Landgericht Duisburg:
Urteil vom 1. April 2008
Aktenzeichen: 4 O 300/07
(LG Duisburg: Urteil v. 01.04.2008, Az.: 4 O 300/07)
Tenor
1.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- €, ersatzweise, wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu unterlassen, Verträge abzuschließen, die eine oder mehrere der nachfolgend abgedruckten oder diesen inhaltlich gleich-kommende Vereinbarungen enthalten:
§ 2
Leistungen
1. Das Krankenhaus beauftragt Vertragsärzte mit der Durchführung von prä- und poststatio-nären Leistungen, die im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung im Kranken-haus notwendig sind. In Anlage A sind die stationären Behandlungen nach Satz 1 aufge-führt, bei denen eine Beauftragung der Vertragsärzte im Rahmen der sektorenübergrei-fenden Versorgung in Betracht kommt. Die von Vertragsärzten im Auftrag des Kranken-hauses durchführbaren Leistungen sind in der Anlage B dieses Vertrages abschließend aufgeführt.
2. Das Krankenhaus entscheidet über den Umfang der im konkreten Behandlungsfall durch den Vertragsarzt zu erbringenden Leistungen und koordiniert diese. Das nähere regelt § 3.
§ 3
Ablaufkonzept der sektorenübergreifenden Versorgung
1. Der Vertragsarzt empfiehlt dem Patienten, für den er die Indikation für eine stationäre Behandlung nach Anlage A gestellt hat, die Vorstellung im Krankenhaus.
2. Das Krankenhaus nimmt den Patienten als Behandlungsfall i. S. dieser Vereinbarung an, wenn es die Indikation zur stationären Behandlung bestätigt und der Patient sein schriftli-ches Einverständnis nach § 8 gegeben hat.
3. Nach Annahme des Behandlungsfalles entscheidet das Krankenhaus über die weiteren Behandlungsschritte und dokumentiert diese in einer Patientenakte.
4. Das Krankenhaus beauftragt den Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, mit den im konkreten Behandlungsfall notwendigen prästationären Leistungen durch Übersendung der Patientenakte und informiert den Patienten.
5. Der beauftragte Vertragsarzt erbringt die prästationären Leistungen und gibt anschließend die Patientenakte nach entsprechender Dokumentation an das Krankenhaus zurück.
6. [bleibt frei]
7. [bleibt frei]
8. (…) Soweit diese [scil.: poststationäre Leistungen] erforderlich sind, beauftragt das Krankenhaus hiermit den Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, durch Übersendung der Patientenakte. Der beauftragte Vertragsarzt reicht die Patientenakte, nachdem er die poststationären Leistungen erbracht und dokumentiert hat, an das Krankenhaus zurück.
9. (…) Es kann sich - je nach Behandlungsnotwendigkeit - eine erneute stationäre Behand-lung (ggf. mit weiterer poststationärer Behandlung) (…) anschließen.
§ 5
Vergütung
1. Das Krankenhaus zahlt den Vertragsärzten für die von ihnen erbrachten prä- und poststa-tionären Leistungen die Vergütung nach Anlage B. Mit der Vergütung sind alle beim Vertragsarzt mit der Leistungserbringung verbundenen Kosten, einschließlich derjenigen für Verbrauchsmaterialien, abgegolten.
2. Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolgt über mit dem Vertragsarzt gem. Anla-ge E.
Ferner wird die Beklagte zu 1) verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- €, ersatzweise, wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu unterlassen, den Pati-enten an das Krankenhaus überweisenden Ärzten pauschale Rechnungsbeträge für „prä- und poststa-tionäre Leistungen“ nach dem Laufzettel „Honorar MVG O.“ zu zahlen.
2.
Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatz-weise Ordnungshaft, zu unterlassen, bei der Anbahnung und dem Abschluß von Verträgen, die eine oder mehrere der unter 1. genannten Vereinbarungen enthalten, mitzuwirken und / oder die an das Krankenhaus überweisenden Ärzte hierzu aufzufordern.
3.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten je zur Hälfte.
5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- € vorläufig vollstreckbar. vorläufig vollstreckbar.
6.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein im Vereinsregister eingetragener ärztlicher Berufsverband. Zu seinem satzungsgemäßen Vereinszweck gehören u. a. die Pflege der Berufsethik unter den Mitgliedern und die Wahrnehmung der vertraglichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange. Mitglieder des Vereins sind über 1.000 sogenannte Knappschaftsärzte, d.h. niedergelassene (KV-)Vertragsärzte und -ärztinnen, die zugleich über eine mit der in geschlossenen Vertrag über die Zulassung zur knappschaftsärztlichen Versorgung verfügen. Die Tätigkeit des Klägers erstreckt sich traditionellerweise auf das nördliche Gebiet von . Dort betreibt die Beklagte zu 1) das . Chefarzt in dessen chirurgischer Abteilung ist der Beklagte zu 2).
Im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit bietet die Beklagte zu 1) niedergelassenen Ärzten den Abschluß eines Vertrages über "sektorenübergreifende Versorgung" entsprechend dem als Bl. 40 ff. bei der Akte befindlichen Muster an. Auf die genannte Aktenstelle wird wegen des Inhalts des Musters Bezug genommen. Dieses Vorgehen beanstandet der Kläger als wettbewerbswidrig.
Der Kläger trägt vor:
Er sei gemäß § 8 Abs. 3 UWG für die vorliegende Klage aktivlegitimiert. Die Beklagten seien gemäß § 3 UWG passivlegitimiert. Insbesondere sei mit einer Fortsetzung bzw. Wiederholung ihres rechtswidrigen Verhaltens zu rechnen. Abmahnungen gegenüber ihrem Verhalten seien sie nicht nachgekommen.
Seinem Inhalt nach sei der beanstandete Vertrag darauf angelegt, den teilnehmenden Ärzten ein "Kopfgeld" für die Überweisung von Patienten zur stationären Behandlung im Rahmen der Viszeralchirurgie, insbesondere Schilddrüse, Cholezystektomie, inguinalen und femoralen Hernioplastik, Nabelhernie, Hiatushernie, kolorektalen Tumore, Divertikulose, Hämorrhoiden, perianalen Fisteln und Magenkarzinom, zu zahlen.
In der Zielsetzungen der MVGO komme dies trefflich wie folgt zum Ausdruck:
"Für die Hausärzte resultiert eine Honorierung der bisher oft intrabudgetär erbrachten Leistungen. Durch den Marketingeffekt gewinnen alle Beteiligten eine stärkere Bindung der Patienten an den einweisenden Arzt und die Klinik."
Auch die Art der vereinbarten Zusammenarbeit widerspreche §§ 140a ff. SGB V. Denn mit der Überweisung des Patienten an das Krankenhaus sei die Behandlungszuständigkeit des Hausarztes beendet.
Für die prä- und poststationäre Behandlung, insbesondere präoperative Diagnostik, sei die Klinik selbst und nicht der Hausarzt zuständig, soweit dieser sie nicht im erforderlichen Umfang durchführen könne. Gleiches gelte insbesondere auch für die poststationären Untersuchungen. Der Hausarzt, der diese Dinge nicht durchführen könne, dürfe sie auch nicht durchführen. Dies sei vielmehr Pflicht der Klinik, die diese Leistungen auch dementsprechend im Bereich des Krankenhauses durchzuführen habe. Besonders entlarvend sei insoweit, daß gemäß § 7 des Vertrages jeder Arzt den Vertrag abschließen könne, wenn er nur zur Erbringung der im Anhang aufgeführten Leistungen berufsrechtlich berechtigt sei und den erforderlichen fachlichen Standard gewährleiste. Niedergelassene Hausärzte hätten in der Regel nicht einmal die Möglichkeit, die jeweils geforderte Lungenübersicht (Röntgenthorax in zwei Ebenen) durchzuführen.
Soweit der Hausarzt diese Diagnose- und Behandlungsmaßnahmen im medizinisch erforderlichen Umfang vornehmen könne, dürfe hingegen das Krankenhaus nicht tätig werden kann, § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V, so daß es sich in diesem Fall bei diesen Leistungen in Wahrheit schlicht um ambulante Leistungen handele, die nur virtuell und zu Unrecht der Krankenhaussphäre zugerechnet würden.
Daß es unbestrittenerweise Ausnahmefälle geben könne, so etwa denjenigen, daß, wenn ein Krankenhaus eine einzelne Maßnahme im Verlaufe der prä- und poststationären Behandlung durchführen könne, etwa eine Kernspintomographie, ein niedergelassener Arzt, der über die entsprechende Ausrüstung verfüge, für diese Maßnahme hinzugezogen werden könne, ändere am vorstehenden nichts.
Soweit demnach der Hausarzt zulässigerweise tätig werde, habe er selbstverständlich über die Krankenkasse abzurechnen und nicht über das Krankenhaus, das wiederum seine prä- und poststationären Leistungen (gesondert) gegenüber den Krankenkassen abrechnen könne. Im übrigen seien die in dem Honoraranhang genannten Honorare - die aus den mit dem vorstehenden unlauteren Vorgehen erzielten weiteren Honorargeldern der Krankenhäuser natürlich finanziert werden könnten - überhöht (hierzu im einzelnen Seiten 13 ff. der Klageschrift, Bl. 13 ff. d.A.). Es liege daher ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 GOÄ vor. Ferner werde durch das beanstandete Vorgehen die Budgetlimitierung im Bereich der Honorare für ambulante Behandlungen in unzulässiger Weise umgangen. Der Tatbestand des § 299 StGB und sogar des § 331 StGB werde durch das Vorgehen der Beklagten erfüllt. Beide Vorschriften hätten auch wettbewerbsschützenden Charakter.
Zu beanstanden sei auch, daß der Vertragsarzt nach § 2 des Vertrages dem Patienten die Vorstellung im Krankenhaus der Beklagten zu 1) zu empfehlen habe. Der Arzt habe nämlich seinen gesetzlichen Verpflichtungen entsprechend, die auch in entsprechenden Richtlinien niedergelegt seien, unter Berücksichtigung der ihm zugänglichen Informationen ein geeignetes Krankenhaus und dabei insbesondere die beiden nächsterreichbaren geeigneten Krankenhäuser anzugeben. In dem beanstandeten Vorgehen liege ein Verstoß gegen die freie Arztwahl.
Zu beanstanden sei auch, daß gemäß § 3 Abs. 10 des Vertrages das Krankenhaus die medikamentöse Versorgung während der poststationären Behandlungszeit bis maximal drei Tage sicherstelle, obwohl bei der Entlassung von Patienten nach § 14 Abs. 7 Satz 3 Apothekengesetz die zur Überbrückung benötigte Menge an Arzneimitteln nur dann abgegeben werden dürften, wenn im unmittelbaren Anschluß an die Entlassung ein Wochenende oder ein freier Tag folge.
Bezeichnend sei, daß nur Vertragsärzte - also solche, die über die gesetzliche Krankenversicherung ihre Leistungen abrechneten - Vertragspartner werden könnten. Dies habe seinen Grund darin, daß der Beklagte zu 2) als Chefarzt die Privatpatienten für sich behalten wolle.
Nach allem erfülle das Verhalten der Beklagten somit die Tatbestände unlauteren Wettbewerbsverhaltens nach § 4 Nrn. 1, 3, 4, 11 UWG und § 5 UWG.
Der Kläger hat zunächst den Antrag angekündigt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, Verträge nach dem Muster des "Vertrags über sektorenübergreifende Versorgung" zu schließen und den an das Krankenhaus überweisenden Ärzten pauschale Rechnungsbeträge für "prä- und poststationäre Leistungen" nach dem Laufzettel "Honorar MVG O." zu zahlen.
Nunmehr beantragt der Kläger,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, Verträge nach dem Muster des "Vertrags über sektorenübergreifende Versorgung" zu schließen und den an das Krankenhaus überweisenden Ärzten pauschale Rechnungsbeträge für prä- und poststationäre Leistungen nach dem "Laufzettel Honorar MVG O." zu zahlen,
den Beklagten zu 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, bei der Anbahnung und dem Abschluß von Verträgen nach dem Muster des "Vertrags über sektorenübergreifende Versorgung" mitzuwirken und die an das Krankenhaus überweisenden Ärzte hierzu aufzufordern.
Die Beklagten rügen die Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg und beantragen,
die Klage abzuweisen.
Aufgrund der Zuständigkeitsrüge der Beklagten beantragt der Kläger hilfsweise die Verweisung an ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit.
Die Beklagten tragen vor:
Der beanstandete Vertrag habe allein den Zweck, eine optimale Behandlung der Patienten sicherzustellen und den Patienten gleichzeitig zu ermöglichen, möglichst lange im häuslichen Umfeld zu verbleiben.
Soweit der Vertragsarzt die durchzuführenden Untersuchungen nicht durchführen könne, würden sie auch nicht in seiner Praxis durchgeführt.
Die Honorare, die den Vertragsärzten gezahlt würden, entsprechen geringfügig gerundetes den Sätzen der GOÄ.
Soweit der Kläger sich daran störe, daß derjenige Vertragsarzt mit den poststationären Behandlungen beauftragt werde, der den Patienten in das Krankenhaus eingewiesen habe, so könne nach dem klaren Vertragswortlaut auf Patientenwunsch davon abgewichen werden.
Ein wettbewerbswidriges Verhalten liege nicht vor. § 4 Nrn. 1, 3 und 11 UWG seien nicht erfüllt.
Die Normen, gegen die angeblich verstoßen worden sei, hätten sämtlich keinen wettbewerbsbezogene Schutzfunktion, so daß § 4 Nr. 11 UWG schon deshalb nicht eingreifen könne. Es fehle deshalb schon an einer sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg gemäß § 13 Abs. 1 UWG. Der Rechtsstreit falle in das Gebiet der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 SGG.
Im übrigen sei gegen keine der von dem Kläger genannten Normen verstoßen worden.
Insbesondere treffe es auch nicht zu, daß der an dem System teilnehmende Arzt verpflichtet sei, den Patienten dem Krankenhaus der Beklagten zu 1) zuzuweisen. Er sei frei darin, den Patienten auch einem anderen Krankenhaus zuzuweisen. Die Zuweisungen erfolgten stets nach medizinischen Gesichtspunkten, nicht aus pekuniären Interessen.
Völlig unklar bleibe im übrigen, weshalb der Beklagte zu 2), weisungsabhängiger Chefarzt in Diensten der Beklagten zu 1), passiv legitimiert sein sollte.
Im übrigen sei Herr von der kassenärztlichen Vereinigung, Bezirksstelle, zur Zulässigkeit des Vertrags und seiner Umsetzung befragt worden, die er nach Abänderung in einem Punkt bejaht habe.
Auch die Ärztekammer habe ihre anfänglich erhobenen Bedenken nach entsprechenden Erörterungen nicht weiter verfolgt.
Dasselbe gelte für die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die dazu überreichten Anlagen verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für den vorliegenden Rechtsstreit gegeben. Bei dem geltendgemachten Anspruch handelt es sich um einen solchen aus dem UWG und damit einen privatrechtlichen, über den die ordentlichen Gerichte zu befinden haben. Für die Frage der Rechtswegzuständigkeit der Zivilgerichte kommt es nicht darauf an, ob inzident mit der Überprüfung eines Anspruchs auch Normen zu überprüfen sind, die nicht dem Privatrecht angehören. Einzig entscheidend ist, ob der Streitgegenstand dem privaten Recht angehört. Streitgegenstand ist der geltendgemachte Anspruch. Dieser kann vorliegend von vornherein nur auf einer Anspruchsgrundlage aus dem privaten Wettbewerbsrecht, welches hauptsächlich im UWG und ergänzend in den allgemeinen Generalklauseln des BGB (§§ 823 Abs. 2, 824, 826, 1004 analog BGB) niedergelegt ist, beruhen. Somit ist er privatrechtlich.
Die Klage ist im aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang und somit letztlich in allen wesentlichen Punkten begründet.
1.
Die Beklagte zu 1) verhält sich durch Abschluß des von dem Kläger beanstandeten Vertrages im Sinne des § 3 UWG wettbewerbswidrig, was ihr der Kläger gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG verbieten lassen kann.
Die in der Entscheidungsformel genannten Klauseln des Vertragswerks sind letztlich im Sinne des
§ 4 Nr. 1 UWG dazu geeignet, auf unangemessene und unsachliche Weise auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, hier Patienten, Einfluß zu nehmen. Allein die Eignung einer Handlung hierzu genügt bereits für einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG, und zwar selbst dann, wenn zum Erreichen dieser Einflußnahme weiterer Handlungen erforderlich sind. So liegt es hier.
Es liegt ohne weiteres auf der Hand, daß diejenigen Ärzte, die sich an dem beanstandeten System beteiligen, geneigt sein werden, Patienten möglichst an das Krankenhaus der Beklagten zu 1) "weiterzureichen", indem sie eine entsprechende Empfehlung aussprechen.
Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob § 3 des Vertrages den jeweils an dem System teilnehmenden Arzt sogar verpflichtet, in jedem Fall dem Patienten für die in dem Vertrag näher bezeichneten Behandlungen das Krankenhaus der Beklagten zu 1) zu empfehlen, wofür einiges spricht.
Denn eine entsprechende Motivation der an dem System teilnehmenden Ärzte folgt allein schon daraus, daß es den an dem System teilnehmenden Ärzten hierdurch ermöglicht wird, später in ihrer Praxis erbrachte Leistungen zu Sätzen, die mindestens der GOÄ entsprechen und somit über den Honoraren der gesetzlichen Krankenkassen, die überdies durch Budgetlimitierungen begrenzt sind, abzurechnen.
Wenn die an dem System teilnehmenden Ärzte hingegen Patienten an andere Krankenhäuser "weiterreichen", indem sie ihnen diese empfehlen, erhalten sie solche Sätze für später erbrachte sogenannte prä- oder poststationäre Behandlungsmaßnahmen nicht. Denn soweit sie solche Leistungen, weil sie nicht aus medizinischen Gründen im Krankenhaus erbracht werden müssen, zulässigerweise erbringen, können sie sie selbstverständlich auch nur als ambulante Leistungen gegenüber den Krankenkassen zu den dort geltenden Sätzen abrechnen (Ausnahmen hiervon für punktuelle Auslagerungen von Untersuchungen, etwa der von dem Kläger angezogenen Kernspintomographie, mag es geben). Erbringen die an dem System teilnehmenden Ärzte solche Leistungen hingegen unzulässigerweise in ihrer Praxis, weil sie aus medizinischen Gründen richtigerweise im Krankenhaus vorzunehmen wären, können sie sie, weil gesetzwidrig (§ 70 SGB V), überhaupt nicht abrechnen. In beiden Fällen erhalten sie nicht das ihnen von der Beklagten zu 1) versprochene Honorar. Der Kammer ist auch nur allzugut bekannt, daß Ärzte aufgrund der gesetzgeberischen Maßnahmen im Sozialversicherungsrecht durchaus ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Patienten nicht zu den Sätzen der gesetzlichen Krankenkasse, sondern zu den Sätzen der GOÄ zu behandeln, was ihnen insbesondere bei Privatpatienten möglich ist.
Daß somit das beanstandete System geeignet ist, daran teilnehmende Ärzte dazu zu verleiten, Patienten entgegen medizinischen Erforderlichkeiten eine Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1) anstatt in einem bessergeeigneten Krankenhaus zu empfehlen, liegt auf der Hand. Daß hierin gegebenenfalls eine unangemessene und unsachliche Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Patienten (Verbraucher) liegt, weil den Patienten wesentliche Informationen, zu denen der Arzt verpflichtet ist, vorenthalten werden und die Patienten daher keine rationale informierte Entscheidung treffen können (Vgl. Hefermehl-Köhler, § 4 UWG, Rn. 1.39), bedarf keiner näheren Darlegung. Es sei nur angemerkt, daß ein Arzt, wenn er schon eine Empfehlung ausspricht und nicht nur Krankenhäuser benennt, die für eine Weiterbehandlung des Patienten infrage kommen, diese Empfehlung selbstverständlich allein an medizinischen Gesichtspunkten und nicht an pekuniären Interessen seiner Person auszurichten hat.
Aus den vorstehend aufgezeigten Gründen ist der Vertrag überdies geeignet, die an dem beanstandeten System teilnehmenden Ärzte zu einer weiteren unsachlichen und unangemessenen Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Patienten in Gestalt einer Empfehlung der Teilnahme an der sogenannten "sektorenübergreifenden Versorgung" zu verleiten. Eine solche "sektorenübergreifende Versorgung" nach dem beanstandeten System bietet keinerlei Vorteile und ist schlicht rechtswidrig.
Denn nach dem System wird zunächst einmal trotz Notwendigkeit einer prä- oder poststationären Behandlung, die wegen der tendenziell gegenüber niedergelassenen Ärzten besseren Ausrüstung der Krankenhäuser zugelassen wurde und demnach selbstverständlich im Krankenhaus erfolgen muß, de facto eine Behandlung in niedergelassenen Praxen und somit eine ambulante Behandlung durchgeführt. Dies ist schon deshalb nicht angängig, weil zum einen der Patient einen Anspruch auf die bestmögliche (zugelassene) Versorgung hat und zum anderen auch die die ärztliche Behandlung finanzierenden Stellen (letztlich die Krankenkassen) ein ganz erhebliches Interesse an der bestmöglichen (zugelassenen) Versorgung ihrer Mitglieder haben. Denn es ist in aller Regel kostengünstiger, einmal optimal als diverse Male suboptimal zu behandeln. Unabhängig von Vorstehendem ist das, was die Vertragsärzte, die eine "prä- oder poststationäre" Leistung erbringen, durchführen, wie gesagt in Wahrheit eine ambulante Behandlung, die nur falsch bezeichnet ist. Sie ist daher auch allein als solche abzurechnen, was für die durch Budgetlimitierungen eingeschränkten Ärzte freilich häufig nachteilhaft sein wird. De facto wird bei der gewählten Abrechnung also häufig seitens der beteiligten Vertragsärzte mehr als zulässig abgerechnet. Gegenüber den Krankenversicherungen wird bei dem beanstandeten Vorgehen in vielen Fällen durch die vorgenommene Abrechnung ein Betrug im Sinne des § 263 StGB verübt.
Die Empfehlung einer Teilnahme an dem hier erörterten System der "sektorenübergreifenden Versorgung" kann daher nur als unangemessene und unsachliche Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit des in der Regel über all die vorstehenden Dinge allenfalls unzureichend informierten Patienten angesehen werden.
Es liegt auf der Hand, daß die vorstehend erörterten Handlungen geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher (Patienten) im Sinne des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Für die Patienten stehen insoweit ihre gesundheitlichen Interessen auf dem Spiel, für die Mitbewerber, insbesondere auch die Mitglieder des Klägers, nicht nur unerhebliche wirtschaftliche Interessen.
Auch die Voraussetzungen der Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind gegeben.
Der Kläger hat mit mehr als 1.000 Mitgliedern eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern, die in Bezug auf die sogenannten prä- und poststationären Behandlungen, deren Durchführung wie gesagt zu beanstanden ist, Dienstleistungen gleicher Art anbieten. Denn auch sie bieten ambulante ärztliche Leistungen an, als die auch die hier in Rede stehenden prä- und poststationären Behandlungen zu qualifizieren sind.
Durch das zu beanstandende Vorgehen der Beklagten werden ihre Interessen berührt.
An der hinreichenden Ausstattung des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bestehen keine Zweifel.
Zu den einzelnen Klauseln gilt demnach:
a)
Unmittelbar aus dem Vorstehenden folgt, daß folgende Vertragsvereinbarungen unwirksam sind:
§ 2
Leistungen
Das Krankenhaus beauftragt Vertragsärzte mit der Durchführung von prä- und poststationären Leistungen, die im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung im Krankenhaus notwendig sind. In Anlage A sind die stationären Behandlungen nach Satz 1 aufgeführt, bei denen eine Beauftragung der Vertragsärzte im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung in Betracht kommt. Die von Vertragsärzten im Auftrag des Krankenhauses durchführbaren Leistungen sind in der Anlage B dieses Vertrages abschließend aufgeführt.
Das Krankenhaus entscheidet über den Umfang der im konkreten Behandlungsfall durch den Vertragsarzt zu erbringenden Leistungen und koordiniert diese. Das nähere regelt § 3.
§ 3
Ablaufkonzept der sektorenübergreifenden Versorgung
Der Vertragsarzt empfiehlt dem Patienten, für den er die Indikation für eine stationäre Behandlung nach Anlage A gestellt hat, die Vorstellung im Krankenhaus.
Das Krankenhaus nimmt den Patienten als Behandlungsfall i.S. dieser Vereinbarung an, wenn es die Indikation zur stationären Behandlung bestätigt und der Patient sein schriftliches Einverständnis nach § 8 gegeben hat.
Nach Annahme des Behandlungsfalles entscheidet das Krankenhaus über die weiteren Behandlungsschritte und dokumentiert diese in einer Patientenakte.
Das Krankenhaus beauftragt den Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, mit den im konkreten Behandlungsfall notwendigen prästationären Leistungen durch Übersendung der Patientenakte und informiert den Patienten.
Der beauftragte Vertragsarzt erbringt die prästationären Leistungen und gibt anschließend die Patientenakte nach entsprechender Dokumentation an das Krankenhaus zurück.
[bleibt frei]
[bleibt frei]
(…) Soweit diese [scil.: poststationäre Leistungen] erforderlich sind, beauftragt das Krankenhaus hiermit den Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, durch Übersendung der Patientenakte. Der beauftragte Vertragsarzt reicht die Patientenakte, nachdem er die poststationären Leistungen erbracht und dokumentiert hat, an das Krankenhaus zurück.
(…) Es kann sich - je nach Behandlungsnotwendigkeit - eine erneute stationäre Behandlung (ggf. mit weiterer poststationärer Behandlung) (…) anschließen.
Als insbesondere anstößig erscheint es auch, daß die Beklagte zu 1) sich ausnahmslos dazu verpflichtet, durch das Krankenhaus mit den poststationären Leistungen denjenigen Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, zu beauftragen, und zwar nach dem Vertragswortlaut selbst in dem Fall, daß ein anderer Arzt zu einer besseren Erbringung der sogenannten poststationären Behandlung in der Lage wäre, zum Beispiel aufgrund besserer oder speziellerer Ausrüstung. Selbstverständlich wird auch in einem solchen Fall in unangemessener und unsachlicher, ja verantwortungsloser Weise auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers Einfluß genommen. Denn er wird, weil er es nicht besser weiß, in der Regel diesen mit seinem Fall schon vertrauten Arzt sodann wieder aufsuchen, auch wenn er rechtlich keineswegs gehindert ist, einen anderen Arzt aufzusuchen.
b)
Die Klauseln § 3 Nrn. 6 und 7 des Vertrages sind für sich betrachtet nicht zu beanstanden. Sie sind deshalb auch nicht zu verbieten. Sie sind deshalb oben mit den Worten "[bleibt frei]" gekennzeichnet.
Soweit in der vorstehende Wiedergabe von § 3 Nrn. 8 und 9 des Vertrages sich die Kennzeichnung "(…)" findet, sind die insoweit ausgelassenen Teile der Klauseln ebenfalls für sich betrachtet nicht zu beanstanden und deshalb auch nicht zu verbieten.
c)
Nicht unter Gesichtspunkten des unlauteren Wettbewerbs zu beanstanden ist auch die in § 3 des Vertrages enthaltene
Die medikamentöse Versorgung während der poststationären Behandlungsphase stellt das Krankenhaus bis max. 3 Tage sicher.
Allerdings sei darauf hingewiesen, daß das Krankenhaus selbstverständlich solange, wie es, wozu es verpflichtet ist, selbst die poststationäre Behandlung im eigenen Haus durchführt, auch die medikamentöse Versorgung des Patienten sicherzustellen hat, selbst wenn diese Zeit über drei Tage hinausgeht.
Soweit der Kläger gegen diese Klausel einwendet, hierin werde in jedem Fall eine medikamentöse Versorgung des Patienten über drei Tage vereinbart, selbst wenn dies gesetzlich gar nicht zugelassen sei, trifft dieser Einwand nicht zu. Schon der Wortlaut der Klausel besagt mit dem Wort "max." (= maximal) eindeutig ein anderes.
d)
Wiederum unmittelbar aus dem vorstehend vor a) Ausgeführten ergibt sich, daß folgende Klausel gegen § 4 Nr. 1 UWG verstößt:
§ 5
Vergütung
Das Krankenhaus zahlt den Vertragsärzten für die von ihnen erbrachten prä- und poststationären Leistungen die Vergütung nach Anlage B. Mit der Vergütung sind alle beim Vertragsarzt mit der Leistungserbringung verbundenen Kosten, einschließlich derjenigen für Verbrauchsmaterialien, abgegolten.
Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolgt über mit dem Vertragsarzt gem. Anlage E.
Gerade diese Klausel gibt den am System teilnehmenden Ärzten die Motivation zur unangemessenen und unsachlichen Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit des Patienten und schafft dadurch die Eignung zur unangemessenen und unsachlichen Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit des Patienten im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG.
e)
Die übrigen Vertragsklauseln haben für sich betrachtet keinen zu beanstandenden Inhalt. Sie sind deshalb auch nicht zu verbieten.
2.
Daß sich Beklagte auch durch die Zahlung der in dem beanstandeten Vertrag vereinbarten Honorare an die an dem System teilnehmenden Ärzte im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG wettbewerbswidrig verhält, bedarf keiner ausführlichen Erläuterung. Gerade dieses Verhalten motiviert die Ärzte zu der unredlichen Einflußnahme auf die Patienten und ist damit geeignet, in unsachlicher und unangemessener Weise auf die Entscheidungsfreiheit der Patienten (Verbraucher) Einfluß zu nehmen. Dies liegt auf der Hand.
Daß auch insoweit die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bin ist, ergibt sich unmittelbar aus dem oben zu 1. Ausgeführten. Darauf wird verwiesen.
3.
Der Beklagten zu 2) verhält sich wettbewerbswidrig, in dem er sich an dem vorstehend unter 1. behandelten Verhalten beteiligt, indem er zum Beispiel, wie aus Bl. 38 d.A. ersichtlich, gegenüber den als Vertragspartner des beanstandeten Systems in Betracht kommenden Ärzten den Abschluß des wie gesagt zu beanstandenden Vertrages bewirbt. Dementsprechend ist er zur Unterlassung solcher und ähnlicher Verhaltensweise zu verurteilen.
Daß auch insoweit die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bin ist, ergibt sich unmittelbar aus dem oben zu 1. Ausgeführten. Darauf wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 511 ZPO.
Da die Beschwer der Beklagten mehr als 600,- € beträgt, kommt die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO nicht in Betracht.
Da die Beschwer des Klägers, der bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sein Begehren voll durchsetzt, unter 600,- € liegt, ist über die Zulassung der Berufung zu entscheiden. Die Voraussetzungen, unter denen die Berufung nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zuzulassen wäre, liegen nicht vor.
Es ist klarzustellen, daß die Berufung trotz Nichtzulassung kraft Gesetzes zulässig ist, wenn der Beschwerdegegenstand der Berufung einen Wert von 600,- € übersteigt.
Der Streitwert wird auf 100.000,- € festgesetzt, §§ 39 ff. GKG, § 3 ZPO.
LG Duisburg:
Urteil v. 01.04.2008
Az: 4 O 300/07
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