Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. Juli 2003
Aktenzeichen: 35 U 48/01

(OLG Hamm: Urteil v. 18.07.2003, Az.: 35 U 48/01)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03. Mai 2001 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, welche Geschäfte er direkt oder über Dritte in welchem Umfang für andere Unternehmen als die Klägerin bis zur rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12.1998 vermittelt hat, insbesondere dabei Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden ist, und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Namen des Kunden oder Vertragsnummer, zu benennen.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte der Beklagte zu 1) direkt oder über Dritte in welchem Umfang bis zur rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12.1998 für die Beklagte zu 2) vermittelt hat, insbesondere dabei Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden ist, und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Namen des Kunden oder Vertragsnummer, zu benennen.

Der weitergehende Auskunftsanspruch wird abgewiesen.

Auf die Widerklage des Beklagten zu 1) wird die Klägerin verurteilt, dem Beklagten zu 1) einen Buchauszug über die seit dem 01.02.1996 bis zum 31.12.1998 vermittelten Geschäfte zu erteilen, die entweder der Beklagte zu 1) selbst oder die ihm unmittelbar oder mittelbar unterstellten, tätigen oder bereits ausgeschiedenen Vermittler für Produktpartner der Klägerin vermittelt oder bei der Klägerin eingereicht haben, und zwar bezüglich Versicherungen, Bausparverträgen und sonstiger Kapitalanlagen und wegen aller provisionsrelevanter Umstände, die bis zum 03.05.2001 eingetreten sind.

Der Rechtsstreit wird wegen des Antrags auf eidesstattliche Versicherung (Antrag zu 3) und wegen des unbestimmten Leistungsantrags (Antrag zu 4) an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die bis April 1998 unter dem Namen T GmbH & Co. KG firmierende Klägerin befasst sich als Vertriebsorganisation in der Eigenschaft einer Handelsvertreterin mit der Vermittlung für verschiedene Anbieter, so u.a. für die T Versicherungsgruppe, die C Versicherungsgruppe und die X-Versicherung. Sie bedient sich dazu einer in Strukturen gegliederten Außendienstorganisation aus Handelsvertretern. Vertragliche Beziehungen mit dem Inhalt eines Handelsvertretervertrages bestehen dabei zum einen zwischen der Klägerin und ihren Handelsvertretern, zum anderen aber auch im Rahmen sog. Sekundärverträge zwischen diesen und den jeweiligen Versicherungsunternehmen.

Der Beklagte zu 1) war auf der Grundlage eines sogenannten Partnerschafts- und Abrechnungsvertrages vom 16.02./31.05.1996 (Bl. 215 ff GA), modifiziert durch einen Zusatzvertrag für Partner in leitender Stellung vom 16.03./31.05.1996 (Bl. 218 f GA), als hauptberuflicher Versicherungsvertreter für die Klägerin tätig. Er gehörte hierbei dem von dem früheren Generaldirektor der Klägerin E geleiteten Strukturflügel der Klägerin an. Zu seinen Aufgaben zählte neben der eigenen Vermittlungstätigkeit die Anleitung, Führung und Motivation der ihm untergeordneten Vertreter.

Der Partnerschaftsvertrag vom 16.02./31.05.1996 enthält u.a. folgende Bestimmungen:

die Provision wird als Vorschuss zur Auszahlung fällig, sobald die T diese von ihren Gesellschaften erhält....

Die Vorschusszahlung entfällt, sobald einer der Vertragspartner die Kündigung dieses Vertrages .... ausgesprochen hat....

...........

6.2. Dem Partner ist jede weitere gleichartige gewerbliche Tätigkeit ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der T untersagt. Gleiches gilt hinsichtlich der Vermittlung von Verträgen, die nicht von der T bzw. den Gesellschaften angeboten werden und auch im jeweils gültigen Produktplan nicht enthalten sind.....

Aufgrund des Zusatzvertrages vom 06.03./31.05.1996 wurde der Beklagte zu 1) zum Vertriebsdirektor der Klägerin in dem von dem Zeugen E geleiteten Strukturflügel berufen, zugleich wurde die im Partnerschaftsvertrag geregelte Kündigungsfrist dahin abgeändert, dass das Vertragsverhältnis mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Kalenderjahres kündbar sein sollte.

Mit Schreiben vom 03.03.1998 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit dem Zeugen E fristlos. Grund der Kündigung war der seitens der Klägerin erhobene Vorwurf einer planmäßigen Abwerbung von Mitarbeitern durch den Zeugen E. Die Vorgänge waren Gegenstand des inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreits 35 U 35/00 OLG Hamm (R ./. E).

Mit Schreiben vom 30.04.1998 kündigte der Beklagte zu 1) seinerseits sein Vertragsverhältnis mit der Klägerin zum 31.12.1998, nachdem bereits am 15.04. bzw. 26.04.1998 nach insoweit unwidersprochenem Vortrag der Klägerin die ihm unterstellten Mitarbeiter O und T3 ihr Vertragsverhältnis gekündigt hatten. Die Klägerin nahm die Kündigung des Beklagten zu 1) zum Anlass, die Zahlung weiterer Provisionsvorschüsse an ihn einzustellen. Im Mai folgten anschließend die Kündigungen der dem Beklagten zu 1) unterstellten Mitarbeiter K, B, B2, I und D, zwischen August und Oktober 1998 erklärten später auch die Mitarbeiter T, T4, L, und T5 die Kündigung ihrer jeweiligen Verträge mit der Klägerin.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass die Beklagten ihr wegen vertrags- und wettbewerbswidrigen Verhaltens als Gesamtschuldner für alle Schäden einzustehen hätten, die ihr durch verbotswidrige Konkurrenztätigkeit des Beklagten zu 1) und der ihm unterstellten Mitarbeiter entstanden seien und noch entstünden. Zugleich hat sie Auskunft darüber verlangt, welche Verträge der Beklagte zu 1) und seine namentlich benannten Untervertreter vermittelt haben.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr früherer (Mit-)Geschäftsführer L2 sowie der Zeuge E hätten Ende 1997/Anfang 1998 auf Initiative und unter Federführung des Zeugen E mit der Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen und im Zuge der anschließend mit deren Direktor H geführten Gespräche vereinbart, dass sie ihnen unterstellte Mitarbeiter der Klägerin abwerben und dazu bewegen sollten, ihr Vertragsverhältnis mit der Klägerin zu kündigen und noch vor Ablauf der frühestmöglichen Kündigungsfrist per 30.06.1998 bereits ab April 1998 für die Beklagte zu 2) tätig zu werden. Hierbei habe die Einreichung von vermittelten Verträgen in der Übergangszeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist über sog. Strohmannverträge erfolgen sollen, die die Beklagte zu 2) mit Ehefrauen, Partnern und Familienangehörigen der Vertriebsmitarbeiter abgeschlossen habe. Dieser Plan sei dann ab April 1998 auch in die Tat umgesetzt worden, wobei die Beklagte zu 2) den abgeworbenen Mitarbeitern der Klägerin Darlehn zur Ablösung ihrer bei dieser bestehender Verbindlichkeiten wie auch zur Anschubfinanzierung ihre neuen Tätigkeit für sie -die Beklagte zu 2)- angeboten und auch gewährt habe.

In Umsetzung der getroffenen Absprache habe der Beklagte zu 1) über seinen Bruder ein Darlehn der Beklagten zu 2) erhalten und ab April 1998 von ihm vermittelte, von seiner Freundin unterschriebene Versicherungsverträge von dem Zeugen E bei der Beklagten zu 2) einreichen lassen. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 1) die oben genannten, ihm unterstellten Mitarbeiter der Klägerin abgeworben und zur Kündigung ihrer Verträge mit der Klägerin bewogen. Nach erfolgter Kündigung hätten diese Mitarbeiter dann ab April 1998 gleichfalls über Verwandte Strohmannverträge mit der Beklagten zu 2) abgeschlossen und auf diesem Weg anschließend Versicherungsverträge bei der Beklagten zu 2) eingereicht. Ihre Vertriebstätigkeit für sie -die Klägerin- hätten der Beklagte zu 1) und seine Mitarbeiter dabei bereits Ende April/Anfang Mai 1998 vor Ablauf der geltenden Kündigungsfrist eingestellt.

Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte zu 1) habe sich ihr gegenüber durch Aufnahme einer -ihm vertraglich unstreitig untersagten- Konkurrenztätigkeit schadensersatzpflichtig gemacht. Da sie nicht in der Lage sei, den ihr entstandenen Schaden zu beziffern, sei ihre Feststellungsantrag ebenso gerechtfertigt wie ihr Auskunftsbegehren. Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) ergebe sich dagegen aus §§ 823 BGB, 1 UWG.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei oder noch entstehen werde, dass der Beklagte zu 1) vor der rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12.1998 seine Vermittlungstätigkeit für sie eingestellt und/oder eine Konkurrenztätigkeit entwickelt sowie ihre Handelsvertreter T, O2, K, B, T3, T4, B2, I, L, D und T5 dazu veranlasst habe, das Vertragsverhältnis mit ihr zu beenden und noch vor der rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses zum 30.06.1998 die Vermittlungstätigkeit für sie, die Klägerin, einzustellen und/oder eine Konkurrenztätigkeit zu entwickeln,

2.

den Beklagten zu 1) zu verurteilen, ihr darüber Auskunft zu erteilen, welche Geschäfte er direkt oder über Dritte in welchem Umfang für andere Unternehmen als die Klägerin bis zur rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12.1998 vermittelt hat, insbesondere dabei Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden sei, und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Namen des Kunden oder Vertragsnummer, zu benennen,

3.

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihr darüber Auskunft zu erteilen, welche Geschäfte der Beklagte zu 1) direkt oder über Dritte in welchem Umfang bis zur rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12.1998 für die Beklagte zu 2) vermittelt hat bzw. welche Geschäfte ihre Handelsvertreter T, O2, K, B, T3, T4, B2, I, L, D und T5 direkt oder über Dritte bis zur rechtlichen Beendigung ihres jeweiligen Agenturverhältnisses zum 30.06.1998 für die Beklagte zu 2) vermittelt haben und dabei insbesondere Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden sei, und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Namen des Kunden oder Vertragsnummer, zu benennen,

4.

die Beklagten gegebenenfalls - jeden für sich - zu verurteilen, die Richtigkeit der zu 2) und 3) erteilten Auskünfte vor Gericht an Eides Statt zu versichern.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben gemeint, der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil eine Leistungsklage möglich sei.

Der Beklagte zu 1) hat eingewandt, nachdem die Klägerin seine Konten bei ihr gesperrt und jegliche Zahlungen an ihn eingestellt habe, er andererseits aber weiterhin erhebliche Bürokosten habe tragen müssen, sei ihm gar keine andere Möglichkeit geblieben, als seinen Unterhalt anderweitig zu verdienen. Das Schadensersatzverlangen der Klägerin sei angesichts ihres eigenen Vorverhaltens treuwidrig. Er hat daneben die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Beklagte zu 2) hat dagegen in Abrede gestellt, Mitarbeiter der Klägerin abgeworben zu haben. Sie hat behauptet, die Initiative zur Neuorientierung der Mitarbeiter der Klägerin sei von deren Geschäftsführer ausgegangen, der führende Mitarbeiter der Klägerin Anfang 1998 zusammengerufen und ihnen mitgeteilt habe, dass sich die Klägerin in massiven Liquiditätsschwierigkeiten befinde. Dass der Beklagte zu 1) sich nachfolgend nach einer anderweitigen Vertriebstätigkeit umgeschaut habe, sei allein schon durch die Kündigung der ihm unterstellten Mitarbeiter bedingt gewesen, die ihm zugleich die Basis für eine weitere Tätigkeit im Dienst der Klägerin entzogen habe. Abwerbungsversuche seien von ihrer -der Beklagten zu 2)- Seite ebenso wenig erfolgt wie die Gewährung von Darlehn an Mitarbeiter der Klägerin. Vertragliche Beziehungen zu früheren Mitarbeitern der Klägerin habe sie nur im Fall D aufgenommen und auch dies erst nach Ablauf der für dessen Vertrag mit der Klägerin geltenden Kündigungsfrist. ergänzend hat die Beklagte zu 2) vorgetragen, sie habe zugestimmt, dass der Beklagte zu 1) in geringfügigem Maße für sie tätig sein könne, nachdem er wegen der Sperrung der Provisionskonten aus existentiellen Gründen nicht mehr für die Klägerin habe tätig sein können.

Der Beklagte zu 1) hat seinerseits widerklagend die Erteilung eines Buchauszugs verlangt und zur Begründung darauf verwiesen, den Buchauszug zu benötigen, um die Richtigkeit der ihm erteilten Provisionsabrechnungen der Klägerin überprüfen zu können.

Der Beklagte zu 1) hat widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, ihm einen Buchauszug über die seit dem 01.12.1996 bis zum 31.12.1998 vermittelten Geschäfte zu erteilen, die entweder er selbst oder die ihm unmittelbar oder mittelbar unterstellten tätigen oder bereits ausgeschiedenen Vermittler für Produktpartner der Klägerin vermittelt oder bei der Klägerin eingereicht haben, und zwar bezüglich Versicherungen, Bausparverträgen und sonstiger Kapitalanlagen und wegen aller provisionsrelevanter Umstände, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten sind.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Widerklage entgegen getreten. Sie hat insoweit eingewandt, der Beklagte haben keinen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs, da er zum einen aufgrund der ihm übersandten monatlichen Provisionsabrechnungen, deren Richtigkeit er durch Schweigen anerkannt habe, bereits über die erforderlichen Informationen verfüge, zum anderen aber auch zu beachten sei, dass sie selbst nur Handelsvertreterin sei und als solche über keine weitergehenden Kenntnisse bezüglich der vermittelten Verträge verfüge als der Beklagte selbst.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin antragsgemäß zur Erteilung des verlangten Buchauszugs verurteilt. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Feststellungsklage sei mangels Feststellungsinteresses der Klägerin, die ihr Begehren nach im Zeitpunkt der Klageerhebung abgeschlossener Schadensentwicklung im Rahmen einer Stufenklage verfolgen könne, bereits unzulässig, das Auskunftsverlangen der Klägerin dagegen unbegründet. Nachdem die Klägerin entgegen ihrer Verpflichtung aus § 87 a HGB vertrags- und treuwidrig ihre Vorschusszahlungen auf Provisionsansprüche des Beklagten zu 1) eingestellt habe, sei dem hierdurch in eine wirtschaftliche Zwangslage gebrachten Beklagten zu 1) trotz seiner bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist aufgenommene Tätigkeit für die Beklagte zu 2) kein zum Schadensersatz verpflichtender Vertragsverstoß vorzuwerfen. Dass die Beklagte zu 2) den Beklagten zu 1) und/oder ihm unterstellte Mitarbeiter der Klägerin aktiv und damit in einer nach §§ 823 BGB, 1 UWG zum Schadensersatz verpflichtenden Art und Weise abgeworben habe, sei nicht bewiesen. Der Anspruch des Beklagten zu 1) auf Erteilung eines Buchauszugs sei dagegen nach § 87 c II HGB begründet. Auf Erfüllung könne sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg berufen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei sie ihren Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung allerdings nunmehr als unbestimmten Zahlungsantrag im Rahmen einer Stufenklage gestellt hat. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Auskunfts- und Zahlungsverlangen sei entgegen der Einschätzung des Landgerichts sachlich begründet. Insbesondere stehe der in Ziff. 4.4 des Partnerschafts- und Abrechnungsvertrages sowie Ziff. 3.5 des Zusatzvertrages vorgesehene Wegfall der vereinbarten Vorschussleistungen nach Kündigung des Vertrages im Einklang mit der sich aus § 92 HGB ergebenden Rechtslage und sei daher -anders als das Landgericht dies beurteilt habe- wirksam, denn nur so könne sich der Unternehmer die Verrechnungsmöglichkeit im Hinblick auf künftige Rückzahlungsansprüche wegen Stornierungen sichern. Da der Beklagte zu 1) nach Kündigung seines Vertrags seine Tätigkeit für sie eingestellt habe, habe er auch keinen Anspruch auf weiteren Provisionsvorschuss mehr erworben. Ein etwaiges vertragswidriges Verhalten ihrerseits habe den Beklagten zu 1) im übrigen nicht berechtigt, nun seinerseits vertragswidrig zu handeln.

Die Auskunftsverpflichtung der Beklagten zu 2) folge dagegen -unabhängig von eigenem Verschulden- bereits aus dem Umstand, dass ihr die Früchte des vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten zu 1) zugeflossen seien. Abgesehen davon habe die Beklagte zu 2) das vertragswidrige Verhalten des Beklagten zu 1) aber auch in Kenntnis seiner fortbestehenden Vertragsbindung an sie erst ermöglicht und, insbesondere durch Zusage finanzieller Unterstützung, sogar bewusst gefördert.

Die Widerklage des Beklagten zu 1) sei hingegen unbegründet. Zum einen verfüge sie nicht über sämtliche für die Erteilung des Buchauszugs notwendigen Informationen, da sie selbst nur als Handelsvertreterin tätig geworden sei. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1) sich die gewünschten Informationen aufgrund seines mit diesen bestehenden eigenen Vertragsverhältnisses von den vertretenen Versicherungsgesellschaften selbst beschaffen könne.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

1.

den Beklagten zu 1) im Wege der Stufenklage zu verurteilen, ihr darüber Auskunft zu erteilen, welche Geschäfte er direkt oder über Dritte in welchem Umfang für andere Unternehmen als die Klägerin bis zur rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12.1998 vermittelt hat, insbesondere dabei Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden sei, und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Namen des Kunden oder Vertragsnummer, zu benennen,

2.

die Beklagte zu 2) im Wege der Stufenklage zu verurteilen, ihr darüber Auskunft zu erteilen, welche Geschäfte der Beklagte zu 1) direkt oder über Dritte in welchem Umfang bis zur rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 31.12 1998 für die Beklagte zu 2) vermittelt hat bzw. welche Geschäfte ihre Handelsvertreter T, O2, K, B, T3, T4, B2, I, L, D und T5 direkt oder über Dritte bis zur rechtlichen Beendigung ihres jeweiligen Agenturverhältnisses zum 30.06.1998 für die Beklagte zu 2) vermittelt haben und dabei insbesondere Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden sei, und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Namen des Kunden oder Vertragsnummer, zu benennen,

3.

die Beklagten gegebenenfalls - jeden für sich - zu verurteilen, die Richtigkeit der zu 2) und 3) erteilten Auskünfte vor Gericht an Eides Statt zu versichern,

4.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, den Schaden zu zahlen, der ihr aus den in den Auskunftsanträgen beschriebenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde,

5.

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte zu 2) stellt dabei nunmehr -anders als in erster Instanz- in Abrede, dass der Beklagten zu 1) schon vor Ablauf seiner vertraglichen Bindung zur Klägerin für sie tätig geworden ist und hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch die vor dem Einzelrichter durchgeführte Vernehmung der Zeugen T, O, K, D, T4, und L sowie Vernehmung der Zeugen I, B, T3 und T5 vor dem Senat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 20.01.2003 (Bl. 348 ff GA) sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 18.07.2003 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Feststellungen des Landgerichts in seinem angefochtenen Urteil verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Hinsichtlich der Widerklage ist sie zurückzuweisen, während sie hinsichtlich der Auskunftsansprüche überwiegend Erfolg hat. Wegen der offenen Anträge der Stufenklage ist der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

A) Zur Klage:

Der Streit der Parteien um die Zulässigkeit der von der Klägerin ursprünglich erhobenen Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung der gesamtschuldnerischen Schadensersatzverpflichtung der Beklagten bezüglich eines etwaigen Schadens der Klägerin aufgrund vertragswidriger Konkurrenztätigkeit des Beklagten zu 1) und seiner namentlich benannten Mitarbeiter für die Beklagte zu 2) hat sich erledigt, nachdem die Klägerin ihren bisherigen Klageantrag zu 1. umgestellt hat (Bl. 275 GA) und nun im Wege der Stufenklage von den Beklagten Auskunft über näher bezeichnete Umstände (vgl. hierzu Bl. 2) und -noch unbeziffert- Schadensersatz fordert. Auf diese Klageänderung haben sich die Beklagten durch rügeloses Verhandeln eingelassen und damit i.S.d. §§ 263, 267 ZPO eingewilligt, so dass sich weitere Erörterungen zur Zulässigkeit der Klageänderung von vornherein erübrigen.

1. Auskunftsanspruch gegen den Beklagten zu 1):

Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 1) vor, er sei schon vor der Beendigung seines Handelsvertretervertrages am 31.12.1998 für die Beklagte zu 2) tätig geworden und habe zudem ihm unterstellte Mitarbeiter für eine Tätigkeit in den Diensten der Beklagten zu 2) abgeworben und eingesetzt. Zur Bezifferung des Schadens aus dieser wettbewerbswidrigen und daher verbotenen Tätigkeit begehrt sie Auskunft über die von ihm bis zum 31.12.1998 direkt oder über Dritte vermittelten Verträge.

Dieser Anspruch ist begründet, ohne dass es dazu einer Beweisaufnahme bedürfte. Insbesondere bedarf im Verhältnis der Klägerin zu dem Beklagten zu 1) keiner abschließenden Klärung, ob dieser entsprechend dem Vorwurf der Klägerin ihm unterstellte Versicherungsvertreter der Klägerin zur Aufnahme einer vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit verleitet hat.

a)

Bereits das Landgericht (Bl. 158 GA = S. 5 des angefochtenen Urteils) hat zu Recht als unstreitig angesehen, dass der Beklagte zu 1) schon vor Vertragsende für die Beklagte zu 2) tätig geworden ist und damit gegen das ihm auferlegte Wettbewerbsverbot (Ziffer 6.2 des Partnerschaftsvertrages vom 16.02/31.05.1996) verstoßen habe.

Der Beklagte zu 1) selbst hat zwar nur davon gesprochen, er habe seinen Lebensunterhalt nach Sperrung des Provisionskontos anderweitig verdienen müssen (Bl. 35 GA), weshalb der Klägerin verwehrt sei, Schadensersatzansprüche wegen etwaiger Vermittlungstätigkeiten für einen dritten Versicherer geltend zu machen; der diesbezügliche Vortrag des Beklagten zu 1) kann indes nach den Gesamtumständen sowie in Ansehung der Bestimmung des § 138 III ZPO nur als Zugeständnis einer solchen Tätigkeit gewertet werden. Auch in der Berufungsinstanz legt der Beklagte zu 1) nicht nachvollziehbar dar, dass und in welcher Form er nach der Einstellung seiner Tätigkeit für die Klägerin andere Einnahmequellen als diejenige aufgrund seiner Vermittlungstätigkeiten für die Beklagte zu 2) hatte.

Die Feststellung eines Vertragsverstoßes des Beklagten zu 1) ist darüber hinaus auch vor dem Hintergrund des Vortrags der Beklagten zu 2) gerechtfertigt, die in erster Instanz offen eingeräumt hat, dem Beklagten zu 1) die Aufnahme einer Vermittlungstätigkeit für die -die Beklagten zu 2)- noch vor Ablauf der Kündigungsfrist gestattet zu haben.

b)

Dem gemäß wendet sich der Beklagte zu 1) mit der Berufungserwiderung auch gar nicht gegen die Feststellung vorzeitiger Konkurrenztätigkeit, sondern verweist allein darauf, nach Ausspruch seiner Kündigung durch die daraufhin von der Klägerin ausgesprochene Verweigerung weiterer Provisionsvorschüsse in eine wirtschaftliche Notlage gebracht worden zu sein, die ihn erst zur Aufnahme einer Tätigkeit für die Beklagte zu 2) veranlasst habe. Eine Rechtfertigung seiner vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit lässt sich hieraus jedoch noch nicht herleiten.

Nach der zu Ziffer 4.4. des zwischen den Parteien geschlossenen Partnerschafts- und Abrechnungsvertrages vom 16.02./31.05.1996 (Bl. 215 GA) getroffenen Regelung entfiel die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der vereinbarten Vorschüsse im Fall einer Kündigung des Vertrages durch einen der Vertragspartner. Die genannte Vertragsklausel ist entgegen der Auffassung des Landgerichts wirksam. Die gesetzliche Bestimmung des § 87 a Absatz 1 HGB, der eine Vorschusspflicht nach Durchführung des Geschäfts - hier: Annahme des Versicherungsvertrages durch den Produktpartner - zwingend vorsieht, wird für den Versicherungsvertrag durch die Bestimmung des § 92 Abs. 4 HGB ersetzt, der eine Vorschusspflicht weder zwingend noch dispositiv anordnet (Hopt, Handelsvertreterrecht, 2. Auflage, § 92. Rdnr. 7 ff). Demgemäß unterfällt es der Vertragsfreiheit der Parteien, die Vorschusspflicht frei zu regeln und -wie im Streitfall geschehen- nur eingeschränkt bis zum Zeitpunkt der Kündigung zu vereinbaren. Trotz Einstellung der Vorschusszahlungen blieb der Beklagte dabei an den Vertrag mit der Klägerin gebunden. Soweit das Landgericht seine abweichende Einschätzung mit dem Hinweis begründet hat, die vertraglich vereinbarte Praxis der Parteien habe neben der Vermittlung von Versicherungsvertragen auch noch andere Geschäfte im Sinne des § 84 HGB betroffen, fehlt hierfür sowohl nach dem Vortrag der Parteien als auch nach dem weiteren Akteninhalt jeder konkrete Anhalt.

Die Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) durch die Klägerin wegen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit für die Beklagte zu 2) erweist sich auch nicht etwa als treuwidrig (§ 242 BGB). Dass der Wegfall weiterer Vorschüsse bei einer Kündigung den Vertreter in finanzielle Schwierigkeiten bringen kann, liegt zwar auf der Hand, ist aber auch für den Vertreter -hier mithin den Beklagten zu 1)- ohne weiteres voraussehbar und durch Bildung entsprechender Rücklagen aufzufangen. Auch von daher begegnet die Klausel keinen Bedenken.

Allein zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte zu 1) selbst dann nicht zu eigenem vertragswidrigem Verhalten berechtigt war, wenn man ihm folgend davon ausgehen wollte, dass die Klägerin ihm zu Unrecht weitere Vorschusszahlungen verweigert hat. Auch in diesem Fall musste sich der Beklagte zu 1) darauf verweisen lassen, seine (vermeintlichen) vertraglichen Rechte der Klägerin gegenüber einzufordern und durchzusetzen, statt umgehend eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen.

c)

Auf Grund seiner vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit für die Beklagte zu 2) ist dem Beklagten zu 1) eine positive Vertragsverletzung zur Last zu legen, die ihn dem Grunde nach gemäß den §§ 249, 252 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Da die Klägerin dabei naturgemäß keine Kenntnis von Art und Umfang der für die Beklagte zu 2) vermittelten Geschäfte hat, schuldet der Beklagte zu 1) ihr gemäß § 242 BGB Auskunft in dem von der Klägerin geforderten Umfang (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl. § 261 Rz. 8 unter Hinweis auf BGHZ 95, 279 ff, 288). Dem Einwand des Beklagten zu 1), einer Auskunft bedürfe es nicht, weil der Schaden pauschal auf der Grundlage der in der Vergangenheit erwirtschafteten Umsätze zu berechnen sei, ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 96, 2097 ff, 2098) lässt sich ein Schaden aus der Verletzung eines Wettbewerbsverbots am ehesten den Konkurrenzgeschäften entnehmen.

d)

Dem in der mündlichen Verhandlung geäußerten Begehren des Beklagten zu 1), Auskunft allenfalls gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftprüfer erteilen zu müssen, war gleichfalls nicht stattzugeben. Der Beklagte zu 1) mag ein Interesse haben, seine Kunden nicht zu offenbaren, einen besonderen Schutz durch Einschaltung einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Zwischenperson sieht das Gesetz aber nur im Rahmen des Anspruchs auf Bucheinsicht vor. Auskünfte müssen hingegen der Partei selbst erteilt werden, da diese andernfalls keine hinreichende Möglichkeit hat, deren Richtigkeit zu überprüfen.

e)

Der gegen den Beklagten zu 1. bestehende Schadensersatzanspruch der Klägerin wie auch der ihr zustehende Auskunftsanspruch nach § 242 BGB unterliegen der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 88 HGB. Diese Frist ist rechtzeitig durch die Erhebung der - wenn auch unzulässigen -Feststellungsklage unterbrochen worden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl. § 209 Rz. 5 u.a. zum Fall des fehlenden Feststellungsinteresses unter Hinweis auf BGHZ 39, 291; 103, 302).

2. Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu 2):

Das gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Auskunftsverlangen der Klägerin, mit dem sie in näher bezeichnetem Umfang Auskunft über alle Verträge begehrt, die der Beklagte zu 1) und die ihm unterstellten Mitarbeitern für die Beklagte zu 2) vermittelt haben, ist dagegen nur teilweise begründet. Der Auskunftsanspruch ist gerechtfertigt, soweit die Klägerin von dem Beklagten zu 1) Angaben über die von ihm direkt oder über Dritte, insbesondere auch seine bisherigen Mitarbeiter vermittelten Verträge verlangt. Dagegen erweist sich der Anspruch als unbegründet, soweit die Klägerin darüber hinaus auch Auskunft über alle Geschäfte begehrt, die die von ihr namentlich benannten früheren Mitarbeiter des Beklagten zu 1) in eigener Verantwortung oder als Mitarbeiter eines Dritten -allerdings ohne Bezug zu dem Beklagten zu 1)- für die Beklagte zu 2) vermittelt haben.

a)

Rechtliche Grundlage des gegen die Beklagte zu 2) bestehenden Auskunftsanspruchs der Klägerin ist auch hier § 242 BGB, wobei sich die erforderliche Sonderverbindung, die es mit sich bringt, dass die Klägerin in entschuldbarer Weise über den Umfang seiner Rechte im Ungewissen ist, aus einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung i.S.d. § 826 BGB durch die Beklagte zu 2) ergibt.

Ein daneben bestehender Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 823 I BGB aus dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheitert dagegen ebenso wie ein solcher nach § 1 UWG wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten zu 2) an der im Senatstermin vom 15.03.2002 (Bl. 273 GA) erhobenen Einrede der Verjährung, die gemäß § 21 UWG durchgreifen und zugleich auch Ansprüche nach § 823 I BGB mit umfasst, nicht aber solche aus § 826 BGB, für die -und zwar auch dann, wenn wie hier ein Wettbewerbsverstoß in Rede steht- die Verjährungsfrist des § 852 BGB gilt (Palandt-Thomas, BGB, 60. Auf. § 852 Rz. 1 m.w.N.).

Soweit die Klägerin daneben der Ansicht ist, von der Beklagte zu 2) unabhängig von einer Mitwirkung an einem Wettbewerbsverstoß die Herausgabe jeglicher Vorteile verlangen zu können, die sie als Früchte des wettbewerbswidrigen Verhaltens der namentlich benannten Handelsvertreter erlangt habe, weshalb die Beklagte zu 2) ohne weiteres über alle auf diese Weise geschlossenen Verträge Auskunft zu erteilen habe, ist nicht zu folgen. Der Klägerin steht insoweit -von den angesprochenen Schadensersatzansprüchen abgesehen- insbesondere kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nach §§ 812 ff BGB zu, auf den der in diesem Zusammenhang von ihr gewählte Begriff der "Herausgabe" hindeutet. Denn die Beklagte zu 2) hat die in Rede stehenden Vermittlungsleistungen mit Rechtsgrund erlangt und könnte sie deshalb ohne eine bestehende Schadensersatzverpflichtung aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung behalten.

b)

Ein im Sinne des § 826 BGB zu beanstandendes und sie zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten der Beklagten kann im Streitfall zwar nicht bereits ohne weiteres darin gesehen werden, dass sie für die Klägerin tätige Handelsvertreter durch das Angebot besserer Konditionen veranlasst hat, ihre Vermittlungstätigkeit fortan für sie -die Beklagte zu 2)- zu entfalten. Der Beklagten zu 2) ist hier jedoch darüber hinaus der Vorwurf zu machen, dass sie dem Beklagten zu 1) aktiv Beihilfe zu seinem Vertragsbruch im Verhältnis zur Klägerin geleistet und sich so auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der Klägerin i.S.d. § 826 BGB schuldig gemacht hat, da ihre unterstützende Tätigkeit zu Wettbewerbszwecken erfolgte (BGH DB 81, S. 1668).

aa)

Wie bereits dargelegt, hat die Beklagte zu 2) schon mit der Klageerwiderung vom 30.11.1999 (Bl. 38 ff, 43 GA) eingeräumt, es dem Beklagten zu 1) gestattet zu haben, schon vor Ablauf seiner im Verhältnis zur Klägerin einzuhaltenden Kündigungsfrist "in geringfügigem Maße" in der Struktur E für sie tätig zu werden. Zur Begründung und Rechtfertigung ihres Verhaltens hat die Beklagte zu 2) dabei darauf verwiesen, dass dem Beklagten zu 1) eine weitere Tätigkeit für die Klägerin nicht mehr möglich gewesen sei und er sich daher seinerzeit in einer existentiellen Notlage befunden habe. Zwar bestehen im Ergebnis durchgreifende Bedenken, diesem Vortrag der Beklagten zu 2) den Gehalt eines förmlichen Geständnisses i.S.d. § 288 ZPO beizumessen, da er weder ausdrücklich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist noch nach der Rechtsauffassung des Landgerichts streitentscheidende Bedeutung hatte. Dessen ungeachtet muss sich die Beklagte zu 2) jedoch an ihrem erstinstanzlichen Vortrag festhalten lassen, ihr mit der Berufungserwiderung (Bl. 249 ff, 258 f GA) unternommener Versuch, ihr damaliges Vorbringen als Folge eines Informationsirrtums darzustellen, vermag dagegen nicht zu überzeugen, zumal jede konkrete Darlegung dazu fehlt, ab wann und auf welcher vertraglichen Grundlage der Beklagte zu 1) tatsächlich für sie tätig geworden sein soll.

Die Beklagte zu 2) kann sich auch nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, sie habe seinerzeit in dem Glauben gehandelt, der Beklagte zu 1) werde vor Ablauf seiner Vertragsbedingung zur Klägerin für sie -die Beklagte zu 2)- ausschließlich in nicht wettbewerbsrelevanten Bereichen zum Einsatz kommen und sich so etwa auf Tätigkeiten im Rahmen der Stornobekämpfung bei notleidend gewordenen Verträgen beschränken. Eine derartige Einstellung und Haltung eines mit den Marktmechanismen vertrauten Versicherungsunternehmens müsste als in hohem Maße lebensfremd erscheinen und kann schon von daher nicht als den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend angenommen werden. Bei einer Struktur, die wie die damals kurz zuvor erst neu gegründete Struktur des Zeugen E zunächst einmal neue Kunden werben muss, entfällt auf die Stornoabwehr von vornherein ein nur geringes Aufgabengebiet. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 2) selber darauf verweist, nur zu finanziellen Leistungen im Rahmen üblicher Provisionsvorschüsse bereit gewesen zu sein. Damit aber nahm sie nach den Gesamtumständen mit der Zustimmung zu einer Tätigkeit des Beklagten zu 1) in ihren Diensten jedenfalls billigend in Kauf, dass dieser hierbei auch und gerade Akquisitionstätigkeiten für sie ausübte. Denn gerade hierfür erhielt auch ihr "Hauptvertragspartner", der Zeuge E, seine Provisionen und damit das Geld, das er an den Beklagten zu 1) weitergeben konnte.

bb)

Die Beschäftigung des Beklagten zu 1) durch die Beklagte zu 2) erfolgte weiterhin in Kenntnis der bestehenden Vertragslage -insbesondere des von dem Beklagten zu 1) im Verhältnis zur Klägerin zu beachtenden Verbots einer Konkurrenztätigkeit vor Auslaufen seines Vertrags mit dieser- und auch zu Wettbewerbszwecken. Selbst wenn die Parteien keine direkten Wettbewerber sind, da die Klägerin keine Versicherungsgesellschaft und damit kein direkter Konkurrent der Beklagten zu 2) ist, ging es der Beklagten zu 2) doch im Rahmen einer echten Konkurrenzsituation um die Förderung ihrer eigenen Geschäfte auf Kosten der Klägerin und der von dieser vertretenen Versicherungsunternehmen.

Bei dieser Sachlage lässt sich im übrigen nicht ernsthaft in Abrede stellen, dass der Vorsatz der Beklagten zu 2) auch Art und Richtung der Schadensfolgen auf Seiten der Klägerin mit umfasste und diese von ihr jedenfalls billigend in Kauf genommen wurden (BGH NJW 2000, 2896; Palandt-Thomas, BGB,61. Aufl. § 826 Rz. 10). Dass die Beklagte zu 2) nach dem ihr bekannten Sachverhalt annehmen konnte, den Beklagten zu 1) ohne Auslösung von Schadensersatzansprüchen der Klägerin beschäftigen zu dürfen, ist nicht erkennbar, ihr Einwand, die Beschäftigung des Beklagten zu 1) sei "ausschließlich in dem Bewusstsein erfolgt, dass der Klägerin hierdurch keinerlei Geschäfte entgegen", ist nicht geeignet, einen haftungsbefreienden, da zum Entfall des bedingten Vorsatzes führenden Verbotsirrtum der Beklagten zu 2) schlüssig darzulegen, zumal in diesem Zusammenhang auf die umfassende Kenntnis der Beklagten zu 2) aufgrund der ihr bekannten Gesamtumstände bei Ausscheiden des Zeugen E und weiterer Mitarbeiter aus den Diensten der Klägerin abzustellen ist; eine allein auf den Streitfall verkürzte Betrachtung würde hier zu kurz greifen.

cc)

Die Beklagte zu 2) kann ihrer Inanspruchnahme auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass ihr Verhalten ohne schädigende Folgen für die Klägerin geblieben sei, da der Beklagte zu 1) ohnehin nicht mehr für die Klägerin, sondern auf jeden Fall für einen anderen Versicherer tätig geworden wäre. Die Beklagte zu 2) beruft sich damit auf eine sogenannte hypothetische Schadensverursachung bei eigenem -unterstellt rechtmäßigem- Alternativverhalten, nämlich darauf, dass ein anderer den der Klägerin entstandenen Schaden in gleicher Weise und Höhe verursacht hätte, wenn sie nicht tätig geworden wäre. Diese Überlegung ist indes rechtlich irrelevant und befreit die Beklagte zu 2) nicht von ihrer Haftung für den von ihr verursachten Schaden (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Auf. Vorbem. vor § 249 Rz. 100 m.w.N.).

dd)

Die Auskunfts- und Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) beschränkt sich inhaltlich nicht allein auf die von dem Beklagten zu 1) vermittelten Verträge, sondern erstreckt sich darüber hinaus auch auf solche, die der Beklagte zu 1) während der Laufzeit seines im Verhältnis zur Klägerin einzuhaltenden Wettbewerbsverbots über Dritte für sie vermittelt hat. Da die Beklagte zu 2) wusste und billigte, dass der Beklagte zu 1) vor Ablauf seines Vertrages für sie tätig wurde, lag hierin zugleich auch die Billigung, dass der Beklagte zu 1) in Fortführung seiner zuvor bei der Klägerin praktizierten Arbeitsweise nicht nur selbst Verträge vermittelte, sondern sich hierzu auch nachgeordneter Handelsvertreter bediente. Inwieweit der Beklagten zu 2) konkret bekannt war, um welche Personen es sich hierbei handelte, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, ggfs. notwendige Aufklärung wird sie vielmehr im Rahmen der zu erteilenden Auskunft zu betreiben haben.

c)

Das Auskunftsverlangen der Klägerin war dagegen als unbegründet abzuweisen, soweit sie von der Beklagten zu 2) weitergehend auch Auskunft darüber verlangt, welche Geschäfte die von ihr namentlich bezeichneten Versicherungsvertreter für sie -die Beklagte zu 2)- ohne eine Mitwirkung des Beklagten zu 1) vor Auslaufen ihrer Verträge mit der Klägerin vermittelt haben.

Voraussetzung einer solchen weitergehenden Auskunftsverpflichtung der Beklagten zu 2) wäre, dass sie auch insoweit Beihilfe zum Vertragsbruch geleistet hat, mithin den benannten Vertretern der Klägerin in Kenntnis ihrer fortbestehenden Vertragsbindung an die Klägerin die Möglichkeit eröffnet hat, für sie -die Beklagte zu 2)- Versicherungsanträge einholten und zur Verprovisionierung bei ihr einzureichen. Das lässt sich nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch nicht feststellen.

aa)

So haben die Zeugen T, K, D, T4, L, B und T3 bei ihrer Vernehmung im Kern übereinstimmend und auch glaubhaft bekundet, im Anschluss an ihre Tätigkeit als Versicherungsvertreter der Klägerin nicht mehr im Versicherungsgewerbe tätig geworden zu sein und dem gemäß weder während bestehender Vertragbindung zur Klägerin noch später -direkt oder über Dritte- Tätigkeiten für die Beklagte zu 2) entfaltet zu haben. Soweit die Vernehmung der Zeugen vor dem Einzelrichter des Senats erfolgt ist, sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2003 über die vorläufige Bewertung des Beweisergebnisses durch den Senat unterrichtet worden, ohne hiergegen Einwände zu erheben.

bb)

Die Zeugen O, I und T5 haben dagegen bei ihrer Vernehmung zwar eingeräumt, im Anschluss an ihre Tätigkeit für die Klägerin weiterhin als Versicherungsvertreter gearbeitet zu haben und hierbei -so jedenfalls die Zeugen I und T5- Verträge über die von dem Zeugen E geführte und mit der Beklagten zu 2) in vertraglicher Beziehung stehende Firma U GmbH eingereicht zu haben. Auch diese Zeugen haben indes übereinstimmend darauf verwiesen, diese neue Tätigkeit erst nach Auslaufen ihrer vertraglichen Bindung zur Klägerin aufgenommen zu haben. Konkrete Anhaltpunkte, die gegen die sachliche Richtigkeit dieser Darstellung sprechen könnten, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin weder aufgezeigt, noch ergeben sich diese aus dem weiteren Akteninhalt und hier vor allem dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz. Bei dieser Sachlage ist die Klägerin als beweisfällig für ihre Behauptung einer vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit der Zeugen in Diensten der Beklagten zu 2) zu behandeln.

3.

Soweit die Auskunftsanträge, die jetzt mit dem unbezifferten Zahlungsantrag zur Stufenklage verbunden sind, durchgreifen, war die Sache, für die noch das alte Recht gilt, auch ohne besonderen Antrag zur Entscheidung über die Anträge zu 3) und 4) (Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung/ unbestimmter Zahlungsantrag) gemäß § 538 Ziff. 3 ZPO a.F. an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. hierzu für den Fall des in zweiter Instanz erfolgten Übergangs vom Rechnungslegungsanspruch zur Stufenklage BGH WPM 74, S, 1162, 1164, im übrigen auch Baumbach/Lauterbach-Albers, ZPO, 60. Aufl. § 538 Rz. 11, 13).

B. Zur Widerklage:

Die auf die Erteilung eines Buchauszugs für die Zeit vom 01.12.1996 bis 31.12.1998 gerichtete Widerklage ist gemäß § 87 c HGB begründet. Die dagegen mit der Berufung gerichteten Angriffe greifen nicht durch.

1.

Da der Vertrag mit dem Beklagten zu 1) bis Ende 1998 fortgedauert hat, hat er trotz Einstellung eigener Tätigkeiten ab Anfang März 1998 dennoch Anspruch auf Vergütung aller Verträge, die die von ihm nicht mehr angeleiteten, aber dennoch in seiner Struktur verbliebenen Mitarbeiter noch vermittelt haben. Insoweit ist der Buchauszug nicht auf die Zeit bis zur Einstellung seiner Tätigkeit zu begrenzen.

2.

Der Einwand der Klägerin, die dem Beklagten zu 1) erteilten Provisionsabrechnungen enthielten bereits alle maßgeblichen Angaben, ist zum einen unsubstantiiert, zum anderen aber auch sachlich unrichtig. Jedenfalls die in erster Instanz zum Beleg vorgelegten Provisionsabrechnungen enthalten nicht sämtliche in einen Buchauszug aufzunehmenden Angaben.

Soweit die Klägerin dagegen darauf verweist, selbst als bloße Handelsvertreterin der mit ihr verbundenen Versicherungen nicht über weitergehende als die dem Beklagten zu 1) bereits erteilten Kenntnisse und Informationen zu verfügen, gilt das v.g. entsprechend. Daneben ist insoweit die neuere Rechtsprechung des BGH (NJW 2001, 2333 ff) zu berücksichtigen, wonach der Buchauszug i.S.d. § 87 c II HGB sich nicht -wie erstinstanzlich von der Klägerin eingewandt- auf Auszüge aus den Handelsbüchern des Unternehmers i.S.d. §§ 238, 259 I Nr. 1 HGB beschränkt, sondern aus dem Inhalt aller vom Unternehmer aufbewahrten schriftlichen Zeugnisse über die vermittelten Geschäfte zusammenzustellen ist. Ob und in welchem Umfang die Klägerin in der Lage ist, auf solche weiteren Unterlagen zurückzugreifen, wird von ihr nicht näherer dargetan, wäre aber erforderlich, wollte man ihrem Vortrag nachgehen.

Inhaltlich stellt die angefochtene Verurteilung bzgl. des zu erteilenden Buchauszugs keine konkreten Anforderung an die Klägerin, so dass auch von daher weder dargetan noch ersichtlich ist, dass die Klägerin zu einer ihr unmöglichen Leistung verurteilt worden ist.

C.

Die Kostenentscheidung war dem Landgericht zu übertragen, weil sich erst nach erfolgter Auskunft und Entscheidung über den Zahlungsantrag das Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens beurteilen lässt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 18.07.2003
Az: 35 U 48/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ed59420e412e/OLG-Hamm_Urteil_vom_18-Juli-2003_Az_35-U-48-01




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