Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Oktober 1998
Aktenzeichen: 6 U 41/97

(OLG Köln: Urteil v. 19.10.1998, Az.: 6 U 41/97)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Januar 1997 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln -81 O 31/96- wie folgt abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicher- heitsleistung in Höhe von 35.000.- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die mit diesem Urteil für die Klägerin verbundene Beschwer wird auf 500.000.- DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für Naßrasiergeräte und Rasierklingen. Die Beklagte ist mit einem Marktanteil von über 50 % vor der an zweiter Stelle folgenden Klägerin Marktführerin im Bereich der sogenannten Systemklingen, d. h. solcher Rasierklingen, die ausschließlich auf speziell dazugehörige Naßrasierapparate des gleichen Anbieters passen und mit diesen verwendet werden können.

Im Jahre 1995 ließ die Beklagte zeitgleich in mehreren deutschen Städten, darunter H., B. und Sch., als "kostenlose Warenprobe" das aus der Anlage AS 2 ersichtliche System-Naßrasiergerät der Marke "Gillette Sensor Excel" per Einwurf in Briefkästen privater Haushalte verteilen, in denen sich eine Person naß rasierte. Diese als "kostenlose Warenprobe" bezeichnete Gabe bestand aus einem Original-Rasierapparat sowie einer dazu passenden Systemklinge. Im Einzelhandel ist für den Erwerb des entsprechenden Rasiergeräts "Gillette Sensor Excel", dem in der handelsüblichen Packung zwei Ersatz-Systemklingen sowie ein Halter beigefügt sind, ein Kaufpreis von 8,99 DM aufzuwenden. Die zum System "Gillette Sensor Excel" der Beklagten passenden Ersatzklingen werden dabei in Packungsgrößen zu jeweils 5 bzw. 10 Stück zum Verkaufspreis von 10.- bzw. 20.- DM angeboten

Die Klägerin wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 6. Dezember 1995 an die Beklagte und beanstandete die angeblich massenhafte Verteilung der vorbezeichneten "kostenlosen Warenprobe" u. a. deshalb als ihrer Ansicht nach wettbewerblich unlautere Maßnahme, weil damit hinsichlich des Rasierapparats eine Bedarfsdeckung für einen längeren Zeitraum eintrete und zudem die beschenkten Naßrasierer für die Lebensdauer des Apparats zu den hierfür passenden Systemklingen hingelenkt würden. Da die Beklagte die mit dem erwähnten Schreiben geforderte Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung jedoch ablehnte, erwirkte die Klägerin unter dem Datum des 12. Dezember 1995 beim Landgericht Köln im Beschlußweg eine einstweilige Verfügung ( 81 O 227/95 LG Köln ), in welcher der Beklagten untersagt wurde, an Haushalte unaufgefordert Original-Naßrasierer "Gillette Sensor Excel" zusammen mit einer zugehörigen Systemklinge als "kostenlose Warenprobe" zu verteilen. Auf den Widerspruch der Beklagten hin wurde diese Beschlußverfügung durch das Landgericht im Urteilsverfahren bestätigt. Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung der Beklagten führte zur Abänderung dieser Entscheidung und Aufhebung der Beschlußverfügung unter gleichzeitiger Zurückweisung des ihr zugrundeliegenden Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ( Urteil des OLG Köln vom 28.06.1996 - 6 U 50/96 ). Bei der vorliegenden Streitigkeit handelt es sich um die zu dem genannten einstweiligen Verfügungverfahren betriebene Hauptsache, mit welcher die Klägerin das dort geltend gemachte Unterlassungsbegehren weiterverfolgt.

Nach der von der Klägerin vertretenen Ansicht muß die in Rede stehende Werbe-Kampagne der Beklagten als ein u. a. aus dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung gemäß § 1 UWG unzulässiges und damit zu untersagendes Verschenken von Originalware eingeordnet werden.

Das Verschenken der Originalrasiergeräte, - so hat die Klägerin in Begründung dieses Standpunkts vertreten - diene entgegen der Bezeichnung als "Warenprobe" nicht lediglich einem Erprobungszweck. Vielmehr decke die Beklagte damit in Wirklichkeit den Bedarf an Naßrasierapparaten, die praktisch keinem Verschleiß unterlägen und die, wie unstreitig ist, eine mehrjährige Lebensdauer aufwiesen, für lange Zeit ab. Die Beklagte fange die Beschenkten damit zugleich aber auch hinsichtlich des Folgebedarfs, nämlich des den eigentlichen wirtschaftlich lukrativen Bereich ausmachenden Ersatzklingengeschäfts, für ihr System ein. Denn selbst wenn die im Rahmen der Verschenk-Aktion jeweils mitverteilte Systemklinge verbraucht sei, stehe der aus der Sicht der Beschenkten durchaus einen spürbaren Wert ausmachende Rasiererapparat weiterhin für eine Bestückung mit Ersatzklingen zur Verfügung. Die Personen, die den an sie verschenkten Naßrasierapparat in Händen hielten, neigten dabei auch nach dem nach ca. einer Woche eintretenden Verbrauch der beigefügten Klinge zum Nachkauf der passenden Systemklingen, weil sich nur so der objektive Wert des Geschenks erhalten lasse. Damit aber habe die an den Klingen gut verdienende Beklagte ihre Mitbewerber für Jahre aus dem Markt sowohl für Naßrasierapparate als auch aus dem der Systemklingen verdrängt, wobei letzteres, nämlich die Steigerung des Umsatzes der gewinnbringenden Systemklingen, auch das eigentliche Ziel der in Rede stehenden Verschenk-Aktion der Beklagten gewesen sei. Bei dieser Werbemaßnahme habe es sich, so hat die Klägerin weiter behauptet, um eine bundesweit durchgeführte Massenaktion gehandelt, wofür bereits der Umstand spreche, daß die Werbe-Aktion zeitgleich in drei mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt liegenden Städten durchgeführt worden sei. Die räumliche Erstreckung der Aktion sei indessen ein unwiderlegbares Indiz wiederum für die zahlenmäßige Breite. Daß die Beklagte mit der Verschenk-Aktion in Wirklichkeit nicht eine Erprobung ihres Produkts, sondern die Verdrängung ihrer Mitbewerber aus dem lukrativen Ersatzklingengeschäft im Auge gehabt habe, werde über die mit dem angegebenen Erprobungszweck bereits unvereinbare Massenhaftigkeit der Aktion hinaus auch durch den Umstand offenbart, daß das Produkt "Gillette Sensor Excel" im Zeitpunkt der Aktion - wie unstreitig ist - bereits zwei Jahre auf dem Markt gewesen sei. Ohne Einfluß auf die wettbewerbliche Beurteilung müsse dabei bleiben, daß die Beklagte ihr Geschenk als "kostenlose Warenprobe" bezeichnet habe. Maßgeblich sei vielmehr allein, daß die Beklagte eine mit dem angeblichen Erprobungszweck nicht in Einklang zu bringende Verteilungsaktion großen, ja riesenhaften Ausmaßes gestartet habe, die lediglich durch die Zustellung der Beschlußverfügung abgebrochen worden sei. Die Beklagte, so hat die Klägerin behauptet, habe dann den Rest, nämlich ca. 800.000 Stück der ursprünglich für die Verschenk-Aktion in Deutschland vorgesehenen Exemplare nach einer kurzen "Umrüstphase" zu einem Schleuderpreis von nur 2,99 DM angeboten. Weltweit habe die Beklagte 28 Millionen Rasierergeräte verschenkt, davon 10 Millionen außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika. Insgesamt habe sich der Anteil der verschenkten Rasierer auf ca. 34 % der verkauften Rasierer belaufen. Es sei aber kaum anzunehmen, daß davon nur ein verschwindend geringer Anteil auf den größten europäischen Markt Deutschland gelangt sei bzw. habe gelangen sollen. Allein das Verschenken von nur 100.000 Apparaten wirke sich indessen - wie die Klägerin sodann im einzelnen ausgeführt hat - erheblich auf den im Klingenmarkt erzielbaren Gewinn aus.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zwecks Meidung eines

für jeden Fall der Zuwiderhandlung durch das Gericht

festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von 500.000.-DM

zu unterlassen,

an Haushalte unaufgefordert Original-Naßrasierer

"Gillette Sensor Excel" zusammen mit einer zugehörigen

Systemklinge als "kostenlose Warenprobe" zu verteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß der von der Klägerin letzlich angeführte Aspekt der Marktverstopfung die angebliche Unzulässigkeit des Verschenkens der Original-Naßrasierapparate nebst Klinge nicht zu rechtfertigen vermöge. Eine auf diesen Gesichtspunkt gestützte Unzulässigkeit könne vielmehr nur bei Abgabe bestimmter, markterheblicher Mengen greifen, zu denen die nach Ansicht der Beklagten insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch nicht hinreichend vorgetragen habe. Das Verteilen der deutlich als Warenprobe gekennzeichneten und in eigens hergestellten Verpackungen abgegebenen Naßrasiergeräte sei auch tatsächlich zu Erprobungszwecken erfolgt und verstoße nicht gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs. Zum einen, so hat die Beklagte geltend gemacht, habe es sich bei dem verteilten Produkt keineswegs um die "Originalware" gehandelt. Von der handelsüblichen Originalware habe sich die abgegebene Packung vielmehr dadurch unterschieden, daß dem Rasierapparat nur eine Klinge beigefügt worden sei, so daß die absolute Minimalausstattung abgegeben worden sei, die für die Durchführung einer Naßrasur notwendig werde. Dem Zweck der Produkterprobung habe es zum anderen auch nicht entgegengestanden, daß das fragliche Naßrasursystem im Zeitpunkt der Beanstandung bereits ca. zwei Jahre auf dem Markt gewesen sei. Denn die speziellen Systemklingen, um die es hier gehe, seien noch nicht hinreichend bekannt gewesen und hätten einer größeren Anzahl von Verbrauchern vorgestellt bzw. in´s Gedächtnis gerufen werden sollen. Auch die im Verhältnis zu der nach einer Woche verbrauchten Systemklinge längere Lebensdauer des Rasier-Apparats widerspreche dem mit der Verschenk-Aktion verfolgten Ziel der Produkterprobung nicht. Gebrauchszweck und Gebrauchsnutzen des Rasierers bestimmten sich anhand der Gebrauchsdauer der Klinge. Der Erprobungszweck, so hat die Beklagte geltend gemacht, könne nur während der Gebrauchsdauer der Klinge realisiert werden und richte sich entscheidend nach der Leistung der Klinge. Da die Gebrauchsdauer durch die auf Tage beschränkte Nutzdauer der Klinge, die wiederum ohne einen sie haltenden passenden Rasierapparat im praktischen Einsatz nicht geprüft werden könne, beschränkt sei, werde der Erprobungszweck der "Sachgesamtheit" aber selbst dann nicht gesprengt, wenn der Rasierer nach Verbrauch der Probeklinge anschließend noch vorhanden sei. Denn der Naßrasierapparat, der nur einen geringen Wert besitze, sei nach Verbrauch der Rasierklinge ohne Funktion und Wert. Werde die kostenlose Abgabe der verteilten Naßrasiergeräte damit aber vom Erprobungszweck gedeckt, könne es letzlich dahinstehen, in welcher Zahl und Konzentration sie - die Beklagte - die Probeware verschenkt habe. Der bereits durch die Beschriftung der Gabe als "kostenlose Warenprobe" sowie die eigens hergestellte Probepackung dokumentierte Probezweck legitimiere vielmehr jede Form der Abgabe. Wer die fragliche Klinge und das in Frage stehende Rasiersystem testen wolle, benötige dabei unabweisbar auch beide von ihr - der Beklagten - im Rahmen der Verschenk-Aktion bereitgestellten Teile. Denn die Besonderheit der Rasur mit dem "Gillette Sensor Excel"-System bestehe dabei gerade darin sicherzustellen, daß sich die Lage der Klinge den jeweiligen Gesichtskonturen anschmiege, was allein durch die aufwendige schwenkbare Aufhängung der Klinge am Rasierapparat und nicht etwa durch andere, eigens und nur für die Warenprobe hergestellte Haltevorrichtungen, beispielsweise in der Art von Einwegrasierern, bewerkstelligt werden könne. Gleiches gelte für die Gestaltung des Griffs einschließlich seiner ergonomischen Form und seines Gewichts, die ebenfalls nur unter Verwendung des handelsüblichen Originals und nicht etwa anhand eines den realistischen Bedingungen nicht entsprechenden Ersatzprodukts getestet werden könnten. Im übrigen treffe es nicht zu, daß, wie die Klägerin dies aber befürchte, dem Wettbewerb durch die Verteilung der Original-Naßrasiergeräte alle diejenigen Verbraucher als Kunden verlorengingen, die sich "latent" mit dem Gedanken trügen, auf ein modernes Naßrasiersystem umzusteigen und die nun der Notwendigkeit enthoben seien, den hierfür eigentlich erforderlichen "Einstiegspreis" von rund 9.- DM aufzuwenden. Denn diejenigen Naßrasierer, denen die Warenprobe geschenkt worden sei und die bereits einen Gillette-Apparat besäßen, würden von der Klägerin und anderen Konkurrenten nicht weggeleitet. Aber auch bei den Naßrasieren, die sonst ein Produkt der Klägerin verwendeten, lägen die Dinge nicht anders. Denn diese Personen seien nach Verbrauch der geschenkten Gillette-Systemklinge nicht daran gehindert oder darin beschränkt, künftig wieder auf das Gerät der Klägerin zurückzugreifen und den Ersatz-Systemklingenbedarf hierfür passend zu befriedigen. In diesem Fall gehe der Klägerin außer der kurzzeitigen "Untreue" ihres Kunden während der Dauer der Erprobung des Gillette-Produkts nichts verloren. Langzeitwirkungen könnten nur dann eintreten, wenn der Vergleich der Verwender für ihr, der Beklagten, Produkt ausfalle. Eben dies liege aber im Wesen des freien Wettbewerbs und könne nicht als wettbewerblich unlauter abqualifiziert werden.

Unabhängig davon, so hat die Beklagte schließlich eingewandt, daß bereits die Voraussetzungen eines unlauteren Verhaltens nicht ersichtlich seien, stehe dem Unterlassungsverlangen der Klägerin aber jedenfalls der Umstand entgegen, daß die Parteien über die Abgabe kostenloser Warenproben eine Vereinbarung geschlossen hätten, gegen die sie, die Beklagte, nicht verstoßen habe. Denn die Klägerin habe - wie unstreitig ist - im Jahre 1987 ihrerseits eine Verschenk-Aktion durchgeführt, in deren Rahmen ebenfalls Original-Rasiergeräte als Warenproben verteilt worden seien. Nachdem sie, die Beklagte, diese Aktion der Klägerin u. a. unter dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung beanstandet habe, sei zwischen den Parteien anläßlich eines am 11. August 1987 geführten Gesprächs vertragliches Einverständnis darüber erzielt worden, daß gegen Werbeaktionen mit der unentgeltlichen Abgabe von Naßrasier-Apparaten mit Rasierklinge keine Einwendungen erhoben werden, solange durch derartige Aktionen keine Marktverstopfung eintrete. Jedenfalls aber habe die Klägerin mit einem durch ihren damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten geäußerten Einverständnis, künftig keine Bedenken gegen die kostenlose Verteilung wiederverwendbarer Rasier-Apparate an Letztverbraucher äußern zu wollen, sich im Rahmen eines pactum de non petendo zum Stillhalten verpflichtet, was dem jetzigen Unterlassungsbegehren ebenfalls entgegenstehe.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 16. Januar 1997, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, stattgegeben. Das Unterlassungsbegehren, so hat das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, erweise sich ungeachtet des Aspekts einer mit der Verschenk-Aktion etwa bewirkten oder zu besorgenden Marktverstopfung aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Wertreklame jedenfalls bereits deshalb als begründet, weil sich die u. a. mit

dem Original-Apparat beschenkten Verbraucher nur oder zumindest in erster Linie deshalb für den Folgekauf von Systemklingen der Beklagten entschieden, um den Wert dieses ihnen kostenlos zugewandten Rasier-Apparats nicht zu verlieren. Damit würden die Verbraucher aber in einer den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs widersprechenden Weise mit sachfremden Mitteln veranlaßt, von der Prüfung der Leistungsangebote der anderen Mitbewerber abzusehen.

Gegen dieses ihr am 4. Februar 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte - eingehend am 3. März 1997 - Berufung eingelegt, die sie, nach entsprechend gewährter Fristverlängerung, mittels eines am 5. Juni 1997 eingegangenen Schriftsatzes fristgerecht begründet hat.

Das Unterlassungsbegehren, so bringt die Beklagte zur Begründung ihres Rechtsmittels vor, erweise sich bereits als unzulässig. Denn der Unterlassungsantrag, dem keinerlei mengenmäßige Angaben und weiteren Merkmale (Häufigkeit/Streuung/Dichte) der konkret angegriffenen Aktion zu entnehmen seien, lasse Art und Umfang des konkreten Geschehens, dessen Verbot die Klägerin erstrebe, nicht erkennen. In der jetzigen Formulierung erfasse der Unterlassungsantrag selbst die unaufgeforderte kostenlose Abgabe von nur zwei Exemplaren der verfahrensbefangenen Rasiergeräte, was aber auf ein nach den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts nicht berechtigtes "pauschales perse-Verbot" des Verschenkens von Originalware schlechthin hinauslaufe.

Auch in der Sache erweise sich das von der Klägerin begehrte und vom Landgericht ausgesprochene Verbot als unberechtigt. Dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin könnten keinerlei, die behauptete Unlauterkeit der Verschenk-Aktion stützende Umstände entnommen werden. Diese Aktion sei auch tatsächlich weder unter dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung, noch unter dem der unlauteren Wertreklame, des psychologischen Kaufzwangs oder irgend eines anderen Aspekts wettbewerblich zu beanstanden.

Bei der Beurteilung ihrer, der Beklagten, Werbeaktion müsse dabei entgegen dem durch die Klägerin vertretenen Standpunkt, für den sie zu Unrecht sowohl das Landgericht als auch den erkenneden Senat des Oberlandesgerichts in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gewonnen habe, von vorneherein davon ausgegangen werden, daß die Verteilung des Rasierapparats vom Erprobungszweck gedeckt gewesen sei. Das gelte auch unter Berücksichtigung des den angesprochenen Naßrasieren gemeinsam mit der Klinge zugewandten und nach Abnutzung der Klinge verbleibenden Rasierapparats. Denn gegenüber den bei Weiterverwendung dieses Rasierapparats anfallenden Folgekosten für passende Systemklingen, die sich, wie unstreitig ist, im Jahr auf ca. 120.- DM bis 150.- DM beliefen, falle der Wert des Apparats von lediglich ca. 4.- DM nicht in´s Gewicht bzw. werde dieser von den Verbrauchern nicht für maßgeblich gehalten. Darüber hinaus, so führt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits in erster Instanz erfolgten Vortrags weiter aus, sei die Bereitstellung des Naßrasierapparats unerläßliche Grundvoraussetzung für die Erprobung der Klinge, die andernfalls nicht bestimmungsgemäß und die tatsächlichen Bedingungen wiedergebend gebraucht und ausprobiert werden könne.

Die streitgegenständliche Verschenk-Aktion erweise sich aber selbst bei Annahme einer Überschreitung des Erprobungszwecks nicht als unlauter. Denn sie führe, so macht die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits in erster Instanz dargelegten Standpunkts geltend, keine nicht nur unerhebliche Behinderung der Mitbewerber herbei und gefährde auch nicht den Bestand des Leistungswettbewerbs. Schon ein die beschenkten Verbraucher zu dem System der Beklagten hinführender Gewöhnungseffekt an das Gillette-Produkt könne wegen der kurzen Lebensdauer der Probeklinge während der Erprobungsphase nicht begründet werden. Auch für einen psychologischen Kaufzwang sei nichts ersichtlich, da die Warenproben - wie unstreitig ist - ohne nachfolgenden Kundenkontakt abgegeben würden. Kein einziger der Beschenkten werde sich später aber mit dem Gefühl der Dankbarkeit und Verpflichtung oder um einer als peinlich empfundenen Situation zu entgehen, für ihr, der Beklagten, Naßrasiersystem entscheiden. Im übrigen gehe von dem Rasier-Apparat keineswegs eine so starke Reizwirkung aus, daß die Verbraucher sich bei ihrer Entschließung für ein Naßrasier-System ohne Prüfung der Preiswürdigkeit und der Güte der Konkurrenzwaren vornehmlich an dem ihnen noch zur Verfügung stehenden Werbegeschenk orientierten. Die Annahme, daß Verwender von Naßrasierapparaten nur deshalb künftig ihre, der Beklagten, Klingen kauften, weil sie den Gillette-Apparat "übrig" haben, sei wirtschaftlich abwegig, da das für die Fortsetzung des

Gebrauchs zwingend notwendige "Mindestinvestment" bereits den Wert dieses Apparats erheblich übersteige. Aus diesem Grund greife auch der Aspekt eines "übertriebenen Anlockens" nicht. Da nach der regionalen Konzentration der Verschenk-Aktion und dem von der Beklagten nach einer Auflage des erkennenden Senats näher dargestellten mengenmäßigen Umfang der Abgabe der Probeware ferner auch für eine Marktverstopfung nichts ersichtlich sei und auch von einer die guten wettbewerblichen Sitten verwildernden Nachahmungsgefahr nicht die Rede sein könne, scheide insgesamt die Annahme einer Unlauterkeit der angegriffenen Werbeaktion aus.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung

vom 16. Januar 1997 ( 81 O 31/96 ) die Klage abzu-

weisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der

Unterlassungsantrag die nachfolgende Fassung erhält:

Die Beklagte zu verurteilen, es zwecks Meidung eines

für jeden Fall der Zuwiderhandlung durch das Gericht

festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000.- DM

zu unterlassen,

an Haushalte unaufgefordert Original-Naßrasierer

"Gillette Sensor Excel" als "kostenlose Warenprobe"

wie nachfolgend wiedergegeben zu verteilen:

Nach Ansicht der Klägerin greifen die gegenüber der Zulässigkeit des Unterlassungsantrags sowie des darauf beruhenden Verbots vorgebrachten Bedenken nicht. Denn der Beklagten sei danach lediglich die konkrete Aktion verboten, die sich dadurch auszeichne, daß unentgeltlich und unaufgefordert an Haushalte Original-Naßrasiergeräte "Gillette Sensor Excel" verschenkt worden seien.

Diese Aktion müsse auch, wie das Landgericht zutreffend erkannt habe, in der Sache als wettbewerblich unlauter erachtet werden. Sie - die Klägerin - habe alles in ihrer Macht Stehende getan, um den Umfang der Verschenk-Aktion darzulegen. Sie, die Klägerin, verfüge über die von ihr dargelegten indiziellen, auf eine massenhafte Verteilung hindeutenden Merkmale hinaus über keine weitergehenden Informationen betreffend den Umfang der angegriffenen Werbeaktion. Davon abgesehen komme es aber auf den Gesichtspunkt der "Massenhaftigkeit" der Verteilung der Probeware nicht an, da die Aktion ungeachtet dieses Aspekts in jedem Fall als unlauter anzusehen sei. Denn die kostenlose Zuwendung der streitgegenständlichen Naßrasiergeräte an Verbraucher werde von dem beklagtenseits behaupteten Erprobungszweck nicht gedeckt. Neben den bereits in erster Instanz dargelegten, in der Berufung wiederholten und vertiefend dargelegten, nach Ansicht der Klägerin für eine Überschreitung des Erprobungszwecks angeführten Argumenten falle dabei vor allem in´s Gewicht, daß der Apparat bei Bestückung mit den passenden Systemklingen seinen vollen Gebrauchswert auf Jahre hinaus behalte, wobei allein die "Neuheit" des geschenkten Naßrasier-Apparats Anreiz genug sei, um diesen nicht "wertlos" werden zu lassen. Die Lebensdauer des Apparats würdigend sichere die Beklagte sich damit einen Folgebedarf weiterer ca. 100 bis 200 Ersatzklingen pro Verbraucher. Hätte das Zurverfügungstellen eines Rasierers aber tatsächlich nur den Zweck, die Erprobung der Systemklinge zu ermöglichen, wäre es ohne weiteres möglich und auch ausreichend gewesen, für die Klingen einen Einwegrasierer oder eine Billigausführung des Apparats mitzugeben oder aber den Original-Apparat zurückzuverlangen. Werde aber - so wie hier - das Verschenken von Originalware nicht durch den behaupteten Erprobungszweck gerechtfertigt, komme es für die Beurteilung der wettbewerblichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit auf die Massenhaftigkeit der Aktion nicht an. Denn die Beschenkten, die überhaupt keinen Anlaß sähen, einen neuen Originalrasierer wegzuwerfen, hätten überhaupt keine Möglichkeit, auf Klingen anderer Anbieter umzusteigen, wollten sie das Geschenk nicht nutzlos machen. Diese Beeinflussung des Käuferstroms sei mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs ohne Rücksicht auf die Massenhaftigkeit der Verteilung bereits deshalb nicht in Einklang zu bringen, weil eine Leistung verschenkt werde, die den Sinn habe, den Verbraucher anschließend ohne Prüfung der Leistungsangebote der Mitbewerber zum Bezug der "kostenpflichtigen Hauptleistung", an welcher der Schenkende verdienen wolle und könne, zu veranlassen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im erst- und zweitinstanzlichen Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden Rechtszügen jeweils gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte des einstweiligen Verfügungsverfahrens 81 O 227/95 des Landgerichts Köln ( = 6 U 50/96 OLG Köln ) wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie und insgesamt zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Das Rechtsmittel führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Abänderung der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung, da der Klägerin der darin titulierte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuerkannt werden kann.

Allerdings rechtfertigt sich dieses Ergebnis nicht schon im Hinblick auf die beklagtenseits gegenüber der Bestimmtheit des Unterlassungsantrags, mithin der Zulässigkeit der Klage vorgebrachten Bedenken. Denn nachdem die Klägerin die im Rahmen der angegriffenen Verschenk-Aktion der Beklagten verteilten Naßrasiergeräte konkret beschrieben und als Bestandteil ihres Unterlassungsbegehrens in den Antrag aufgenommen hat, sind Art und Form der als Wettbewerbsverstoß gerügten Handlung, deren Unterbindung die Klägerin begehrt, und damit zugleich der Streitgegenstand eindeutig und in genügendem Maße individualisiert. Das Unterlassungsbegehren ist bereits damit hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Soweit die Beklagte über die Angabe der Art der im Rahmen der angegriffenen Werbemaßnahme verteilten Rasiergeräte hinaus eine weitergehende Konkretisierung auch in bezug auf die Verteilungsdichte und Streuung der zur Unterlassung begehrten Verschenk-Aktion im Antrag fordert, berührt das - entgegen den vom Senat im Termin am 5. 12. 1997 tendenziell zum Ausdruck gebrachten Bedenken - nicht die Bestimmtheit des Klageantrags, sondern allenfalls dessen Begründetheit. Zwar trifft es zu, daß von dem Unterlassungsantrag in seiner durch die Klägerin neu formulierten Fassung bzw. einem darauf etwa beruhenden Verbot die Verteilung selbst einer minimalen Menge der streitgegenständlichen Probeware erfaßt würde. Diese, den zahlenmäßigen Umfang der verteilten Produkte außer Acht lassende Formulierung des Unterlassungsantrags ist aus der Sicht der Klägerin indessen nur folgerichtig, da nach ihrer Auffassung die angegriffene Werbeaktion sich ungeachtet der Menge der verschenkten Ware schon aus anderen, von diesem quantitativen Gesichtspunkt unabhängigen Merkmalen als unlauter erweist. Die von der Beklagten in bezug auf die "Massenhaftigkeit" der zur Unterlassung begehrten Werbeaktion vermißte Konkretisierung des Antrags tangiert daher nicht das Charakteristische des von der Klägerin erstrebten Verbots, mithin nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern die inhaltliche Berechtigung und sachliche Reichweite des als solches hinreichend konkretisierten Klagebegehrens, somit dessen Begründetheit.

Die in der Formulierung des zuletzt gestellten Antrags folglich als zulässig zu erachtende Klage erweist sich jedoch als unbegründet. Denn die von der Klägerin angegriffene Verschenk-Aktion der Beklagten kann unter keinem der hier in Beracht zu ziehenden Aspekte als wettbewerblich unlauter im Sinne von § 1 UWG eingeordnet werden.

Das Verschenken von Waren zu Wettbewerbszwecken stellt sich nicht schlechthin als nach wettbewerbsrechtlichen Maßstäben unlautere und daher zu unterbindende Maßnahme dar. Vielmehr bedarf es des Hinzutretens besonderer, sich aus den Gesamtumständen der genannten Werbemaßnahme ergebender Unlauterkeitsmomente, um die wettbewerbliche Unzulässigkeit der unentgeltlichen Zuwendung von Waren zu begründen. Derartige, die wettbewerbliche Unbedenklichkeit beseitigenden Unlauterkeitsmomente können sich dann ergeben, wenn das Verschenken von Waren nach den Gesamtumständen, unter denen die Aktion erfolgt, für sich allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleichartigen Werbemaßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, daß der Leistungswettbewerb hinsichtlich der fraglichen Warenart in nicht unerheblichem Maß ausgeschaltet, mithin der Bestand des Wettbewerbs zu Lasten der durch die in Frage stehenden Aktion in ihrer wettbewerblichen Position behinderten Konkurrenten aufgehoben wird ( vgl. BGH GRUR 1975, 26/27 -"Colgate"-; BGHZ 43, 278/284 f -"Kleenex" -; BGH GRUR 1969, 295/296 f -"Goldener Oktober"-; BGH GRUR 1968, 649/651 -"Rocroni-Ascher"-; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbrecht, 19. Auflage, Rdn. 93 zu § 1 UWG; Köhler/Piper, UWG, Rdn. 47, 192 und 198 f zu § 1 UWG - jeweils mit weiteren Nachweisen ). Diese Maßstäbe gelten auch beim Verschenken von Waren zu Erprobungszwecken und zwar unabhängig davon, ob die damit beworbenen Produkte in eigens hergestellten Packungen unentgeltlich zugewandt oder ob sie in handelsüblichen Wareneinheiten verschenkt werden. Das Verschenken von Ware zu Probezwecken stellt im Grundsatz eine dem System des Leistungswettbewerbs immanente Werbemaßnahme dar und bildet sogar eine besonders geeignete Möglichkeit, die angesprochenen Verbraucher von der Güte und Preiswürdigkeit der Ware zu überzeugen und zu einem Vergleich mit anderen Waren konkurrierender Anbieter anzuregen ( BGHZ 43, a.a.O., -"Kleenex"- und BGH GRUR 1968, a.a.O, -"Rocroni-Ascher"- ). Anhaltspunkte für eine nach den vorbezeichneten Maßstäben eintretende Gefährdung des Leistungswettbewerbs bzw. eine sich daraus ergebende wettbewerbliche Unlauterkeit der Maßnahme bestehen allerdings dann, wenn die unentgeltlich zur Verfügung gestellte Ware ihrer konkreten Art, Beschaffenheit und/oder Menge nach von dem ausgewiesenen Probezweck nicht gedeckt ist, sondern dem Konkurrenten qualitativ oder quantitativ mehr zugewandt wird, als er benötigt, um sich über die Güte und die Brauchbarkeit der beworbenen Ware zu unterrichten. Allerdings indiziert allein die bei qualitativer oder quantitativer "Mehrzuwendung" anzunehmende Überschreitung des Probezwecks die Wettbewerbswidrigkeit der Verschenk-Aktion ebensowenig, wie die Bejahung des Probezwecks per se die Wettbewerbsgemäßheit der Aktion ergibt ( vgl. BGHZ 43, 278/284 f -"Kleenex"-; BGH Z 23, 365 -"Suwa"-; BGH GRUR 1969, 295/296 f -"Goldener Oktober"-; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 124 zu § 1 UWG m.w.N. ). Aus diesem Grund kann es letzlich auch dahinstehen, ob bei Bejahen einer den Bestand des Leistungswettbewerbs gefährdenden Massenhaftigkeit des Umfangs der streitgegenständlichen Verschenk-Aktion die Einhaltung des angegebenen Erprobungszwecks selbst zu verneinen ist oder ob es sich hierbei um einen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zusätzlich zu würdigenden Umstand handelt, der die Unzulässigkeit der Maßnahme selbst bei Bejahen des Probezwecks im übrigen ergeben kann. Denn es kommt in jedem Fall - sei es im Rahmen der Prüfung, ob die Zuwendung der Ware tatsächlich dem angegebenen Erprobungszweck dient, sei es bei der Prüfung der Frage, ob eine mit dem Erprobungszweck vereinbare Maßnahme, beispielsweise wegen der Gefahr der Nachahmung durch Mitbewerber, gleichwohl zu einer Gefährdung des Bestands des Leistungswettbewerbs führt - darauf an, ob die (angeblich) zu Erprobungszwecken vorgenommene Aktion unter exakter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Warenart, des Anlasses und des Umfangs der Werbeaktion sowie der Marktverhältnisse die Besorgnis rechtfertigt, daß der Beschenkte auch nach Beendigung der Verteilung die Angebote der Mitbewerber nicht mehr unbeeinflußt prüft ( Vgl. BGHZ 43, a.a.O., -"Kleenex" -; BGH GRUR 1969, a.a.O., - "Goldener Oktober" - ). Dabei sind bei Bejahen des

Probezwecks sicherlich strengere Anforderungen an die eine etwaige wettbewerbliche Unlauterkeit ergebenden Umstände zu stellen als dies bei einer nach der Art der verteilten Ware oder dem Umfang und der Dauer der Werbeaktion ggf. anzunehmenden Überschreitung des Erprobungszwecks zu fordern ist. Das ändert jedoch nichts daran, daß allein die Bejahung oder Verneinung des angegebenen Probezwecks per se über die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Verschenk-Aktion mit den Grundsätzen des lauteren Wettbebwerbs keine ausreichende Aussage trifft, sondern es dafür der Heranziehung und Würdigung weiterer, die Aktion in ihrer Gesamtheit und ihren Auswirkungen auf den betroffenen Markt kennzeichnender Umstände bedarf.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann indessen die hier allein aus § 1 UWG in Erwägung zu ziehende wettbewerbliche Unlauterkeit der angegriffenen Verschenk-Aktion der Beklagten nicht festgestellt werden.

Dabei bedarf es nicht der Entscheidung, ob im Ausgangspunkt an der in dem Urteil des erkennenden Senats in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vorgenommenen Würdigung, hinsichtlich deren Einzelheiten auf das genannte Urteil verwiesen wird ( § 543 Abs. 1 ZPO analog ), festzuhalten ist, wonach die unentgeltliche Abgabe des Original-Naßrasierapparats gemeinsam mit der Systemklinge wegen der nicht nachvollziehbaren Notwendigkeit der Verteilung auch und gerade dieses Apparats zur Erprobung nur der Klinge den beklagenseits behaupteten Erprobungszweck überschreitet. Nur am Rande sei daher ausgeführt, daß hieran im Hinblick auf den seitens der Beklagten nunmehr klargestellten Erprobungszweck durchaus Zweifel bestehen, wonach nicht lediglich die Systemklinge, sondern deren Eigenschaften und Handhabung gerade in der Kombination mit der speziell dafür angebotenen Haltevorrichtung, dem Rasierapparat nämlich, habe getestet werden sollen. Diesen Zweck der Erprobung konnte in der Tat nur der Original-Rasierapparat, nicht aber eine für die Probeware eigens hergestellte kurzlebigere Haltevorrichtung, beispielsweise in der Art eines Einwegrasierers, gewährleisten. Auch der Umstand, daß das Rasiersystem der Beklagten im Zeitpunkt der Werbeaktion bereits seit zwei Jahren auf dem Markt war, konnte dem Erprobungszweck nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Denn Probegaben sind nicht nur zur Einführung einer neuen, auf dem Markt unbekannten oder weitgehend unbekannten Ware zulässig, sondern auch in bezug auf bereits eingeführte Produkte, um weitere Kunden zu gewinnen, abgesprungene Kunden wiederzugewinnen und sie über Eigenschaften der Ware zu unterrichten ( vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 121 zu § 1 UWG ). Die Frage, ob aus der Art und Beschaffenheit des gemeinsam mit der Systemklinge verteilten Rasierapparats eine Überschreitung des Erprobungszwecks herzuleiten ist, kann indessen hier letzlich offenbleiben. Denn selbst bei Annahme einer derartigen Überschreitung des Erprobungszwecks liegen jedenfalls keine die wettbewerbliche Unlauterkeit der in Rede stehenden Verschenk-Aktion begründenden Umstände vor.

Daß diese Aktion im Streitfall die konkrete Besorgnis einer nicht unerheblichen Behinderung der Mitbewerber und einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes mit sich brachte, ist nicht ersichtlich.

Zwar kann eine derartige Marktstörung im Fall der massenweisen Verteilung von Originalware - und eine solche gelangte entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Fall, in welchem der Rasierapparat sowie die diesem beigegebene Systemklinge der in den handelsüblichen Packung angebotenen Funktionseinheit exakt entsprachen, zur Verteilung - dann anzunehmen sein, wenn die Aktion für sich allein genommen oder in Verbindung mit zu erwartenden nachahmenden Werbeaktionen von Mitbewerbern zu einer Marktverstopfung führen, die bestimmten, in aller Regel weniger kapitalkräftigen Mitbewerbern die Möglichkeit nimmt, ihre Leistung auf dem Markt zur Geltung zu bringen bzw. am Wettbewerb teilzunehmen ( vgl. BGH GRUR 1957, 363 -"Sunil"-; BGHZ 23, 365/371/375 -"Suwa" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 856 zu § 1 UWG; Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 199 zu § 1 UWG - jeweils m.w.N. ). Im hier zu beurteilenden Fall ist jedoch weder eine sich allein, noch eine sich in Verbindung mit etwa zu erwartenden gleichartigen Werbemaßnahmen von Mitbewerbern als Marktverstopfung auswirkende Massenverteilung der fraglichen Probeware feststellbar.

Nach den beklagtenseits dargestellten Zahlen, denen die Klägerin nicht widersprochen hat, gelangten im Zeitraum vom 16. bis 29. September 1995 22.000 Rasiergeräte der hier in Rede stehenden Art und Aufmachung in insgeamt 6 Städten, sowie in der Zeitspanne vom 7. bis 9. Dezember 1995 in Köln nochmals 720 Rasiergeräte - insgesamt also 22.720 Exemplare - zur Verteilung an private Haushalte. Im Hinblick auf die den Markt für Systemnaßrasiergeräte bestimmenden Zahlen, auf dem insgesamt ca. 15 Millionen Personen, die sich naß rasieren, ihren Bedarf decken wollen, ist jedoch nicht ersichtlich, daß die Verschenk-Aktion eine Anzahl von Verbrauchern erreichte, deren durch die Werbemaßnahme gegegebenfalls beeinflußtes Verhalten geeignet wäre, die Nachfrage- und Absatzverhältnisse auf dem einschlägigen Markt merklich zu berühren. Auch nach dem Vorbringen der Klägerin ist erst ab einer Zahl von ca. 100 ooo verschenkter Naßrasierapparate eine markterhebliche Verteilungsschwelle erreicht, die sich auf den Folgebedarf an Ersatzklingen bzw. dem damit erzielbaren Umsatz und Gewinnn merklich auswirkt. Ohne eine solche, ihrem Umfang nach und mit Rücksicht auf die Marktverhältnisse spürbare zumindest zeitweise Sättigung des Bedarfs an Naßrasiersystemen kann jedoch eine allgemeine Marktstörung unter dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung nicht angenommen werden.

Der Senat verkennt dabei auch nicht, daß die fragliche Aktion in den Monaten November und Dezember 1995 in zeitnahem Abstand zu der am 12. Dezember 1995 beantragten und am selben Tag erlassenen Beschlußverfügung unternommen und beendet wurde. Gleichwohl ist der Rückschluß darauf, daß erst die Zustellung der Verbotsverfügung der streitgegenständlichen Aktion Einhalt gebot, die von vorneherein in einem weitaus größeren massenhaften, die Anzahl von rd. 1 Million Exemplaren erreichenden Umfang geplant gewesen sei, nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Denn es kann nicht übersehen werden, daß die erste Phase der Verschenk-Aktion, in deren Verlauf die Beklagte zunächst 22.000 Exemplare verteilte, bereits beendet war, noch bevor die Klägerin sich mit ihrer unter dem Datum des 6. 12. 1995 gefertigten Abmahnung meldete. Die zweite Verteilungs-Phase im Zeitraum vom 7. bis zum 9. Dezember 1995 fiel dann zwar in einen Zeitraum, in dem der Beklagten die Abmahnung der Klägerin bei Einhaltung der gewöhnlichen Postlaufzeiten zugegangen sein mußte. Gleichwohl wurde die Verteilung noch vor der Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 12. Dezember 1995 eingestellt. Dies alles spricht aber dagegen, daß die Beklagte erst durch die Zustellung der Beschlußverfügung zum Abbruch einer ursprünglich in weitaus größerem Umfang und in erheblich intensiverer Verteilungsdichte geplanten, sukzessive in Angriff genommenen Aktion bewogen worden ist. Gleiches gilt unter Berücksichtigung des weiteren Umstands, daß die Beklagte ab April 1996 ( vgl. Anlage K 3 = Bl. 112 d.A. ) rd. 800.000 Rasiergeräte nebst Zusatzklinge in der aus der Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 16. 09. 1996 ersichtlichen Aufmachung für einen Preis von nur 2,99 DM angeboten hat. Daß es sich - wie die Klägerin behauptet - hierbei um den Rest der ursprünglich für die Verteilung im Rahmen der Verschenk-Aktion vorgesehenen Exemplare handelte, die mit Rücksicht auf die Unterlassungsverfügung von dieser Werbeaktion abgezogen und nach "Umrüstung" für einen niedrigen Preis "verschleudert" worden seien, kann ebenfalls nicht angenommen werden. Dagegen spricht der Umstand, daß die Beklagte unstreitg im Rahmen einer weltweiten Werbeaktion vorging, in deren Rahmen sie sich aber auf die Gepflogenheiten der jeweiligen nationalen Märkte einzustellen hatte. Daß sie dabei nicht etwa von vorneherein eine zweigleisige Vorgehensweise, nämlich eine parallel zu der Verschenk-Aktion geplante "Schleuderpreisaktion" in ihre Kalkulation einbezog, sondern das Risiko einer kostenerhöhenden und zeitverzögernden Umstellung der in eine internationale Aktion eingegliederten Vorgehensweise auf dem deutschen Markt in Kauf nahm, erscheint aber fernliegend.

Die mit einem entsprechenden Verlust von Absatzmöglichkeiten der Mitbewerber verbundene Gefahr einer Marktstörung kann dabei auch nicht etwa im Hinblick auf die Häufigkeit der für sich genommen unter dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung nicht zu beanstandenden Verschenk-Aktion der Beklagten angenommen werden. Denn konkrete Anhaltspunkte, daß die Beklagte die hier in Rede stehende Kampagne im November/Dezember 1995 in kürzeren zeitlichen Abfolgen wiederholt habe, lassen sich weder dem Vortrag der Klägerin, noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen. Die Beklagte hat vielmehr, nachdem die Klägerin ihrerseits im Jahre 1987 eine vergleichbare Verschenk-Aktion unternommen hatte, zunächst ca. 8 Jahre verstreichen lassen, bevor die hier fragliche Werbe-Aktion begonnen wurde. Dies wiederum spricht dagegen, daß die Beklagte die jeweils als solche noch maßvollen Einzel-Verschenk-Aktionen in derart kurzen Zeitintervallen vornahm oder vorzunehmen gedachte, daß sich die in Folge auf den Markt gebrachten verschenkten Exemplare unter Berücksichtigung der Lebensdauer der Rasierapparate in der Summe als eine marktverstopfende Bedarfsdeckung auswirken konnten.

Die nach alledem unter dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung nicht begründete Besorgnis einer nicht lediglich unerheblichen Behinderung der Mitbewerber und Gefährdung des Wettbewerbsbestandes läßt sich im Streitfall auch nicht etwa aus einer Nachahmungsgefahr durch Konkurrenten herleiten. Denn greifbare Anhaltspunkte für eine solche Nachahmung existieren nicht. Dagegen spricht der Umstand, daß - nach der klägerseits im Jahre 1987 durchgeführten Verschenk-Aktion - nach einem Zeitraum von ca. 8 Jahren erstmals die Beklagte wiederum zu dem Werbemittel des Verschenkens von Probeware griff. Daß daneben Mitbewerber Anstalten unternommen hätten, vergleichbare Verschenk-Aktionen durchzuführen, oder aber dies drohe, läßt sich weder dem Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin, noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen, so daß die substantiierte Prognose von Nachahmungen durch Mitbewerber ( vgl. Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 191 und 199 zu § 1 UWG ) sowie eine sich daraus ergebenden Gefahr der mit § 1 UWG unvereinbaren Marktstörung hierauf nicht gegründet werden kann.

Die Unlauterkeit der in Rede stehenden Verschenk-Aktion der Beklagten läßt sich weiter aber auch nicht aus dem Gesichtspunkt der gemäß § 1 UWG unzulässigen Wertreklame etwa deshalb herleiten, weil die angesprochenen Verbraucher, denen die Werbegeschenke zugewandt worden sind, mit sachfremden Mitteln davon abgehalten werden, die Angebote von Mitbewerbern unbeeinflußt zu prüfen, sondern sich dem Angebot der Beklagten allein im Hinblick auf das ihnen zugewandte Werbegeschenk zuwenden. Denn unstreitig hat die Beklagte die im Rahmen der streitgegenständlichen Werbemaßnahme verschenkten Rasiergeräte nur solchen Haushalten zukommen lassen, in denen sich eine Person naß rasiert und die daher bereits über ein Naßrasiergerät - sei es ein solches der Beklagten oder ein Konkurrenzfabrikat - verfügt. Daß sich diese Personen, die bereits über in u. U. langjährigem Gebrauch gewonnene Erfahrungen mit ihrem sonst benutzten Gerät verfügen, allein wegen des ihnen nach der Abnutzung der Systemklinge noch verbliebenen Rasier-Apparats sodann dazu entschließen, zu dem beworbenen System der Beklagten zu wechseln, erscheint in höchstem Maße unwahrscheinlich. Denn es kann nicht übersehen werden, daß vorliegend ein Ware betroffen ist, die unmittelbar am Körper angewandt wird und Bestandteil privater Körperpflege ist, bei welcher der subjektiven Eignung und Verträglichkeit der verwendeten Produkte in aller Regel eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daß die Naßrasierer, die aus dem Gebrauch eines von ihnen verwendeten Naßrasiergeräts bereits bestimmte Erfahrungen gemacht haben, sich nach dem binnen Wochenfrist eintretenden Verbrauch der Systemklinge der Beklagten allein wegen der relativen Neuheit des ihnen verbliebenen Sytemrasierapparats den Produkten der Beklagten zuwenden, und nicht zu dem ihnen bereits aus dem früheren Gebrauch bekannten Produkt, an welches sie gewöhnt sind, zurückkehren, erscheint lebensfremd.

Aus diesem Grund scheidet auch die Annahme eines dem Unlauterkeitstatbestand des § 1 UWG unterfallenden übertriebenen Anlockens aus. Denn ist der nach Verbrauch der Systemklinge verbleibende Rasierapparat nicht ohne weiteres geeignet, die beschenkten Naßrasierer für die Folgeprodukte, konkret das passende Er-

satzklingenangebot der Beklagten "einzufangen", sind die Voraussetzungen eines den Tatbestand des "übertriebenen Anlockens" aber kennzeichnenden, auf die Entschließungsfreiheit der Angesprochenen einwirkenden Übermaßes von Vorteilen nicht ersichtlich, die jenen unsachlich in seiner Entscheidung für das fragliche Angebot beeinflussen.

Eine Unlauterkeit der Verschenk-Aktion unter dem Gesichtspunkt des psychologischen Kaufzwangs scheidet schließlich ebenfalls aus. Denn die Beklagte hat keinerlei persönlichen Einfluß auf die Beschenkten genommen, denen die Probeware ohne persönlichen Kontakt in die Briefkästen eingeworfen worden ist, die geeignet wäre, die Beschenkten in eine subjektiv empfundene Zwangslage zu bringen, der sie sich nur durch den Nachkauf von System-Ersatzklingen der Beklagten entziehen zu können glauben.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des Unterlassungsbegehrens, mit dem die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit unterlegen ist.






OLG Köln:
Urteil v. 19.10.1998
Az: 6 U 41/97


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ed6693f81299/OLG-Koeln_Urteil_vom_19-Oktober-1998_Az_6-U-41-97




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share