Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 9. Dezember 2008
Aktenzeichen: NotZ 53/07
(BGH: Beschluss v. 09.12.2008, Az.: NotZ 53/07)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2007 - Not 65/06 (F) - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner schrieb am 2. November 2005 auf seiner Internetseite 25 Notarstellen - erstmalig zur hauptberuflichen Amtsausübung - an 15 Amtssitzen im badischen Rechtsgebiet, unter anderem drei in F. , aus. Die Antragstellerin bewarb sich auf eine dieser Stellen und auf eine weitere.
Die Antragstellerin wurde am 31. August 1992 zur Richterin auf Probe in Niedersachsen ernannt. Nach ihrem Wechsel in den badenwürttembergischen Landesdienst wurde sie am 2. Februar 1998 als Notarvertreterin an das Notariat F. und später an das Notariat W. abgeordnet. Dort wurde sie am 2. Oktober 2000 zur Justizrätin ernannt. Seit dem 15. Juli 2003 war sie mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstvorstandes dieses Notariats beauftragt, bevor sie am 1. März 2004 zur Oberjustizrätin befördert wurde.
Auf die ausgeschriebenen 25 Notarstellen gingen innerhalb der Bewerbungsfrist, die am 30. November 2005 endete, von 102 Interessenten insgesamt 655 Bewerbungen ein. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Qualifizierungen der verschiedenen Bewerbergruppen vor allem im notarspezifischen Bereich entschied sich der Antragsgegner gegen die vorherige Aufstellung eines abstrakten Bewertungs- und Auswahlschemas, etwa in Form eines Punktesystems, und stattdessen für eine alle Bewerber vergleichende individuelle Eignungsprognose. Dazu brachte er in einem ersten Schritt das gesamte Bewerberfeld unabhängig von einem bestimmten Amtssitz in eine Reihenfolge unter Auswertung der für jeden Bewerber erstellten Einzelprofile, in die insbesondere folgende Kriterien einflossen:
- Ergebnisse der beiden juristischen Staatsprüfungen insbesondere das Resultat der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung,
- Beurteilungen im Rahmen der notariellen Tätigkeit,
- Umfang der berufspraktischen Erfahrung,
- quantitative Arbeitsergebnisse,
- notarspezifische Qualifikationsmerkmale (Fortbildungs-, Vortrags-, Dozenten- oder Veröffentlichungsaktivitäten, notarspezifische Promotionen),
- Verdienste im Rahmen des beruflichen Werdegangs als Notar im Landesdienst einschließlich des Erreichens von Beförderungsstufen sowie etwaiger Zusatzqualifikationen.
Dabei vergab er aus dem Kreis der besten Bewerber der im badischen Rechtsgebiet bestellten Notare im Landesdienst qualifikationsabstufend die ersten 18 Plätze. Er berücksichtigte besonders die Note des abschließenden Staatsexamens und das aus den Beurteilungen der Landgerichtspräsidenten abgeleitete notarspezifische Bewährungsprofil. Die weiteren 15 Plätze, die für die Besetzung aller Stellen infolge der von Mehrfachbewerbern angegebenen bevorzugten Amtssitze erforderlich wurden, ermittelte er durch einen Vergleich der übrigen Bewerber. Die so festgelegte Qualifikationsreihenfolge auf den ersten 33 Plätzen legte er den einzelnen Besetzungsvorschlägen zugrunde, bei denen sich die Bewerber um die jeweilige Stelle abschließend unmittelbar vergleichend gegenübergestellt sehen.
Die Antragstellerin kam hierbei auf Platz 24. Die übrigen Beteiligten, die sich gleichfalls auf die mit dem Amtssitz in F. ausgeschriebenen Stellen beworben hatten, belegten die Plätze acht (G. ), zehn (W. ) und elf (K. ).
Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin unter auszugsweiser Beifügung der Auswahlentscheidung mit, dass ihrer Bewerbung auf die Stelle in F. die der besser platzierten Beteiligten sowie weiterer Bewerber vorgingen. Er beabsichtige, diese Stelle mit dem Mitbewerber S. und den weiteren Beteiligten W. und K. zu besetzen (hinsichtlich des Bewerbers S. war allerdings ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung des weiteren Mitbewerbers P. erfolgreich); die sonstigen vorrangigen Bewerber erhielten andere Stellen.
Die Antragstellerin sieht sich durch die getroffene Auswahlentscheidung in ihren Rechten verletzt. Sie beanstandet das Auswahlverfahren insgesamt. Im Übrigen meint sie, die Einzelabwägung der sie betreffenden Auswahlkriterien sei unzureichend.
Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid des Antragsgegners Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit dem sie in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts und die Verpflichtung des Antragsgegners zur Neubescheidung in dem Verfahren über die Besetzung der Notarstellen in F. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes verfolgt hat.
Das Oberlandesgericht hat ihren Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie nimmt auf ihre Rechtsausführungen in der Vorinstanz Bezug.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO), in der Sache jedoch unbegründet. Die von dem Antragsgegner getroffene Auswahl erweist sich unter Berücksichtigung ihrer eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Gerichte (vgl. z.B.: Senatsbeschlüsse BGHZ 124, 327, 330 f und vom 14. März 2005 - NotZ 27/04 - NJW-RR 2006, 55, 56) nicht als rechtswidrig.
1. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Nummern 1-3 und 5-8 des ebenfalls die Antragstellerin betreffenden Beschlusses vom selben Tag (NotZ 9/07) Bezug. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend für die Besetzung der für den Amtssitz F. ausgeschriebenen Stellen und für die vom Antragsgegner insoweit vorrangig berücksichtigten Mitbewerber. Soweit sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren darauf berufen möchte, der Antragsgegner habe bei dem Vergleich mit ihren Konkurrenten um die Stellen in F. zu ihrem Nachteil außer Acht gelassen, dass ihr nicht ausreichend Gelegenheit zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen gegeben worden sei, gelten jedenfalls die Erwägungen zu Nummer 6 und 7 des vorgenannten Beschlusses entsprechend.
2. Der Antragsgegner hat bei seiner Auswahlentscheidung auch die dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und ihrer konkurrierenden Mitbewerber, insbesondere die aus Anlass der Bewerbung um die ausgeschriebenen Notarstellen erstellten, berücksichtigt. Auch insoweit ist im Ergebnis nichts zu beanstanden.
a) Der Senat hat aufgrund einer in dem den Amtssitz in E. betreffenden Verfahren NotZ 24/07 erhobenen Rüge des dortigen Beschwerdeführers eine dienstliche Äußerung des Präsidenten des Landgerichts F. über das Zustandekommen der Anlassbeurteilungen eingeholt. Die dienstliche Äußerung, zu der auch der Antragsteller, der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten Stellung nehmen konnten, hat zwar ergeben, dass der vom Präsidenten des Landgerichts mit der Vorbereitung dieser Beurteilungen betraute "FG-Referent" aufgrund des Zeitdrucks und seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Dienstprüfungen (mehr) vorgenommen, sondern sich darauf beschränkt hat, die Anzahl der von den Bewerbern bearbeiteten UR- und GRG-Nummern der letzten zwei oder drei Jahre abzufragen und die Amtsnotare zu bitten, ihre Nebentätigkeiten sowie persönliche Umstände, die ihrer Meinung nach beurteilungsrelevant waren, mitzuteilen. Dies allein gibt jedoch dem Senat keine Veranlassung, die Richtigkeit der Beurteilung in Frage zu stellen, zumal niemand, der an den die Amtssitze F. und E. betreffenden gerichtlichen Verfahren beteiligt ist, mit Substanz geltend gemacht hat, dass sich etwaige Defizite im Beurteilungsverfahren auf Inhalt und Ergebnis der Beurteilung nachteilig ausgewirkt hätten. So hat insbesondere die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, keine inhaltlichen Einwendungen gegen ihre Beurteilung zu haben. Dabei ist weiter zu beachten, dass die in den Anlassbeurteilungen und kurz davor vielfach vorgenommenen Notenverbesserungen ersichtlich nicht auf eine festgestellte erhebliche Leistungssteigerung (in teilweise kurzen Zeitabständen) zurückzuführen sind. Die Notenanhebungen dienten vielmehr erkennbar in erster Linie dem Zweck, die bei einer früheren Beurteilung zum Erreichen einer landesweit besseren Vergleichbarkeit der Notengebung vorgenommene Absenkung der Note (siehe dazu sogleich b) wieder nach oben zu korrigieren. Dies machen gerade die hinsichtlich der Antragstellerin erstellten Beurteilungen deutlich (7 Punkte Anlassbeurteilung Juni 2000; 6 Punkte Regelbeurteilung Oktober 2002 und bei der Anlassbeurteilung im April 2003, sowie 7 Punkte bei der Regelbeurteilung im Juli 2005 und der Anlassbeurteilung im Dezember 2005).
b) Ein Beurteilungsdefizit besteht auch nicht darin, dass der Antragsgegner die Umstände, die zu der Absenkung der Gesamtnoten, mit der die Antragstellerin beurteilt wurde, in den Jahren 2002 und 2003 (s.o.) führten, nicht ausdrücklich berücksichtigt hat. Diese ist zwar nicht auf ein zwischenzeitliches Nachlassen der Leistungen zurückzuführen. Wie die seinerzeitige Präsidentin des Landgerichts F. im Text der Beurteilung vom 2. Oktober 2002 ausdrücklich ausgeführt hat, lag der Notenabsenkung lediglich die Absicht zugrunde, die landesweiten Bewertungsmaßstäbe anzugleichen. Dies hat sich aber nicht zum Nachteil der Antragstellerin ausgewirkt. Dies ist offensichtlich, soweit es um den weiteren Beteiligten W. geht, der auch aus dem Landgerichtsbezirk F. stammt und ebenfalls eine zwischenzeitliche Notenabsenkung hinnehmen musste. Gleiches gilt aber auch für den im Landgerichtsbezirk W. ansässigen Mitbewerber G. , der bereits in der Regelbeurteilung Oktober 2002 die Höchstpunktzahl von acht Punkten erreicht hatte und später (Regelbeurteilungen Dezember 2002 und Juli 2005) auf sieben Punkte herabgestuft wurde. Von einer Herabsetzung verschont wurde allerdings der im Landgerichtsbezirk O. tätige Mitbewerber K. , der seit August 2002 durchgängig mit sieben Punkten bewertet wurde. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Antragstellerin infolge der Notenabsenkung gegenüber Bewerbern aus anderen Landgerichtsbezirken benachteiligt wurde. Zudem liegt es im Beurteilungsspielraum des Antragsgegners, den weiteren Beteiligten K. auch wegen der günstigeren Ergebnisse der Staatsexamen für besser geeignet zu halten.
3. Weiterhin ist es entgegen der Auffassung der Antragstellerin für die Auswahlentscheidung unerheblich, dass dem Antragsgegner nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2007 (Not 99/06 [F]) ein Abwägungsfehler betreffend die Stellen mit Amtssitz in F. im Verhältnis zwischen dem weiteren Beteiligten P. und dem Mitbewerber S. unterlaufen ist. Hieraus folgt nicht, dass die Abwägung zwischen der Antragstellerin und den weiteren Beteiligten bei der Besetzung fehlerhaft ist. Maßgeblich für die Entscheidung des Oberlandesgerichts war, dass der Amtsnotar P. bei der Anlassbeurteilung den im Bewerberfeld nur vereinzelt vergebenen Punktwert von 7,5 erreicht hat und damit um einen ganzen Punkt vor Oberjustizrat S. lag. Hieraus folgt indessen nicht, dass die Abwägung zwischen der Antragstellerin und den weiteren Beteiligten fehlerhaft war.
Auf die Rüge der Antragstellerin, der Mitbewerber S. sei ihr gegenüber nicht vorzuziehen, braucht der Senat nicht mehr einzugehen, da der Antragsgegner die Auswahlentscheidung insoweit aufgrund des vorbezeichneten Beschlusses des Oberlandesgerichts ohnehin neu zu treffen haben wird.
Schlick Galke Herrmann Doye Eule Vorinstanz:
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 16.02.2007 - 22 Not 65/06 (F) -
BGH:
Beschluss v. 09.12.2008
Az: NotZ 53/07
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