Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 22. Februar 2011
Aktenzeichen: 5 Ta 214/10
(LAG Baden-Württemberg: Beschluss v. 22.02.2011, Az.: 5 Ta 214/10)
1. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, wonach ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet wird, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht, gilt auch für den uneigentlichen Hilfsantrag.
2. Eine Zusammenrechnung des Wertes eines als uneigentlicher Hilfsantrag gestellten allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrags mit dem Bestandsschutzantrag kommt nur in Betracht, wenn über diesen eine Entscheidung ergeht oder ein entsprechender Vergleich geschlossen wird (Bestätigung von LAG Baden-Württemberg 27. April 2010 - 5 Ta 63/10 - www.lag-baden-württemberg.de unter "Hinweise/Streitwertkatalog").
3. Erledigen sich der Bestandsschutzantrag und der eventualkumulierte allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag dadurch, dass darüber ein Prozessvergleich abgeschlossen wird, ist die Werterhöhung nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses die innerprozessuale Bedingung des Hilfsantrags, nämlich die positive Bescheidung des Hauptantrages, bereits eingetreten war.
4. Von einer Erledigung des als uneigentlicher Hilfsantrag gestellten allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrags durch Vergleich im Sinne des § 45 Abs. 4 iVm. Abs. 1 Satz 2 GKG kann im Regelfall bereits dann ausgegangen werden, wenn ein Prozessvergleich das gesamte Bestandsschutzverfahren beendet (Fortführung von LAG Baden-Württemberg 31. August 2010 - 5 Ta 173/10 -).
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 6. August 2010 - 4 Ca 110/10 - abgeändert.
Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert wird auf 16.233,32 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gem. § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich die seit 01.06.2007 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin gegen die ihr am 30.03.2010 zugegangene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25.03.2010 zum 30.06.2010, begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und machte für den Fall der Stattgabe der Kündigungsschutzklage die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits geltend.
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts vom 14.05.2010, worin die Parteien außer Streit stellten, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Kündigung vom 25.03.2010 zum 31.03.2010 geendet hat, die Beklagte sich zur Zahlung einer Sozialabfindung in Höhe von 6.500,00 EUR brutto und zur Erteilung eines wohlwollenden, qualifizierten Beendigungszeugnisses mit der Leistungs- und Führungsbeurteilung gut und im Gegenzug die Klägerin zur Herausgabe sämtlicher Arbeitsmaterialien sowie Kundenunterlagen verpflichtete. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien, dass damit sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass dessen Beendigung, mit Ausnahme der Ansprüche der Klägerin aus betrieblicher Altersvorsorge, erledigt seien und die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben würden.
Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf eine Quartalsvergütung der Klägerin in Höhe von 12.174,99 EUR festgesetzt. Den Weiterbeschäftigungsantrag hat es nicht streitwerterhöhend berücksichtigt, weil über diesen keine Regelung getroffen worden sei.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat und mit der diese ihr Begehren auf Erhöhung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes um eine Bruttomonatsvergütung der Klägerin für den Weiterbeschäftigungsantrag weiter verfolgen.
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Arbeitsgericht hat zwar den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert für den Bestandsschutzantrag zutreffend auf 12.174,99 EUR festgesetzt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war aber auch der auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzrechtsstreits gestellte Hilfsantrag mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers in Höhe von 4.058,33 EUR zu bewerten und zum Kündigungsschutzantrag hinzuzuaddieren.
1. Die gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG erfolgte Bewertung des Kündigungsschutzantrags mit einer Quartalsvergütung der Klägerin lässt Ermessensfehler nicht erkennen und wird von den Beteiligten auch nicht angegriffen.
2. Ob der allgemeine Feststellungsantrag mit einem Monatsverdienst oder ebenfalls im Lichte des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG zu bewerten ist, kann dahinstehen. Denn er wirkt sich im Hinblick auf den bereits mit dem Höchstwert gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG veranschlagten Kündigungsschutzantrag im Ergebnis nicht streitwerterhöhend aus, weil durch ihn wirtschaftlich kein weiterer Wert in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (vgl. LAG Baden-Württemberg 23. Oktober 2009 - 5 Ta 108/09 - www.lag-baden-wuerttemberg.de unter Hinweise/Streitwertkatalog).
3. Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzrechtsstreits gerichtete uneigentliche Hilfsantrag wirkt sich streitwerterhöhend aus, weil davon auszugehen ist, dass die Parteien hierüber im Vergleich eine Regelung getroffen haben.
a) Der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag ist gem. § 48 Abs. 1 GKG iVm. § 3 ZPO zu bewerten und grundsätzlich mit einer Bruttomonatsvergütung zu bemessen (LAG Baden-Württemberg 27. April 2010 - 5 Ta 63/10 - NZA-RR 2010, 376 unter II 2 der Gründe).
b) Ist er, wie im Regelfall - und auch im vorliegenden Sachverhalt -, als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt, so kommt eine Zusammenrechnung allerdings nur in Betracht, wenn über den Antrag eine Entscheidung ergeht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) oder ein entsprechender Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG iVm. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG; LAG Baden-Württemberg 27. April 2010 - 5 Ta 63/10 - unter II 2 b bb der Gründe; LAG Schleswig-Holstein 11. Januar 2010 - 3 Ta 196/09 -; LAG Düsseldorf 6. Juli 2006 - 6 Ta 371/06 - juris; LAG Niedersachsen 9. März 2009 - 15 Ta 53/09 - juris; ErfK/Koch 11. Aufl. § 12 ArbGG Rn. 17).
aa) Zwar wird vertreten, dass der Gerichtsgebührenstreitwert für die Anwaltsgebühren nicht maßgebend sei, weil sich die anwaltliche und die gerichtliche Tätigkeit nicht auf denselben Gegenstand bezögen. Der Anwalt sei anders als das Gericht mit dem Weiterbeschäftigungsbegehren befasst gewesen, so dass diese Befassung gemäß § 33 Abs. 1 RVG zusätzlich zu bewerten sei (LAG Nürnberg 13. März 2008 - 6 Ta 57/08 - mwN).
bb) Einer solchen Argumentation stehen jedoch der Wortlaut des Gesetzes und die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen. Die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG (vormals § 10 BRAGO) setzt voraus, dass sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder dass es an einem solchen Wert fehlt. Das bedeutet, dass der Wert für die Gerichtsgebühren von dem für die anwaltliche Tätigkeit abweichen kann. Das ist hier aber nicht der Fall. Damit sollten Fälle erfasst werden, in denen ein Gerichtsbeschluss nach dem Gerichtskostengesetz nicht ergehen konnte, z.B. gerichtsgebührenfreie Verfahren oder wenn sich die Gegenstandswerte der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit nicht decken. Demgegenüber bestimmt aber § 32 Abs. 1 RVG (ehemals § 9 Abs. 1 BRAGO), dass dann, wenn der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt wird, die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend ist. Hieraus folgt, dass § 32 RVG hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Wertvorschriften verweist, die für die Gerichtsgebühren gelten. Hierzu zählen auch § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG (LAG Schleswig-Holstein 11. Januar 2010 - 3 Ta 196/09 -; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 4. Februar 2004 - 3 Ta 7/04 - zur Vorgängervorschrift § 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG a. F.).
Die Regelung in § 45 GKG hat ihren Grund ersichtlich darin, dass für Anträge, mit denen das Gericht sich nicht befasst hat und entsprechend den Anträgen der Parteien auch nicht befassen sollte, Gebühren nicht erhoben werden sollen. Dies gilt nicht nur für die sogenannten echten Hilfsanträge, d. h. solche Anträge, die für den Fall gestellt sind, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt, sondern auch für sogenannte unechte oder uneigentliche Hilfsanträge, d.h. Hilfsanträge, die nicht als zusätzlicher Antrag, sondern ausdrücklich nur für den Fall des Erfolgs mit dem Hauptantrag gestellt werden (LAG Schleswig-Holstein 14. Januar 2003 - 2 Ta 224/02 - mwN.; vgl. LAG Bremen 30. Juli 2001 - 1 Ta 51/01 -; LAG Düsseldorf 27. Juli 2000 - 7 Ta 249/00 -). Insoweit ist auch für die anwaltliche Wertfestsetzung die für Hilfsanträge mit § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (vormals 19 Abs. 1 Satz 2 GKG) gewollte kostenrechtliche Besserstellung für die Partei zu berücksichtigen. Nach der Neufassung der Vorschrift durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 und nach der weiteren Neufassung ab 01.07.2004 erweist sich diese Auffassung umso mehr als richtig. Dem Gesetzgeber war die Kontroverse um den uneigentlichen Hilfsantrag bekannt. Gleichwohl hat er ihn nicht aus dem Geltungsbereich des § 45 Abs. 1 GKG herausgenommen (vgl. LAG Schleswig-Holstein 11. Januar 2010 - 3 Ta 196/09 -; LAG Hamm 18. Oktober 2006 - 6 Ta 551/06 -; LAG Niedersachsen 9. März 2009 - 15 Ta 53/09 -).
cc) Dem steht auch nicht entgegen, dass beim uneigentlichen Hilfsantrag Haupt- und Hilfsantrag nicht in einem Alternativverhältnis stehen. Bei einem uneigentlichen Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung im Falle des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG um einen zulässigen Hilfsantrag (BAG 8. April 1988 - 2 AZR 777/87 - AP BGB § 611 Nr. 4 Weiterbeschäftigung). § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist nicht zu entnehmen, dass die einzelnen Arten des Hilfsantrags kostenrechtlich unterschiedlich zu behandeln sind. Eine kumulative Klagehäufung, die die Zusammenrechnung von Haupt- und Hilfsantrag rechtfertigen, liegt sowohl bei einem unechten als auch bei einem echten Hilfsantrag immer erst dann vor, wenn über den Hilfsantrag entschieden worden ist (LAG Baden-Württemberg 27. April 2010 - 5 Ta 63/10 -; LAG Schleswig-Holstein 11. Januar 2010 - 3 Ta 196/09 -; LAG Niedersachsen 9. März 2009 - 15 Ta 53/09 -; vgl. auch LAG Bremen 30. Juli 2001 - 1 Ta 51/01 -).
dd) Auch vor dem Hintergrund, dass Kündigungsschutzantrag und Weiterbeschäftigungsantrag wirtschaftlich zwei Streitgegenstände darstellen und der Rechtsanwalt - anders als das Gericht - im Zeitpunkt der Klageeinreichung mit beiden befasst ist, ergibt sich nichts anderes. Denn § 45 GKG bestimmt den Gegenstandswert auch für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren (§ 32 Abs. 1 RVG). Damit ist zugleich gesagt, dass der Wert dieses Gegenstands sich nach dem Hauptantrag richtet, wenn über den Hilfsantrag eine Entscheidung nicht ergeht oder insoweit keine vergleichsweise Regelung getroffen wird. Dies hat unabhängig von der Arbeit und Mühe zu gelten, die sich für die Anwälte aus der Beschäftigung mit dem Hilfsantrag ergeben. Allein die Tätigkeit als solche rechtfertigt nicht, einen besonderen Gegenstandswert festzusetzen. Maßgeblich für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts und die Bindung dieses Werts auch für die Anwaltstätigkeit ist vielmehr, ob gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit übereinstimmen, ob sich also die Tätigkeit des Anwalts auf denselben Gegenstand bezogen hat wie diejenige des Gerichts (LAG Schleswig-Holstein 11. Januar 2010 - 3 Ta 196/09 -; LAG Berlin 3. März 2004 - 17 Ta (Kost) 6138/03 - NZA-RR 2004, 374; OLG Karlsruhe 20. März 2007 - 7 W 1/07 -). Wird der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag sachgerecht nur als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag geltend gemacht, ist er bei der Wertfestsetzung nur zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden wird oder eine andere Regelung getroffen wurde.
ee) Allerdings ist die Werterhöhung gem. § 45 Abs. 4 GKG nicht von vornherein davon abhängig, dass die innerprozessuale Bedingung des uneigentlichen Hilfsantrags, nämlich das Obsiegen mit dem Hauptantrag, zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits eingetreten gewesen sein müsste (so aber OLG Köln 22. Februar 1996 - 18 W 57/95 - NJW-RR 1996, 1278 und wohl auch KG 3. Juni 2003 - 1 W 495/03 - MDR 2004, 56). Die Gegenansicht verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG. Mit der gesetzgeberischen Vorgabe in § 45 Abs. 4 GKG, die Abs. 1 bis 3 des § 45 GKG entsprechend anzuwenden, wird die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt (OLG Düsseldorf 16. Juni 2005 - 5 W 13/05 - MDR 2006, 297; Schneider/Herget Streitwertkommentar für den Zivilprozess 12. Aufl. Rn. 5703). Käme es auf den Bedingungseintritt an, würde (auch) eine Erhöhung des Verfahrenswertes im Fall der mit verglichenen Hilfsaufrechnungsforderung ausscheiden. Denn auch hier ist das Gericht gem. § 308 ZPO erst dann zu einer Entscheidung über die Gegenforderung berechtigt, wenn es zuvor (positiv) über den Bestand der Klageforderung entschieden hat. Wäre daher eine tatsächliche Entscheidung für die Werterhöhung Voraussetzung, liefe die - nur für die Gerichtsgebühren, mithin für den Verfahrenswert aufgestellte - Verweisung des § 45 Abs. 4 GKG ins Leere, eine dem Wortlaut widersprechende, damit unzulässige und - soweit ersichtlich - von niemanden vertretene Gesetzesauslegung. Stellt aber § 45 Abs. 4 GKG bei der mit verglichenen Hilfsaufrechnungsforderung für den Verfahrenswert gerade nicht auf den Bedingungseintritt ab, ist dieser auch bei einem Vergleich über Ansprüche entbehrlich, die Gegenstand eines Hilfsantrages oder einer Hilfswiderklage sind. Denn eine Unterscheidung zwischen diesen prozessualen Fallgestaltungen ist § 45 Abs. 4 GKG nicht zu entnehmen. Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die §§ 45 Abs. 1 bis 3 GKG entsprechend anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt (OLG Düsseldorf 16. Juni 2005 - 5 W 13/05 -; Schneider/Herget Rn. 2853).
c) Demnach ist der zutreffend als sogenannter uneigentlicher Hilfsantrag geltend gemachte allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag zu berücksichtigen, weil der Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden und zugunsten der Parteien davon auszugehen ist, dass der Vergleich auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs eine Regelung enthält.
aa) Die erkennende Kammer hat in dem von den Beschwerdeführern angezogenen Beschluss vom 31. August 2010 - 5 Ta 173/10 - zum Erfordernis des Vorliegens einer Regelung ausgeführt:
Wird in einem Kündigungsschutzrechtsstreit, in dem ein, für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag, gestellter Hilfsantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits angekündigt wurde, ein Prozessvergleich abgeschlossen, der zum Gegenstand hat, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Tag endet und damit der Rechtsstreit erledigt ist, so unterliegt es nach Auffassung der Beschwerdekammer, keinem Zweifel, dass mit einer solchen Regelung regelmäßig auch der Weiterbeschäftigungsantrag im Sinne des § 45 Abs. 4 GKG mit geregelt wird. Mit der Erledigung des Rechtsstreits durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist auch der auf Beschäftigung gerichtete Hilfsantrag erledigt. Zur Vermeidung von Missverständnissen erscheint es angezeigt darauf hinzuweisen, dass es auf die Fassung der Erledigungsklausel nach hier vertretener Auffassung nicht ankommt. Formulierung wie Damit ist der Rechtsstreit erledigt. erfassen den Weiterbeschäftigungsantrag ebenso, wie die im Ausgangsrechtstreit verwendete Formulierung Damit sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erledigt. Die durchaus nachvollziehbaren Überlegungen des Arbeitsgerichts nach der Formulierung der Erledigungsklausel bzw. dem Vergleichsinhalt zu differenzieren, widerspricht dem Ansatz der Beschwerdekammer, im Rahmen der Streitwertfestsetzung ein einfaches, klares und praktikables System vorzuhalten und würde im Übrigen durch (letztlich vorhersehbare) klarstellende Vergleichsformulierungen bei Beendigungsvergleichen sehr schnell obsolet werden.
bb) Dem hält das vorlegende Arbeitsgericht im Nichtabhilfebeschluss entgegen:
Der Weiterbeschäftigungsantrag ist zeitbezogen. Er bezieht sich stets entweder auf den Zeitraum ab Verkündung des erstinstanzlichen Urteils oder bei längerer Kündigungsfrist auf den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist. Dementsprechend sind die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für die Addition der Streitwerte im Fall eines Prozessvergleichs nur erfüllt, wenn der Prozessvergleich eine Regelung über diesen Zeitraum enthält (Urlaub, Freistellung oder weiterer Einsatz). Der Prozessvergleich enthält aber dann keine sachliche Regelung zum Weiterbeschäftigungsantrag, wenn sich die Parteien auf den ursprünglichen Kündigungstermin oder einen früheren Termin als Beendigungsdatum einigen. In diesem Fall wird keine sachliche Regelung über den Folgezeitraum und damit über den Weiterbeschäftigungsantrag getroffen. Allein der Umstand, dass durch den Prozessvergleich das gesamte Verfahren und damit ist auch der Hilfsantrag erledigt sind, stellt keine Regelung des Hilfsantrags in der Sache dar. Auch ein Urteil, das den Kündigungsschutzantrag abweist und sich deshalb nicht mit dem Weiterbeschäftigungsantrag befasst, kann gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG keine Addition der Streitwerte begründe, obwohl es den Rechtsstreit in der Instanz insgesamt, also einschließlich des Weiterbeschäftigungsantrags erledigt. (Bl. 71 der Akte).
cc) Diese Kritik an dem auf eine einfache Handhabung angelegten Lösungsansatz berücksichtigt nicht hinreichend, dass eine Regelung im Sinne des § 45 Abs. 4 iVm. Abs. 1 Satz 2 GKG betreffend den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag nicht nur vorliegt, wenn das Arbeitsverhältnis über den streitigen Beendigungszeitpunkt hinaus fortgesetzt und für diesen Zeitraum eine tatsächliche Beschäftigung oder Freistellung vereinbart wird. Auch muss der Vergleich nicht nach dem Zeitpunkt des ursprünglichen Auflösungsdatums oder gar erst nach einer erstinstanzlich dem Bestandsschutzantrag stattgebenden Entscheidung zustande gekommen sein. Im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen und die zeitliche Reichweite des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs (grundlegend BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) wird dieser vielmehr im Regelfall bei den Vergleichsüberlegungen der Parteien mit eine Rolle spielen. Denn der Arbeitgeber, der eine Ausgliederung des Arbeitnehmers betreibt, wird darauf bedacht sein, eine kostenauslösende aktive Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu vermeiden. Bei Vorliegen verhaltensbedingter Gründe kommen daneben noch ein drohender Autoritäts- und/oder Ansehensverlust sowie eine Beeinträchtigung des Betriebsfriedens im Falle einer auch nur vorübergehenden Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb hinzu, während der Arbeitnehmer als Drohkulisse nicht nur das Annahmeverzugsrisiko, sondern auch noch die zumindest zeitweise aktive Weiterbeschäftigung in den Betrieb aufzubieten vermag. Damit stehen der Bestandsschutzantrag und der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag zwar prozessual in einem uneigentlichen Hilfsverhältnis, bei den Vergleichsüberlegungen bilden sie jedoch im Regelfall eine gedankliche Einheit, es sei denn, der Arbeitnehmer wäre leistungsunfähig und/oder leistungsunwillig oder der Arbeitgeber hätte sich zur einstweiligen Weiterbeschäftigung bereit erklärt. Im Hinblick auf diese besondere Konstellation hält die erkennende Kammer daran fest, dass bei Fehlen besonderer Umstände - wie etwa den vorgenannten - grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass im Falle einer vergleichsweisen Beendigung eines Bestandsschutzrechtsstreits auch ein eventualkumuliert gestellter allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag im Sinne von § 45 Abs. 4 iVm. Abs. 1 Satz 2 GKG mitgeregelt wird.
4. Die Werte für den Kündigungsschutzantrag und den Weiterbeschäftigungsantrag sind zusammenzurechnen, woraus sich der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert von 16.233,32 EUR ergibt.
5. Ein Vergleichsmehrwert für das im Vergleich mit erledigte Zeugnis und die Rückgabe der Arbeitsmaterialien und Kundenunterlagen kommt wie alle Beteiligten richtig gesehen haben, nicht in Betracht. Denn hierbei handelt es sich lediglich um Regelungen im Rahmen der Gesamtabwicklung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass insoweit zwischen den Parteien ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bestanden hätte und im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt worden wäre (vgl. LAG Baden-Württemberg 1. Juli 2010 - 5 Ta 123/10 -).
III.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG); Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).
LAG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 22.02.2011
Az: 5 Ta 214/10
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