Landgericht Bielefeld:
Beschluss vom 27. August 2013
Aktenzeichen: 4 O 76/13

(LG Bielefeld: Beschluss v. 27.08.2013, Az.: 4 O 76/13)

Tenor

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt (§ 91 a ZPO).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung hinsichtlich der Prozesskostenhilfe ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 10.04.2013: 20.000,00 EUR

danach: 3.057,52 EUR

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrte einstweiligen Rechtsschutz wegen einer über den Internetanschluss des Antragsgegners begangenen Urheberrechtsverletzung an dem Filmwerk "Double". Die Antragstellerin ist ausschließliche Inhaberin des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung an diesem Filmwerk. Dieses wurde zu mehrfach nachgewiesenen Zeitpunkten im Februar 2013 über den Anschluss des Antragsgegners in einem Peerto-Peer-Netzwerk öffentlich zugänglich gemacht. Dies ergibt sich aus einer Auskunft der T. GmbH & Co. OHG aufgrund zweier Beschlüsse des Landgerichts München I zur Gestattung (Az. 7 O 3318/13 und 7 O 4180/13).

Mit Abmahnung vom 14.02.2013 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 28.02.2013 auf. Der Wortlaut der Abmahnung lautete auszugsweise: "1. Es konnte durch die Firma Q. der gerichtsverwertbare Nachweis beigebracht werden, dass über Ihren Anschluss der Film "Double" einer Vielzahl von Personen rechtswidrig zum Download angeboten wurde. (...) Der Bundesgerichtshof und zahlreiche Oberlandesgerichte haben bestätigt, dass Sie als Inhaber Ihres Internetanschlusses grundsätzlich für die über Ihren Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzungen haften. (...) 3. Nach der Rechtsprechung der Gerichte hat jeder Anschlussinhaber grundsätzlich die Pflicht, die Möglichkeit einer Verletzung von Urheberrechten durch die Nutzung von Peerto-Peer-Netzwerken auszuschließen und zu beweisen, dass er dies getan hat." Im Übrigen wird auf die Abmahnung vom 14.02.2013 Bezug genommen.

Der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung kam der Antragsgegner indes nicht nach. Er wies die Antragstellerin jedoch mit Schreiben vom 25.02.2013 darauf hin, dass er für die Rechtsverletzung selbst nicht verantwortlich sei. Als Verursacher könne er allenfalls seine beiden minderjährigen Kinder, die den Internetanschluss ebenfalls nutzen, vermuten. Auf dieses Schreiben reagierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.02.2013. Hierin teilte sie dem Antragsgegner mit, dass sie die "abgegebene Unterlassungserklärung als genügend" betrachte.

Auf Antrag der Antragstellerin erließ das Gericht am 08.03.2013 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Antragsgegner untersagt wurde, das Filmwerk "Double" öffentlich zugänglich zu machen. Mit Schriftsatz vom 09.04.2013 legte der Antragsgegner Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein.

Die Antragstellerin war der Auffassung, es sei für den Antragsgegner erkennbar gewesen, dass die Abgabe der Erklärung, dass die Unterlassungserklärung als genügend angesehen wird, versehentlich erfolgt sei, da dieser zu diesem Zeitpunkt eine Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe.

Der Antragsgegner hat zunächst beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Er hat behauptet, eine verschuldensabhängige täterschaftliche Haftung bestehe nur dann, wenn feststehe, dass der Schuldner eine Rechtsverletzung in eigener Person begangen habe. Andernfalls komme allenfalls eine Haftung als Störer in Betracht. In der Abmahnung sei aber ein Hinweis auf die Haftung als Störer notwendig, da diese ein Aliud zur Täterhaftung darstelle. Die ausschließliche Darstellung der Täterhaftung nehme dem Abgemahnten die Möglichkeit, angemessen - gegebenenfalls durch Verweis auf nicht bestehende Sorgfalts- oder Prüfpflichten die Abgabe der Unterlassungserklärung zu verweigern - auf die Abmahnung zu reagieren. Zudem habe die Antragstellerin den Antragsgegner dadurch in Sicherheit gewogen, dass sie in ihrem Schreiben vom 27.02.2013 eine genügende Unterlassungserklärung erwähnte.

Nachdem der Antragsgegner am 08.04.2013 eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, haben die Parteien nunmehr das Verfahren mit wechselseitigen Kostenanträgen für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Danach waren die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Der zulässige Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung war nicht begründet. Zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung waren sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht worden.

Die Antragstellerin hatte nämlich zunächst einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Unterlassung der Zugänglichmachung des urheberrechtlich geschützten Filmwerks aus §§ 97 Abs. 1, 15, 17 UrhG. Es steht fest, dass über den Internetanschluss des Antragsgegners eine Zugänglichmachung des bezeichneten Filmes mittels Peerto-Peer-Netzwerk stattgefunden hat. Der Antragsgegner haftet hier bereits als Täter, weil er die durch die Inhaberschaft der von der Antragstellerin ermittelten IP-Adresse ausgelöste Vermutung der Täterschaft (BGH, Urt. v. 12.05.2010, Az. I ZR 121/08) nicht hinreichend wirksam dadurch erschüttert hat, dass er substantiiert Umstände vorgetragen hat, aus denen die ernsthafte Möglichkeit folgt, dass ein Dritter unter unbefugter Nutzung seines Anschlusses die Verletzung begangen hat.

Der Antragsgegner haftet zudem jedenfalls als Störer. Als Störer kann grundsätzlich haften, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern er die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Verletzung gehabt hätte. Um diese Haftung als Störer nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die den jeweiligen Eingriff nicht selbst vorgenommen haben, haftet der Störer jedoch nur im Falle der Verletzung sogenannter Prüfpflichten (BGH, Urt. v. 30.06.2009, Az. VI ZR 210/08). Die Einhaltung derartiger Prüfpflichten hat der Antragsgegner hingegen nicht dargelegt. Er hat vielmehr lediglich pauschal jede Eigenverantwortlichkeit zurückgewiesen und nur die Vermutung aufgestellt, seine minderjährigen Kinder hätten den Film online geschaut. Eine willentliche und adäquat kausale Mitwirkungshandlung des Antragsgegners an der eingetretenen Verletzung ist jedenfalls in der Ermöglichung des Zugriffs auf sein Internetnetzwerk durch seine Kinder zu erblicken.

Hierbei ist es unerheblich, ob der Antragsgegner in der Abmahnung nur auf eine täterschaftliche Haftung oder auch auf eine solche als Störer hingewiesen worden ist. Dies kann allenfalls eine Rolle bei der Frage spielen, ob die Antragstellerin Ersatz ihrer erforderlichen Aufwendungen im Sinne von § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG verlangen kann, was nur dann möglich ist, wenn die Abmahnung "berechtigt" im Sinne dieser Vorschrift war. Steht jedoch fest, dass der Abgemahnte - hier also der Antragsgegner - als Störer für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, so hat der Rechteinhaber jedenfalls einen Anspruch gegen diesen auf Unterlassung weiterer Störungen seines Rechts. Dies gilt unabhängig davon, ob der Abgemahnte auf den Umstand ausdrücklich hingewiesen wurde, dass er möglicherweise nur als Störer hafte. Nur so kann die Antragstellerin ihr Recht effektiv durchsetzen und weiteren Rechtsverstößen vorbeugend begegnen.

Der Wiederholungsgefahr ist durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert. Diese Wiederholungsgefahr wurde zum Zeitpunkt der Entscheidung auch nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vonseiten des Antragsgegners ausgeräumt.

Auch wenn die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 27.02.2013 - ob hier ein Versehen vorlag, kann dahingestellt bleiben - darauf hinwies, dass die abgegebene Unterlassungserklärung genügend sei, so vermag ein solcher Hinweis nicht das Bedürfnis für die Beantragung und den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu erschüttern. Der Antragsgegner, der ganz eindeutig nicht davon ausgehen durfte, durch sein Schreiben vom 25.02.2013 bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben zu haben, durfte sich nicht darauf verlassen, dass die Antragstellerin von der Beantragung einer einstweiligen Verfügung absehen würde.

Ein Verfügungsgrund liegt nämlich bereits dann vor, wenn die objektiv begründete Besorgnis besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 935, Rn. 10; § 940, Rn. 4). Nicht hingegen erforderlich ist, dass der Antragsgegner mit dem Erlass einer Verfügung rechnen musste oder - umgekehrt formuliert - nicht davon ausgehen musste, dass eine solche Verfügung nicht erlassen werden würde. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist nach rein objektiven Kriterien zu bewerten. Insofern handelte die Antragstellerin auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Aus diesen Gründen war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg zurückzuweisen.






LG Bielefeld:
Beschluss v. 27.08.2013
Az: 4 O 76/13


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