß Merkmal 6 weitergebildet wird, der Boden einen Teil des Gehäusebodens bildet (Seite 4, zweiter vollständiger Abs. des Streitgebrauchsmusters) und unabhängig von diesem abnehmbar ist, wie dieses auch in den Fig. 3 und 4 dargestellt ist.

B. Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruches 1 ist gewerblich anwendbar und unstreitig neu, er beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.

Die Erfindung betrifft ein Tunnel-Härtungsgerät zum Aushärten von FingernagelModelage/Verstärkungsmaterialien durch Bestrahlung, das einen Boden zum Auflegen einer Hand aufweist.

Die Reinigung des Bodens derartiger Geräte ist mühsam, auch Reparaturen sind nur umständlich durchführbar, vgl. Seite 2, Abs. 3 bis Seite 3, Abs. 3 des Streitgebrauchsmusters.

Beseitigt werden diese Nachteile mit einer Vorrichtung mit den Merkmalen des verteidigten Anspruchs 1.

Das Tunnel-Härtungsgerät umfasst ein Gehäuse (Merkmal 2), das in Verbindung mit einem Gehäuseboden (Merkmal 3) einen Bestrahlungsraum umschließt (Merkmal 4), der eine Wandöffnung, durch die eine Hand in das Gehäuse eingeführt werden kann (Merkmal 5) und einen Boden aufweist (Teil des Merkmal 6). Im Bestrahlungsraum sind üblicherweise UV-Lampen angebracht, deren Intensität oder Einschaltdauer einstellbar ist. Der Boden, auf den die Hand aufgelegt werden kann (Merkmal 6), ist unabhängig vom Gehäuseboden abnehmbar (Teil des Merkmals 7), er ist Teil der Gehäuseaußenwand, was sich aus den Merkmalen 6 und 7 ergibt. Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Boden, auf dem die Hand aufliege, könne nur durch die Innenwand gebildet sein, verkennt sie, dass bei einem einstückigen Boden dieser zugleich auch Teil der Gehäuseaußenwand ist.

Der Senat sieht die DE 85 13 789 U1 (D1) als den nächstkommenden Stand der Technik an, die eine Vorrichtung zum Aushärten von lichthärtendem Fingernageloder Fußnagelersatz zeigt und beschreibt (vgl. Bezeichnung). Diese Vorrichtung ist zudem tunnelförmig ausgebildet, was sich aus Fig. 1 ergibt. Merkmal 1 ist daher verwirklicht. Das Schutzgehäuse (4) (= Merkmal 2) weist eine Auflageplatte

(1) gemäß Merkmal 3 auf und umschließt einen Bestrahlungsraum entsprechend dem Merkmal 4, der eine Eingriffsöffnung (5) zum Einführen einer Hand aufweist (= Merkmal 5), vgl. insb. Seite 9, Zeile 13 bis 37 iVm Fig. 1. Die einteilige Auflageplatte (1), die zur Auflage einer Hand dient (Seite 11, Abs. 1), bildet zugleich die Gehäuseaußenwand und den Gehäuseboden im Sinne des Streitgebrauchsmusters bildet, vgl. Fig. 1. Auch Merkmal 6 ist daher verwirklicht, nicht hingegen Merkmal 7. Hinweise, die Auflageplatte (1) in einen Gehäuseboden und einen als Gehäuseaußenwand ausgebildeten Boden zur Auflage einer Hand zu unterteilen, der unabhängig vom Gehäuseboden abnehmbar ist, gibt dieser Stand der Technik erkennbar nicht.

Der D6 ist ein Nagellacktrockner (nail polish dryer, vgl. Bezeichnung) zu entnehmen, dessen einstückiger Boden (dort base 10) mit einer abnehmbaren Ablage (tray 16) für die Auflage der Finger einer Hand versehen ist. Diese Druckschrift vermittelt lediglich die Anregung, eine getrennt abnehmbare Auflage für die Finger einer Hand vorzusehen, jedoch nicht, diese Ablage als Gehäuseaußenwand auszubilden, die unabhängig vom Gehäuseboden abnehmbar ist. Gleiches gilt für die D2, die ebenfalls eine Vorrichtung zum Trocknen von Nagellack beschreibt, vgl. Bezeichnung. Dort ist die Auflagefläche 5 ebenfalls nicht Teil der Gehäuseaußenwand, was sich ohne Weiteres aus der Darstellung gemäß Fig. 1 ergibt.

Die D5 beschreibt einen Fußtrockner (foot dryer) und weist eine perforierte Auflage (perforated switch plate 23) auf, die ebenfalls nicht die Gehäuseaußenwand bildet, was sich ohne Weiteres der Fig. 5 entnehmen lässt. Dort ist unterhalb der Auflageplatte eine abnehmbare Wanne (tray 91), die im Gehäuseboden lösbar befestigt ist, vgl. Seite 15. In dieser Wanne werden Partikel aufgefangen, die durch die perforierte Auflage fallen, vgl. Seite 15, Zeile 25 bis 27. Dieses ist nicht Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1.

Soweit die Antragstellerin in der Ausbildung gemäß Merkmal 7 zuletzt eine selbstverständliche Maßnahme sieht, erscheint dies nicht frei von einer rückschauenden Betrachtung, der von der Antragstellerin aufgezeigte Stand der Technik zeigt jedenfalls zur Lösung des Verschmutzungsproblems unterschiedliche Lösungen auf, die sämtlich in eine andere Richtung führen.

Der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik liegt weiter ab. Er wurde von der Antragstellerin zum Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 auch zu Recht nicht mehr aufgegriffen. Eine nähere Diskussion dieser Entgegenhaltungen erübrigt sich daher.

Die angebliche Vorbenutzung ist von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr herangezogen worden. Es kann daher dahingestellt bleiben, was tatsächlich vorbenutzt wurde und ob die Vorbenutzung offenkundig wurde.

4. Die angegriffenen Unteransprüche 2 bis 5 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Tunnel-Härtungsgerätes nach dem verteidigten Schutzanspruch 1. Sie werden von diesem getragen.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 S. 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

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BPatG:
Beschluss v. 08.02.2011
Az: 35 W (pat) 403/09


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