Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 336/03

(BPatG: Beschluss v. 06.07.2006, Az.: 23 W (pat) 336/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das angegriffene Patent 44 25 985 (Streitpatent) wurde unter der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur Ansteuerung einer Warneinrichtung" am 22. Juli 1994 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 10. Juli 2003 veröffentlicht.

Gegen das Patent hat die A... GmbH in B..., mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2003 - beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag eingegangen - Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, weil der Gegenstand des angegriffenen Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Sie stützt ihren Einspruch auf folgende Druckschriften:

E1 DE 37 31 109 A1 E2 DE 38 00 950 A1 E3 DE 35 11 968 A1, wovon die zur Schrift (E1) gehörende Patentschrift DE 37 31 109 C3 bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden ist.

Darüber hinaus verweist sie pauschal auf die restlichen im Prüfungsverfahren genannten Schriften.

In einem weiteren Schriftsatz nach Ablauf der Einspruchsfrist führt die Einsprechende noch die Schrift E4 US 4 841 198 in das Verfahren ein.

Die Patentinhaberin beantragtdie Aufrechterhaltung des Patents 44 25 985 C2 in vollem Umfang.

Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und führt aus, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruches 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei. Darüber hinaus äußert sie Zweifel an der Zulässigkeit des Einspruchs.

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2006 erklärt die Patentinhaberin die Teilung des Patents.

Der verteidigte Patentansprüche 1 und der nebengeordnete Patentanspruch 6 haben in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Ansteuerung einer Warneinrichtung in einem Fahrzeug, das ein Steuergerät mitführt, insbesondere zur Beeinflussung des Bremsdrucks und/oder des Motormoments und/oder der Lenkung in Abhängigkeit vom Bewegungsverhalten der Fahrzeugräder und/oder des Fahrzeugs, dadurch gekennzeichnet, dass die Warneinrichtung abhängig von der Versorgungsspannung mit einem getakteten Ansteuersignal ansteuerbar ist."

"6. Vorrichtung zur Ansteuerung einer Warneinrichtung in einem Fahrzeug, das ein Steuergerät mitführt, insbesondere zur Beeinflussung des Bremsdrucks und/oder des Motormoments und/oder der Lenkung in Abhängigkeit vom Bewegungsverhalten der Fahrzeugräder und/oder des Fahrzeugs, bei dem im Sichtfeld des Fahrers eine Warneinrichtung angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass Mittel vorgesehen ist, die die Warneinrichtung abhängig von der Versorgungsspannung mit einem getakteten Ansteuersignal beaufschlagen."

Hinsichtlich der geltenden - erteilten - Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift und hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.) Die Zuständigkeit des (Technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt wurde.

2.) Die Teilungserklärung vom 28. Juni 2006 hindert dabei nicht den Fortgang des Einspruchsverfahrens und eine abschließende Entscheidung über das Stammpatent (vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 781 Ls 1 und 2 - "Basisstation"; BGH GRUR 2003, 47 Ls- "Sammelhefter"). Maßgeblich ist dabei, ob die Rechtsverfolgung der Patentinhaberin - wie hier - eine Entscheidung zulässt.

III.

Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet, denn die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 6 erweisen sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig.

1.) Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken. Die Einsprechende hat innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patent den Widerrufsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht und den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des erteilten Patentanspruches 1 und den Merkmalen entsprechend den Schriften (E1) und (E2) in Hinblick auf mangelnde erfinderische Tätigkeit im Einzelnen hergestellt.

2.) Im Oberbegriff des Patentanspruches 1 wird ausgegangen von einem Stand der Technik, wie er beispielsweise aus der vorveröffentlichten Druckschrift (E1) bekannt ist. Dort ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Ansteuerung einer Warneinrichtung in einem Fahrzeug gezeigt, welches ein Steuergerät mitführt (Regeleinrichtung mit Bezugszeichen 11 in Fig. 1), wobei die Warneinrichtung beispielsweise als optische Warnlampe (Bezugszeichen 14 in Fig. 1) ausgebildet sein kann.

Als nachteilig wird dabei angesehen, dass eine Überspannung im Bordnetz des Kraftfahrzeuges zu einer Beschädigung bzw. zu einem Totalausfall der Warneinrichtung führen kann, vgl. Sp. 1, Zn. 33 - 36 der DE 44 25 985 C2.

Dem Gegenstand des Streitpatents liegt dementsprechend die Aufgabe zugrunde, bei einem gattungsgemäßen Verfahren und einer entsprechenden Vorrichtung dafür zu sorgen, dass eine Beschädigung der Warneinrichtung, insbesondere durch Überspannung (gemeint ist offenbar eine unzulässig hohe Versorgungsspannung) verhindert wird, vgl. Sp. 1, Zn. 40 - 43 der DE 44 25 985 C2.

Diese Aufgabe wird bei einem Gegenstand gemäß dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 nach den kennzeichnenden Merkmalen dadurch gelöst, dass die Warneinrichtung abhängig von der Versorgungsspannung mit einem getakteten Ansteuersignal ansteuerbar ist.

Dieses Merkmal ist entsprechend der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift dahingehend auszulegen, dass die Warneinrichtung mit einem konstanten Ansteuersignal angesteuert wird, wenn der Wert der Versorgungsspannung kleiner als ein (kritischer) Schwellwert ist, bei einem Wert oberhalb dieses Schwellwertes dagegen mit einem getakteten Ansteuersignal. Diese Art der Ansteuerung führt dazu, dass die Warneinrichtung auch bei erhöhter Versorgungsspannung nicht geschädigt wird, vgl. Sp. 2, Zn. 62 - 65.

3.) Der geltende Patentanspruch 1 entspricht dem ursprünglichen Patentanspruch 1 und ist daher zulässig, entsprechendes gilt für die Patentansprüche 2 bis 6.

4.) Der zweifelsohne gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist zwar neu, jedoch beruht er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften (E1) und (E2).

Als zuständiger Fachmann ist dabei ein Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Kfz-Elektrik, anzusehen.

Aus der vorveröffentlichten Druckschrift (E1) ist, wie dargelegt, ein Verfahren mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruches 1 bekannt.

Aus der ebenfalls vorveröffentlichten Druckschrift (E2) ist mit einer elektrischen Schaltung ein Verfahren und eine Vorrichtung zum wahlweisen Betrieb eines Verbrauchers mit einer höheren als an sich zulässigen Versorgungsspannung (bei der zugrunde liegenden Aufgabe des Gegenstands des Streitpatents "Überspannung" genannt), bekannt, bei der der Verbraucher abhängig von der Versorgungsspannung mit einem getakteten Ansteuersignal ansteuerbar ist, z. B. bei einer Spannung von 12 V mit Gleichspannung und bei einer Spannung von 24 V mit einem getakteten Ansteuersignal, so dass zum Verbraucher nur Spannungs- bzw. Stromimpulse gelangen, die sich am Verbraucher zu einer Effektivspannung in Höhe der zulässigen Betriebsspannung addieren (vgl. die Zusammenfassung auf der Frontseite, insb. davon den letzten Satz). Die Taktung führt zu einer Verminderung der effektiven Leistung und damit zum Schutz des entsprechenden Verbrauchers.

Es bedarf daher keiner erfinderischen Tätigkeit, wenn der Fachmann das aus der Druckschrift (E2) bekannte Prinzip zu seinem bekannten Zweck auch bei einem elektrischen Verbraucher in einem Fahrzeug, wie etwa der aus der Druckschrift (E1) bekannten Warneinrichtung, bei der zudem eine Beschädigung sicherheitsrelevant und unter allen Umständen zu vermeiden ist, in Erwägung zieht. Damit gelangt er aber bereits zum Gegenstand des erteilten Patentanspruches 1.

Die Druckschrift (E2) betrifft zwar eine breite technische Lehre, nämlich den Betrieb eines beliebigen Verbrauchers mit einer unzulässig höheren Versorgungsspannung, jedoch wird der Fachmann diese ohne weiteres auf den konkreten Fall einer Warneinrichtung beziehen, wenn er entsprechend der zugrunde liegenden Aufgabe des Streitpatents mit einer höheren Versorgungsspannung als an sich zulässig rechnen muss. Ob dabei außerhalb des Fehlerfalls die Warneinrichtung angesteuert wird oder nicht, bzw. ob die pulsweitenmodulierte Ansteuerung während des Betriebs des Fahrzeugs oder im Stillstand erfolgt, ist unerheblich und bleibt im Übrigen auch beim geltenden Patentanspruch 1 offen.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist daher nicht patentfähig.

5.) Entsprechendes gilt für den Vorrichtungsanspruch 6, der lediglich die Verfahrensmerkmale des Patentanspruches 1 in Form entsprechender gegenständlicher Merkmale - bis auf die für eine optische Warneinrichtung selbstverständliche Angabe, wonach die Warneinrichtung im Sichtfeld des Fahrers (Armaturenbrett) angebracht sein soll - wiederholt und somit dem erteilten Anspruch 1 entspricht, so dass auch dessen Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

6.) Mit dem Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung notwendigerweise auch die auf diesen zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 5.

Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.






BPatG:
Beschluss v. 06.07.2006
Az: 23 W (pat) 336/03


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