Landgericht Köln:
Urteil vom 30. Januar 2004
Aktenzeichen: 81 O 249/02
(LG Köln: Urteil v. 30.01.2004, Az.: 81 O 249/02)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin behauptet, Herstellerin der Handtaschen der
Marke Hermès zu sein; insbesondere diejenigen Handtaschen
von Hermès, die unter den Bezeichnungen Kelly und Birkin
veräußert würden, seien berühmt - auf ihre
diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen - und
als Klassiker noch heute von besonderer wettb ewerblicher
Eigenart.
Sie sieht die Eigenart der Kelly in folgenden Merkmalen
begründet:
eine bauchige, gleichzeitig leicht trapezförmige Form,
die etwas an eine Schul- oder Aktentasche erinnert;
ein einzelner Griff, der ähnlich wie bei einer
Aktentasche oben an der Tasche angebracht ist;
eine gerade Lasche angebracht ist, die den oberen Bericht der
Taschenvorderseite bedeckt und die von einem horizontalen
"Taschengürtel" gehalten wird; in Höhe des
Taschengürtels ist die Lasche auf beiden Seiten rechteckig
ausgeschnitten;
der Taschengürtel ist zweigeteilt; beide Teile dieses
Gürtels verlaufen jeweils vom äußeren Rand der
Taschenrückseite durch den Seitenbereich hindurch auf die
Vorderseite und werden dort mit einem Verschlußelement
zusammengehalten; der Verschluß kann zusätzlich mit
einem Schloss gesichert werden.
In Bezug auf Birkin stellt sie auf folgende Merkmale ab:
auffallend schmaler oberer Rand; seitlich betrachtet wirkt
die Tasche beinahe dreieckig,
zwei Griffe: ein Griff ist mit zwei Befestigungspunkten im
oberen Bereich der Taschenvorderseite, der andere Griff ist in
gleicher Weise und in gleicher Höhe an der
Taschenrückseite angebracht,
eine nach unten hin dreigeteilte Lasche, die den oberen
Bereich der Taschenvorderseite bedeckt und von einem horizontalen
"Taschengürtel" gehalten wird; die Lasche ist an den Seiten
in Höhe des Taschengürtels und auch im Bereich der
Griffbefestigungen ausgeschnitten. In Höhe dieser
Ausschnitte sind auf der Taschenvorderseite selbst zwei Haken
angebracht,
der Taschengürtel ist zweigeteilt; wie beim Modell
"Kelly" verlaufen beide Teile des Gürtels jeweils vom
äußeren Rand der Taschenrückseite durch den
Seitenbereich hindurch auf die Vorderseite und werden dort mit
einem Verschlusselement zusammengehalten. Abweichend vom Modell
"Kelly" wird der Gürtel jedoch zusätzlich von den zuvor
erwähnten Haken "gehalten". Auch beim Modell "Birkin" ist
eine zusätzliche Sicherung des Verschlusselements durch ein
Schloss vorgesehen.
Soweit die Beklagte auf ähnlich aussehende andere Taschen
verweise, sei dieser Einwand unerheblich, denn entweder seien die
Hinweise zu unspezifiziert oder die Produkte seien nicht auf dem
bundesdeutschen Markt präsent. Im übrigen gehe sie
gegen eine Vielzahl von Nachahmern vor und es sei
anerkanntermaßen nicht schädlich, wenn es einem
Verletzten nicht auf einen Schlag gelinge, den Vertrieb aller
Nachahmungen zu unterbinden.
Sie vertritt die Auffassung, die im Antrag wiedergegebenen
Taschen, die die Beklagte verkauft habe, wiesen praktisch alle
vorgenannten Elemente auf. Die Beklagte verhalte sich damit u.a.
deshalb unlauter, weil sie damit den guten Ruf dieser Taschen
ausbeute.
Zu ihrer Aktivlegitimation weist sie auf ihre
Handelsregistereintragung sowie auf das Organigramm der
Unternehmensgruppe Hermés hin; die früher einmal
aufgestellte Behauptung der Fa. Hermés International,
ihrerseits Herstellerin zu sein, beruhe auf einem
Informationsirrtum der Prozessbevollmächtigten und werde
nicht mehr wiederholt. Hermés International sei aber
unabhängig von der Klägerin aktivlegitimiert, denn
dieses Unternehmen sei innerhalb der Unternehmensgruppe für
den Vertrieb zuständig.
Sie beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis
zu EUR 250.000,- zu unterlassen,
Damen-Handtaschen - wie nachstehend
fotografisch abgebildet - auch in anderer Farbe oder aus anderem
Leder bzw. Oberflächenmaterial -, feilzuhalten, zu bewerben,
anzubieten und/oder sonstwie in Verkehr zu bringen:
Es folgen Abbildungen von 2
Handtaschen
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
in welchem Umfang sie Handlungen
gemäß I.1. vorgenommen hat, und zwar unter Vorlage
eines Verzeichnisses, aus welchem - gegliedert nach
Kalendermonaten - Werbeaufwand (unter Nennung der Art der
Werbeträger, der Auflage, der Erscheinungszeit, des
Verbreitungsraumes und der Werbekosten), Lieferzeiten,
Lieferorte, Liefermengen und Umsätze sowie Gewinne - unter
Benennung und Bezifferung aller Kostenfaktoren - ersichtlich
sind.
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, den diese durch die
unter Nr. I.1. genannten Handlungen erlitten hat oder noch erlei
den wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten das Bestehen eines
Wettbewerbsverhältnisses und halten die Klägerin nicht
für aktiv legitimiert.
In der Sache leugnen sie eine wettbewerbliche Eigenart der
Taschen von Hermès und meinen jedenfalls, mit
Rücksicht auf die tatsächliche Marktsituation scheide
ein unlauteres Verhalten ihrerseits aus.
Die Akten 81 O 74 (Retent), 135, 142, 198, 209/02 und 45/03
Landgericht Köln sind zur Information Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und
Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten auch dann, wenn sie
Herstellerin der fraglichen Taschen ist, nicht wie begehrt
Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verlangen, weil die
Beklagte schon deshalb keine Unterlassung schuldet, weil der
Vertrieb der streitgegenständlichen Taschen nicht unlauter
ist, § 1 UWG.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Umstand, dass die
Nachahmung von nicht sonderrechtlich geschützten Objekten
grundsätzlich frei möglich ist und zwar auch dann, wenn
die Nachahmung mit 100%iger Identität erfolgt; nur vor
diesem Hintergrund macht die Existenz von Sonderschutzrechten
Sinn, auf die sich die Klägerin für keine ihrer Taschen
berufen kann.
Ausnahmen von diesem Grundsatz sind z.B. dann anzunehmen, wenn
das nachgeahmte Produkt über Merkmale verfügt, die
geeignet sind, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen
hinzuweisen (wettbewerbliche Eigenart), und in der Art und Weise
der Nachahmung Umstände festzustellen sind, die die
Übernahme als unlauter erscheinen lassen.
Mit der Klägerin ist die Kammer der Auffassung, dass es
sich bei allen vorliegend in Rede stehenden Taschen um solche
handelt, die von Hause aus über wettbewerbliche Eigenart
verfügen, sodass sie grundsätzlich auch im Rahmen des
§ 1 UWG schutzfähig sind; nähere Darlegungen
erübrigen sich an dieser Stelle aber deshalb, weil es wegen
der noch abzuhandelnden Besonderheiten des Sachverhaltskomplexes
"Hermès Taschen" darauf letztlich ebenso wenig ankommt wie
auf die Erörterung von Unlauterkeitselementen wie
vermeidbare Herkunftstäuschung oder Schmarotzen an fremdem
guten Ruf, um die vorliegend nächstliegenden
anzusprechen.
Im "Normalfall" eines Verfahrens, in dem auf Unterlassung des
Vertriebs einer Nachahmung im Wege des ergänzenden
wettbewerblichen Leistungsschutzes angetragen wird, wird
vorgegangen aus der Position des Vermarkters eines Produktes,
welches auf dem Markt präsent ist und dies in einem
spürbaren Umfang (vgl. BGH, Urteil vom 8.11.2001
"Noppenbahnen", Leitsatz b)). Es geht hierbei darum, dass -
anders als bei der Nachahmung eines sonderrechtlich
geschützten Produktes - ein Verbot nur ausgesprochen werden
kann, wenn die Nachahmung eine wettbewerbliche Störung zur
Folge hat: "unlauter" bei der Beeinflussung der angesprochenen
Verkehrskreise kann eine Nachahmung nur dann wirken, wenn das
Vorbild nicht völlig unbekannt ist, denn nur dann sind
Herkunftstäuschung und/oder Imagetransfer denkbar.
Üblicherweise entwickelt sich die nach Maßgabe des
soeben Dargelegten erforderliche Bekanntheit des Vorbildes durch
den Markterfolg des in Rede stehenden Produktes; eine effektiv
wirkende Werbung steigert die Menge des Absatzes des jeweiligen
Produktes beim Endverbraucher ebenso wie sonstige Qualitäten
seinen Ruf festigen.
Bei den Hermès - Taschen liegt der Fall anders.
Es handelt sich bei ihnen um Produkte der höchsten
Luxusklasse, ohne dass sich aus den deshalb naturgemäß
relativ geringen Absatzzahlen ein Hindernis für die Annahme
der Schutzfähigkeit ergäbe; überraschend - aber
auch noch nicht entscheidend - ist immerhin, dass die
Klägerin in bisher keinem Verfahren auch nur annähernd
eine Umsatzzahl für die Taschen genannt hat.
In diesen Zusammenhang passt es, dass es unstreitig ist, dass
eine Hermès - Tasche - die ohnehin nur in den
Hermès - eigenen Geschäftslokalen verkauft werden -
in aller Regel im Geschäft nicht vorrätig ist und sie
eine ganz außergewöhnlich lange Lieferzeit haben; ein
Normalverbraucher wird deshalb in seinem Leben kaum je eine
Original Hermès - Tasche zu Gesicht bekommen, auch wenn er
sie aus Büchern oder Zeitschriften kennen sollte. Selbst in
den vorliegenden Verfahren hat die Klägerin kein einziges
fabrikfrisches Exemplar ihrer eigenen Produkte vorgelegt - die im
Haupttermin vorgestellten Taschen sind nach Erinnerung des
Gerichts allesamt von Endverbrauchern ausgeliehene Modelle
gewesen.
Gleichwohl - und dies ist die erste Besonderheit des
Sachverhaltskomplexes Hermès - Taschen - g eht die Kammer
für die Entscheidung davon aus, dass die Modelle Kelly und
Birkin über eine im Sinne der Schutz voraussetzung
ausreichende Bekanntheit verfügen, denn die Klägerin
hat durch die Vorlage einer Vielzahl von Ve röffentlichungen
in erster Linie für Kelly aber auch durchaus auch für
Birkin anschaulich dargelegt, dass dies e Taschenmodelle - teils
auch unter falschen Bezeichnungen - allen mehr oder weniger
interessierten Verbrauche r(innen) bekannt sind als Taschen mit
einem ganz hochstehenden Ruf; hierbei kommt es nicht darauf an,
ob sie d amit den Namen gerade der Klägerin verbinden
(und/oder ob die Verbraucher mit dem Namen Hermès
überhaupt konkr et eine Vorstellung verbinden), aber selbst
das ist in vielen Fällen anzunehmen, weil der Name der
Firmengrupp e der Klägerin in den Veröffentlichungen
oft hinzugefügt ist. Hierbei handelt es sich - auch das ist
nicht ohn e Bedeutung - um internationale
Veröffentlichungen, nicht etwa nur um innerhalb von
Deutschland erschienene Te xte und/oder um Texte, die
internationale Begebenheiten zum Gegenstand haben; gerade die
Internationalität der Hermès - Taschen machen einen
Teil ihrer exklusiven Anmutung aus.
Im "Normalfall" muss die notwendige, ausreichende Präsenz
auf dem bundesdeutschen Markt vorhand en sein und deshalb sind
regelmäßig nur die Umsätze innerhalb der
Bundesrepublik Deutschland relevant. Die vor stehenden
Erwägungen haben aber zur Konsequenz, dass vorliegend die
allgemeinen Marktverhältnisse zumindest im europäischen
Ausland auch für die Einwände der Beklagtenseite von
maßgeblichem Belang sind, denn so wie sich die Bekanntheit
der Hermès - Taschen (auch) von einer dortigen
Marktpräsenz herleitet und auch stärkt, sind au ch
Entgegenhaltungen aus anderen europäischen Ländern zu
berücksichtigen und gegebenenfalls als schwächend in
die Abwägung einzubeziehen. Ganz allgemein wird
festzustellen sein, dass in Fällen der hier vorliegenden Art
e ine strenge Abgrenzung nach nationalen Grenzen den
tatsächlichen Gegebenheiten - auch aus der gewünschten
Sich t eines Unternehmens wie der Klägerin - nicht (mehr)
gerecht wird und für solch' hochpreisigen und exklusiven
Produkte räumlich erweiterte Grenzen gelten.
Dabei bezieht sich die Auffassung der Kammer nur auf die
vorliegend zu beurteilende Konstellati on, in der das nachgeahmte
Vorbild als solches immer eine Art "Phantom" gewesen und es bis
heute geblieben ist .
Diese Konstellation bringt es nämlich mit sich, dass das
"Original" Leben letztlich nur gewinnt durch Nachahmungen, weil
ein Verbraucher - siehe oben - Taschen in der fraglichen
Gestaltung nur als Nachahmu ng unmittelbar erlebt; dies
unterscheidet Taschen von Hermès signifikant von anderen
Luxusgütern wie z.B. Auto s der Marke Rolls Royce oder Uhren
der Marke Rolex: diese kann man im Original tatsächlich hin
und wieder sehe n, auch wenn sie nur in (relativ) geringen
Stückzahlen verkauft werden.
Alles das ist zwar noch nicht für sich allein, wohl aber
in Verbindung mit der Tatsache von ent scheidender Bedeutung,
dass weder die Klägerin (noch ein anderes Unternehmen aus
der Hermès - Gruppe) vor (frü hestens) 1997 gegen
Nachahmungen von Kelly - und/oder Birkin - Taschen vorgegangen
ist, obwohl sich schon jahr elang zuvor europaweit eine Art
"zweiter Markt" entwickelt hat, der Taschen im markanten Aussehen
von Kelly un d/oder Birkin umgesetzt hat; vor diesem Hintergrund
erscheint es ausgeschlossen, die Fortsetzung dieses auf je den
Fall deutlich länger als ein Jahrzehnt lang jedenfalls
objektiv geduldeten Verhaltens als "unlauter" zu be werten. Es
widerspricht nicht den Anschauungen des redlichen
kaufmännischen Verkehrs, ein Verhalten aufzugreif en, das
viele Jahre lang - von der Berechtigten unbeanstandet -
massenhaft praktiziert wird. Eine wirkliche Be
einträchtigung der Marktposition der Klägerin ist zudem
schon wegen der sich nicht überschneidenden Marktsegme nte
der Exklusivware einerseits und der (im Verhältnis dazu)
Massenware andererseits praktisch auszuschließen, sodass
auch ein ordentlich und seriös denkender und handelnder
Kaufmann eine Billigung seitens der Gruppe Her mès als
durchaus sinnvoll und möglich ansehen kann, weil der "Zweite
Markt" durchaus auch als Werbung für das exklusive Vorbild
wirken kann.
Die Kammer lässt ausdrücklich offen, ob die dem
Spitzenrepräsentanten von Hermès, E, zugeschrie bene
Äußerung, es sei "wunderbar", imitiert zu werden,
tatsächlich so gefallen ist oder nicht: verhalten hat s ich
die Klägerin jedenfalls zumindest bis 1997 so, als ob genau
diese Einstellung ihr Motto gewesen sei. In di esem Zusammenhang
sei zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass die Kammer nicht
der Auffassung ist, die Hermè s - Taschen hätten
mittlerweile ihre wettbewerbliche Eigenart verloren; trotz der
Entwicklung des "Zweiten Mar ktes" wird der Verkehr ein Original
von Hermès durchaus noch erkennen, sodass von daher die
Voraussetzungen fü r einen Schutz im Sinne der "Les Paul" -
Entscheidung immer noch gegeben sind. Den entscheidenden
Unterschied in der Bewertung nach den Kriterien lauter/unlauter
macht - über den Umstand hinaus, dass "Les Paul" - Gitarre n
keine Phantom sind - die jahrelange faktische Duldung dieses
Zustandes.
Im Einzelnen:
Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Händler
- für die folgende Darstellung wird der Vor trag aller
Beklagter zusammen genommen, denn zu diesem Zweck sind die Akten
der Parallelverfahren wechselseiti g zum Gegenstand der
Verhandlung gemacht worden - haben eine große Vielzahl zum
einen von Handtaschen als Ansc hauungsstücken und zum
anderen von Katalogen - zum Teil als Originale - zur Akte
gereicht oder - dies gilt für die 5 Exemplare der
Zeitschrift B aus den 80er Jahren, wie auf Seite 7 oben des
Schriftsatzes der Beklagten i m Verfahren 81 O 45/03 (Bl. 229
d.A.) beschrieben - zum Beleg der Tatsache, aus welchen Jahren
die als Kopien aus dieser Zeitschrift zu den Akten gereichten
Urkunden stammen; aus den Urkunden insgesamt ergibt sich auch o
hne eine Beweisaufnahme (durch Vernehmung von Zeugen über
Zeitpunkt und Ort eines Taschenerwerbs), dass und se it wann der
Handtaschenmarkt von Kelly - und Birkin - Nachahmungen geradezu
überschwemmt wird.
Für das Modell Kelly können für die Zeit der
"Duldung" folgende Nachahmungen festgestellt werde n:
1967
Anlage B 35 der Akte 81 O 209/02:
Lederwarenreport
1978
Anlage B 36 der Akte 81 O 209/02: Anzeige "Le
Crocodil" aus dem Lederware nreport
1991
Anlage B 54 der Akte 81 O 209/02: N-Katalog,
für den die Besonderheit bes teht, dass die Produkte nicht
nur jahrelang unbeanstandet vertrieben worden sind, sondern die
mittlerweile nac h Beanstandung rechtskräftig für
zulässig angesehen worden sind.
1992
Anlage B 44 der Akte 81 O 209/02: Bericht in der
Zeitschrift "B1 " mit Hi nweisen auf Kelly-Look bzw. Kelly von
Ferrici mit Preisangaben
1992
Anlage B 15 der Akte 81 O 45/03:
Original-Prospekt C
1992
Anlage B 25 der Akte 81 O 249/02: Offenbacher
Lederwarenmesse; Firma M
1993
Anlage B 55 der Akte 81 O 209/02: Katalog S
[Kelly von 2 verschiedenen Herstellern]
1995 - 97
Anlage B 10 - B 13 der Akte 81 O 249/02:
Kelly-Modelle vonQ, auch in L-We rbung
1995
Anlage B 42a der Akte 81 O 209/02: Kelly von
S1
1996 - 97
Anlage B 19 der Akte 81 O 209/02: Werbung
C1
1997
Anlage B 41a der Akte 81 O 209/02: Bericht
über die Lederwarenmesse 1997 mit Kelly - Tasche von
1997
Anlage B 4 der Akte 81 O 45/03: Titelblatt
Lederwarenreport mit Taschen v on B1
1998
Anlage B 56 der Akte 81 O 209/02: Katalog
N1
Für das Modell Birkin können für die Zeit der
"Duldung" folgende Nachahmungen festgestellt werd en:
1989
Anlage B 57 der Akte 81 O 45/03: Arpel Nr.143,
Birkin von T
1991
Anlage B 58 der Akte 81 O 45/03, Birkin von
N2
1991
Anlage B 59 der Akte 81 O 45/03, Birkin von
1992
Anlage B 75 der Akte 81 O 45/03: Arpel, Birkin
von M
1997
Anlage B x der Akte 81 O 45/03: Birkin-Art auf
Seite 43 des Lederwarenrep orts 12/97
1998
Anlage B 56 der Akte 81 O 209/02: Katalog N1 mit
Birkin-Art
Bei dieser Liste sind nur Veröffentlichungen
berücksichtigt bis zum Beginn der nachhaltigen Mar
ktbeobachtung; für den Zeitraum bis heute kommt eine beinahe
unüberschaubare Menge weiterer Handtaschen hinzu, die aus
der Sicht der Klägerin als Nachahmungen angesehen werden
können. Viele dieser Nachahmermodelle weisen - wie im
Haupttermin anhand der Anschauungsstücke erläutert
worden ist - kleinere oder größere Abweichungen v on
der Ausgestaltung der Hermès - Taschen auf, ohne dass dies
für die hier zu treffende Entscheidung eine Roll e spielt:
auch eine an 100% heranreichende Ähnlichkeit begründet
kein Unlauterkeitsmerkmal, sodass die Prüfung der
tatsächlich streitgegenständlichen Taschen auf
Übereinstimmung oder Abgrenzung nicht vorgenommen zu werde n
braucht.
Auch spielt es letztlich keine Rolle, ob die Klägerin
doch schon früher im Ausland gegen Nachah mer aktiv geworden
ist. Ganz abgesehen davon, dass der diesbezügliche Vortrag
der Klägerin sehr wenig substanz iell ist hat er ganz
offenbar keine spürbare Wirkung gehabt. Aus demselben Grund
- eine erschlagende Vielzahl von Kelly- und Birkin-ähnlichen
Taschen - sind die im Einzelfall gar nicht so ohne
weiteres von der Han d zu weisenden Einwände der
Klägerin gegen die Konkretheit der Beispiele aus dem Umfeld
insgesamt ohne Erhebli chkeit: die Kammer hat die
Überzeugung gewonnen, dass sich mit Duldung der
Klägerin ein "Zweiter Markt" entwic kelt hat, der einem
Unterlassungsanspruch der Klägerin jedenfalls zum jetzigen
Zeitpunkt entgegensteht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709
ZPO.
Streitwert: EUR 250.000,- [Unterlassung EUR 200.000,- -
die Beklagte ist Herstellerin -; Auskunft und
Schadensersatzfeststellung EUR 50.000,-]
LG Köln:
Urteil v. 30.01.2004
Az: 81 O 249/02
Link zum Urteil:
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