Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 29. Oktober 2002
Aktenzeichen: 2 ARs 222/02

(OLG Köln: Beschluss v. 29.10.2002, Az.: 2 ARs 222/02)

Tenor

Dem Pflichtverteidiger wird eine Pauschvergütung in Höhe des Betrages der Regelgebühren zuzüglich 60.000,-- EUR (in Worten: sechzigtausend Euro) bewilligt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren hinausgehenden Pauschvergütung gemäß § 99 Abs.1 BRAGO ist in dem erkannten Umfang begründet.

Eine Pauschvergütung, auf die der Verteidiger gemäß Senatsbeschluss vom 31. Mai 2002 (2 ARs 97/02) einen Abschlag von 11.000,-- Euro erhalten hat, ist zu gewähren, weil es sich, wie dem Senat aus eigener intensiver Befassung mit der Sache bekannt ist, um eine in tatsächlicher und auch rechtlicher Hinsicht außerordentlich schwierige und zeitlich aufwendige Strafsache handelte. Die Ermittlungen, welche bereits seit 1996 geführt wurden, richteten sich gegen einzelne Mitglieder einer auf internationaler Ebene (vornehmlich in der Türkei, den Niederlanden und Deutschland) agierenden Bande von Betäubungsmittelstraftätern. Sie sind mit der Anklageerhebung vom 25. August 1999, welche insgesamt 10 Einzeltaten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - jeweils in einer Größenordnung zwischen 80 und 90 kg Heroin - zum Gegenstand hatte, zum Abschluss gebracht worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist der Verfahrensstoff auf ca. 4.500 Blatt Hauptakten zuammengetragen worden. Zusätzlich sind insgesamt weit über einhundert Beweismittelordner sowie Bände mit Telefonüberwachungsprotokollen geführt worden. In diesen - gemessen an den vor einer großen Strafkammer üblicherweise verhandelten Sachen - außergewöhnlich umfangreichen Verfahrensstoff mussten sich die Verteidiger, welche erst verhältnismäßig kurz vor dem Beginn der Hauptverhandlung beigeordnet worden sind, einarbeiten. Schwierigkeiten bereiteten dabei die teils in zu beanstandender Übersetzung vorliegenden Gesprächsprokolle aus der Telefonüberwachung. Die Verständigung mit dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Mandanten, der zudem im persönlichen Umgang schwierig war, hat dabei auch außerhalb der Hauptverhandlung durchweg nur unter Hinzuziehung eines Dolmetschers erfolgen können. Zur Vorbereitung sowie während der Hauptverhandlung hat der Verteidiger den durchgehend inhaftierten Mandanten zu insgesamt 36 Besprechungsterminen in der JVA aufgesucht.

Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten sowie den Mitbeschuldigten C.C. ist zunächst am 31. Januar 2000 und nach Vertagung der Sache sodann in der Zeit vom 27. März 2000 bis zum 10. Mai 2002 an insgesamt 104 Tagen, von denen der Verteidiger 89 (nicht wie in der Antragsschrift ausgeführt: 91) Termine wahrgenommen hat, durchgeführt worden. Rechtsanwalt J. ist dabei an 17 Verhandlungstagen zeitlich länger als sieben Stunden in Anspruch genommen worden, was nach der Rechtsprechung des Senats bereits ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Bewilligung einer Pauschvergütung rechtfertigt. Ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Verhandlung aufgrund von mehrfach anonym geäußerten Drohungen gegen verschiedene Verfahrensbeteiligte über weite Strecken unter äußersten Sicherheitsvorkehrungen begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot stattfinden musste. Den Maßnahmen, die auch auf die Gesamtatmossphäre des Prozesses nicht ohne belastenden Einfluss blieben, mussten sich sämtliche Verteidiger sowohl beim Betreten des Gebäudes, als auch des Sitzungssaales im Interesse der Sicherheit aller Beteiligten unterwerfen. Während der Hauptverhandlung hat der Verteidiger an insgesamt vier Rechtshilfeterminen im Ausland (drei jeweils mehrtägigen Reisen in die Türkei, die letzte beginnend am 2. Weihnachtsfeiertag 2001, sowie einen Vernehmungstermin in den Niederlanden) teilgenommen, was zu einer Ortsabwesenheit von insgesamt 21 Tagen geführt hat.

Die tatsächliche und rechtliche Bewertung der Tatvorwürfe hat ganz erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Die erkennende Strafkammer ist nach fast 17-monatiger Hauptverhandlung zu einer anderen Würdigung (Mitwirkung des Angeklagten an umfangreichen Geldtransferleistungen als Bestandteil des vorgeworfenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) gelangt. Auf diese abweichende Bewertung, die zu einer umfangreichen Erweiterung der Beweisaufnahme geführt hat, hatte sich auch die Verteidigung, und zwar sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht einzustellen. Haftfortdauer und Haftbedingungen waren immer wieder Gegenstand von Eingaben und Erörterungen.

Die genannten Umstände rechtfertigen insgesamt die Bewilligung einer Pauschvergütung, welche die Regelgebühren von 17.419,98 Euro um den zugebilligten Betrag übersteigt. Sie liegt wegen der dargestellten besonderen Schwierigkeiten des Falles noch deutlich oberhalb dessen, was der Senat in Sachen mit vergleichbar langer Verhandlungsdauer in der Vergangenheit an Pauschgebühren gewährt hat. Insgesamt, d.h. unter Berücksichtigung der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren erhält der Verteidiger eine Honorierung, welche im Bereich des Doppelten der Wahlverteidigerhöchstgebühren von vorliegend 35.003,56 Euro liegt.






OLG Köln:
Beschluss v. 29.10.2002
Az: 2 ARs 222/02


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