Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 29/08
(BPatG: Beschluss v. 13.10.2009, Az.: 25 W (pat) 29/08)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. September 2006 und 29. April 2008 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 303 30 182 gegen die Marke 303 34 452 hinsichtlich der Waren
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Diagnostika für pharmazeutische und veterinärmedizinische Zwecke, insbesondere chemisch, biologisch und/oder gentechnisch hergestellte Erzeugnisse zur medizinischdiagnostischen Analyse; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten"
zurückgewiesen worden ist.
Die Marke 303 34 452 ist für diese Waren zu löschen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke Pamedroist am 20. November 2003 für die Waren
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel; Diagnostika für pharmazeutische und veterinärmedizinische Zwecke, insbesondere chemisch, biologisch und/oder gentechnisch hergestellte Erzeugnisse zur medizinischdiagnostischen Analyse; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten"
in das Markenregister unter der Nummer 303 34 452 eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren, seit dem 10. November 2003 unter der Nummer 303 30 182 für die Waren
"Waschund Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körperund Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; chirurgische, ärztliche, zahnund tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial"
eingetragenen Wortmarke PAMIDRO-cell.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 12. März 2009 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 12. Mai 2009 zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke eine eidesstattliche Versicherung vom 24. April 2009, Kopien von Verpackungen sowie weitere Unterlagen mit Angaben zu Umsätzen und Produkteigenschaften vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 14. September 2006 und 29. April 2008, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch zurückgewiesen.
Ausgehend von einer nach der Registerlage möglichen Warenidentität sowie einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, den die angegriffene Marke jedoch einhalte.
Eine Verwechslungsgefahr komme nur in Betracht, wenn dem Bestandteil "PAMIDRO" innerhalb der Widerspruchsmarke eine selbständig kollisionsbegründende Stellung zuerkannt werden könne. Dies sei jedoch nicht der Fall. Denn sowohl "PAMIDRO" als erkennbare Anlehnung an den Wirkstoff "Pamidronsäure" (INN) auch der weitere Bestandteil "-cell" als Hinweis auf "Zelle" der Widerspruchsmarke seien von Haus aus kennzeichnungsschwach. Eine selbständig kollisionsbegründende Stellung komme deshalb keinem der Bestandteile zu, vielmehr seien sie als gleichwertig (schwache) Bestandteile einer insgesamt durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marke anzusehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem (sinngemäßen) Antrag, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. September 2006 und 29. April 2008 die Wortmarke 303 34 452 zu löschen.
Ausgehend von einer möglichen Warenidentität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der Waren könne eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Bei der Widerspruchsmarke sei insoweit auf den Bestandteil "PAMIDRO" abzustellen, da diesem neben dem glatt beschreibenden Bestandteil "-cell" eine selbständig kollisionsbegründende Stellung innerhalb dieses Zeichens zukomme. Der Abstand zu dem angegriffenen Zeichen sei dann zu gering, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Aufgrund der Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils "PAMIDRO" als erkennbare Verkürzung des INN "Pamidronsäure" komme diesem innerhalb der Widerspruchsmarke keine prägende und damit selbständig kollisionsbegründende Stellung zu. Da der Verkehr, insbesondere der vorliegend auch maßgeblich zu beachtende Endverbraucher, bei der Benennung von Arzneimitteln zudem nicht dazu neige, die Bezeichnungen zu verkürzen oder sich verkürzt zu merken, seien bei der Widerspruchsmarke beide Bestandteile gleichermaßen für den Gesamteindruck von Bedeutung, so dass eine Verwechslungsgefahr aufgrund des zusätzlichen Bestandteils "-cell" ausscheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat teilweise Erfolg. Zwischen der angegriffenen Marke "Pamedro" und der Widerspruchsmarke "PAMIDRO-cell" besteht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG in Bezug auf die im Tenor genannten Waren der angegriffenen Marke, so dass der Beschwerde der Widersprechenden insoweit stattzugeben war; die weitergehende Beschwerde war hingegen zurückzuweisen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat nach Ablauf der Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise die Einrede mangelnder Benutzungi. S. von § 43 Abs. 1 MarkenG erhoben. Maßgebend ist insoweit allein der Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, da die Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der jüngeren Marke noch nicht fünf Jahre eingetragen war.
Für diesen Zeitraum hat die Widersprechende mit Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 24. April 2009 der Geschäftsführerin der "C... GmbH in B..." und den darin enthaltenen Umsatzzahlen sowie durch Vorlage von Verpackungskopien eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für ein onkologisches, pamidronsäurehaltiges Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, welches z. B. zur Stärkung der Knochensubstanz bei Tumoren der Knochen eingesetzt wird und in der aktuelle ROTEN LISTE 2009 verzeichnet ist (68 030), in einer den Anforderungen des § 26 Abs. 3 MarkenG genügenden Form glaubhaft gemacht. Soweit die Benutzungsunterlagen eine "C... GmbH" als Herstellerin/Anbieterin ausweisen und auch die eidesstattliche Versicherung von der Geschäftsführerin dieser Gesellschaft abgegeben wurde, kann aufgrund der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 24. April 2009, wonach es bei dieser Gesellschaft um "einen Teil der S... GmbH" handele, von einer Drittbenutzung mit Zustimmung des Markeninhabers nach § 26 Abs. 2 MarkenG ausgegangen werden.
Weiterhin ist im Hinblick auf die Benutzungslage zugunsten der Widersprechenden im Rahmen der Integrationsfrage aufgrund der nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden "erweiterten Minimallösung" (vgl. BPatG, MarkenR 2004, 361, 362 CYNARETTEN/Circanetten) von einer Benutzung der Widerspruchsmarke für "Osteoporosemittel/Calcium-/Knochenstoffwechselregulatoren" der Hauptgruppe 68 der ROTEN LISTE auszugehen.
Soweit die angegriffene Marke Schutz für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse" beansprucht, können sich beide Marken danach auf identischen bzw. -was die veterinärmedizinischen Erzeugnisse betrifft -im engeren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren begegnen, da diese Warenoberbegriffe der angegriffenen Marke auch solche der Behandlung von Knochenerkrankungen dienende Präparate umfassen.
Zu den weiterhin von der angegriffenen Marke beanspruchten "Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; Diagnostika für pharmazeutische und veterinärmedizinische Zwecke, insbesondere ...; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten" besteht eine jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit, da unter diese Warenoberbegriffe auch Produkte und Präparate fallen können, die sich mit den "Osteoporosemittel/Calcium-/Knochenstoffwechselegulatoren" der Hauptgruppe 68 der ROTEN LISTE ergänzen oder Überschneidungen im Anwendungsbereich aufweisen. Wenngleich solche Waren zwar nicht direkt für die Behandlung von Krankheiten in einem engen funktionalen Sinne bestimmt sind, so dienen sie jedoch ebenso wie Arzneimittel und pharmazeutische Erzeugnisse einem gesundheitlichen Zweck, so dass unter Berücksichtigung weiterer Berührungspunkte bei den Vertriebsstätten, den Abgabeformen und Aufmachungen der Produkte jedenfalls kein ausgeprägter Warenabstand oder gar eine Warenferne angenommen werden kann.
Hingegen unterscheiden sich die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren von den weiteren Warenoberbegriffen "Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel" der angegriffenen Marke nach Herstellung, Beschaffenheit sowie vor allem Bestimmungsund Verwendungszweck in aller Regel so deutlich, dass für den Verkehr eine gemeinsame betriebliche Herkunft nicht mehr nahe liegt, so dass insoweit, wenn nicht von einer Warenunähnlichkeit, so doch jedenfalls von einer deutlichen Warenferne auszugehen ist.
Weiterhin geht der Senat bei seiner Entscheidung von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Wenngleich der Bestandteil "PAMIDRO" auf den INN "Pamidronsäure" und der Endbestandteil "-cell" auf den Wirkungsbereich der entsprechenden Produkte bzw. Präparate ("Zelle") hinweisen, erscheinen im Hinblick auf die bei pharmazeutischen Erzeugnissen übliche Praxis, Marken in der Weise zu bilden, dass einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen (vgl. BGH GRUR 1998, 815, 817 -Nitrangin), diese Elemente in der Widerspruchsmarke hinreichend phantasievoll zusammengefügt, so dass keine erhebliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann.
Da das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke eine Beschränkung auf rezeptpflichtige Arzneimittel nicht enthält, sind grundsätzlich auch die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen, wobei nach dem Verbraucherleitbild des EuGH auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943 -SAT.2), dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 2006, 567 -Picasso), der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als bei vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50 -INDOREKTAL/INDOHEXAL).
Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei den in Hauptgruppe 68 der Roten Liste aufgeführten Arzneimittel ausschließlich um rezeptpflichtige und ansonsten apothekenpflichtige Präparate handelt und die Widerspruchsmarke tatsächlich auch für ein rezeptpflichtiges Präparat benutzt wird. Aufgrund dessen steht dann aber trotz der nach der erweiterten Minimallösung nicht bestehenden Rezeptpflicht für die Waren der Widerspruchsmarke in tatsächlicher Hinsicht ebenso wie bei den rezeptpflichtigen Waren der angegriffenen Marke der im Umgang mit Arzneimittel sorgfältigere Fachverkehr im Vordergrund (vgl. BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 148/03 v. 11. November 2004 -Binox/Timox). Zudem sind aufgrund der sich daraus ergebenden geringeren Anzahl mündlicher Benennungen die Anforderungen an den klanglichen Abstand beider Marken gegenüber dem insoweit im Vordergrund stehenden schriftbildlichen Vergleich etwas geringer, wenngleich die Gefahr mündlicher Benennungen durch den Patienten bzw. Endabnehmer nicht völlig vernachlässigt werden darf (vgl. EuGH GRUR Int. 2007, 718 -Tz. 56, 58 -TRAVATAN II; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 182, 189).
Trotz dieser die Gefahr von Verwechslungen mindernden Umstände weist die angegriffene Marke nach Auffassung des Senats jedoch in klanglicher Hinsicht keinen hinreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke auf, soweit sich beide Marken auf den identischen bzw. zumindest durchschnittlich ähnlichen Waren "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Diagnostika für pharmazeutische und veterinärmedizinische Zwecke, insbesondere chemisch, biologisch und/oder gentechnisch hergestellte Erzeugnisse zur medizinischdiagnostischen Analyse; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten" der angegriffenen Marke begegnen können.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 -Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Tz. 21 -HEITEC).
In ihrer Gesamtheit betrachtet unterscheidet sich die Widerspruchsmarke durch den zusätzlichen Bestandteil "-cell" klanglich und bildlich deutlich von der Einwortmarke "Pamedro". so dass eine Verwechslungsgefahr von vornherein nur in Betracht kommt, wenn auf Seiten der Widerspruchsmarke der Bestandteil "PAMIDRO" den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck derart prägt, dass die anderen Bestandteile in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mehr mitbestimmen (vgl. BGH MarkenR 2006, 402, 404 -Malteserkreuz; MarkenR 2008, 405 406 Tz. 18 -SIERRA ANTIGUO).
Von einer solchen Prägung des Gesamteindrucks der Widerspruchsmarke durch "PAMIDRO" ist jedoch entgegen der Auffassung der Markenstelle jedenfalls in klanglicher Hinsicht auszugehen. Dafür ist zunächst von Bedeutung, dass es sich bei der Lautfolge "-cell" um ein in Arzneimittelkennzeichnungen vielfach verwendetes, kennzeichnungsschwaches Wortbildungselement mit der auch allgemeinen Verkehrskreisen bekannten Bedeutung "Zelle" handelt, welches sich in einem bloßen Hinweis auf den Wirkungsbereich der entsprechenden Produkte bzw. Präparate erschöpft, so dass insbesondere der vorliegend in entscheidungserheblichem Umfang zu beachtende Fachverkehr darin einen rein beschreibenden und nichts zur Kennzeichnung der Bezeichnung beitragender Anhang erkennen wird.
Zwar weist auch "PAMIDRO" aufgrund seiner Übereinstimmung in den ersten sieben Buchstaben mit dem INN "Pamidronsäure" einen beschreibenden Anklang auf. Dieser ist entgegen der Auffassung der Widersprechenden aus Rechtsgründen auch unabhängig davon zu berücksichtigen, ob den ebenfalls angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen der Begriff "Pamidronsäure" bekannt ist. Allerdings ist der Bestandteil "Pamidro" seinem Gesamteindruck nach der Wirkstoffbezeichnung nicht so stark angenähert, dass seine Fähigkeit zur Kennzeichnung von Waren letztlich in Frage gestellt wäre Es entspricht zwar im Arzneimittelbereich vor allem in Zusammenhang mit der Herstellung von Präparaten aus patentfrei gewordenen Wirkstoffen einer weit verbreiteten Übung, Marken als sog. "sprechende Zeichen" durch ein die vollständige Wirkstoffbezeichnung schlagwortartig verkürzendes und leichter erfassbares Wortelement mit angehängtem Firmen/Unternehmenshinweis oder einem sonstigen Stammbestandteil zu bilden. Der Bestandteil "PAMIDRO" weicht von dieser Art der Markenbildung jedoch insoweit ab, als er sich nicht in einer einfachen, dem Sprachund Betonungsrhythmus sowie der Silbengliederung des jeweiligen INN entsprechenden Verkürzung erschöpft. Vielmehr wird durch die der Silbengliederung "Pamidronsäure" widersprechende Verkürzung der dritten Silbe um den Schlusskonsonanten "n" eine gewisse Verfremdung gegenüber der Wirkstoffangabe begründet, welche von einem Verständnis als bloße Abkürzung einer Wirkstoffbezeichnung wegführt. Dies gilt um so mehr, als sich eine das Verständnis als Produktbeschreibung fördernde Verwendung von "PAMIDRO" als Fachbegriff bzw. gebräuchliche Abkürzung des INN "Pamidronsäure" nicht nachweisen lässt. So weist insbesondere die "Rote Liste 2008" keine weiteren Arzneimittelbezeichnungen mit "PAMIDRO" aus.
Zur selbständig kollisionsbegründenden Stellung von "PAMIDRO" trägt vor allem auch der Umstand bei, dass dieser in Großbuchstaben wiedergegebene Bestandteil innerhalb der Gesamtbezeichnung in ihrer für das Widerspruchsverfahren allein maßgeblichen registrierten Form (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 151, 152) gegenüber dem in Kleinbuchstaben ausgestalteten und durch einen Bindestrich deutlich abgesetzten Bestandteil "-cell" so markant hervortritt, dass dies eine Wahrnehmung und ein Verständnis und der Widerspruchsmarke als "PAMIDRO"-Marke mit einem angehängten und nichts zur Kennzeichnung beitragendem Hinweis auf den Wirkungsbereich ("Zelle") nahe legt. Dieser Umstand verbietet auch einen Vergleich mit der seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke genannten "Pantogast"-Entscheidung des BGH (GRUR 2008, 909), bei der die jeweiligen Markenbestandteile zu einer Einwortmarke zusammengefügt waren.
Wenngleich daher aufgrund des erkennbaren "sprechenden" Anklangs die Kennzeichnungskraft des Bestandteils "PAMIDRO" eingeschränkt ist, so ist dennoch letztlich seine Eignung als produktidentifizierendes Element aufgrund seiner deutlichen Hervorhebung innerhalb der Gesamtbezeichnung sowie der Kennzeichnungsschwäche des glatt beschreibenden Bestandteils "-cell" nicht so nachhaltig eingeschränkt, dass der Verkehr darin nicht mehr den produktkennzeichnenden und den Gesamteindruck prägenden Schwerpunkt der Widerspruchsmarke sehen kann. Die angesprochenen Fachverkehrskreise, aber auch die allgemeinen Verkehrskreise werden daher allein in dem Bestandteil "PAMIDRO" die eigentliche Kennzeichnung sehen und nur diesen Wortbestandteil als betriebliches Herkunftsund Unterscheidungsmerkmal auffassen.
Die demnach miteinander zu vergleichenden Markenwörter "Pamedro" und "PAMIDRO" sind jedoch im klanglichen Gesamteindruck so stark angenähert, dass eine hinreichend sichere Unterscheidung der beiden Marken nicht gewährleistet ist, soweit sich beide Marken auf identischen oder zumindest durchschnittlich ähnlichen Waren begegnen können. Die alleinige Abweichung in den Vokalen "i/e" im ohnehin weniger beachteten Wortinnern der beiden Markenwörter "Pamedro" und "PAMIDRO wirkt insoweit einer klanglichen Verwechslungsgefahr angesichts des ansonsten übereinstimmenden Gesamtklangbilds beider Markenwörter nicht hinreichend entgegen, zumal der Verkehr die Marken in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl. EuGH, MarkenR 1999, 236, 239 -Lloyd/Loints).
Auf die Beschwerde der Widersprechenden ist daher aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 303 30 182 die angegriffene Marke 303 34 452 hinsichtlich der im Tenor genannten Waren zu löschen, so dass die Beschwerde insoweit Erfolg hat.
In Bezug auf die weiterhin von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel" genügen hingegen die insgesamt eher geringen Unterschiede im Klangbild der beiden Markenwörter "Pamidro" und "PAMEDRO", um in Anbetracht der Warenferne zu den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht wie auch in schriftbildlicher Hinsicht zu verneinen, so dass die Beschwerde insoweit erfolglos bleibt.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Bayer Metternich Merzbach Cl
BPatG:
Beschluss v. 13.10.2009
Az: 25 W (pat) 29/08
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