Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 44/03

(BPatG: Beschluss v. 23.03.2005, Az.: 28 W (pat) 44/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 10 - vom 7. August 2001 und 22. Oktober 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Für die nachfolgend wiedergegebene Wortkombinationals Kennzeichnung für die Waren "Dents artificielles"

hat die IR-Markeninhaberin um Schutz in Deutschland nachgesucht.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat das Schutzbegehren wegen mangelnder Unterscheidungskraft und des Bestehens einer freihaltungsbedürftigen beschreibenden Angabe gemäß §§ 107, 8 Abs 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bei der schutzsuchenden IR-Marke handele es sich um einen lexikalisch nachweisbaren Fachbegriff der Zahntechnik für besonders geformte Kunstzähne, den die angesprochenen Fachkreise nicht als Betriebshinweis auffassen würden und den die Mitbewerber zur unbehinderten Verwendung benötigten.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die IR-Markeninhaberin ihr Schutzbegehren weiter und macht geltend, dass ihr Markenwort als Fachbegriff stets nur im Zusammenhang mit dem Namen "Gerber", dem Rechtsvorgänger der IR-Markeninhaberin, nicht aber als isolierte Gattungsbezeichnung und schon gar nicht durch Dritte verwendet werde. Dementsprechend bezögen sich die von der Markenstelle ermittelten Fundstellen lediglich auf die IR-Markeninhaberin selbst, so dass die IR-Marke durchaus zur Unterscheidung geeignet und nicht freihaltungsbedürftig sei, zumal die Marke seit 20 Jahren in der Schweiz eingetragen sei und daher auch tellequelle-Schutz beansprucht werde.

Der Senat hat bei verschiedenen Verbänden um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise (Endabnehmer, Händler oder Hersteller) die hier betroffene Wortfolge als bloßer Sachhinweis auf Kunstzähne bzw. ihrer Eigenschaften verstanden würden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Schutzausdehnung der IR-Marke auf Deutschland steht weder das Eintragungshindernis des Freihaltungsbedürfnisses (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) noch das der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) entgegen.

1. An der schutzsuchenden IR-Marke besteht in Bezug auf die beanspruchten Waren kein Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, denn es ist nicht feststellbar, dass sie als konkrete Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der IR-Markeninhaberin freigehalten werden müsste.

Um eine IR-Marke von der Schutzausdehnung auszuschließen (auf die nach §§ 107, 33 Abs 2 S 2 MarkenG ein Anspruch besteht, so dass Zweifel letztlich zugunsten der Marke zu werten sind), bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich die Wortfolge ausschließlich und unzweideutig zur Beschreibung der Waren eignet. Die bloße Vermutung oder Möglichkeit, dass eine Marke in einem bestimmten Sinn verstanden wird und sich daraus ein warenbeschreibender Bezug ergeben könnte, genügt nicht.

Im vorliegenden Fall konnte hinsichtlich der hier streitigen Waren ein rein beschreibender Gebrauch der Wortkombination im Inland nicht belegt werden.

In Wörterbüchern und Fachlexika finden sich zu "condyloform" keine Einträge, lediglich "condylus/kondylus" ist als Hinweis auf "Gelenkkopf" verzeichnet (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, S. 887; Zetkin/Schaldach, Lexikon der Medizin, 16. Aufl. 1999, S. 370; Der Gesundheits-Brockhaus, 5. Aufl. 1999, S. 699). In einem einzigen (Lexikon Zahnmedizin, Zahntechnik, 2000, S. 428) von mehreren zahnmedizinischen Lexika wird die beanspruchte Wortfolge unter dem Stichwort "Kondyloformzahn" erläutert als "künstlicher Seitenzahn für die Totalprothetik nach dem "Mörser-Pistill-Prinzip"", wo wiederum (aaO., S. 513) auf die Urheberschaft der Begriffsbildung bzw. der "Kondylartheorie" von Professor Gerber hingewiesen wird (ebenso verweist Lautenbach, Wörterbuch Zahnmedizin, 1992, S. 250 f. unter dem Stichwort "Kondylator" auf die Entwicklung durch Prof. Gerber).

Auch die spärlichen Hinweise auf deutschsprachigen Seiten im Internet geben keinen sicheren Aufschluss über die rein beschreibende Verwendung des Markenwortes. Teilweise wird es eindeutig markenmäßig verwendet (www.candulor. de/pages/de/zae/44.htmlwww.leickertdental.de/news_candulor.htmwww.wieladent .at/pages/prod_candulor.html; ; ;), andererseits auch beschreibend, allerdings unter Verweis auf die Urheberschaft der entsprechenden Prothetik von Professor Gerber (koerholz, wieladent). Die von der Markenstelle herangezogenen Belege enthalten ebenfalls diesen Bezug: danach sind "Condyloformzähne... die Kunstzähne nach Professor Gerber", am Ende des Stichworteintrages heißt es "die Gerberschen Kunstzähne ..." (vgl. Hohmann/Hielscher, Lexikon der Zahntechnik, S. 129). Die Feststellungen des Senats gehen über diesen Sachstand nicht hinaus.

Gegen eine freihaltungsbedürftige Angabe sprechen überdies die auf die vom Senat eingeleitete Verbandsanfrage eingegangenen Stellungnahmen mit unmissverständlicher Klarheit. Alle Verbände, die sich zu den gestellten Fragen geäußert haben - Berufsverband der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen e.V. (BdA), Bundesverband Dentalhandel e.V. (BVD), Freier Verband deutscher Zahnärzte e.V. (FVDZ) und Verband deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) - halten die Wortfolge für keinen eindeutig beschreibenden Sachhinweis, sondern überwiegend für einen Hinweis auf die von Professor Gerber entwickelte Bauform von künstlichen Zähnen. Dementsprechend wird auch einhellig ein Interesse der Verbände oder ihrer Mitglieder an der freien Verwendung der Wortfolge - auch für die Zukunft - verneint. Zwar legt der VDZI dar, dass "Condyloformzähne" im Standardwerk für Zahntechniker (H.H.Caesar, Die Ausbildung zum Zahntechniker, 1996) beschrieben sind. Aus den beigefügten Unterlagen ergibt sich jedoch, dass der Kontext immer deutlich die Urheberschaft von Professor Gerber erkennen lässt. Zudem wird auf einer Abbildung das Markenwort als Marke gekennzeichnet verwendet, worauf der Verband selbst hinweist. Wenn er dann anmerkt, das beanspruchte Markenwort werde für diese bestimmte Art von künstlichen Zähnen ähnlich wie "Tempo" für Papiertaschentücher verwendet, so lässt sich daraus kein Freihaltungsbedürfnis herleiten, sondern zeigt lediglich die Bekanntheit der Bezeichnung für die Waren der IR-Markeninhaberin, was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Basismarke für das Schutzausdehnungsgesuch bereits 1982 eingetragen worden ist und nach dem Vorbringen der Markeninhaberin seither unangefochten verwendet wird.

Ein Freihaltungsbedürfnis scheidet unter diesen Umständen aus, zumal auch zweifelhaft ist, ob ein beschreibender Sinngehalt vom Verkehr überhaupt erkannt wird. Dass sich der mögliche warenbeschreibende Sinn einer Marke aber erst nach mehreren Überlegungen und gedanklichen Konstruktionen erschließt, genügt nicht den Erfordernissen einer unzweideutigen und unmittelbar beschreibenden Angabe, zumal wenn diese nicht als Fachwort nachweisbar ist. Vielmehr können die Interessen von Mitbewerbern, die die streitige Wortfolge - etwa an einem Warenstand oder auf einer Preisliste - in beschreibender Weise verwenden, durch eine sachgerechte Anwendung des § 23 MarkenG geschützt werden.

2. Für eine Verneinung der Unterscheidungskraft fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen, zumal jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Gerade die unklare oder zumindest nicht ohne weiteres erkennbare beschreibende Bedeutung der Wortfolge rechtfertigt die Annahme einer ausreichenden Originalität.

Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob die beteiligten Verkehrskreise die Marke überhaupt auf die Ware beziehen oder sie eher für einen Fantasiebegriff halten. Aber selbst dann ergibt sich im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren kein so klarer Sinngehalt, der die Annahme rechtfertigt, die Bezeichnung werde nicht als Betriebshinweis verstanden.

Nach alledem musste die Beschwerde der IR-Markeninhaberin Erfolg haben, ohne dass es darauf ankommt, ob die grafische Gestaltung des Markenwortes die erforderliche Schutzfähigkeit herbeizuführen vermag, was der Senat allerdings eher für zweifelhaft hält.

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Az: 28 W (pat) 44/03


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