Bundesgerichtshof:
Urteil vom 3. Februar 2000
Aktenzeichen: III ZR 313/98

(BGH: Urteil v. 03.02.2000, Az.: III ZR 313/98)

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 1998 und das Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 2. September 1997 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelzüge, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen. Tatbestand Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang sich die Beklagte an den Kosten zu beteiligen hat, die anläßlich der Sanierung der im Zuge der B 288 liegenden Rheinbrücke K. von der klagenden Bundesrepublik, der Trägerin der Straßenbaulast, für die Instandsetzung und Erneuerung einer Kabeltragwanne aufgewendet worden sind.

Auf den über die Hauptträger hinausragenden Bögen der Brückenanlage verlaufen beidseitig Fuß- und Radwege. Ursprünglich war über die gesamte Länge der Brücke zwischen den im Bereich der Fuß- und Radwege verlegten Betonplatten konstruktionsbedingt ein 17 cm hoher Zwischenraum vorhanden. In dem Zwischenraum auf der Oberstromseite lagen Stromkabel der Stadt K., die bis 1962 Trägerin der Straßenbaulast und in dieser Eigenschaft die Rechtsvorgängerin der Klägerin war, und Fernmeldekabel der Deutschen Bundespost, deren Rechtsnachfolgerin mittlerweile die Beklagte ist (im folgenden nur: die Beklagte).

Der Verlegung der Fernmeldekabel lag ein 1959 zwischen der Stadt K. und der Beklagten geschlossener Vertrag über die Benutzung des "südlichen, oberstromseitigen Kabelkanals" zugrunde. Auf diesen Vertrag sollte das Telegraphenwegegesetz mit der die gesetzlichen Bestimmungen "erläuternden" Maßgabe Anwendung finden, daß an die Stadt K. ein einmaliger Kostenzuschuß von 25.000 DM zu leisten und die Beklagte auf eigene Kosten die "innere Unterhaltung des Kabelkanals (Reinigung pp.)" durchzuführen habe.

Als im Jahre 1964 die Betonplatten erneuert wurden und die nunmehr verwendeten Doppelstegplatten den Kabeln keine hinreichende Unterlage mehr boten, wurde zur Aufnahme der Kabel unterhalb der Fahrbahnplatten eine aus Stahlblech gefertigte Wanne angebracht. An den Baukosten dieser Wanne beteiligte sich die Beklagte.

Mit Schreiben vom Januar 1987 kündigte die Klägerin der Beklagten an, daß im Zuge der (erneut) anstehenden Brückensanierung auch eine Reinigung und Erneuerung der Kabeltragwanne erfolgen werde. Mit Schreiben vom 17. Februar 1988 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sich auf der Grundlage der Angebotspreise der vorläufige Kostenanteil der Beklagten auf insgesamt 88.000 DM, nämlich für Reinigung auf 1/1 aus 8.150 DM und für Aufhöhung, Leitungssicherung auf 2/5 aus 199.960 DM belaufe. Am 6. Mai/15. September 1988 vereinbarten die Parteien, daß die Klägerin aufgrund des "schriftlichen Angebots vom 17. Februar 1988 über 88.000 DM" mit der Ausführung der Arbeiten "beauftragt" werde und die (endgültige) Abrechnung nach dem im einzelnen nachzuweisenden Aufwand erfolgen solle. Weiterhin wurde vereinbart, daß bei einer voraussehbaren Überschreitung des Betrages von 88.000 DM um mehr als 20 % die "auftragserteilende Dienststelle" der Beklagten zu benachrichtigen sei.

Die Klägerin, die die Beklagte zu keinem Zeitpunkt auf eine mögliche Kostenüberschreitung hingewiesen hat, berechnet den von der Beklagten zu tragenden Kostenanteil mit über 420.000 DM und verlangt von der Beklagten, die insgesamt über 103.800 DM gezahlt hat, Zahlung weiterer 316.221,66 DM nebst 6,5 % Zinsen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 185.589,17 DM im Sinne der Klägerin für entscheidungsreif erachtet und die Beklagte in diesem Umfang durch Teilurteil zur Zahlung verurteilt. Die Berufung der Beklagten blieb im wesentlichen erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

1. Die Klägerin hat bei der Berechnung der Kosten, die ihrer Meinung nach anteilig von der Beklagten zu tragen sind, drei Gruppen (Bauvertrag, Nachtrag, Allgemein- und Mehrkosten) gebildet und jeder Gruppe einzelne Positionen zugeordnet. Bezüglich der ersten und zweiten Gruppe hat das Landgericht neun der zehn aufgeführten Positionen anerkannt. Den von der Beklagten zu tragenden Kostenanteil hat das Landgericht unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beklagte nur eine der beiden Kabeltragwannen und diese nur zusammen mit der Stadt K. benutzt, nach dem (geringfügig differierenden) Verhältnis der Länge der beiden Kabeltragwannen und nach Zahl und Länge der von der Beklagten und der Stadt K. in der oberstromseitigen Kabeltragwanne verlegten Kabel ermittelt.

Bei der Position 1.4 Kabelreinigung ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte insoweit entsprechend den getroffenen Vereinbarungen die auf die oberstromseitige Wanne entfallenden Kosten allein zu tragen habe.

Die Position 1.3 Kabelsicherung hat das Landgericht in dem Teilurteil nicht verbeschieden, sondern der Klägerin durch Beschluß vom gleichen Tage Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Beklagtenvorbringen gegeben, diese Kosten seien von ihr, der Beklagten, direkt an die bauausführende Firma gezahlt worden. Außerdem hat das Landgericht die Klägerin aufgefordert, bezüglich der Allgemein- und Mehrkosten vor Einholung eines weiteren (ergänzenden) Sachverständigengutachtens die Positionen Lohngleitung und Bauzeitverlängerung näher zu erläutern. Des weiteren hat das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen, daß der Zinsanspruch nicht ausreichend unter Beweis gestellt worden sei.

2. Das Berufungsgericht hat das Teilurteil nur hinsichtlich der Position Kabelreinigung teilweise abgeändert, weil es zu der Auffassung gelangt ist, daß der vom Landgericht bei allen anderen Positionen angewandte Kostenverteilungsmodus auch insoweit zu gelten habe.

Im übrigen vertritt das Berufungsgericht im Anschluß an das Landgericht den Rechtsstandpunkt, daß der Klägerin sowohl aufgrund der getroffenen Abreden als auch nach den Bestimmungen des Telegraphenwegegesetzes ein Zahlungsanspruch zustehe. Hierzu hat es ausgeführt:

a) Gegenüber dem vertraglichen Kostenerstattungsanspruch könne die Beklagte nicht einwenden, daß der im Schreiben vom 17. Februar 1988 angegebene Kostenanteil von 88.000 DM überschritten worden sei. Diese Angabe sei nur vorläufig gewesen; auch seien sich die Parteien bei Erteilung des Auftrages vom 6. Mai/15. September 1988 darin einig gewesen, daß dieser Kostenanteil deutlich überschritten werden könne. Allerdings habe die Klägerin ihre Zusage nicht eingehalten, bei einer voraussehbaren Überschreitung des Betrages von 88.000 DM um mehr als 20 % die Beklagte zu benachrichtigen. Daraus könne die Beklagte aber keinerlei Rechte herleiten, weil nur eine Mitteilungspflicht bestanden habe, ein Nachtragsauftrag aber gerade nicht vorgesehen gewesen sei.

b) Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergebe sich auch aus § 2 Abs. 2 des Telegraphenwegegesetzes. Nach dieser Bestimmung habe die Beklagte, sofern die Unterhaltung der Rheinbrücke dadurch, daß sie für Fernmeldeeinrichtungen benutzt wird, erschwert werde, der straßenbaulastpflichtigen Klägerin die aus der Erschwerung erwachsenden Kosten zu ersetzen. Der Begriff der Erschwerung sei weit auszulegen. Die Unterhaltung sei nicht nur dann erschwert, wenn etwa im Zuge von Instandsetzungsarbeiten der Baulastpflichtige Maßnahmen zur Sicherung der Fernmeldekabel ergreifen müsse. Eine Erschwerung liege auch dann vor, wenn -wie hier -der Träger der Straßenbaulast die von ihm vorgehaltenen Anlagen, die zur Aufnahme von Fernmeldekabeln bestimmt seien und von der Beklagten auch zu diesem Zwecke genutzt würden, instandsetze oder im Interesse der Beklagten verbessere. Entscheidend sei allein, daß zusätzliche Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen, die ohne das Vorhandensein von Fernmeldekabeln in oder auf dem betreffenden Verkehrsweg nicht notwendig gewesen wären.

II.

Die Revision hat schon deshalb Erfolg, weil, wie sie zu Recht rügt, das vom Landgericht erlassene und vom Berufungsgericht im wesentlichen bestätigte Teilurteil prozessual unzulässig war.

1. Ein Teilurteil (§ 301 ZPO) darf nur ergehen, wenn es einen quantitativen, zahlenmäßig oder auf sonstige Weise bestimmten Teil des teilbaren Streitgegenstandes unabhängig von der Entscheidung über den Rest des Anspruchs abschließend bescheidet, so daß die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, auch aufgrund einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, vermieden wird. Das hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Folge, daß bei einem -wie hier - aus mehreren unselbständigen Rechnungsposten zusammengesetzten einheitlichen Anspruch über einzelne Rechnungsposten nur dann ein Teilurteil ergehen kann, wenn der Anspruch dem Grunde nach nicht (mehr) im Streit steht oder zugleich ein Grundurteil über die restlichen Anspruchsteile ergeht (vgl. BGHZ 107, 236, 242 ff; BGH, Urteil vom 8. November 1995 -VIII ZR 269/94 -NJW 1996, 395; Senatsurteil vom 27. Mai 1993 -III ZR 59/92 -NJW 1993, 2173; Urteil vom 21. Februar 1992 -V ZR 253/90 -NJW 1992, 1769, 1770; Senatsurteil vom 10. Oktober 1991 -III ZR 93/90 - NJW 1992, 511 f m.w.N.).

Gegen diesen Grundsatz hat das Landgericht verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob -wie die Revisionserwiderung meint -bezüglich der Position "Kabelsicherung" der Erlaß eines Grundurteils entbehrlich gewesen sei, weil dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen sei, die Beklagte sei selbst der Auffassung, daß diese Kosten grundsätzlich zu ihren Lasten gingen. Denn jedenfalls bezüglich der geltend gemachten "Allgemein- und Mehrkosten" stellt die Beklagte jede Kostenbeteiligungspflicht in Abrede, so daß zumindest insoweit die Gefahr einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen über denselben Streitgegenstand besteht.

Ein Grundurteil, das diese Gefahr gebannt hätte, hat das Landgericht nicht erlassen. Dabei kann offenbleiben, ob in Fällen, in denen -wie hier - dem Urteilstenor nicht entnommen werden kann, daß das Gericht auch ein Grundurteil erlassen wollte, dann, wenn in den Entscheidungsgründen ein solcher Wille zum Ausdruck gekommen ist, der zwischen Urteilsformel und Entscheidungsgründen bestehende Widerspruch in dem Sinne gelöst werden kann, daß die Entscheidungsgründe maßgeblich sind. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn die Entscheidungsgründe in dieser Hinsicht völlig eindeutig wären (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1997 -VI ZR 181/96 -LM § 313 Abs. 1 ZPO Nr. 12). Davon kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine Rede sein. Rückschlüsse darauf, daß das Landgericht bezüglich der offengebliebenen Rechnungsposten davon ausgegangen ist, daß auch insoweit die Beklagte dem Grunde nach haftet und für das weitere Verfahren angenommen werden könne, daß für die Klägerin in jedem Falle "etwas übrigbleiben" werde, lassen sich allenfalls dem -für die Urteilsauslegung in jedem Falle unmaßgeblichen -Hinweis- und Auflagenbeschluß entnehmen.

Das Berufungsgericht schließlich hätte ein Grundurteil über den beim Landgericht weiter anhängigen Rest nur dann fällen können, wenn es den im ersten Rechtszug begangenen Verfahrensfehler erkannt und aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit den dort noch anhängig gebliebenen Teil an sich gezogen und gemäß § 540 ZPO darüber mitentschieden hätte. Da das Berufungsgericht so nicht verfahren ist -und von seinem Rechtsstandpunkt aus, wonach das landgerichtliche Teilurteil weder verfahrensmäßig noch (weitgehend) materiellrechtlich zu beanstanden war, auch keinen Anlaß dazu hatte -, kann dahinstehen, ob - wie die Revisionserwiderung meint -den Gründen des Berufungsurteils entnommen werden könnte, wie über den noch beim Landgericht anhängigen Teil zu entscheiden sei.

2.

Daß die Unzulässigkeit des vom Landgericht erlassenen Teilurteils in der Berufungsinstanz nicht gerügt worden ist, steht der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht entgegen, nachdem die Beklagte eine entsprechende Verfahrensrüge nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO erhoben hat. Das Berufungsgericht hatte das Teilurteil des Landgerichts auf prozessuale und sachlich-rechtliche Fehler nachzuprüfen und den vorliegenden schweren Verfahrensmangel von Amts wegen zu berücksichtigen (§§ 539, 540 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1995 aaO).

3.

a) Das angefochtene Berufungsurteil ist daher aufzuheben. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden, weil aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Klage insgesamt selbst dann nicht abweisungsreif wäre, wenn man der rechtlichen Beurteilung die von der Revision für richtig gehaltene Auslegung der zwischen den Parteien bestehenden Abreden

(s. dazu nachfolgend III 2) zugrunde legen würde.

b) Da der Erlaß des Teilurteils einen wesentlichen Mangel des landgerichtlichen Verfahrens darstellt, hätte das Berufungsgericht die Sache nach § 539 ZPO unter Aufhebung des Teilurteils zurückverweisen können. Von dieser Möglichkeit, die auch dem Revisionsgericht offensteht, macht der Senat Gebrauch, weil der Sachverhalt weiter aufzuklären ist und eine Entscheidung durch das Berufungsgericht nicht sachdienlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1992 aaO S. 1770).

III.

Für die weitere Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Wie die Revision zu Recht geltend macht, stehen der Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf der Grundlage des bisherigen Sachund Streitstands bezüglich der Kosten, über die Land- und Berufungsgericht entschieden haben -allenfalls hinsichtlich der Position "Kabelsicherung" mag insoweit anderes gelten -, Ansprüche nach dem Telegraphenwegegesetz (TWG) gegen die Beklagte nicht zu. Dies ist allerdings nicht schon deshalb der Fall, weil das Telegraphenwegegesetz gemäß § 100 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120) bereits am 1. August 1996 außer Kraft getreten ist und nicht erst -wie zunächst nach § 16 TWG, der durch Art. 8 des Postneuordnungsgesetzes (PTNeuOG) vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325) in das Telegraphenwegegesetz eingefügt worden ist, vorgesehen war - mit Ablauf des 31. Dezember 1997. Die Aufhebung des Telegraphenwegegesetzes hatte nicht zur Folge, daß nach diesem Gesetz entstandene Kostenerstattungsansprüche ersatzlos weggefallen sind, zumal der Gesetzgeber in den §§ 50 ff TKG, in denen nunmehr die Nutzung von Verkehrswegen durch Fernmelde- bzw., wie es in den §§ 50 ff TKG heißt, Telekommunikationslinien geregelt ist, die Bestimmungen des Telegraphenwegegesetzes inhaltlich weitgehend übernommen hat. Indes sind die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen der §§ 2 ff TWG nicht erfüllt.

a) Nach § 1 TWG hat die Telegraphenverwaltung (so die ursprüngliche Fassung vom 18. Dezember 1899, RGBl. S. 705), die Deutsche Bundespost TELEKOM (Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1991, BGBl. I S. 1053) bzw. das Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost TELEKOM (Fassung des Art. 8 Nr. 1 PTNeuOG) das Recht, Verkehrswege für Telegraphen-, Fernmelde- bzw. (so nunmehr die §§ 50 ff TKG) Telekommunikationslinien zu benutzen. Der Begriff der Fernmelde- bzw. Telekommunikationslinie ist weit zu fassen. Darunter fallen die unter- oder oberirdisch geführten Kabelanlagen einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre (vgl. Aubert/Klingler, Fernmelderecht/Telekommunikationsrecht Bd. II, 4. Aufl., Kap. 2 Rn. 16; Eidenmüller, Post- und Fernmeldewesen, TWG § 1 Anm. 6; Beck TKG-Komm/Schütz, § 50 Rn. 12). Aufgrund dieser Begriffsbestimmung könnte auch die hier in Rede stehende Kabeltragwanne -und nicht nur die darin verlegten Fernmeldekabel und Kabelrohre -ohne weiteres als Teil der Fernmeldelinie angesehen werden. Dem steht aber entgegen, daß es sich hierbei nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um eine von der Klägerin, der Trägerin der Straßenbaulast, in eigener Regie errichtete und für Zwecke der Beklagten und der Stadt K. (Stromkabel) "vorgehaltene" Einrichtung handelt.

Andererseits kann die Kabeltragwanne auch nicht als Teil des Verkehrsweges angesehen werden, den die Post und ihre Nachfolgeunternehmen für ihre Zwecke benutzen dürfen. Der Begriff des Verkehrsweges wird in § 1 Satz 2 TWG sowie, soweit es sich - wie hier - um einen öffentlichen Weg handelt, im - vorliegend einschlägigen -Bundesfernstraßengesetz und in den Straßen- und Wegegesetzen der Länder näher erläutert (Aubert/Klingler aaO Kap. 2 Rn. 28).

Danach gehören zum Verkehrsweg insbesondere (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 1 und 2 FStrG) der die Straße im technischen Sinne bildende Straßenkörper unter Einschluß von "Kunstbauten" wie Brücken und Tunnels (Krämer, in: Kodal/ Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. Kap. 6 Rn. 5 ff) und der darüber befindliche Luftraum. Die hier in Rede stehende Kabeltragwanne, die ausschließlich zur Aufnahme von Versorgungsleitungen und nicht zur Benutzung durch Verkehrsteilnehmer geeignet und bestimmt ist, ist nicht Bestandteil des Straßenkörpers im Sinne des Wegerechts, also auch nicht der Brücke. Sie ist darüber hinaus -was hier allein in Frage kommt -auch nicht Nebenanlage im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 4 FStrG, da sie nicht den Aufgaben der Straßenbauverwaltung dient; vielmehr wird sie vom Sachbegriff der Bundesfernstraße überhaupt nicht erfaßt (Krämer aaO Rn. 15.10 ff).

Daß die Kabeltragwanne nicht Teil des Verkehrsweges ist, der dem Fernmeldeleitungsrecht unterliegt, wird bestätigt durch § 5 Abs. 1 TWG. Danach sind Fernmeldelinien so auszuführen, daß sie vorhandene besondere Anlagen (u.a. der Wegeunterhaltung dienende Einrichtungen, Kanalisations-, Wasser-, Gasleitungen, elektrische Anlagen) nicht störend beeinflussen. Diesem "Rücksichtnahmegebot" kann entnommen werden, daß es der Post nicht ohne weiteres gestattet ist, solche Anlagen für ihre Zwecke mitzubenutzen. Dabei kommt es, wie die erste Alternative der gesetzlich aufgeführten Regelbeispiele zeigt -der Wegeunterhaltung dienen typischerweise solche Einrichtungen, die vom Träger der Straßenbaulast betrieben und unterhalten werden , nicht darauf an, ob der Inhaber und Betreiber der besonderen Anlage der Wegeunterhaltungspflichtige oder ein Dritter ist.

b) Ausgehend hiervon stehen der Klägerin gegen die Beklagte keine gesetzlichen Kostenerstattungsansprüche nach dem Telegraphenwegegesetz zu.

aa) Auch wenn im Hinblick darauf, daß die Regelungen des Telegraphenwegegesetzes insgesamt darauf abzielen, die Straßenbauverwaltung bei der Bewältigung ihrer Aufgabenstellung von zusätzlichen, aus dem Vorhandensein einer Fernmeldelinie entstehenden Kosten weitestgehend freizustellen, das Merkmal "Unterhaltung" im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 1 TWG weit zu verstehen ist, also etwa auch solche Maßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 TWG erforderlich sind, die nicht der Erfüllung der Straßenbaulast dienen, sondern ihren Grund in der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht haben, so muß es doch immer um die Unterhaltung des Verkehrsweges gehen. Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Anlagen stehen, die verkehrsfremden Zwecken dienen, fallen nicht darunter (vgl. Senatsurteil BGHZ 98, 244, 249 f).

Danach kann in der bei Gelegenheit der umfassenden Brückensanierung aus Zweckmäßigkeits- und Kostengründen zeitgleich vorgenommenen Reinigung, Instandsetzung und Verbesserung der Kabeltragwanne keine Maßnahme gesehen werden, die als "Erschwerung der Verkehrswegeunterhaltung" im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 TWG verstanden werden könnte.

Dahinstehen kann dabei -wozu das Berufungsgericht keine näheren Feststellungen getroffen hat und von seinem Rechtsstandpunkt auch nicht zu treffen brauchte -, ob bei der Sanierung des Brückenbauwerks solche Teile, die der Zugänglichkeit und damit der Funktionstauglichkeit der Kabeltragwanne dienen und zugleich Teil der Fahrbahn und damit des Straßenkörpers im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG sind (was insbesondere bei der Position "Schachtabdeckung" in Frage kommt), besonders behandelt werden mußten und insoweit eine Erschwerung der Verkehrswegeunterhaltung bejaht werden könnte. Diese Erschwerung wäre nämlich ebenfalls der Klägerin selbst als derjenigen, die die Kabeltragwanne "vorhält", und nicht der Beklagten zuzuordnen.

bb) Die Erneuerung und Instandsetzung der Kabeltragwanne kann auch nicht, wie das Landgericht gemeint hat, als "Schutzvorkehrung" im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 TWG verstanden werden.

Wie erwähnt sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 TWG Fernmeldelinien so auszuführen, daß sie vorhandene besondere Anlagen nicht störend beeinflussen. Läßt sich dies nur dadurch bewerkstelligen, daß besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden, so hat nach § 5 Abs. 1 Satz 2 TWG die Post die daraus erwachsenden Kosten zu tragen.

§ 5 und ebenso § 6 TWG enthalten Regelungen, mit denen die Rechte und Pflichten einerseits der Post als Betreiberin von Fernmeldelinien und andererseits der Betreiber von besonderen Anlagen gegeneinander abgegrenzt werden (BVerwG DÖV 1986, 656), wobei es gleichgültig ist, auf welchem Rechtstitel das Recht, die besondere Anlage auf oder in einem Verkehrsweg anbringen zu dürfen, beruht, auf einer Sondernutzungserlaubnis (§ 8 Abs. 1 FStrG), einer privatrechtlichen Vereinbarung (§ 8 Abs. 10 FStrG) oder einem sonstigen Rechtsgrund (vgl. BVerwG DVBl. 1999, 1519, 1520 zu §§ 55, 56 TKG), oder ob es -wie hier -eines besonderen Rechtsgrundes nicht bedarf, weil es der Straßenbaulastpflichtige selbst ist, der die "besondere Anlage" betreibt. Um diesen Konflikt geht es vorliegend nicht, da die Kabeltragwanne nicht etwa dazu dient, von den Fernmeldekabeln der Beklagten ausgehende Störungen der Stromkabel der Stadt K. oder umgekehrt zu verhindern oder solchen Störungen entgegenzuwirken. Ihr Hauptzweck besteht darin, diesen sich gegenseitig nicht störenden oder beeinträchtigenden Leitungen eine gemeinsame Auflage zu verschaffen. Weiterhin mag der Kabeltragwanne insoweit eine Schutzfunktion zukommen, als sie die darin liegenden Leitungen vor Witterungseinflüssen und sonstigen funktionsstörenden Faktoren (Zugänglichkeit für Tauben etc.) bewahren soll. Diese Schutzfunktion käme jedoch den vorhandenen Fernmelde- und Stromkabeln gleichermaßen zugute und stünde daher in keinem Bezug zum Regelungszweck der §§ 5, 6 TWG.

c) Der Umstand, daß das Telegraphenwegegesetz die Rechtsverhältnisse zwischen dem Inhaber und der Post als Mitbenutzer einer "besonderen Anlage" im Sinne des § 5 Abs. 1 TWG nicht regelt und insbesondere auch keine (Folge-)Kostenbestimmungen enthält, ist nicht auf eine "planwidrige Regelungslücke" des Gesetzes zurückzuführen, die im Wege eines Analogieschlusses aufzufüllen wäre. Das Telegraphenwegegesetz gibt -wie ausgeführt -der Post kein gesetzliches Recht, die Leitungsanlagen anderer Straßennutzer oder des Straßenbaulastträgers mitzunutzen. Erstmals § 51 TKG begründet in engen Grenzen einen besonderen Anspruch auf Duldung der Mitbenutzung anderer für die Aufnahme von Telekommunikationskabeln vorgesehener Einrichtungen. Da somit der Fall, daß die Post die zur Aufnahme ihrer Fernmeldekabel geeignete "besondere Anlage" des Trägers der Straßenbaulast oder eines Dritten mitbenutzt, nach dem Regelungskonzept des Telegraphenwegegesetzes nur eintreten kann, wenn dieser mit der Mitbenutzung durch die Post einverstanden ist, haben die Beteiligten die -hier auch wahrgenommene -Möglichkeit, die Bedingungen für die Mitbenutzung, insbesondere die dabei zu erbringende Gegenleistung vertraglich zu regeln. Ein Bedürfnis dafür, den Beteiligten besondere gesetzliche Kostenerstattungsansprüche zur Verfügung zu stellen, das für den Gesetzgeber des Telegraphenwegegesetzes nur deshalb bestanden hat, weil er der Post ein umfassendes unentgeltliches gesetzliches Nutzungsrecht am Verkehrsweg eingeräumt hat, ist nicht zu erkennen.

2. Die Frage, ob und in welcher Höhe sich die Beklagte an den von der Klägerin im Zuge der Reinigung, Instandsetzung und Erneuerung der Kabeltragwanne aufgewendeten Kosten zu beteiligen hat, ist daher allein anhand der bestehenden Abreden zu beantworten.

a) Nach der zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien 1959 getroffenen Vereinbarung, die beide Parteien nach wie vor als verbindlich ansehen, sollten grundsätzlich die Bestimmungen des Telegraphenwegegesetzes Anwendung finden. Dies legt es nahe, daß nach dem Willen der Parteien immer dann, wenn nach den Bestimmungen dieses Gesetzes der Betreiber der Fernmeldelinie besondere (Folge-)Kosten zu tragen oder Veränderungen an dieser Linie vorzunehmen hätte, die Beklagte nicht deshalb -zu Lasten ihres Vertragspartners - völlig unbehelligt bleiben soll, weil nicht sie selbst, sondern (zunächst) die Stadt K. bzw. (später) die Klägerin Inhaber des zur Aufnahme der Fernmeldekabel bestimmten Kabelkanals war bzw. ist.

Die Frage, ob und gegebenenfalls welche Kostenfolgen sich aus dieser Abrede für den Fall ableiten lassen, daß der Straßenbaulastpflichtige -wie hier - aus eigenem Antrieb den Kabelkanal umfänglich instandsetzt und erneuert - so daß es bei dieser in erster Linie nicht wegen, sondern bei Gelegenheit der Brückensanierung vorgenommenen Maßnahme nicht, jedenfalls nicht wesentlich, um Folgeänderungen oder -kosten geht, die allein Regelungsgegenstand der §§ 2 ff TWG sind -, braucht nicht vertieft zu werden, da die Parteien diesbezüglich am 6. Mai/15. September 1988 eine besondere Vereinbarung getroffen haben.

b) Da die Beklagte nach dem Vortrag der Parteien und den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht Inhaber oder Betreiber des "Kabelkanals" war und dies auch im Zuge der hier in Rede stehenden Instandsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen nicht werden sollte, ihr also keine - zusammen mit der Klägerin oder der Stadt K. -"Bauherreneigenschaft" zukam oder zukommen sollte, liegt die Annahme nahe, daß das Vertragsverhältnis -das wohl zumindest nach der bei Vertragsschluß bestehenden Rechtslage angesichts dessen, daß die Vertragspartner damals in Wahrnehmung ihrer jeweils dem hoheitlichen Bereich zuzuordnenden Aufgaben tätig geworden sind, als öffentlichrechtlich zu qualifizieren ist (vgl. Eidenmüller aaO TWG Vorbem. Anm. 2 und 3.2) - eher miet- als werkvertraglicher Natur sein dürfte, also der Kostenbeitrag der Beklagten in den Kategorien des Miet- und Werkvertragsrechts eher als verlorener Baukostenzuschuß (eingehend hierzu Scheuer, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III A Rn. 728 ff; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Bearb., Vorbem. zu §§ 535, 536 Rn. 236 ff) und nicht als (anteiliger) Werklohn einzustufen ist. Dessen ungeachtet hat, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist und was im Ansatz auch die Revision für richtig hält, die Ermittlung des endgültig geschuldeten Betrages nach den werkvertraglichen Grundsätzen zu erfolgen, die auch im Verhältnis der Beklagten zu den bauausführenden Firmen gelten dürften ("Abrechnung nach Aufwand").

Da das Schreiben der Beklagten vom 17. Februar 1988 nur eine stichwortartige Leistungsbeschreibung enthält und der Kostenanteil der Beklagten ausdrücklich als bloß vorläufig bezeichnet wird, wird durch die Angabe des Betrages von 88.000 DM in der Vereinbarung vom 6. Mai/15. September 1988 das von der Beklagten zu zahlende Entgelt nicht verbindlich festgelegt. Auch ein Mehrbetrag von 20 % stellt -was die Revision nicht anders sieht -keine feste Obergrenze dar, da bei einer voraussehbaren Überschreitung dieser Grenze (nur) eine Benachrichtigung der Beklagten zu erfolgen hatte. Zwar enthält die von den Parteien getroffene Vereinbarung weder eine Aussage dazu, wie die Beklagte bei einer entsprechenden Anzeige hätte reagieren können (Anforderung eines Nachtragsangebots, Aufkündigung des Vertrages), noch, welche Rechte ihr zustehen, wenn die Klägerin eine gebotene Anzeige unterläßt. Dies legt aber nicht den vom Berufungsgericht gezogenen Schluß nahe, die Mißachtung der Mitteilungspflicht sei in jeder Hinsicht folgenlos. Denn dies bedeutete, daß die ausdrückliche Auferlegung einer echten Vertragspflicht - von einer solchen geht im Ansatz auch das Berufungsgericht aus - leer laufen würde. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist aber anzunehmen, daß eine vertragliche Bestimmung nach dem Willen der Parteien einen bestimmten rechtserheblichen Inhalt haben soll und bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben ist, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 1998 -II ZR 19/97 -NJW 1998, 2966; vom 1. Oktober 1999 -V ZR 168/98 -WM 1999, 2513, 2514). Unter Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner kann die der Klägerin auferlegte Benachrichtigungspflicht nur den Sinn haben, die sich für die Beklagte aus der Unverbindlichkeit des "vorläufigen" Kostenanteils ergebenden Kostenrisiken zu begrenzen.

Da weiterer Parteivortrag zu den näheren Umständen und den Vorstellungen der vertragsschließenden bzw. verhandlungsführenden Personen bei Abschluß der Vereinbarung vom 6. Mai/15. September 1988 möglich erscheint, hält der Senat eine Stellungnahme dazu, wie sich die Pflichtverletzung der Klägerin konkret ausgewirkt hat, nicht für angezeigt. Der Revision ist jedoch darin zuzustimmen, daß diesbezüglich vor allem solche Rechtsfolgen in Betracht zu ziehen sind, die sich bei einer Verletzung der Anzeigepflicht des Werkunternehmers nach § 650 Abs. 2 BGB ergeben können (vgl. eingehend hierzu Rohlfing/Thiele, MDR 1998, 632 ff).






BGH:
Urteil v. 03.02.2000
Az: III ZR 313/98


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