Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. September 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 701/03
(BPatG: Beschluss v. 23.09.2003, Az.: 23 W (pat) 701/03)
Tenor
Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Patentinhaber ist eingetragener Inhaber des am 4. Dezember 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 196 50 255 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur selektiven Umhüllung von Flachbaugruppen od. dgl " (Streitpatent). Nach Veröffentlichung der Patenterteilung am 2. Dezember 1999 hat die Einsprechende mit dem am 2. März 2000 beim Patentamt eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Einspruch gegen das Patent erhoben. Der weitere, am 24. Februar 2000 eingegangene Einspruch der Firma M... & T... Maschinenbau GmbH ist nach gerichtlichem Hinweis zur Unzulässigkeit dieses Einspruchs durch Schriftsatz vom 13. Juni 2003 zurückgenommen worden.
Das Einspruchsverfahren war zunächst beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängig. Auf entsprechenden Antrag der Einsprechenden hin hat das Patentamt festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 147 Abs 3 Nr 2 PatG erfüllt seien und hat das Einspruchsverfahren dem Bundespatentgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Patentinhaber verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung.
Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum partiellen Beschichten von bestückten Leiterplatten, insbesondere von einseitig bestückten Leiterplatten in einem Formbad (Ansprüche 1 bis 7), sowie eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens (Ansprüche 8 bis 12).
Der erteilte Anspruch 1 lautet unter Verwendung der von der Einsprechenden eingeführten Merkmalsgliederung:
Verfahren zum partiellen Beschichten von bestückten Leiterplatten, insbesondere einseitig bestückten Leiterplatten (Merkmal A), in einem Formbad, wobei - die bestückte Leiterplatte derart auf die Stirnkante der Formbadwände aufgelegt wird, dass die nicht zu beschichtenden Bereiche der Leiterplatte über die Formbadwände hinausragen (Merkmal B) und das Formbad die Leiterplatte in Randbereichen teilweise seitlich überragt (Merkmal C),
- das Beschichtungsmittel über einen Fördermechanismus in das Formbad gebracht wird (Merkmal D), wobei das Niveau des Beschichtungsmittels angehoben wird, so dass es die Unterseite der Leiterplatte in den zu beschichtenden Bereichen benetzt (Merkmal E),
- das Niveau des Beschichtungsmittels nach einer vorgebbaren Zeit abgesenkt wird (Merkmal F), und - die Leiterplatte in eine Trocknungs- oder Härtestation befördert wird (Merkmal G).
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
In der Streitpatentschrift ist zum Stand der Technik auf die Druckschriften - deutsche Offenlegungsschrift 40 12 903 [= D1]
- deutsche Offenlegungsschrift 42 11 342 [= D2]
- US-Patentschrift 4 794 018 [= D3] und - französische Patentschrift 2 178 443 [= D4]
verwiesen. Wegen der Einzelheiten zum Stand der Technik wird auf diese Druckschriften verwiesen.
Die Einsprechende macht den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme geltend. Dazu trägt sie vor, dass die Merkmale A) und B) sowie D) bis G) dem Stand der Technik entsprächen (Druckschrift D 2). Das Merkmal C) entspreche spätestens seit 1995 dem bei der Einsprechenden betriebsintern praktizierten Verfahren. Die Einsprechende habe eine Beschichtungsvorrichtung verwendet, wie sie der als Anlage 1 vorgelegten fotografischen Darstellung entspreche. Diese Vorrichtung habe als Beschichtungswerkzeug ein Formbad langgestrecktrechteckigen Grundrisses, das zu einer gleichzeitigen Beschichtung mehrerer Leiterplatten benutzbar gewesen sei. Die bestückten Leiterplatten seien derart auf die Stirnkante der Formbadwände aufgelegt worden, dass die nicht zu beschichtenden Bereiche der Leiterplatte über die Formbadwände hinausragten (Merkmal B). Das Beschichtungsmittel (Flüssiglack) sei mittels eines aus einem anheb- und absenkbaren Vorratsbehälter für Lackmaterial und einem diesen kommunizierend mit dem Formbad verbindenden Schlauch bestehenden Fördermechanismus in das Formbad eingebracht worden (Merkmal D), bis es die Unterseite der Leiterplatte in den zu beschichtenden Bereichen benetzt habe (Merkmal E). Das Niveau des Beschichtungsmittels sei nach einer (durch die Benetzungseigenschaften des benutzten Beschichtungsmittels bedingten) vorgebbaren Zeit wieder abgesenkt (Merkmal F) und hiernach die Leiterplatte vom Beschichtungswerkzeug abgehoben und in eine Trocknungs- oder Härtestation befördert worden (Merkmal G). Durch diese Gestaltung der Vorrichtung seien genau die Vorteile erzielt worden, wie sie in der Streitpatentschrift (Spalte 3 Zeilen 61 bis 68 und Sp 4 Zeilen 1 bis 24) geschildert würden. Diese Beschichtungsvorrichtung der Einsprechenden sei dazu benutzt worden, Leiterplatten der Firma M... zu beschichten. Das Verfahren sei geheim gehalten worden. Die Einsprechende habe sich die Möglichkeit offen halten wollen, für entsprechende Flutungsverfahren (auch gemäß Patentanspruch 2), die bei Kleinserien-Lackierungen schon eingesetzt worden seien, im Bedarfsfalle technische Schutzrechte zu erwerben. Der in der Streitpatentschrift als Erfinder genannte Herr V... sei von September 1993 bis 28. Juni 1996 außertariflicher Mitarbeiter der Einsprechenden gewesen, wobei Herr V... bei der Einsprechenden eine Vertrauensstellung innegehabt und deshalb unbeschränkten Zugriff auf alle kaufmännischen und betrieblichen Unterlagen (außer Lohnbuchhaltung) gehabt habe. Außerdem habe er Zugang zu sämtlichen Versuchslabors und Produktionsräumen der Einsprechenden gehabt. Er habe alle technischen Vorgänge gekannt und habe aufs engste mit dem technischen Leiter bei der Einsprechenden, Herrn K..., und auch mit der Lackiererei zusammen- gearbeitet. Er habe im Laufe seiner Tätigkeit bei der Einsprechenden profunde Kenntnisse des partiellen Schutzlackierens von Leiterplatten erworben und im Labor der Einsprechenden selbst das patentgemäße Verfahren praktiziert.
Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Der Patentinhaber bestreitet, dass die Einsprechende mit der auf Anlage 1 zur Einspruchsschrift dargestellten Vorrichtung tatsächlich Kundenaufträge bedient habe. Diese Vorrichtung könne allenfalls für primitivste Anfangsversuche verwendet worden sein, nicht aber zur tatsächlichen Produktion, also der Beschichtung von Leiterplatten für Drittfirmen. Selbst wenn eine solche Vorrichtung bei der Einsprechenden existiert haben sollte, habe Herr V... diese nie gesehen. Der Er- findungsbesitz der Einsprechenden und die behauptete widerrechtliche Entnahme durch Herrn V... werde bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Patentschrift und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
1. Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den vor dem 1. Januar 2002 eingelegten und zunächst beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängigen Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 2 PatG, nachdem die Einsprechende gegenüber dem Patentamt einen Antrag auf eine Entscheidung durch das Bundespatentgericht gestellt hat und das Patentamt innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Antrags weder eine Ladung zur mündlichen Verhandlung noch eine Entscheidung über den Einspruch zugestellt hat.
2. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch der Einsprechenden war als unzulässig zu verwerfen, da er nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden ist.
a) Gemäß § 59 Abs 1 Satz 4 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen anzugeben. Nach ständiger Rechtsprechung sind danach die den Einspruch begründenden Tatsachen so vollständig darzulegen, dass Patentamt und Patentinhaber daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können. Sie sollen allein anhand der mitgeteilten Umstände, ohne eigene Ermittlungen, in die Lage versetzt sein, zu prüfen, ob der behauptete Widerrufsgrund gegeben ist (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 59 Rdn 65 ff; Busse, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 66, mwN). Hierfür muss grundsätzlich eine Auseinandersetzung mit der gesamten patentierten Lehre stattfinden, denn eine Befassung nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung macht den Einspruch unzulässig (vgl BGH BlPMZ 1988, 250 - "Epoxidation"). Wenn sich die Einspruchsbegründung mit dem Kern der Erfindung auseinandersetzt, ist es aber unschädlich, dass nicht jedes einzelne Merkmal behandelt wird (vgl Schulte, aaO, § 59 Rdn 70; Busse, aaO, § 59 Rdn 70).
Bezogen auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme muss der Einspruch die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 Nr 3 PatG substantiiert darlegen, nämlich - den Erfindungsbesitz der Einsprechenden,
- die Wesensgleichheit zwischen entnommener und patentierter Erfindung und - die Widerrechtlichkeit der Entnahme
(Schulte, PatG, 6. Aufl., § 59 Rdn 110). Zur Darlegung und Substantiierung des Erfindungsbesitzes genügt es in der Regel nicht, lediglich den Wortlaut des angegriffenen Patents zu wiederholen (vgl hierzu BPatGE 22, 119 zu den Anforderungen an die Substantiierung bei der insoweit vergleichbaren Fallgestaltung der offenkundigen Vorbenutzung). Dies kann zwar in den Fällen ausreichend sein, in denen die widerrechtliche Entnahme etwa einer schriftlich niedergelegten Idee, wie sie auch in Patentschriften formuliert werden, behauptet wird. Soweit eine Einsprechende die widerrechtliche Entnahme - wie vorliegend - damit begründet, dass die Entnahme auf einem konkret bei ihr durchgeführten Verfahren oder einer konkreten Vorrichtung beruht, muss dieser Erfindungsbesitz substantiiert dargestellt werden. Dies gilt insbesondere für die auf den Patentanspruch bezogenen Merkmale, durch die sich die Erfindung vom Stand der Technik abhebt, zumal sich nur daraus die Widerrechtlichkeit der Entnahme überhaupt ergeben kann.
b) Der Einspruch beschreibt insoweit den Erfindungsbesitz nicht in einer ausreichend substantiierten und den Anforderungen des § 59 Abs 1 Satz 4 PatG genügender Weise.
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden hebt sich der Erfindungsgegenstand nicht durch das Merkmal C), sondern durch die Merkmale E) und F) in Kombination mit dem Aufliegen der Leiterplatte auf den Formbadwänden vom relevanten Stand der Technik ab. Von ihrem Rechtsstandpunkt folgerichtig hat die Einsprechende sich mit diesen erfindungswesentlichen Merkmalen nicht substantiiert auseinandergesetzt. Gleichwohl hat sie das Risiko dieser fehlenden Auseinandersetzung mit den entscheidungserheblichen Merkmalen zu tragen.
Wie sich aus der Streitpatentschrift und dem patentamtlichen Prüfungsverfahren ergibt, ist bei der streitgegenständlichen technischen Lehre erfindungswesentlich, dass das Beschichtungsmittel bei aufliegender Leiterplatte angehoben wird, bis es die Leiterplatte benetzt (Merkmal E), um dann nach einer -- durch die Benetzungseigenschaften des benutzten Beschichtungsmittels bedingten -- Zeit bei nach wie vor aufliegender Leiterplatte wieder abgesenkt zu werden (Merkmal F).
Denn nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift (Spalte 4, Zeilen 20 bis 24) ermöglicht der Verfahrensschritt gemäß Merkmal E) des erteilten Anspruchs 1, dass Luftblasen, welche sich auf der Unterseite der zu beschichtenden Leiterplatte bilden und so eine vollständige Benetzung der Leiterplatte mit dem Beschichtungsmaterial verhindern, seitlich unter dem Rand der Leiterplatte in den dort überstehenden Trogbereich entweichen können. Ein Umwenden oder eine Schrägstellung des Formbades zusammen mit der dann notwendigerweise dichtend aufgesetzten Leiterplatte, wie dies beispielsweise bei dem eine andere Entwicklungsrichtung betreffenden Stand der Technik gemäß den eingangs erwähnten Druckschriften D1 und D2 vorgeschlagen wird, um so eine vollständige Benetzung der Leiterplatte zu ermöglichen, ist aufgrund des Verfahrensschrittes E) nicht mehr erforderlich (Streitpatentschrift Spalte 3, letzter Absatz).
Das Anheben des Niveaus des Beschichtungsmittels gemäß Merkmal E) entspricht, wie in der Streitpatentschrift (Spalte 5, 2. Absatz)) weiter ausgeführt wird, dem Eintauchvorgang (der "Eintauchgeschwindigkeit") bei bekannten Tauchverfahren, das gemäß Merkmal F) sodann erfolgende Absenken des Beschichtungsmittels nach einer definierten Verweilzeit dem Austauchvorgang (der "Austauchgeschwindigkeit"). Indem nun bei diesem weiteren Verfahrensschritt die Viskosität des Beschichtungsmittels berücksichtigt wird, können die an den Bauelementen des Werkstücks (dh der Leiterplatte) hängenden Tropfen durch die Oberflächenspannung des Beschichtungsmittels abgesogen werden. Eine weitere Abtropfzeit nach dem Entnetzen ist erfindungsgemäß somit nicht mehr erforderlich.
Auch aus dem Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geht zweifelsfrei hervor, dass die Merkmale E) und F) gemäß Anspruch 1 - und nicht etwa das Merkmal C) - gegenüber dem Stand der Technik den Kern der patentierten Erfindung repräsentieren. So hat der Prüfer im Erstbescheid vom 18. Juni 1997 (Amtsakte Blatt 29, vorletzter Absatz, drittletzte bis letzte Zeile) zutreffend dargelegt, dass das Verfahren nach dem ursprünglichen Anspruch 1 (Amtsakte Blatt 17), der diese beiden Merkmale E) und F) noch nicht enthielt, wohl aber das Merkmal C) (vgl das letzte Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1), angesichts des ua aus der Entgegenhaltung D4 bekannten Standes der Technik nicht patentfähig sei. Dieser Druckschrift (vgl. die Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung Seite 2, Zeilen 16 bis 40) kann nämlich das ursprünglich beanspruchte Beschichtungsverfahren gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 im wesentlichen bereits entnommen werden. Insbesondere wird bei diesem Stand der Technik ersichtlich das Formbad durch das zu beschichtende Werkstück nur teilweise abgedeckt, wie das der Lehre des Merkmals C) des erteilten Anspruchs 1 entspricht. In ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 29. September 1997 (Amtsakte Blatt 33, 1. Absatz, Zeilen 1 bis 3) hat sich der Anmelder und jetzige Patentinhaber auf Anregung des Prüfers hin (Erstbescheid Seite 3 oben) bereit erklärt, die Merkmale der ursprünglichen Unteransprüche 5 und 7 -- entsprechend den Merkmalen E) und F) des erteilten Hauptanspruchs -- in den ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 aufzunehmen, um auf diese Weise das Patentbegehren "quasi zu vervollständigen". Der Patentinhaber hat in seiner Erwiderung (Amtsakte Blatt 33, 2. bis 5. Absatz) weiter ausführt, beim Anmeldungsgegenstand sei im Unterschied zum Stand der Technik entscheidend, dass das Beschichtungsmittel -- nachdem die Leiterplatte auf die Stirnflächen der Wannenwände aufgelegt worden ist -- über einen Fördermechanismus in die Wanne eingebracht wird, so dass der Flüssigkeitsspiegel bis zur nach unten weisenden, zu beschichtenden Fläche der Leiterplatte ansteigt (Merkmal E), und dass nach einer gewissen Zeit das Niveau des Beschichtungsmittels wieder abgesenkt wird (Merkmal F).
Gerade zu den beiden erfindungswesentlichen und patentbegründenden Merkmalen des Anhebens und des Absenkens des Beschichtungsmittels bei jeweils auf den Formbadwänden aufliegender Leiterplatte setzt sich der Einspruch bei der Darlegung des Erfindungsbesitzes nicht auseinander. Zu diesem Punkt erschöpft sich der Sachvortrag der Einsprechenden letztlich in der Wiederholung des Anspruchswortlauts. Auch die durch Lichtbilder dargestellte Vorrichtung gibt hierüber keinen ausreichenden Aufschluss. Es wird von der Einsprechenden nicht dargelegt, wie sie bei dieser Vorrichtung das Anheben und Absenken des Beschichtungsmittels konkret bewerkstelligt hat. Dazu fehlen gegenständliche Merkmale wie beispielsweise motorgetriebene, mit Zeitschaltvorrichtungen versehene, exakt höhenverstellbare Stative oder Labortische oder dergleichen, aufgrund derer die tatsächliche Verwendung der Vorrichtung im Sinne des Streitpatents mit anhebbarem und absenkbarem Beschichtungsmittel nachvollzogen werden kann. Ohne insoweit erläuternde Angaben spricht sehr viel mehr dafür, dass der auf dem Lichtbild gemäß Anlage 1 zur Einspruchsschrift sichtbare Eimer lediglich als Vorratsbehälter gedient hat, in welchen sich das Beschichtungsmittel jedenfalls leichter einfüllen ließ als in das Formbad, und mit dem das Formbad geflutet wird. Insoweit entspricht die dargestellte Vorrichtung dem aus der og Entgegenhaltung D 4 bekannten Stand der Technik, bei dem das Formbad über einen Vorratsbehälter mittels eines Fördermechanismus geflutet wird (vgl dort Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung). Dass mit der dargestellten Vorrichtung etwa nur durch das Anheben des Eimers durch eine Person das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt werden kann, insbesondere die erfindungswesentlichen Verfahrensschritte E) und F), und auch nur Kleinserien ordnungsgemäß beschichtet werden können, hält der Senat schon aus technischer Sicht für nahezu ausgeschlossen. Aber auch zu einer solchen rein theoretisch denkbaren Möglichkeit, dass der Beschichter den Eimer mit dem Beschichtungsmittel unmittelbar mit den Händen angehoben hat, bis die Benetzung der jeweils zu beschichtenden, aufliegenden Leiterplatte durch das Beschichtungsmittel erreicht war, er dann den Eimer die erforderliche Zeit in exakter Höhe gehalten und schließlich wieder abgesenkt hat, sind im Einspruch keine Angaben gemacht worden. Zu diesen erfindungswesentlichen Punkten können letztlich nur Mutmaßungen angestellt werden, so dass nicht mehr von einer ausreichenden Substantiierung des Erfindungsbesitzes ausgegangen werden kann.
In diesem Zusammenhang ist ergänzend auch im Hinblick auf die entsprechenden Einwendungen der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass es für die substantiierte Darlegung des behaupteten Erfindungsbesitzes in Form eines konkret betriebenen Verfahrens bzw einer konkreten Vorrichtung nicht ausreicht, den Gegenstand im Sinne einer Anspruchsformulierung eines Patentanspruchs des angegriffenen Patents zu beschreiben. Zwar weiß der Fachmann, mit welchen Mitteln er das Anheben und das Absenken des Beschichtungsmittels technisch bewerkstelligen kann. Insofern sind nähere Erläuterungen etwa in einer Patentschrift überflüssig. Soweit beim Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme allerdings ein Erfindungsbesitz in Form von konkret betriebenen Verfahren oder konkreten Vorrichtungen behauptet wird, sind deutlich höhere Anforderungen an die Substantiierung zu stellen. So muss - wie hier - im Falle eines Verfahrensgegenstandes dargelegt werden, durch welche Vorrichtungen und durch welche technischen Maßnahmen konkret die einzelnen Verfahrensschritte - unabhängig vom Patentgegenstand des Streitpatents - bewerkstelligt worden sind. Nur dann kann das konkrete Verfahren bzw der konkrete Gegenstand, den ein Einsprechender als Erfindungsbesitz für sich reklamiert, mit einem angegriffenen Patent sinnvoll verglichen werden und die Frage der Übereinstimmung oder Wesensgleichheit zwischen entnommener und patentierter Erfindung beurteilt werden.
Der Mangel an substantiiertem Sachvortrag, der zur Unzulässigkeit des Einspruchs führt, kann im Übrigen durch die als Beweis angebotenen Zeugen nicht ausgeglichen werden. Bei dieser Sachlage konnte und durfte der gemäß § 87 Abs 2 PatG iVm § 273 Abs 2 Nr 4 ZPO zur mündlichen Verhandlung rein vorsorglich geladene Zeuge Do van-Quang auch nicht einvernommen werden.
Dr. Meinel Knoll Lokys Dr. Häußler Pr
BPatG:
Beschluss v. 23.09.2003
Az: 23 W (pat) 701/03
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