Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 27. Mai 2008
Aktenzeichen: 13 E 526/08

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 27.05.2008, Az.: 13 E 526/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. April 2008 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Gründe

Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Bonn ist nicht statthaft.

Es handelt sich vorliegend um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit i. S. v. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO und nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit nach § 13 GVG.

Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlichrechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird.

Vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1.85 -, BVerwGE 74, 368, 370 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 24. August 1994 11 C 14.93 , BVerwGE 96, 326 = NJW 1995, 1104, 1105; Beschluss vom 2. Mai 2007 6 B 10.07 , BverwGE 129, 9 = NVwZ 2007, 820.

Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Über diese Zuordnung entscheidet, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt.

Vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1991 KZR 22/90 , BGHZ 116, 399 = NJW 1992, 1237, 1238.

Ein Vertragsverhältnis ist danach öffentlichrechtlich, wenn sich die Vereinbarung auf einen von der gesetzlichen Ordnung öffentlichrechtlich geregelten Sachverhalt bezieht. Dies ist der Fall, wenn die vertraglichen Regelungen bei einer gesetzlichen Gestaltung Normen des öffentlichen Rechts wären oder wenn der Vertrag in einem engen und untrennbaren Zusammenhang mit einem nach Normen des öffentlichen Rechts zu beurteilenden Sachverhalt steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1973 IV C 22.72 , BVerwGE 42, 331 = NJW 1973, 1895; BVerwG, Urteil vom 30. April 1976 - VII C 63.75 -, NJW 1976, 2360.

Liegt diese Voraussetzung vor, ist es auch unerheblich, ob die Vertragsbeteiligten in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen oder sich etwa als juristische Personen des Privatrechts gleichberechtigt gegenüber treten.

Vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2005 III ZB 47/04 , NVwZ 2006, 243, 244.

Im vorliegenden Verfahren haben die Beteiligten unter dem 29. September und 26. Oktober 2000 eine Kostenübernahmevereinbarung getroffen, die u. a. die Frage der Kostentragung für den Umbau und die Verlängerung der Stadtbahnlinie ., B. Straße, Teilbereich BAB 1 bis Ausbauende stadteinwärts, zum Gegenstand hat. Die Vereinbarung sieht in § 3 die Erstattung der Kosten der Baumaßnahme durch die beklagte E. U. AG an die Klägerin vor, soweit durch ein rechtskräftiges Urteil des sachlich und örtlich zuständigen Gerichts eine gesetzliche Verpflichtung der Durchführung der Baumaßnahme durch die Beklagte auf ihre Kosten festgestellt wird. Damit haben die Beteiligten hinsichtlich der Kostentragungspflicht bei der Verlegung oder Veränderung einer Telekommunikationslinie auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 55, 56 TKG 1996 (jetzt §§ 74, 75 TKG 2004) abgestellt, wonach der Nutzungsberechtigte unter dort näher bezeichneten Voraussetzungen die Kosten zu tragen hat. Hieran knüpft die Erstattungspflicht der Beklagten an. Der rechtliche Prüfmaßstab soll sich daher ausgehend davon, ob die Beklagte zur Durchführung auf eigene Kosten verpflichtet war aus dem maßgeblichen Gesetzesrecht ergeben.

Danach unterfällt die getroffene Vereinbarung der Beteiligten dem öffentlichen Recht, weil die Frage der Folgekosten von Normen des öffentlichen Rechts geregelt wird. Der öffentlichrechtliche Charakter der Vereinbarung und der Folgekostenregelung ergibt sich aus dem engen Zusammenhang mit den öffentlichrechtlichen Bestimmungen über die Benutzung der Verkehrswege gemäß §§ 50 ff. TKG 1976 bzw. der Wegerechte gemäß §§ 68 ff. TKG 2004. Die dort beschriebenen Rechte und geregelten Rechtsverhältnisse wie die in § 56 TKG 1996 (heute § 75 TKG 2004 ) sind zwischen dem nutzungsberechtigten Telekommunikationsunternehmen und dem Betreiber einer besonderen Anlage unter Einschluss der Folgekostenbestimmungen öffentlichrechtlich ausgestaltet. Bezüglich des Fernmeldeleitungsrechts nach dem Telegraphenwegegesetz (TWG), das die Befugnisse der Telegraphenverwaltung und rechtsnachfolgenden Deutschen Bundespost regelte, öffentliche Verkehrswege für ihre Fernmeldelinien zu nutzen (vgl. § 1 Abs. 1 TWG) und das in dem Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (BGBl I, 1120) aufging, war die Zuordnung zum öffentlichen Recht geklärt,

vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1981 - 7 C 67.79 -, BVerwGE 64, 176 = DVBl. 1982, 590; OVG NRW, Urteil vom 19. September 1996 20 A 5170/95 , ArchivPT 1997, 329, 331 f.; vgl. auch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 40 Rn. 846,

so dass auch Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüche aus dem Telegraphenwegegesetz dem öffentlichen Recht zuzuordnen waren.

Vgl. BGH, a. a. O.

Die Privatisierung der Telekommunikationsdienstleistungen hat an der öffentlichrechtlichen Natur der Folgekosten betreffenden Normen nichts geändert. Das Leitungsrecht nach § 50 Abs. 1 TKG 1996 (jetzt § 68 Abs. 1 TKG 2004) steht weiterhin originär dem Bund in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zu, der gemäß Art. 87f Abs. 1 GG Gewährleistungsträger für eine flächendeckende angemessene und ausreichende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen ist. Die Lizenznehmer erhalten dieses Recht nach § 50 Abs. 2 TKG 1996 (jetzt § 69 Abs. 1 TKG 2004) übertragen. Ihre Nutzungsberechtigung ist damit eine lediglich vom Bund abgeleitete Rechtsposition. Die Lizenznehmer bleiben in die verfassungsrechtliche Gewährleistungspflicht des Bundes zur flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen eingebunden. Das Nutzungsrecht behält deshalb seinen öffentlichrechtlichen Charakter, auch wenn es von privaten Lizenznehmern ausgeübt wird.

Vgl. R. Schütz, in: Beck´scher TKG-Kommentar, 3. Auflage, 2006, § 68 Rn. 18; Spoerr, in: Trute/ Spoerr/Bosch, TKG mit FTEG, 1. Auflage, 2001, § 50 Rn. 21.

Das Rechtsverhältnis zwischen dem Nutzungsberechtigten und dem Wegebaulastträger ist damit öffentlichrechtlicher Natur. Dies gilt auch für das Verhältnis zu den Betreibern besonderer Anlagen. Sekundäre, aus einem öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnis erwachsende Rechtsbeziehungen sind auch dann als öffentlichrechtlich zu qualifizieren, wenn sie einem Dritten gegenüber bestehen, der an diesem Verhältnis beteiligt ist. Bei den Regelungen der §§ 55 und 56 TKG 1996 handelt es sich deshalb um die Ausgestaltung der Ausübung des öffentlich rechtlichen Wegenutzungsrechts im Verhältnis zu den Betreibern besonderer Anlagen.

Vgl. BGH, a. a. O.; a. A. etwa P. Schütz, in: Arndt/Fezer/Scherer, TKG, 1. Auflage, 2008, § 75 Rn. 22.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in dem Gerichtsbescheid vom 6. März 2002 ( 9 A 6.01 juris) in einem obiter dictum ohne nähere Begründung von einer entgegengesetzten Position ausgegangen ist, folgt der Senat dieser Auffassung aus den vorstehenden und nachfolgenden Erwägungen nicht.

Das durch das Nutzungsrecht gemäß § 50 Abs. 1 und 2 TKG 1996 (jetzt § 68 Abs. 1, § 69 Abs. 1 TKG 2004) begründete öffentlichrechtliche Verhältnis wird durch §§ 52 bis 56 TKG 1996 (früher §§ 2 bis 6 TWG, jetzt §§ 71 bis 75 TKG 2004) näher bestimmt und insgesamt ausgeformt. Die Folgekostenregelungen, die in diesen Vorschriften enthalten sind, gestalten den Inhalt des Nutzungsrechts maßgeblich mit. Sie stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit den in §§ 53 bis 56 TKG 1996 geregelten Folgepflichten. Aufgrund des inhaltlichen rechtlichen Zusammenhangs ist es folgerichtig, diesen Rechtsbereich einschließlich der Kostenregelungen als öffentlichrechtlich zu qualifizieren und hieraus erwachsende Streitigkeiten von den insoweit sachnäheren Verwaltungsgerichten entscheiden zu lassen. Es wäre deshalb nicht sachgerecht, den Rechtsweg auseinander zu reißen und die Folgekostenpflichten gegebenenfalls beschränkt auf die Folgekostenpflichten im Zusammenhang mit den Nutzungsrechten gegenüber Dritten gemäß §§ 55 und 56 TKG 1996 den ordentlichen Gerichten zuzuweisen. Soweit das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 8 Abs. 10 FStrG sowie § 23 StrWG NRW demgegenüber anderer Meinung ist, vermag der Senat kein gewichtiges Argument für eine gebotene Aufteilung der Rechtswege zu erkennen. Beide vom Verwaltungsgericht genannten Vorschriften bringen durchaus zum Ausdruck, dass inhaltlich zusammenhängende Rechtsbereiche einem einzigen Rechtsweg zuzuordnen sind, es sei denn dem Gesetz lässt sich eine abweichende Regelung entnehmen. So hat auch der jeweilige Gesetzgeber für das Fernstraßengesetz und das Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen selbst die Entscheidung über die Frage eines bürgerlichrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses ausdrücklich getroffen und die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an Straßen (als Ausnahme des öffentlichrechtlichen Charakters der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen) ausdrücklich dem bürgerlichen Recht zugeordnet. Solch eine gesetzliche Regelung, die eine anders lautendende Rechtswegzuweisung anordnet, besteht hier aber nicht. Sie lässt sich dem Telekommunikationsgesetz auch nicht mittelbar im Wege der Auslegung entnehmen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten fallen nicht an (Kostenverzeichnis Nr. 5502, Anl. 1 zum GKG).

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG).






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 27.05.2008
Az: 13 E 526/08


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