Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 15. Mai 2013
Aktenzeichen: 3-8 O 175/12, 3-08 O 175/12, 3-08 O 175/12, 3-8 O 175/12

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 15.05.2013, Az.: 3-8 O 175/12, 3-08 O 175/12, 3-08 O 175/12, 3-8 O 175/12)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd für eine Pauschalreise damit zu werben und/oder werben zu lassen, dass ein Vorteil der beworbenen Pauschalreise in der Übergabe eines Sicherungsscheines im Sinne des § 651 k BGB liege, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 5und/oder in der Anlage K 8.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird bis zum 15. 05. 2013 auf 12.000 EUR und von dann ab auf 10.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG umfassend klagebefugt.

Die Beklagte, eine in Frankfurt ansässige Veranstalterin von Pauschalreisen, warb im Mai 2012 auf ihrer Internetseite,X-gmbh.de, unter der Überschrift €Die X Vorteile€ mit folgender Aussage (Bl. 11 d. A.)

€Mehr Sicherheit. Denn sofort mit der Reisebestätigung erhalten sie ihren Reisepreissicherungsschein.€

Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 15.5.2012 (Bl.12 € 14 d. A.) ab und forderte sie zu einer Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte gab am 30.5.2012 eine modifizierte Unterlassungserklärung ab, die wie folgt lautet (Bl. 17 d. A.):

€es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit den Worden €Mehr Sicherheit€ zu werben oder werben zu lassen im Zusammenhang mit der Übergabe der Reisebestätigung und des Sicherungsscheins, z. B. mit der Aussage €Mehr Sicherheit€. Denn sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein.

für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die oben genannte Verpflichtung eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,00 EUR € zu zahlen.€

Der Kläger nahm die Unterwerfungserklärung noch am selben Tag an.

Am 4.6.2012 warb die Beklagte auf ihrer Internetseite (Bl. 18.d. A.) unter der Überschrift €Die X Vorteile€ mit der Aussage

€Mehr Sicherheit. Denn sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie Ihren Reisepreissicherungsschein.€

Der Kläger forderte die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 4.6.2012 zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,00 EUR auf und zur Abgabe einer neuen Unterlassungserklärung mit erhöhtem Vertragsstrafeversprechen.

Am 18.6.2012 warb die Beklagte auf ihrer Internetseite (Bl. 24d. A.) unter der Überschrift €Die X Vorteile€ mit der Aussage,

€Sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein.€

Der Kläger machte ursprünglich auch Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe geltend, weil die Beklagte nach dem 30.5.2012 nach wie vor im Internet mit der Aussage

€Mehr Sicherheit. Denn sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein.€

geworben und damit gegen ihre Unterlassungserklärung verstoßen habe.

Darüber hinaus begehrt der Kläger Unterlassung wegen der vorstehenden Aussage (Anlage K 5) und der am 18.6.2012 getätigten Aussage (Anlage K 8) aus dem Unterlassungsvertrag und aus § 3 Abs.3 UWG i. V. m. Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, §§ 3, 5 und 3Abs. 2 UWG.

Der Kläger beantragt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR €ersatzweise Ordnungshaft- oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,im Wettbewerb handelndfür eine Pauschalreise damit zu werden und/oder werben zu lassen,dass ein Vorteil der beworbenen Pauschalreise in der Übergabe eines Sicherungsscheines im Sinne des § 651 k BGB liege wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 und/oder wenn dies geschieht wie in der Anlage K 8.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass aus nicht so ohne weiteres mehr festzustellenden Gründen die nach dem Inhalt der abgegebenen und angenommenen Unterlassungserklärung vorzunehmende Änderung im Internetauftritt nicht sogleich umgesetzt worden sei. Dies sei dann im Laufe der 23. Kalenderwoche geschehen.

Im Übrigen liege keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit vor.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen in der Sitzungsniederschrift vom 15.5.2013 in Bl. 64 d.A. verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrag vom 30.5.2012 i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB zu, weil die Beklagte nach Abschluss des Vertrags noch am 4.6.2012 unter der Überschrift €Die X Vorteile€ mit der Aussage

€Mehr Sicherheit. Denn sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein.€

auf ihrer Internetseite geworben und damit gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat.

Die Beklagte hat sich nämlich im Unterlassungsvertrag vom 30.5.2012 ausdrücklich verpflichtet, nicht mehr mit der Aussage €Mehr Sicherheit. Denn sofort mit der Reisebestätigungen erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein.€ zu werben. Da sie noch am 4.6.2012 mit der identischen Aussage auf ihrer Internetseite geworben hat, liegt eine Pflichtverletzung nach § 280Abs. 1 BGB vor, mit der Folge, dass der Kläger im Wege des Schadensersatzes Unterlassung verlangen kann.

Nichts anderes gilt für die Aussage

€Sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreisversicherungsschein.€

Denn auch diese Aussage wird von der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten vom 30.5.2012 erfasst.

Diese Unterlassungsverpflichtung der Beklagten ist nämlich dahingehend auszulegen, dass die Beklagte nicht nur die beispielhaft in der Unterwerfungserklärung niedergelegte Aussage zu unterlassen hat, sondern auch die Aussage €Sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein€, wenn dies zugleich als Vorteil beworben wird.

Unterlassungsverträge sind nach dem auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgebend ist dabei der wirkliche Wille der Parteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände, wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Parteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (BGH GRUR 2009, 181 Tz. 32€ Kinderwärmekissen). Dabei kommt ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt (BGB GRUR 1997, 931 € Sekundenschnell).

Allerdings erstreckt sich eine die konkrete Verletzungsform wiedergebende Unterwerfungserklärung ebenso wie ein entsprechender Unterlassungstitel im Allgemeinen nicht nur auf identische, sondern auch auf alle Handlungen, die das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen (BGH GRUR 2010, 749 Tz. 45 €Erinnerungswerbung im Internet). Dies ist nur dann anders, wenn die Auslegung der Unterwerfungserklärung des Schuldners ergibt, dass sie bewusst auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform beschränkt sein soll (BGH GRUR 1997, 931, 932 € Sekundenschnell; GRUR2010, 749 Tz. 45 € Erinnerungswerbung im Internet).

Ausgehend von diesen Grundsätzen erfasst die Unterwerfungserklärung der Beklagten alle Werbeaussagen der Beklagten, die der konkret niedergelegten Unterwerfungserklärung im Kern gleich stehen.

Allein das Weglassen der Aussage €Mehr Sicherheit€führt noch nicht aus dem Kernbereich der Unterlassungsverpflichtung heraus, wenn die noch verbliebene Aussage €Sofort mit der Reisebestätigung€€ als Vorteil beworben wird. Die angegriffene Aussage steht nämlich unter der Überschrift €Die X Vorteile€ und erweckt deshalb den Eindruck, es handele sich bei der Übergabe des Reisepreissicherungsscheins im Vergleich zu Angeboten anderer Veranstalter von Pauschalreisen um einen Vorteil,den andere Veranstalter von Pauschalreisen nicht bieten. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung (§ 651 k BGB) und damit um eine Selbstverständlichkeit, die im Kern Gegenstand der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten vom 30.5.2012 ist.

Der Antrag ist auch nach § 3, 5 UWG begründet, soweit es um die Werbeaussage gemäß Anlage K 8 geht, weil die Beklagte insoweit mit einer Selbstverständlichkeit geworben hat. Eine Werbung, die eine Selbstverständlichkeit herausstellt, ist trotz objektiver Richtigkeit der Angabe irreführend, wenn das angesprochene Publikum annimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern herausgehoben wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Publikum nicht bekannt ist, dass es sich bei der beworbenen Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt. Entscheidend ist,dass der Verkehr in der herausgestellten Eigenschaft der beworbenen Ware oder Leistung irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, insbesondere auch nicht beim Bezug der gleichen Ware bei der Konkurrenz, erwarten kann (BGH Beschluss vom 23.1.2008 I ZR121/07 und GRUR 2013. 401 Tz. 29 € Biomineralwasser).

Da sich die Werbung der Beklagten an Verbraucher richtet, ist vom durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher auszugehen, soweit es um das Verständnis der Werbung und die Erwartungshaltung des angesprochenen Publikums geht. Ein Durchschnittsverbraucher weiß nicht, dass der Veranstalter einer Pauschalreise gesetzlich verpflichtet ist (§ 651 k BGB) beim Abschluss eines Pauschalreisevertrags den Pauschalpreis gegen Insolvenz des Reiseveranstalters zu versichern. Deshalb hat ein Verbraucher die Vorstellung, dass der Erhalt des Reisepreissicherungsscheins zusammen mit der Reisebestätigung ein Vorteil gegenüber Angeboten anderer Veranstalter von Pauschalreisen darstellt. Denn die Beklagte wirbt nicht lediglich mit der Aussage

€Sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie ihren Reisepreissicherungsschein.€,

sondern stellt diesen Umstand auch noch als Vorteil der Beklagten heraus, weil die beanstandete Werbeaussage unter der fettgedruckten Überschrift €Die X Vorteile€ steht. Der Erhalt des Reisepreissicherungsscheins zusammen mit der Reisebestätigung ist jedoch gegenüber Angeboten von Konkurrenten kein Vorteil, sondern eine gesetzliche Verpflichtung. Da die Beklagte den Erhalt des Reisepreissicherungsscheins zusammen mit der Reisebestätigung ausdrücklich als Vorteil herausstellt, liegt eine Irreführung vor, weil die Beklagte eine Selbstverständlichkeit als Vorteil bewarb.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a ZPO.

Soweit die Parteien die Hauptssache teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben €Zahlung der Vertragsstrafe - hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil die Beklagte auch insoweit unterlegen wäre, wenn die Parteien den Zahlungsantrag nicht übereinstimmend für erledigt erklärt hätten.

Denn dem Kläger stand nach § 339 Satz 2 BGB i. V. m. der Vertragsstrafevereinbarung vom 30.5.2012 ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe zu, weil die Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat. Dies geschah auch schuldhaft. Denn die Beklagte räumt ein, dass sie ihren Internetauftritt nicht sogleich geändert habe. Sie handelte damit jedenfalls fahrlässig, als sie die vom Kläger beanstandete Werbung nach Abschluss des Vertragsstrafevertrags nach dem 30.5.2012 bis zum 4.6.2012fortsetzte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach § 709 ZPO.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 15.05.2013
Az: 3-8 O 175/12, 3-08 O 175/12, 3-08 O 175/12, 3-8 O 175/12


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