Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 329/03

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2006, Az.: 19 W (pat) 329/03)

Tenor

Die Einsprüche der Einsprechenden zu I und II werden als unzulässig verworfen.

Gründe

I Für die am 23. Dezember 1993 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des Patents am 6. März 2003 veröffentlicht worden. Das Patent hat die Bezeichnung "Elektrischer Durchlauferhitzer". Gegen das Patent haben die Firmen A... GmbH, Einsprechende I, mit Eingabe vom 26. Mai 2003 und B... GmbH & Co. KG, Einsprechende II, am 5. Juni 2003 Einspruch erhoben. Zur Begründung hat die Einsprechende I mangelnde Ausführbarkeit nach § 21(1)2 geltend gemacht und - ausdrücklich unter Verzicht auf eine Begründung - die Patentfähigkeit bestritten, und die Einsprechende II vorgetragen, der Gegenstand des Patents beruhe unter Berücksichtigung des Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der geltende, erteilte (mit einer eingefügten Gliederung in Merkmalsgruppen versehene) Patentanspruch 1 lautet:

"Elektrischer Durchlauferhitzera) mit einer Steuervorrichtung (1) zur Steuerung einer Heizleistung mindestens eines damit verbundenen Heizelements (2, 3, 4, 5), das seine Wärme an das einen Strömungsweg (14) des Durchlauferhitzers durchfließende Wasser abgibt, b) wobei mit der Steuervorrichtung (1) zudem verbunden sindb1) Messgrößenaufnehmer (6, 7, 8) zum Erfassen der Werte einer ersten Temperatur am Einlauf (Te), c) einer zweiten Temperatur stromabwärts des Einlaufs (Tw)

d) und einer Durchflussmenge (mf), e) eine Vorgabeeinrichtung (9) zum Vorgeben einer Solltemperatur (Ts) des auslaufenden Wassers, f) wobei die Steuervorrichtung (1) aus der Einlauftemperatur (Te), der Solltemperatur (Ts) und der Durchflussmenge (mf) fortlaufend eine Sollheizleistung (Ps) für das mindestens eine Heizelement (2, 3, 4, 5) ermittelt, dadurch gekennzeichnet, dassg) eine Trennvorrichtung (12) zwischen der Steuervorrichtung (1) und einem die zweite Temperatur messenden zweiten Temperaturaufnehmer (7) angeordnet ist, h) dass die Steuervorrichtung (1) mit einer Vergleichseinrichtung (10) zum Überwachen des Überschreitens eines ersten Schaltgrenzwertes (PG) in Verbindung steht, i) dass die Vergleichseinrichtung (10) mit der Trennvorrichtung (12) zur von dem Überschreiten abhängigen Betätigung der Trennvorrichtung (12) in Verbindung steht, j) und dass durch die Steuervorrichtung (1) während einer Trenndauer (TT) fortlaufend Schätzwerte (Twbi, Twbi-1, . . . ) der zweiten Temperatur (Tw) aus der ersten Temperatur (Te), der Durchflussmenge (mf) und der geschalteten Heizleistung (P) ermittelbar sind."

Es soll die Aufgabe gelöst werden, einen elektrischen Durchlauferhitzer bereitzustellen, der das schnelle Steuern bzw. Regeln der Auslauftemperatur auf die gewünschte Solltemperatur bei Änderungen der Durchflussgeschwindigkeit oder der Solltemperatur verbessert (Patentschrift, Abs. 0008).

Die Einsprechende I ist der Ansicht, ihr Einspruch zeige drei Punkte auf, die die mangelnde Ausführbarkeit belegten:

1. für den Schaltgrenzwert PG nach Merkmal h seien in der Beschreibung widersprüchliche Werte genannt, 2. für die Trenndauer TT nach Merkmal j sei keine Zeit angegeben und diese deshalb nicht definiert, 3. für die Ermittlung des Schätzwerts Twb nach Merkmal j seien nur verwirrende und widersprüchliche Angaben und eine Formel mit widersprüchlicher Indizierung entnehmbar.

Der Einspruch sei damit zulässig.

Die Einsprechende II ist der Ansicht, alle Merkmale des Anspruchs 1 seien in ihrem Einspruchsschriftsatz abgehandelt, oder mittelbar erschließbar.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, die Ausführungen der Einsprechenden I beträfen eine behauptete Unklarheit des Anspruchs 1 und nicht die Ausführbarkeit seines Gegenstands. Beim Einspruch zu II vermisst sie Ausführungen zur Zuordnung und zum Zusammenwirken der einzelnen Merkmale.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Gemäß der eindeutigen Zuständigkeitsregelung in § 147 Abs. 3 PatG i. d. F. vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über die am 30. Juni 2006, d. h. vor der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG noch anhängigen Einsprüche bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (m. w. N.; vgl. BPatGE 46,134) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

2. Die Einsprechenden haben ihren Rechtsbehelf zwar fristgerecht erhoben (PatG § 59 Abs. 1, Satz 1) und zulässigerweise auch auf mangelnde Patentfähigkeit beziehungsweise Ausführbarkeit als Widerrufsgründe des PatG § 21 (hier: Abs. 1 Nr. 1 und 2) gestützt (PatG § 59 Abs. 1 S. 3).

Den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen werden die Einsprüche aber nicht gerecht.

Nach PatG § 59 Absatz 1 Satz 2 ist der Einspruch gegen ein Patent zu begründen. Nach Satz 4 dieser Vorschrift sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben. Darunter ist die Gesamtheit der Tatsachen zu verstehen, aus denen die von der Einsprechenden begehrte Rechtsfolge, nämlich der Widerruf des Patents, hergeleitet wird. Die Tatsachenangaben müssen sich auf einen der in PatG § 21 genannten Widerrufsgründe beziehen, da der Einspruch nur auf die Behauptung gestützt werden kann, dass einer dieser Gründe vorliege (PatG § 59 Abs. 1 Satz 3).

Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. BlPMZ 1988, 289, 290 - Messdatenregistrierung mit Hinweis auf weitere Entscheidungen) hervorgehoben, es sei keineswegs in das Belieben des Einsprechenden gestellt, was und in welchem Umfang er zur Stützung seines Einspruchsbegehrens vortrage. Danach genüge die Begründung des Einspruchs den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes - hier: mangelnde Patentfähigkeit bzw. Ausführbarkeit - maßgeblichen Umstände so vollständig darlege, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt (hier nach § 147 Abs. 3 PatG das Bundespatentgericht) daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen könnten (vgl. BGH - Messdatenregistrierung, mit Hinweis auf BGH GRUR 1987, 513 - Streichgarn). Insbesondere genüge eine Einspruchsbegründung den gesetzlichen Anforderungen dann nicht, wenn sie sich nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre befasse (vgl. BGH BlPMZ 1988, 250 - Epoxidation) und sich etwa mit dem Zusammenwirken der einzelnen Bauelemente der durch das Streitpatent unter Schutz gestellten Vorrichtung nicht im Einzelnen auseinandersetze (vgl. BGH - Messdatenregistrierung).

Für den Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit nach § 21(1)2 PatG gilt das entsprechend: auch dafür genügt es nicht, auf Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche in den ursprünglichen Unterlagen oder der Patentschrift hinzuweisen. Vielmehr ist darzulegen, was der Fachmann in Kenntnis der Patentschrift zu leisten vermag oder nicht (BGH BlPMZ 1988, 250 - Epoxidation), und warum der Fachmann nicht in der Lage sein soll, die Lehre auszuführen (BGH, BlPMZ 1993, 439 - Tetraploide Kamille).

Zum Einspruch I:

Die Einsprechende I - A... GmbH - hat in ihrem Einspruchsschriftsatz vorge- tragen, der Schaltgrenzwert PG sei gemäß Seite 4, Zeile 21 der Patentschrift 10% der Bezugs-Sollheizleistung, die nach Seite 4, Zeile 12 bis 16 zum Einen der zeitlich unmittelbar zuvor gespeicherte Sollheizleistungswert H Psi-1, und zum Anderen ein 600 ms zuvor ermittelter Sollheizleistungswert H Psv sei. Sie sieht darin einen Widerspruch. Damit sei nicht offenbart, wie ein Schaltgrenzwert ermittelt werden könne.

Ausführungen zu dem Ausbildungsgrad und den Kenntnissen des hier tätigen Fachmanns fehlen. Besonders fehlen Ausführungen dazu,

- warum der Fachmann die beiden angebotenen Werte als Widerspruch aufgefasst hätte, insbesondere im Licht des unmittelbar folgenden Satzes (S. 4, Z. 16 bis 19) in der Patentschrift,

- und warum das für ihn ein unüberwindliches Hindernis zur Ausführung der Erfindung dargestellt hätte.

Dies wäre um so wichtiger gewesen, als Fachleute aller technischen Fachgebiete gewohnt sind, mit Alternativen umzugehen und sie ggf. der Reihe nach auszuprobieren, denn kaum eine technische Anleitung legt sich auf genau einen Wert einer technischen Größe fest.

Weiterhin wird im Einspruchsschriftsatz auf die Trenndauer TT hingewiesen, während der die Steuereinrichtung die Heizleistung P in Abhängigkeit der Schätzwerte Twbi, Twbi-1 der zweiten Temperatur heranschalte, und dass während dieser Zeit die Verbindung zum Temperaturaufnehmer unterbrochen sei, keine Temperatur Tw ermittelt und verglichen werden könne und eine Messung der Temperatur erst wieder nach Beendigung der Trennung stattfinde (S. 2, Abs. 4). Auf Seite 3, Absatz 2 wird weiter ausgeführt, dass gemäß Anspruch 1 während der Trenndauer eine Schätzung erfolgen solle, dass demgegenüber in der Offenbarung Seite 4, Zeile 43 ff. in Abschnitt 0029 die Trennung beendet werde, sobald ein Vergleich ein bestimmtes Ergebnis liefere, und dass die Trenndauer demnach unbedeutend dazu sei. Auch hier fehlen im Einspruchsschriftsatz Ausführungen, wie der Fachmann mit den weiteren Hinweisen in der Patentbeschreibung umgeht, nach denen die Trenndauer insbesondere durch ein Verzögerungsglied beendet werden kann (Abschnitt 0031 der Beschreibung.

Dass mit dem Nebensatz "sobald ein Vergleich ein bestimmtes Ergebnis liefert" auf das Fehlen einer Bemessung der Trenndauer TT (in Sekunden oder Minuten) hingewiesen worden wäre, wie die Einsprechende in der Verhandlung vorgetragen hat, kann der Senat nicht erkennen.

Im letzten Absatz der Seite 2 des Einspruchs 1 werden Mutmaßungen zum Schätzwert der Temperatur und zur Lesart der Formel 2 im Absatz 33 der Patentschrift angestellt, wobei die Wahl der Indizes als sehr widersprüchlich bezeichnet wird. Ein Unterschied zwischen Twbi,n (in der Formel 2 vorhanden) und Twbn,n-1, Twbi,n-1, Twbi,i-1 (weder in der Formel noch in den übrigen Unterlagen aufzufinden) sei nicht verdeutlicht. Die Formel lasse viele Fragen offen.

Es fehlen auch hier Ausführungen, was der Fachmann in Kenntnis der Patentschrift habe leisten können und was nicht, auf welche Schwierigkeiten er angesichts der behaupteten Mängel stoßen würde, und ob diese unüberwindlich gewesen wären.

Der letzte Absatz auf Seite 2 des Einspruchs I deutet auf den Vorhalt einer unklaren Definition des Schätzwerts für die Temperatur hin. Ein Hindernis für die Ausführung der Erfindung, etwa dass die Formel 2 gänzlich unverständlich oder falsch sei und der Schätzwert für den Fachmann auf andere Weise nicht ermittelbar sei, ist aber nicht vorgetragen worden.

Zum Widerrufsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit hat die Einsprechende I innerhalb der Einspruchsfrist ausdrücklich auf eine Begründung verzichtet.

Zum Einspruch II:

Die Einsprechende II - B... - macht fehlende erfinderische Tätigkeit gel- tend und legt hierzu drei Druckschriften sowie einen Firmenprospekt mit Auftragsbestätigungen und Rechnungen zum Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung vor.

Der Senat folgt der Einsprechenden II insoweit, als durch die Ausführungen zu der DE 37 12 648 zu den Merkmalen a) bis f) im Anspruch 1 Stellung genommen wurde. Er folgt ihr auch dahingehend, als im Einspruchsschriftsatz, Seite 4, Absatz 2 die Umschaltung von Steuerung auf Regelung als offenkundig vorbenutzt und äquivalent zu der Abschaltung des Temperatursensors bezeichnet wurde.

Eine Stellungnahme zu der Vergleichseinrichtung nach Merkmal h) und ihrer Verschaltung mit der Trennvorrichtung nach Merkmal i) ist dem Einspruchsschriftsatz aber nicht zu entnehmen. Dass eine Vergleichseinrichtung zur Bestimmung des Schaltzeitpunktes in den auf Seite 4, Abs. 2 erwähnten sprunghaften Änderungen angesprochen sei, wie die Einsprechende meint, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, denn eine Vergleichseinrichtung ist nur eine von vielen Möglichkeiten einen Schaltzeitpunkt festzustellen, und keineswegs zwingend damit verbunden. Ebenso wenig ist mit der Umschaltung von einer Regelung auf eine Steuerung die Ermittlung eines Schätzwertes nach Merkmal j) verbunden, denn in der Regel erhalten Steuerungen keine Schätzwerte als Ersatz für einen Messwert. Somit enthält der Einspruch II zum Merkmal j) ebenfalls keine Ausführungen.

Damit hat sich die Einsprechende nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre befasst und sich folglich mit dem Zusammenwirken der einzelnen Bauelemente der durch das Streitpatent unter Schutz gestellten Vorrichtung nicht im Einzelnen auseinandergesetzt.

3. Nachdem mit der Neufassung des § 67 PatG vom 21. Juni 2006, in Kraft getreten am 1. Juli 2006, nunmehr in Abs. 1 Nr. 2b neben der in § 61 PatG genannten Art der Entscheidung im Einspruchsverfahren durch Aufrechterhaltung oder Widerruf die bloße Verwerfung des Einspruchs als unzulässig als weitere Art der Entscheidung zu entnehmen ist, befindet der Senat nicht mehr über die Aufrechterhaltung des Patents (abweichend von den Beschlüssen des 19. Senats 19 W (pat) 706/03, BlPMZ 2004, 198 und des 20. Senats 20 W (pat) 344/02, GRUR 2004, 357).






BPatG:
Beschluss v. 17.07.2006
Az: 19 W (pat) 329/03


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