Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 19/05

(BPatG: Beschluss v. 02.11.2009, Az.: 15 W (pat) 19/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 19. September 1995 unter Inanspruchnahme der Prioritäten US 308325 vom 19. September 1994 und US 427914 vom 26. April 1995 beim Deutschen Patentamt eine Patentanmeldung ein, die am 21. März 1996 in Form der deutschen Offenlegungsschrift DE 195 34 744 A1 mit der Bezeichnung

"Neues pharmazeutisches Produkt"

veröffentlicht wurde.

Mit Beschluss vom 2. Februar 2005 wies die Prüfungsstelle für Klasse C 07 D des Deutschen Patentund Markenamts die Patentanmeldung zurück.

Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 5 der ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 7 vom 19. September 1995 mit folgendem Wortlaut zugrunde:

Die Zurückweisung der Anmeldung wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift US 4 418 068 (1) nicht mehr neu sei.

Gegen den Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 10. März 2005, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin im Wesentlichen ausgeführt, gemäß Druckschrift (1) werde das 6-Hydroxy-2-(4-hydroxyphenyl)-3-[4-(2piperidinoethoxy)benzoyl]benzo[b]thiophen-Hydrochlorid (im Folgenden Raloxifen-Hydrochlorid) in Form eines Solvats mit dem im Zuge der Synthese als Lösungsmittel eingesetzten Chlorbenzol erhalten, das sich beim Umkristallisieren nicht entfernen lasse mit der Folge, dass nach dem Umkristallisieren wieder nur kristallines Raloxifen-Hydrochlorid in Form eines Chlorbenzol-Solvats entstehe. Dies habe seine Ursache darin, dass Raloxifen-Hydrochlorid eine sehr ausgeprägte Neigung zur Anlagerung von Chlorbenzol besitze. Eine andere Lehre zur Herstellung als in Chlorbenzol als Lösungsmittel werde aber in der Druckschrift (1) nicht vermittelt. Die nachträgliche Auswahl anderer Verfahrensvarianten als jene der konkreten Ausführungsbeispiele zur Herstellung von Raloxifen-Hydrochlorid durch Kombination verschiedener lediglich in der Beschreibung von (1) aufgeführter Materialien und Reaktionsbedingungen, wie im angefochtenen Beschluss geschehen, sei nicht zulässig. Damit offenbare die Druckschrift (1) keine technische Lehre zur Herstellung von nichtsolvatisiertem kristallinem Raloxifen-Hydrochlorid mit dem Röntgenbeugungsgitter gemäß Anspruch 1.

Mit Schriftsatz vom 14. November 2005 wurde eine Einwendung der Firma Heumann PCS GmbH zur Gerichtsakte gereicht mit dem Hinweis, die Zurückweisung der Patentanmeldung 195 34 744.7-43 sei vollumfänglich zurecht ergangen. Die Röntgenparameter des beanspruchten Produktes ergäben sich bei der Nacharbeitung der Druckschrift (1), wofür die Einwendende ein Gutachten von Prof. B... vorlegt, aus dem hervorgeht, dass die in der DE 195 34 744 beschriebene Kristallform identisch sei mit der bereits in (1) erhaltenen Modifikation des Raloxifen-Hydrochlorids. Aufgrund von HPLC-Untersuchungen weise das bei dieser Nacharbeitung des Beispiels 18 aus (1) erhaltene Produkt eine Reinheit von mindestens 95 % auf und sei im Übrigen auch frei von Chlorbenzol, von Al-Salzen und von Organoaluminiumverbindungen sowie im Wesentlichen geruchsfrei. Außerdem weist die Einwendende darauf hin, dass offenbar auch das anmeldungsgemäße Raloxifen-Hydrochlorid unrein sei. Denn Beispiel 5 der Patentanmeldung weise einen Schmelzpunkt von 262¡C auf, während die Anmelderin in ihrer Eingabe vom 9. Oktober 2003 (für das Raloxifen gemäß Beispiel 8 der DE 195 34 744 A1) einen Schmelzpunkt von 275,6¡C angegeben habe.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 erwiderte die Anmelderin in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung auf die Einwendung Dritter und führte im Wesentlichen aus, die dem Gutachten von Prof. B... zugrunde liegenden Versuche stellten keine exakte Nacharbeitung der Lehre des Beispiels 16 aus der Druckschrift (1) dar, wofür sie außerdem einen Versuchsbericht des von der Anmelderin im parallelen kanadischen Verfahren beauftragten unabhängigen Forschungslabors SSCI vorlegte.

Mit Zwischenverfügung vom 30. Oktober 2009 wurde der Anmelderin eine Kopie der vorveröffentlichten Druckschrift J. Clin. Invest. 93 (1994) 63-69 übersandt, aus der hervorgeht, dass Raloxifen-Hydrochlorid (LY 139481 HCl) in einer Reinheit von >98,5 % bereits vor dem Prioritätstag der vorliegenden Patentanmeldung zugänglich war.

In der mündlichen Verhandlung am 2. November 2009 überreichte die Anmelderin hilfsweise eine Anspruchsfassung mit geändertem Anspruch 1 sowie darauf abgestimmten Unteransprüchen 2 bis 6, wobei die einzige Änderung gegenüber dem Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung (Hauptantrag) darin besteht, dass das nichtsolvatisierte kristalline Raloxifen-Hydrochlorid mindestens 99 % Reinheit besitzt. Die Unteransprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag entsprechen den ursprünglichen Ansprüche 3 bis 7.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent auf Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 7 zu erteilen, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist fristund formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie hat jedoch aus nachfolgenden Gründen keinen Erfolg.

1. Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände gemäß dem Hauptantrag sowie gemäß dem Hilfsantrag bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale sich aus den ursprünglichen Unterlagen ergeben (vgl. Erstunterlagen, eingegangen am 19. September 1995, Anspr. 1 bis 7 sowie Beschr. S. 3 Abs. 2 Z. 5 bis 6).

2. Dem nichtsolvatisierten, kristallinen 6-Hydroxy-2-(4-hydroxyphenyl)-3-[4-(2piperidinoethoxy)benzoyl]benzo[b]thiophen-Hydrochlorid (Raloxifen-Hydrochlorid) mit einem Röntgenbeugungsmuster gemäß Anspruch 1 sowohl in der ursprünglichen eingereichten Fassung (Hauptantrag) als auch in der Fassung des Hilfsantrags mangelt es bereits an der zur Patentierung erforderlichen Neuheit.

a) Die Zurückweisung wird in dem angefochtenen Beschluss damit begründet, dass mittels der Lehre der Druckschrift US 4 418 068 (1) ein nichtsolvatisiertes, kristallines Produkt gemäß dem Anspruch 1 nach Hauptantrag erhalten werde und deshalb dieser Anspruch mangels Neuheit nicht gewährbar sei.

Die Überprüfung durch den Senat hat ergeben, dass die in den Gründen des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Bewertung des Offenbarungsgehalts der Druckschrift (1) im Ergebnis zutreffend ist.

b) Die Neuheit eines Stoffes ist gegeben, wenn er sich in mindestens einem für ihn charakteristischen Parameter von bekannten Stoffen ausreichend und zuverlässig unterscheiden lässt (BGH GRUR 1972, 80, 84 -Trioxan). Dabei sind Stoffe gleicher chemischer Konstitution grundsätzlich als identisch anzusehen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich Stoffe trotz gleicher chemischer Konstitution in ihrer besonderen, die stoffliche Eigenschaft bestimmenden Erscheinungsform oder ihren Erscheinungsformen voneinander unterscheiden. Sind diese Erscheinungsformen im Stand der Technik nicht beschrieben und treten sie auch nicht bei der Herstellung des in seiner chemischen Konstitution bereits bekannten Stoffes nach den vorbeschriebenen Herstellungsverfahren zwangsläufig als eine dem Stoff -wenn auch unerkannt -immanente Eigenschaft auf, ist seine Neuheit anzuerkennen (vgl. BPatGE 20, 6 "Kristallformen").

Diese Voraussetzungen für die Anerkennung der Neuheit sind bei dem Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl nach Hauptals auch nach Hilfsantrag nicht gegeben.

c) Die Druckschrift (1) mit der Bezeichnung "Antiestrogenic and Antiandrogenic Benzothiophenes" betrifft im Einzelnen 6-Hydroxy-2-(4-hydroxyphenyl)-3-[4-(2piperidinoethoxy)benzoyl]benzo[b]thiophen (Raloxifen), dessen Ether und Ester sowie physiologisch akzeptable Säureadditionssalze dieser Verbindungen, und deren Verwendung als antiöstrogene und antiandrogene Wirkstoffe (vgl. (1) z. B. Abstract), insbesondere die Säureadditionssalze mit Chlorwasserstoff (vgl. (1) Sp. 3 Z. 64 bis 66 i. V. m. Beisp. 1, 2, 8, 13 bis 19, Sp. 35 Exp. D, sowie Sp. 37 Z. 3 bis 15), darunter vor allem und bevorzugt Raloxifen in Form des Hydrochloridsalzes (vgl. (1) Sp. 4 Z. 7 bis 8 i. V. m. Sp. 37 Z. 3 bis 6 sowie Beisp. 8, 15 bis 18). Gemäß Beispiel 18 in (1) wird hochreines kristallines Raloxifen-Hydrochlorid erhalten und zwar nach zweimaliger (Um)Kristallisation aus mit geringen Mengen Wasser versetztem Methanol (vgl. (1) Sp. 27 Z. 7 bis 35, insbes. Z. 24 bis 27 sowie Z. 31 bis 35).

Gemäß der vorliegenden Anmeldung wird nicht anders als in Beispiel 18 von (1) verfahren. Denn nach einer bevorzugten Vorgehensweise wird anmeldungsgemäß aus verunreinigtem Raloxifen-Hydrochlorid ebenfalls durch (Um)Kristallisation aus mit wenig Wasser versetztem Methanol kristallines, nichtsolvatisiertes RaloxifenHydrochlorid mit einer Reinheit von 99,4 % erhalten (vgl. DE 195 34 744 A1 S. 16 Beisp. 8). Da gleiche bzw. vergleichbare Verfahrensmaßnahmen regelmäßig zu gleichen bzw. vergleichbaren Produkten führen, ist auch gemäß Beispiel 18 in (1) nach abschließend durchgeführter Umkristallisation aus mit einem geringen Prozentsatz an Wasser versetztem Methanol ein nichtsolvatisiertes kristallines Hydrochlorid des Raloxifens zu erhalten, das zwangsläufig ein Röntgenbeugungsmuster entsprechend Anspruch 1 nach Hauptantrag aufweist. Auf ein Röntgenbeugungsmuster entsprechend Anspruch 1 nach Hauptantrag, das in (1) ersichtlich fehlt, kann die Neuheit des anmeldungsgemäß beanspruchten nichtsolvatisierten, kristallinen Raloxifen-Hydrochlorid demgegenüber nicht gestützt werden. Denn diese Strukturdaten ergeben sich zwangsläufig bei Durchführung einer üblichen Röntgenstrukturanalyse an einem gemäß Beispiel 18 von (1) erhaltenen nichtsolvatisierten, kristallinen Produkt.

Sollte diesem nach Beispiel 18 in (1) hergestellten kristallinen Raloxifen-Hydrochlorid -wie die Anmelderin vorgebracht und geltend gemacht hat -noch im Zuge der Herstellung verwendetes chloriertes Lösungsmittel, insbesondere Chlorbenzol, anhaften und das kristalline Raloxifen-Hydrochlorid deshalb (partiell) in Solvatform anfallen, wird ein mit der Nacharbeitung befasster Chemiker diese unerwünschten Verunreinigungen im Zuge der üblichen Produktanalyse sofort und ohne Weiteres feststellen und nicht umhin können, diese Verunreinigungen zu entfernen, entweder durch weiteres Umkristallisieren oder durch übliche chromatographische Aufreinigung sowie nachfolgende erneute Kristallisation aus mit wenig Wasser versetztem Methanol. Diese gegebenenfalls erforderliche Nachreinigung des gemäß Beispiel 18 in (1) erhaltenen Raloxifen-Hydrochlorids mit üblichen Arbeitsweisen versteht sich für Chemiker von selbst und bedarf schon deshalb keiner näheren druckschriftlichen Erwähnung oder gar Erläuterung, weil es sich bei den Verbindungen von (1) um Arzneimittelwirkstoffe handelt, die bei nachweisbaren Verunreinigungen bekanntlich nicht zu Arzneimitteln formuliert und verabreicht werden dürfen.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die in der Beschreibung von (1) ausgeführten alternativen Arbeitsweisen sowohl für die Friedel-Crafts-Acylierung bezüglich der Vermeidung von Chlorbenzol als Lösungsmittel und dessen Ersatz durch Dichlormethan oder Dichlorethan, als auch für den Einsatz von Bortrichlorid als Katalysator im Zuge der Synthese des Wirkstoffs anstelle von Aluminiumtrichlorid (vgl. (1) Sp. 8 Z. 50 bis Sp. 10 Z. 45, insbes. Sp. 9 Z. 42 bis 43 und Z. 60 bis 61).

Dem Vorbringen der Anmelderin, das Produkt gemäß Beispiel 18 in (1) falle als Chlorbenzol-Solvat an, sodass demgemäß gerade kein nichtsolvatisiertes, kristallines Raloxifen-Hydrochlorid erhalten werde, kann der Senat nicht beitreten. Denn aus der gesamten Druckschrift (1) geht gerade nicht hervor, dass es sich bei den (kristallinen) Säureadditionssalzen um Produkte in Solvatform handelt und erst recht nicht, dass diese Wirkstoffe und damit das Raloxifen-Hydrochlorid als Arzneimittelwirkstoff in Form eines Solvates mit Chlorbenzol oder mit anderen chlorierten Kohlenwasserstoffen anzuwenden ist (vgl. (1) z. B. die Formulierungen in Sp. 40 Z. 27 ff.). Vielmehr hatte der mit der Nacharbeitung des Beispiels 18 von (1) befasste Chemiker aufgrund des Gesamtoffenbarungsgehalts von (1) ausschließlich hochreines kristallines, nichtsolvatisiertes Raloxifen-Hydrochlorid als Ziel vor Augen. Etwaige Verunreinigungen, beispielsweise durch anhaftende Lösungsmittel, selbst für den Fall, dass diese in mehr oder weniger stark gebundener Solvatform vorliegen, wird er selbstverständlich durch übliche Reinigung bis zu deren Nachweisgrenze entfernen.

Anspruch 1 nach Hauptantrag ist deshalb mangels Neuheit nicht gewährbar.

d) Durch die Lehre der Druckschrift (1) neuheitsschädlich vorweggenommen ist auch Raloxifen-Hydrochlorid, welches gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag als weiteres Merkmal eine Reinheit von mindestens 99 % aufweist, so dass auch Anspruch 1 nach Hilfsantrag nicht gewährbar ist.

Ein von der Lehre der Druckschrift (1) verschiedenes Raloxifen-Hydrochlorid und damit eine neue chemische Verbindung bzw. ein neuer chemischer Stoff ergibt sich auch nicht aufgrund des Merkmals einer Reinheit von mindestens 99 %. Eine bereits vorbeschriebene chemische Verbindung wird nicht durch (zusätzliche) Angaben zu seiner Reinheit zu einem neuen Stoff. Denn die erfolgreiche Analyse eines in hochreiner Form synthetisierten Produktes bzw. Stoffes wie des Raloxifen-Hydrochlorids gemäß Beispiel 18 in (1), die basierend auf der bekannten Struktur der Edukte mittels üblicher chemischer und/oder physikalischer Methoden regelmäßig durchgeführt wird, liefert dem Chemiker als Ergebnis quasi das strukturelle Abbild des Stoffes in Form eines Einzelmoleküls und frei von verunreinigenden Nebenprodukten und Beistoffen. Dabei kann die Neuheit einer bereits vorbeschriebenen chemischen Verbindung selbstverständlich auch dann nicht durch Angaben zu ihrer Reinheit begründet werden, wenn aus dem betreffenden Stand der Technik lediglich analytische Verfahren zu deren Isolierung bzw. Reinigung hervorgehen. Dementsprechend entnimmt der Chemiker aus dem Beispiel 18 der Druckschrift (1) in Verbindung mit weiteren Ausführungen in der Beschreibung nichts anderes als die chemische Verbindung Raloxifen-Hydrochlorid in nichtsolvatisierter, kristalliner Reinform, der aufgrund der entsprechend der anmeldungsgemäßen Vorgehensweise vorgenommenen Kristallisation auch die gleiche Kristallform und damit auch das Röntgenbeugungsmuster wie Anspruch 1 nach Hilfsantrag zukommt.

Im Übrigen lässt sich nichtsolvatisiertes, kristallines Raloxifen-Hydrochlorid durch das Merkmal einer Reinheitsangabe von mindestens 99 % ohnehin nicht zuverlässig abgrenzen von einem kristallinen Raloxifen-Hydrochlorid, das gemäß Beispiel 18 -vergleichbar zu der Arbeitsweise gemäß dem anmeldungsgemäßen Beispiel 8 -durch gegebenenfalls mehrfache Umkristallisation aus mit wenig Wasser versetztem Methanol in hochreiner Form und damit zweifelsohne frei von nachweisbaren Mengen von Chlorbenzol und anderen Lösungsmittelrückständen erhalten wird. Zudem ist der für die Reinheit angegebene Zahlenwert abhängig von der/den angewandten Analysenmethode(n) und bedingt durch die tatsächlichen Umstände der jeweiligen Versuchsdurchführung regelmäßig mit einem mehr oder minder großen Fehler behaftet.

3. Aber selbst wenn man die Neuheit aufgrund des in (1) eines fehlenden Röntgenbeugungsmusters sowie der in (1) ebenfalls fehlenden Angabe konkreter Zahlenwerte zur Reinheit anerkennen wollte, so bedurfte es für einen Fachmann, einem Diplom-Chemiker der Fachrichtung Organische Chemie, jedenfalls keines erfinderischen Zutuns, um ausgehend von der Lehre der Druckschrift (1) aufgrund seines Wissens und Könnens zu nichtsolvatisiertem kristallinen Raloxifen-Hydrochlorid mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 sowohl nach Hauptantrag als auch nach Hilfsantrag zu gelangen.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die in den Anmeldeunterlagen zwar nicht expressis verbis genannt ist, jedoch im Hinblick auf die Beschreibungseinleitung darin zu sehen ist, die Nachteile der Lehre der Druckschrift (1) zu beseitigen, insbesondere die Verunreinigung des Raloxifen-Hydrochlorids durch Lösungsmittel, vor allem durch das carcinogene Chlorbenzol, durch Aluminiumsalze und Aluminiumorganoverbindungen sowie durch Nebenprodukte mit teilweise unangenehmen Geruch zu vermeiden (vgl. DE 195 34 744 A1 S. 2 Abs. 2).

Zur Lösung dieser Aufgabe durch ein nichtsolvatisiertes, kristallines 6-Hydroxy-2(4-hydroxyphenyl)-3-[4-(2-piperidinoethoxy)benzoyl]benzo[b]thiophen-Hydrochlorid (Raloxifen-Hydrochlorid) mit einem Röntgenbeugungsmuster gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag gelangte der Fachmann indessen ausgehend von der Lehre der Druckschrift (1) auf naheliegende Weise und ohne erfinderisches Zutun.

Der Fachmann wird selbstverständlich jeden zur Formulierung eines Arzneimittels vorgesehenen Wirkstoff sehr genau auf seine Reinheit, insbesondere auf herstellungsbedingte Verunreinigungen, hin untersuchen, so auch das gemäß Beispiel 18 aus (1) erhaltene Raloxifen-Hydrochlorid. Bei der Produktanalyse des demnach hergestellten Raloxifen-Hydrochlorids wird er deshalb ohne Weiteres nicht nur Chlorbenzol als Lösungsmittelrückstand, sondern gegebenenfalls auch Aluminiumverbindungen und andere Nebenprodukte und Beistoffe feststellen und nicht umhin können, diese Verunreinigungen mittels üblicher, ihm selbstverständlich geläufiger und zur Verfügung stehender Hilfsmittel und Verfahren zu entfernen, beispielsweise durch weitere Umkristallisation aus mit wenig Wasser versetztem Methanol oder durch übliche chromatographische Reinigungsverfahren wie präparative HPLC bis hin zur analytischen Nachweisgrenze und nachfolgender entsprechender Kristallisation. Dabei gelangt er zwangsläufig zu nichtsolvatisiertem, kristallinem Raloxifen-Hydrochlorid, das aufgrund seiner anmeldungsgemäßen Kristallisation aus mit wenig Wasser versetztem Methanol (vgl. DE 195 34 744 A1 S. 16 bis 17 Beispiel 8) das Röntgenbeugungsmuster gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag aufweist.

Gleichwohl wird der Fachmann den Offenbarungsrahmen der Druckschrift (1) gegebenenfalls dahingehend ausschöpfen, dass er besonders toxische oder anderweitig unerwünschte Reagenzien und Hilfsmittel durch weniger toxische oder unbedenkliche Reagenzien und Hilfsmittel, beispielsweise durch die alternativ angegebenen Dichlorethan und Bortrichlorid (vgl. (1) Sp. 9 Z. 42 bis 43 sowie Z. 60 bis 61), ersetzt. Auch für die Auswahl solcher Ersatzstoffe aus der Beschreibung der Druckschrift (1) für die dem Beispiel 18 vorangehende eigentliche Synthese mittels Friedel-Crafts-Acylierung bedarf es keines erfinderischen Zutuns.

Entsprechendes gilt für nichtsolvatisiertes, kristallines Raloxifen-Hydrochlorid in einer Reinheit von mindestens 99 % gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag, wobei außerdem auf die betreffenden Ausführungen zur Neuheit verwiesen wird.

4. Auf die Unteransprüche der jeweiligen Anträge brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden; sie teilen das Schicksal des jeweiligen Anspruchs 1, auf den sie rückbezogen sind (vgl. BGH v. 27. Juni 2007 -X ZB 6/05, GRUR 2007, 862, Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH v. 26. September 1996 -X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, Elektrisches Speicherheizgerät).

Im Übrigen fallen auch die Unteransprüche 2 bis 7 gemäß Hauptantrag bzw. 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag aus den vorstehend genannten Gründen zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit, auf die deshalb vollumfänglich Bezug genommen wird.

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Lange Bb






BPatG:
Beschluss v. 02.11.2009
Az: 15 W (pat) 19/05


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