Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 25. Juli 2002
Aktenzeichen: 1 K 10939/99
(VG Köln: Urteil v. 25.07.2002, Az.: 1 K 10939/99)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die exante Genehmigungspflichtigkeit von Entgelten für die so genannte Expressentstörung für digitale Standard-Festverbindungen (SFV). Bei Letzteren handelt es sich um Standleitungen, die - anders als bei dem Produkt Carrier-Festverbindungen (CFV) - nicht anderen Netzbetreibern, sondern Endkunden überlassen werden. Sowohl für CFV als auch für SFV bietet die Klägerin eine Standardentstörung an, die im Wesentlichen von montags, 07.00 h, bis freitags, 14.00 h, innerhalb von 24 Stunden und von freitags, 14.00 h, bis montags, 07.00 h, sowie an Feiertagen innerhalb von 48 Stunden erfolgt. Im Bereich der SFV gehört seit Mitte 1996 zum Angebot der Klägerin zusätzlich eine Expressentstörung, durch die Übertragungsstörungen in kürzerer Zeit behoben werden können.
Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) stellte mit Bescheid vom 05. November 1999 fest, dass Entgelte für Expressentstörung für digitale SFV genehmigungspflichtig seien (Ziffer 1). Ferner forderte sie die Klägerin in einer "Nebenbestimmung" auf, die Genehmigung der genannten Entgelte unverzüglich zu beantragen (Ziffer 2). Zur Begründung führte sie aus, die Genehmigungspflicht der Entgelte für SFV gemäß § 25 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sei unstreitig. Da es sich bei der Expressentstörung für SFV als Annexdienstleistung zur Leistung SFV um einen integralen Bestandteil des Angebotes von Übertragungswegen für die Öffentlichkeit handele, unterliege diese zwingend der Entgeltgenehmigungspflicht nach § 25 Abs. 1 TKG. Die Frage der Genehmigungspflichtigkeit der umstrittenen Entgelte entscheide sich danach, ob die Leistung SFV lizenzpflichtig sei. Die Lizenzpflichtigkeit der Expressentstörung für SFV sei wiederum abhängig von der Lizenzpflichtigkeit der Leistung SFV. Die Lizenzpflicht nach § 6 Abs. 2 Ziffer 1 lit. c TKG beziehe sich auf Übertragungswege einschließlich aller Leistungen, die als Annexdienstleitungen Be- standteil des Angebotes der Übertragungswege seien. Zu diesen Annexdienstleistun- gen zählten sämtliche Leistungen, die nur der Lizenznehmer selbst erbringen und die von der Grundleistung nicht entbündelbar bzw. faktisch nicht entbündelt seien. Die Expressentstörung könne nur von der Klägerin vorgenommen werden, weil ihre Durchführung unmittelbare Eingriffe in die Netzfunktionen erfordere. Diese Leistung sei von keinem Dritten erbringbar und damit nicht substituierbar. Die Expressentstörung sei keine zusätzliche Leistung, weil es nicht möglich sei, sie ohne die Leistung SFV zu beziehen und sinnvoll einzusetzen. Insbesondere die geringe Inanspruchnahme der Expressentstörung durch Endkunden der Klägerin stehe der Annahme der exante Genehmigungspflichtigkeit nicht entgegen; diese sei unabhängig davon zu beurteilen, wie oft die betreffende Leistung tatsächlich nachgefragt werde. Eine seinerzeit vom ehemaligen Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) vertretene, gegenteilige Rechtsauffassung zum Profi- Expressentstörungsdienst im Sprachtelefondienst bedinge keine abweichende Sichtweise, da diese sich schon zum Bereich der Mietleitungen gar nicht verhalten habe.
Die Klägerin kam der Aufforderung in Ziffer 2 des Bescheides vom 05. November 1999 in der Folgezeit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nach.
Sie hat am 03. Dezember 1999 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, eine Genehmigungspflicht für Entgelte für die Expressentstörung bei digitalen SFV bestehe nicht, da die genannte Leistung nicht zum "Angebot eines Übertragungsweges" im Sinne des § 25 Abs. 1 TKG gehöre. Unter den Begriff "Angebot von Übertragungswegen" seien nur die Bereitstellung der linien- und übertragungstechnischen Einrichtungen selbst zu subsumieren, nicht aber darüber hinausgehende Leistungen. § 25 Abs. 1 TKG könne auch nicht entnommen werden, dass Leistungen, die nicht selbst als Angebot von Übertragungswegen anzusehen seien, deshalb mit in die Genehmigungspflicht einzubeziehen seien, weil sie zwingend erforderlich für die Nutzung derselben seien. Eine solche Ausweitung der Genehmigungspflicht finde weder im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze noch sei sie von Sinn und Zweck der Norm geboten. Auch andere zusätzliche Leistungen für Endkunden im Rahmen lizenzpflichtiger Leistungen unterlägen nicht der exante Regulierung. Dies gelte beispielsweise für den Profi-Expressentstördienst im Rahmen der Sprachtelefonie. Insoweit verweist die Klägerin auf ein Schreiben des BMPT vom 13. November 1997. Eine Ausweitung der exante Genehmigungspflicht auf die bewussten Entgelte verstoße gegen das Analogieverbot. Zudem sei die Expressentstörung für SFV ohnehin nicht zwingend erforderlich. Es könne nicht angenommen werden, dass der angebotene Übertragungsweg nur mit der Leistung Expressentstörung zumutbar genutzt werden könne. Lediglich die Standard- entstörung sei zwingend erforderlich; durch die Expressentstörung werde die Ausfall- zeit im Falle einer Störung nur verringert. Die Standardentstörung, die die Nutzung der SFV erst ermögliche und bei der es sich um eine anlagenbezogene Leistung handele, die der Aufrechterhaltung des Anlagenbetriebes diene, sei völlig ausreichend, wie sich daran zeige, dass ihre, der Klägerin, Endkunden den Expressservice nur zu 0,8 % in Anspruch nähmen. Im Übrigen müsse die Leistung "Expressentstörung" für SFV nur abgenommen werden, wenn sie nachgefragt werde. Die Aufforderung, einen Genehmigungsantrag für die streitigen Entgelte zu stellen, sei zum einen schon mangels Bestehens einer entsprechenden Genehmigungspflicht rechtswidrig. Zum anderen sei die Beklagte generell nicht ermächtigt, zur Vorlage eines Entgeltgenehmigungsantrages aufzufordern.
Die Klägerin beantragt,
1. Ziffer 1 des Bescheides der RegTP vom 05. November 1999 aufzuheben und festzustellen, dass Entgelte für Expressentstörung von digitalen SFV nicht genehmigungspflichtig sind,
2. festzustellen, dass Ziffer 2 des vorgenannten Bescheides rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zunächst auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Für die rechtliche Einordnung der in Rede stehenden Leistung komme es nur darauf an, ob sie die Begriffsbestimmung des § 3 Ziffer 22 TKG erfülle, was bei der beschleunigten Beseitigung von Störfällen von SFV der Fall sei. Die Expressentstörung sei eine von zwei Möglichkeiten der Entstörung des Übertragungsweges, die notwendig sei, um eine Übertragung technisch zu ermöglichen. Sie sei technisch zwingend erforderlich, um die Übertragung von Signalen zu gewährleisten. Im Übrigen verweist sie auf ihren Vortrag im Verfahren 1 K 5720/99.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch in den Verfahren 1 K 5720/99 und 1 K 16/01 - und der von der Beklagten jeweils vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 05. November 1999 ist (Ziffer 1) bzw. war (Ziffer 2) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Sätze 1 und 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da der angefochtene Bescheid der RegTP zu Recht von der Genehmigungsbedürftigkeit der in Rede stehenden Entgelte ausgeht, hat auch der negative Feststellungsantrag keinen Erfolg.
Zunächst war die RegTP befugt, in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides einen feststellenden Verwaltungsakt mit dem Inhalt, Entgelte für die Expressentstörung bei digitalen SFV seien nach § 25 Abs. 1 TKG genehmigungsbedürftig, zu erlassen,
vgl. hierzu die Ausführungen des Gerichts etwa im Urteil vom 10. Mai 2001 - 1 K 958/98 - sowie diejenigen des OVG NRW etwa im Beschluss vom 27. November 2001 - 13 A 2940/00 -.
Des Weiteren unterfallen die durch die Klägerin erhobenen Entgelte für Expressentstörung bei digitalen SFV auch der exante Genehmigungspflicht des § 25 Abs. 1 TKG.
Nach § 25 Abs. 1 TKG unterliegen u.a. Entgelte für das Angebot von Übertragungswegen im Rahmen der Lizenzklasse 3, sofern der Lizenznehmer auf dem jeweiligen Markt über eine marktbeherrschende Stellung nach § 19 GWB verfügt, der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde. Die insoweit vorliegend allein zweifelhafte Frage, ob die streitgegenständliche Entstörungsleistung ein "Angebot von Übertragungswegen" der Klägerin darstellt, ist zu bejahen.
Dies lässt sich allerdings nicht bereits damit begründen, dass es sich bei der umstrittenen Leistung um eine Annexdienstleistung zum Angebot von Übertragungswegen handele,
vgl. hierzu: Urteile des Gerichts vom 25. Mai 2000 - 1 K 11610/97 - und vom 10. Mai 2001 - 1 K 958/98 -.
Vielmehr kommt es für die rechtliche Einordnung der in Rede stehenden Leistung nur darauf an, ob sie die Voraussetzungen der Begriffsbestimmung des § 3 Ziffern 22 und 17 TKG erfüllt bzw. sich unter den Begriff "Angebot von Übertragungswegen" im Sinne des § 25 Abs. 1 TKG subsumieren lässt. Dies ist nach Überzeugung des Gerichts der Fall.
Unter das Angebot von Übertragungswegen im Sinne der §§ 25 Abs. 1, 3 Ziffer 22 TKG fällt zunächst das Angebot von Mietleitungen bzw. Festverbindungen,
vgl. nur: Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, § 25 Rdn. 24.
Gehört damit das Angebot von digitalen SFV zum Begriff des Angebots von Übertragungswegen, gilt dies auch für die vorliegend umstrittene Leistung der Expressentstörung der digitalen SFV. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Dass das Angebot eines Übertragungsweges für einen Kunden nur dann wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn die Telekommunikationsanlage auch in der Lage ist, Signale zu senden, zu übertragen, zu vermitteln, zu empfangen, zu steuern oder zu kontrollieren (vgl. § 3 Ziffern 22 und 17 TKG), mithin auch funktioniert, liegt auf der Hand. Entsprechend besteht auch unter den Beteiligten Übereinstimmung darüber, dass eine (Standard-) Entstörung für die Funktionsfähigkeit und Nutzung der Telekommunikationsanlage notwendig ist. Damit lässt sich das Angebot einer - irgendwie gearteten - Entstörungsleistung für die Mietleitung zwanglos der Basisleistung "Angebot eines Übertragungswegs" zuordnen. Nichts anderes gilt für den Expressentstördienst für digitale SFV, der sich von der Standardentstörung - unstreitig - nicht durch eine Änderung der Arbeitsabläufe bei der technischen Ausführung unterscheidet, sondern im Wesentlichen durch eine Verkürzung der Entstörzeit, eine durchgängige Servicebereitschaft, Erstattung von Zwi- schenmeldungen sowie dadurch, dass dem Kunden bei Überschreitung der zuge- sagten Entstörfrist von 8 Stunden ein bestimmter Geldbetrag gutgeschrieben wird. Bezüglich der technisch geprägten Arbeitsschritte sind dieselben Arbeitsabläufe gegeben wie bei der Standardentstörung. Vor diesem Hintergrund vermag das Gericht nicht zu erkennen, wie eine technisch identische Leistung allein aufgrund der Tatsache, dass sie zügiger, nämlich als Expressleistung, erbracht wird, als von der Basisleistung abgrenzbare Zusatzleistung qualifiziert werden könnte. Technisch dient die Express- ebenso wie die Standardent- störung der Aufrechterhaltung des Anlagenbetriebes, ohne die eine zumutbare Nutzung nicht möglich wäre, wenn auch vorliegend - anders als bei Expressentstörung für CFV - dem Endkunden neben der technischen Leistung mehr arrondierende administrative Leistungen geboten werden.
Die Umstände, dass die Expressentstörung möglicherweise nur zu einem geringen Prozentsatz in Anspruch genommen wird und dass der BMPT für den Bereich der Sprachtelefonie im November 1997 eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, sind demgegenüber unerheblich.
Der gegen die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides erfolgte Aufforderung, einen Genehmigungsantrag zu stellen, gerichtete Fortsetzungsfeststellungantrag zu 2. hat hiernach ebenso wenig Erfolg.
Er ist zwar zulässig; insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO vor: Die Aufforderung an die Klägerin, einen Entgeltantrag zu stellen, ist als eigenständiger Verwaltungsakt anzusehen, der sich durch die erfolgte Beantragung der entsprechenden Genehmigung durch die Klägerin erledigt hat.
Im Hinblick auf die ständige Verwaltungspraxis der RegTP, Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides entsprechende Aufforderungen zu erlassen, steht der Klägerin unter dem Blickwinkel der Wiederholungsgefahr auch das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite,
vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen des Gerichts im Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 K 2688/99 -.
Die somit zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist allerdings unbegründet, denn die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides enthaltene Aufforderung zur Stellung eines neuen Entgeltgenehmigungsantrages, ist rechtmäßig gewesen,
vgl. insoweit die Ausführungen des Gerichts im zitierten Urteil vom 23. Mai 2002;
insbesondere durfte die Aufforderung auch in Form einer Auflage ergehen, § 36 Abs. 2 Ziffer 4, Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
VG Köln:
Urteil v. 25.07.2002
Az: 1 K 10939/99
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