Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 1. September 2006
Aktenzeichen: 23 U 266/05
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 01.09.2006, Az.: 23 U 266/05)
1. Der Übergang vom Vorbehaltsverfahren in das Nachverfahren vollzieht sich auch bei nachfolgendem Nichtbetreiben des Rechtsstreits mit dem Erlass des Vorbehaltsurteils. Ein anschließender Verzicht des Beklagten auf die Durchführung des Nachverfahrens beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht.
2. Ein erst im Nachverfahren erklärtes Anerkenntnis ist kein sofortiges im Sinne des § 93 ZPO.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 25.10.2005 (Az.: 2-17 O 20/96) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu 2) zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 8.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin nimmt die Beklagten nach Erwirken eines Vorbehaltsurteils vom 10.1.1997 nunmehr im Nachverfahren auf Zahlung von Teilbeträgen aus selbstschuldnerischen Bürgschaften in Höhe von je 1.000.000,- DM (= 511.291,88 €) in Anspruch. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Teilversäumnis- und Teilurteils vom 6.9.2005 verwiesen.
Das Landgericht hat das Vorbehaltsurteil gegen den Beklagten zu 2) durch Anerkenntnisurteil vom 25.10.2005, ihm zugestellt am 8.11.2005, mit welchem über seinen Einspruch gegen das Teilversäumnisurteil vom 6.9.2005 gegen ihn entschieden wurde, für vorbehaltlos erklärt. Hinsichtlich des Beklagten zu 2) hat das Gericht eine Erledigung der Hauptsache in Höhe von 200.000,- DM (= 102.258,38 €) festgestellt.
Das Landgericht hat zur Begründung für die Kostenentscheidung ausgeführt, hinsichtlich des Beklagten zu 2) liege ein sofortiges Anerkenntnis nicht vor, da er bereits vom Aufruf des Nachverfahrens an Partei des einheitlichen Rechtsstreits gewesen sei.
Der Beklagte zu 2) wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils. Er ist der Ansicht, er sei nicht Partei des Nachverfahrens geworden, so daß ein Versäumnisurteil gegen ihn nicht habe ergehen dürfen. In das Nachverfahren sei der Prozeß erst auf den entsprechenden Antrag des Beklagten zu 1) übergegangen. Aufgrund der Dispositionsmaxime habe es ihm freigestanden, das Nachverfahren unabhängig von dem entsprechenden Antrag des Beklagten zu 1), den Frau Rechtsanwältin ... allein für diesen selbst gestellt habe, durchzuführen oder nicht. Sein Mandat an sie sei damals infolge der Erledigung des Auftrags bereits beendet und ihre Vollmacht mithin erloschen gewesen. Mit der Einspruchsbegründung mit Schriftsatz vom 29.9.2005 habe er konkludent zum Ausdruck gebracht, daß er den Klageanspruch gemäß dem rechtskräftigen Vorbehaltsurteil anerkenne und ein Nachverfahren nicht beabsichtige.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte zu 2) sei spätestens mit dem Anerkenntnis der Klageforderung in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2005 Prozeßbeteiligter des Nachverfahrens geworden.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2), die er mit Schriftsatz vom 21.11.2005, bei Gericht eingegangen am 22.11.2005, gemeinsam mit seiner zwischenzeitlich zurückgenommenen Berufung hilfsweise eingelegt hatte, ist zulässig (§§ 99 Abs. 2, 511 Abs. 2 Nr. 1, 567 ff., 569 Abs. 1 S. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Nachverfahrens zu tragen, soweit sie ihn betreffen, einschließlich der durch seine Säumnis im Termin vom 6.9.2005 entstandenen Kosten, zu dem er ordnungsgemäß über seine damalige Prozeßbevollmächtigte geladen war (Blatt 324 der Akte) (§§ 91 Abs. 1, 91 a, 344 ZPO).
Das Anerkenntnisurteil vom 25.10.2005 ist in gesetzmäßiger Weise ergangen. Der Beklagte zu 2) ist gleichfalls Partei des Nachverfahrens geworden. Das Nachverfahren ist die Fortsetzung des Vorbehaltsverfahrens und bildet mit ihm eine Einheit. Der Übergang in das Nachverfahren vollzieht sich mit dem Erlaß des Vorbehaltsurteil, ohne daß es einer hierauf gerichteten Parteihandlung bedarf (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 600, Rdnrn. 1, 8 m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, daß das Verfahren tatsächlich zunächst weder von einer Partei noch von seiten des Gerichts betrieben, sondern sogar die Akte vernichtet wurde. Es handelte sich um einen tatsächlich bedingten Stillstand des Nachverfahrens infolge Nichtbetreibens, bei dem lediglich nicht auch das Ruhen des Verfahrens (§ 251 ZPO) angeordnet wurde.
Da der Beklagte zu 2) das Nachverfahren selbst nicht durchführen, sondern das Vorbehaltsurteil annehmen wollte, hatte er prozessual grundsätzlich nur die Möglichkeit, den Klageanspruch im Nachverfahren anzuerkennen. Ein Verzicht auf die Durchführung des Nachverfahrens hätte nicht zur Folge gehabt, daß der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Nachverfahrens auch gegen den Beklagten zu 2) gefehlt hätte (vgl. hierzu Zöller/Greger, a.a.O., Vor § 253, Rdnr. 18 ff.). Zwar war die Durchführung des Nachverfahrens für die Klägerin grundsätzlich nicht erforderlich, da das Vorbehaltsurteil für die Zwangsvollstreckung als Endurteil anzusehen ist (§ 599 Abs. 3 ZPO). Ein Verzicht des Beklagten zu 2) auf die Durchführung des Nachverfahrens könnte darin gesehen werden, daß die ihn seinerzeit noch vertretene Prozeßbevollmächtigte Anträge und sonstige Erklärungen nur für den Beklagten zu 1) abgab und hinsichtlich des Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 6.9.2005 äußerte, das Nachverfahren solle ihn betreffend nicht durchgeführt werden, bestätigt durch die Erklärungen seines jetzigen Prozeßbevollmächtigten von der Begründung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil an. Allerdings bestehen bereits Bedenken an dem Vorliegen einer solchen Verzichtserklärung. Diese müßte hinreichend klar erfolgen. Die Erklärung, das Nachverfahren solle nur für den Beklagten zu 1) durchgeführt werden, enthält nicht notwendig auch einen Verzicht des Beklagten zu 2) auf Durchführung des Nachverfahrens insgesamt.
Aber auch wenn in den Erklärungen eine wirksame Verzichtserklärung gesehen werden sollte, hätte diese nicht zur Folge gehabt, daß nunmehr der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Nachverfahrens gegen den Beklagten zu 2) gefehlt hätte. Im Urkundenverfahren besteht die Besonderheit, daß das Nachverfahren wie dargelegt nicht erst auf eine entsprechende Prozeßerklärung hin beginnt, auf welche verzichtet werden könnte, vielmehr befand sich der Rechtsstreit zum Zeitpunkt der möglichen Verzichtserklärung bereits im Nachverfahren. Der Verzicht eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs nach deren Einlegung entspricht im Ergebnis deren Rücknahme (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 515 ZPO, Rdnr. 7). Der Übergang ins Nachverfahren oder auch nur die Anrufung des Nachverfahrens kann aber nicht zurückgenommen werden, da dieser Übergang wie oben dargelegt nicht infolge einer Prozeßerklärung, sondern von Gesetzes wegen erfolgt, wenn dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten wurde, da er dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat (§§ 599 Abs. 1, 600 Abs. 1 ZPO). Ein Verzicht auf die Durchführung des Nachverfahrens kann damit nur vor Beginn des Nachverfahrens, mithin vor Erlaß des Vorbehaltsurteils und damit nur in der Weise erfolgen, daß der Beklagte dem geltend gemachten Anspruch nicht widerspricht.
Ein sofortiges Anerkenntnis, das zu einer Kostentragungspflicht der Klägerin hätte führen können, liegt nicht vor (§ 93 ZPO). Der Beklagte zu 2) hat es insbesondere nicht schon vor Eintritt in das Nachverfahren erklärt, was allein von vorneherein die Durchführung des Nachverfahrens auch gegen den Beklagten zu 2) und damit das mögliche Entstehen entsprechender Kosten (§ 39 BRAGO a.F.) vermieden hätte, sondern er hatte dem geltend gemachten Anspruch widersprochen. Damit hat er durch sein Verhalten auch Veranlassung für die Durchführung des Nachverfahrens gegeben.
Der Beklagte zu 2) hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).Die Festsetzung des Beschwerdewerts richtet sich nach § 3 ZPO. Maßgebend sind die Kosten des Nachverfahrens, also zweimal je eine Verhandlungsgebühr aus einem Streitwert von 1.000.000,- DM nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer (§ 39 S. 2 BRAGO a.F.), mithin (6.225,- DM + 40,- DM) x 1,16 x 2 = 14.534,80 DM = 7.431,52 € + Fotokopierkosten u. ggfs. a., also rund 8.000,- €. Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 01.09.2006
Az: 23 U 266/05
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