Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 184/99
(BPatG: Beschluss v. 02.03.2000, Az.: 25 W (pat) 184/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 1999 in der Hauptsache aufgehoben.
Die Löschung der angegriffenen Marke wird angeordnet.
Gründe I.
Die Bezeichnung KLIMODIEN ist unter der Nummer 395 31 692 als Marke für "Arzneimittel für Menschen und Tiere" in das Markenregister eingetragen worden. Durch eine Teillöschung bereits vor der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts erhielt das Warenverzeichnis die Fassung "Hormonpräparate zur Behandlung klimakterischer Ausfallerscheinungen". Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 20. Juli 1996 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem 2. Mai 1935 für "Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Verbandstoffe, Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Desinfektionsmittel" eingetragenen Marke 475 284 Klinoren, die ihren Widerspruch auch nach der Teillöschung der angegriffenen Marke aufrechterhalten hat.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich teilweise auf identischen Waren begegnen. Ausgehend davon und bei anzunehmender durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern, der aber eingehalten sei. Bei abweichender Vokalfolge unterschieden sich die Vergleichsmarken in der Silbenzahl und daraus folgend im Sprech- und Betonungsrhythmus. Die Wortanfangsbestandteile "Klimo" und "Klino" seien klanglich zwar sehr ähnlich. Andererseits unterschieden sich die Endungen "dien" gegenüber "ren" deutlich, wodurch ein ausreichender Abstand hergestellt werde. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe keine Verwechslungsgefahr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die gegenüberstehenden Marken seien sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht weitgehend ähnlich und somit verwechselbar. Für den klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter sei in erster Linie die natürliche Silbenzahl und -gliederung und die Vokal- und Konsonantenfolge maßgebend. Entgegen der Auffassung der Markenstelle werde der Endbestandteil "dien" der angegriffenen Marke nicht zweisilbig, sondern einsilbig wie "djen" ausgesprochen. Demzufolge wiesen beide Markenwörter drei Silben auf. Auch in schriftbildlicher Hinsicht seien die Marken zu ähnlich.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Marken seien nicht verwechslungsfähig. Dem Verkehr seien derzeit gemäß der aktuellen Roten Liste 13 weitere Präparate mit dem Präfix "Kli" sowie weitere 20 Präparate mit dem Präfix "Cli" bekannt. Daher könne sich eine Beurteilung nur auf den jeweiligen Wortstamm und dessen Endungen beziehen. Insoweit seien ausreichende Unterschiede vorhanden. Die Bestandteile bzw Endungen "DI-EN" und "REN" unterschieden sich in der Silbenzahl. Eine Verwechslungsgefahr sei auch im Hinblick auf die Verschreibungspflicht nicht gegeben, die für das Präparat der angegriffenen Marke vorgesehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG zulässig erhobenen Widerspruch hin die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen ist.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach stehen sich "Hormonpräparate zur Behandlung klimakterischer Ausfallerscheinungen" einerseits und "Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, ...." andererseits gegenüber. Die Marken können zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, weil die speziellen Hormonpräparate der angegriffenen Marke jedenfalls von dem weiten Warenbegriff "Arzneimittel" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke umfaßt werden.
Weiter verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke vorgesehene Verschreibungspflicht für das konkret zu kennzeichnende Präparat kann dabei keine Berücksichtigung finden, weil sie nach der für die Entscheidung maßgeblichen Registerlage im Warenverzeichnis nicht festgeschrieben ist. Auch wenn "Hormonpräparate" im übrigen regelmäßig verschreibungspflichtig sein mögen, ergibt sich aus der Art der Waren nicht zwingend eine Rezeptpflicht, zumal es auch entsprechende pflanzlich definierte Hormonpräparate gibt (vgl etwa Rote Liste 1999 Nr 75 001) und darüber hinaus Waren auch aus einer bestehenden Rezeptpflicht fallen können.
Letztlich können diese Fragen aber dahinstehen, da auch bei einer unterstellten Rezeptpflicht auf seiten der angegriffenen Marke noch Verwechslungsgefahr bestünde. Die Rezeptpflicht würde zwar in gewissem Umfang verwechslungsmindernd wirken, weil bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr verstärkt auf das Unterscheidungsvermögen von Fachleuten abzustellen und von einer geringeren Anzahl mündlicher Benennungen durch die Verbraucher auszugehen wäre (vgl hierzu BGH GRUR 1993, 118 ff, 119 - Corvaton/Corvasal; GRUR 1995, 50 ff, 52 - Indorektal/Indohexal; MarkenR 1999, 154, 156, liSp 3. Absatz - Cefallone). Mündliche Benennungen wären aber gleichwohl weder in bezug auf die Verbraucher noch in bezug auf die Fachleute ausgeschlossen, so daß bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auch der Markenvergleich in klanglicher Hinsicht in gewissem Umfang entscheidungsrelevant bliebe.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Ein eventuell in dem Bestandteil "ren" (= lat. Niere) der Widerspruchsmarke enthaltener Bedeutungsanklang in Richtung "Nieren" bzw "Urologika" ist jedenfalls hinreichend phantasievoll mit einem weiteren Bestandteil verknüpft, so daß keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann, zumal im pharmazeutischen Bereich Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.
Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der möglichen Warenidentität sind an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand auch dann eher noch strenge Anforderungen zu stellen, wenn eine einseitige Rezeptpflicht unterstellt wird. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht mehr gerecht.
Es mag sein, daß die angegriffene Marke gelegentlich eher viersilbig wie "Klimodien", möglicherweise sogar mit einer Betonung auf der zweiten Silbe ausgesprochen wird. In diesen Fällen wäre eine Verwechslungsgefahr kaum zu befürchten. Solche eher ungewöhnlichen Aussprachevarianten können aber nicht zum Maßstab der markenrechtlichen Beurteilung gemacht werden. Vielmehr sind die im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegenden Möglichkeiten der Aussprache zu berücksichtigen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 89), wobei jede dieser Aussprachevarianten für sich genommen die Bejahung der Verwechslungsgefahr rechtfertigen kann. Speziell bei der hier vorliegenden ungewöhnlichen Wortbildung "Klimodien" fällt allerdings die Beurteilung nicht leicht, welche Aussprache tatsächlich zu erwarten ist. Nach Auffassung des Senats wird die angegriffene Marke ganz überwiegend dreisilbig mit betonter und eher gedehnter Schlußsilbe entweder wie "Klimodihn" oder unter Umständen noch wie "Klimodjen" ausgesprochen wird. In beiden Fällen kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke zu nahe. Für eine Aussprache der angegriffenen Marke wie "Klimodihn" spricht insbesondere, daß die Vokalfolge "ie" in der deutschen Sprache ganz regelmäßig als "i", und zwar meist als gedehnter Laut artikuliert wird. Die für die Inhaberin der angegriffenen Marke wohl günstigere Aussprachevariante "Klimodijen" mit einer Betonung auf der zweiten Sprechsilbe könnte nur dann erwartet werden, wenn ein dazugehöriges bekanntes Einzahlwort "Klimodie", "Klimodium" oder "Klimodius" existieren würde und der Verkehr deshalb Anlaß hätte, die Pluralform in der Artikulation und Betonung an die Singularform anzulehnen (wie dies zB bei den Pluralformen zu Begriffen wie Studie/Studium, Präsidium, Bakterie/Bakterium, Radius uvm der Fall wäre). Solches trifft aber auf die angegriffene Bezeichnung nicht zu.
Ausgehend von diesen Erwägungen können sich klanglich in entscheidungserheblichem Umfang die Bezeichnungen "Klimodihn" und "Klinoren" gegenüberstehen. Diese Vergleichsbezeichnungen stimmen bei klanglich regelmäßig nicht auseinanderzuhaltendem Anfangsbestandteil "Klimo" bzw "Klino" und sehr ähnlicher Vokalfolge in der Silbenzahl und im Sprech- und Betonungsrhythmus überein. In den voneinander abweichenden Schlußsilben weisen die Vergleichsbezeichnungen jeweils klangähnliche helle Vokale und darüber hinaus einen identischen konsonantischen Schlußlaut auf. Diese Gemeinsamkeiten erzeugen nach Auffassung des Senats einen verwechselbar ähnlichen Gesamteindruck, auf den bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr abzustellen ist. Gegenüber diesen zahlreichen Übereinstimmungen bzw klanglichen Annäherungen stellt die Abweichung im konsonantischen Anlaut der Schlußsilbe kein ausreichendes Gegengewicht dar. Bei einer nur etwas undeutlichen Aussprache oder bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen, wird dieser Unterschied kaum wahrnehmbar sein. Wenn noch berücksichtigt wird, daß die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 72), kann eine Verwechslungsgefahr nicht mehr verneint werden.
Soweit auch eine Aussprache der angegriffenen Marke wie "Klimodjen" in Betracht zu ziehen ist, kommen die Markenwörter sich sogar noch näher, da die Vokalfolgen und die betonten Vokallaute in den Schlußsilben fast identisch sind.
Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke kann die Anfangssilbe "Kli" der Markenwörter nicht als kennzeichnungsschwach eingestuft werden, sondern sie ist bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr ohne Reduzierung des kennzeichnenden Gewichts normal zu berücksichtigen. Diese Anfangssilbe stellt keine typische Vorsilbe dar, der sich ein bestimmter Bedeutungsgehalt zuordnen ließe, wie dies unter Umständen bei Präfixen wie "Tri", "Pre" oder "Pro" der Fall wäre. Vorliegend bieten sich auch die weiteren Wortbestandteile "modien" und "noren" nicht als Wortstämme an, so daß auch von daher gesehen ein Verständnis der Anfangssilben "Kli" als Präfix nicht naheliegend erscheint. Im übrigen kann aus der häufigen Verwendung einzelner Silben nicht ohne weiteres auf deren Kennzeichnungsschwäche geschlossen werden. Es versteht sich von selbst, daß bei derzeit über 100.000 im Inland geschützten Marken in der Warenklasse 5, bei denen es sich ganz überwiegend um Wortmarken handelt, sehr viele übliche Buchstabenfolgen auch als Anfangssilben häufig vorkommen. Je kürzer der betrachtete Zeichenbestandteil ist (bis hin zum Einzelbuchstaben) desto häufiger wird er andern Marken zu finden sein und um so weniger kann daraus etwas für die Frage der Kennzeichnungskraft dieses Bestandteils abgeleitet werden.
Da bereits die klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen war, kann dahinstehen, ob Verwechslungsgefahr auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht.
Der Widerspruch greift nach alledem durch. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hin war deshalb der angefochtene Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Knoll Pü
BPatG:
Beschluss v. 02.03.2000
Az: 25 W (pat) 184/99
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