Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 8. Oktober 2002
Aktenzeichen: 15 A 3691/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 08.10.2002, Az.: 15 A 3691/01)

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

In der Wahlperiode 1994 bis 1999 war die klagende Fraktion im beklagten Kreistag mit 4 Sitzen, die SPD-Fraktion mit 27 Sitzen und die CDU-Fraktion mit 24 Sitzen vertreten. Aus dem Haushalt des Kreises erhielten die Fraktionen Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung, die sich aus einer Pauschale in Höhe von zuletzt 57.166,77 DM je Fraktion (entsprechend dem Gehalt eines Angestellten nach BAT VII mit Arbeitgeberanteilen, Anpassung entsprechend der tariflichen Steigerung) und einem jährlichen Zuschuss in Höhe von 60.000,00 DM zusammensetzten, der als Zuschuss für die Fortbildung der Fraktionsmitglieder nach Kopfteilen auf die Mandatsträger aufgeteilt wurde..

Infolge der Kommunalwahl vom 12. September 1999 erhielten im beklagten Kreistag die CDU-Fraktion 25 Sitze, die SPD-Fraktion 18 Sitze, die FDP-Fraktion 3 Sitze, die klagende Fraktion 3 Sitze und die UWG-Fraktion ebenfalls 3 Sitze. In einer Besprechung des künftigen Landrats mit den im künftigen Kreistag vertretenen Fraktionen am 20. September 1999 schlug der Vorsitzende der CDU-Fraktion vor, die Fraktionsfinanzierung künftig wie folgt zu ändern: Den einzelnen Mandatsträgern solle wie bisher ein Sockelbetrag für Aus- und Fortbildung in Höhe von insgesamt 60.000,00 DM (ca. 1.100,00 DM je Mandatsträger) gezahlt werden. Ferner solle jede Fraktion einen Grundbedarf für Büroausstattung usw. erhalten, der sich für die großen Fraktionen (CDU und SPD) auf 15.000,00 DM jährlich und für die kleinen Fraktionen (Grüne, F.D.P., UWG) auf 11.000,00 DM jährlich belaufen solle. Schließlich sollte der Personalaufwand für die großen Fraktionen mit je 45.000,00 DM jährlich und für die kleinen Fraktionen mit je 20.000,00 DM jährlich abgedeckt werden. Gegen die Stimmen der klagenden Fraktion beschlossen der Kreisausschuss und der Kreistag in ihren Sitzungen am 22. Oktober 1999, die Neuregelung ab dem 1. Oktober 1999 in Kraft zu setzen. Die damalige Fraktionssprecherin der Klägerin hatte zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit ihrer Fraktion eine Änderung und Anpassung der Beträge gefordert.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2000 und vom 13. März 2000 an den Landrat bat die damalige Fraktionssprecherin der Klägerin unter Hinweis auf den Beschluss des VG Münster vom 22. Dezember 1999 - 1 L 1668/99 - um Prüfung des Grundbedarfs der Fraktionen auch im K. . Gleichzeitig bat sie um Mitteilung, welche Unterlagen sie zur Prüfung des Grundbedarfs zur Verfügung stellen solle.

Der Landrat verteidigte durch Schreiben vom 23. März 2000 die vom Kreistag am 22. Oktober 1999 beschlossene Regelung als rechtmäßig. Der Kreistag entscheide nach seinem Ermessen, welchen Gesamtbetrag an Haushaltsmitteln er für Fraktionszuwendungen zur Verfügung stelle. Keine Fraktion habe einen Anspruch auf Vollkostenerstattung. Beim Grundbedarf habe der Kreistag den kleinen Fraktionen fast drei Viertel der für die großen Fraktionen vorgesehenen Beträge bewilligt.

In einem interfraktionellen Gespräch am 8. Juni 2000 beanspruchte die damalige Fraktionssprecherin der Klägerin Vertrauensschutz hinsichtlich der ihrer Fraktion individuell entstehenden Personalkosten. Diesem Begehren wurde mit der Erwägung nicht entsprochen, eine kleine Fraktion müsse bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen einkalkulieren, dass diese bei Ablauf einer Legislaturperiode aufgelöst oder geändert werden könnten.

Mit ihrer am 18. August 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Beschluss des Beklagten über die Gewährung von Zuwendungen an die Kreistagsfraktionen sei ermessensfehlerhaft. Einerseits habe dieser den maßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend ermittelt, indem er es unterlassen habe, den bei den Fraktionen entstehenden Bedarf festzustellen. Die Bedarfsanalyse des Beklagten sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. So sei nicht erkennbar, weshalb der Grundbedarf und der Bedarf an Büromöbeln bei den kleinen Fraktionen geringer sein solle als bei den großen Fraktionen, obwohl man bei den Personalzuwendungen davon ausgegangen sei, dass eine Fraktionsgeschäftsführerin beschäftigt werde. Zudem verletze der Kreistagsbeschluss sie in ihrem Recht auf Gleichbehandlung. Der formalisierte Gleichheitssatz gestatte eine Differenzierung nicht schon bei jedem rechtfertigenden Grund, sondern setze die Bejahung eines besonderen oder zwingenden Grundes voraus. Für das hier vorliegende unterschiedliche Maß der Fraktionszuwendungen lasse der Beschluss der Beklagten jede Bildung eines Maßstabs vermissen. Nicht nachvollziehbar sei die Differenzierung beim Bedarf für die kleinen Fraktionen und die großen Fraktionen. Da er den Beschluss rückwirkend in Kraft gesetzt habe, liege gleichfalls ein Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz vor.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des beklagten Kreistages vom 22. Oktober 1999 rechtswidrig ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, den Ermessensgesichtspunkten der hinreichenden Sachverhalts- und Bedarfsermittlung, den Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Vertrauensschutzes hinreichend Rechnung getragen zu haben. Nach der Kommunalwahl 1999 sei eine Anpassung der Vergabekriterien für Fraktionszuschüsse unumgänglich geworden. Die Bedarfsanalyse genüge den rechtlichen Anforderungen. Sie könne aus Gründen der Chancengleichheit nicht die tatsächlichen Aufwendungen der Fraktionen in der Vergangenheit zu Grunde legen, weil deren Verwendung zu unterschiedlich sei. Das belegten auch die Verwendungsnachweise aus der Vergangenheit. Schützenswertes Vertrauen auf die Beibehaltung der bisherigen Zuwendungspraxis über den Ablauf der bisherigen Legislaturperiode habe die Klägerin nicht gehabt, weil diese Zuwendungspraxis rechtswidrig gewesen sei.

Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Mit der zugelassenen Berufung macht die Klägerin ergänzend geltend, die Beklagte habe den übrigen Kreistagsfraktionen unzulässigerweise Zuwendungen für ihre Öffentlichkeitsarbeit gewährt. Die Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen dürfe durch Zuwendungen nicht gefördert werden.

Die Klägerin beantragt(GA,154,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt(GA,168,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt ergänzend an, eine Vollkostendeckung entsprechend dem individuellen Ausgabeverhalten einer jeden einzelnen Fraktion sehe das Gesetz nicht vor. Das autonome Ausgabeverhalten der Fraktionen bringe es mit sich, dass diese mit den erhaltenen Zuwendungen höchst unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte finanziert hätten. Dies könne der Landrat lediglich zur Kenntnis nehmen, aber nicht beeinflussen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang (1 Heft) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Das Begehren der Klägerin ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Nach der 1. Alternative dieser Vorschrift kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinn verstehen die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung und die Literatur die rechtlichen Beziehungen, die sich auf Grund der Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen konkreten Sachverhalt für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.

BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262 (264); ferner Urteil vom 10. Juli 2001 - 1 C 35.00 -, BVerwGE 114, 356 (358 f.); Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43, Rdnr. 12.

An einem Rechtsverhältnis im Sinn dieser Definition beteiligt sein können nicht nur natürliche oder juristische Personen, sondern auch kommunale Organe oder Organteile als Träger organisationsinterner Rechte. Denn der Begriff des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist nicht auf Außenrechtsverhältnisse beschränkt, sondern umfasst ebenso die Rechtsbeziehungen innerhalb von Organen einer juristischen Person, also auch einer kommunalen Vertretungskörperschaft.

OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 2604/99 -, NWVBl. 2002, 381; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 1989 - 7 C 7.88 -, BVerwGE 81, 318 (319); Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43, Rdnr. 14; Fehrmann, Rechtsfragen des Organstreits, NWVBl. 1989, 303 (304); Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage 2000, § 43, Rdnr. 11; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2002, § 43, Rdnr. 26.

Auch ein Kreistagsbeschluss kann im Rahmen eines kommunalrechtlichen Organstreits überprüft werden, wenn und soweit er die Rechte kommunaler Organe oder Organteile konkretisiert oder nachteilig betrifft.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 2604/99 -, NWVBl. 2002, 381; Beschluss vom 7. August 1997 - 15 B 1811/97 -, NWVBl. 1998, 110; Urteil vom 26. April 1989 - 15 A 2805/86 -, OVGE 41, 118; Urteil vom 14. Oktober 1988 - 15 A 2126/86 -, MittNWStGB 1988, 394.

So hat der beklagte Kreistag im vorliegenden Fall durch den Beschluss vom 22. Oktober 1999 die innerorganisatorische Norm des § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW auf einen konkreten Sachverhalt angewandt und dadurch die Rechte der einzelnen Fraktionen auf Zuwendungen aus Haushaltsmitteln für diese beiden Haushaltsjahre verbindlich konkretisiert. Gegenstand des Klagebegehrens ist die Frage, ob die Klägerin durch die Neuregelung der Fraktionszuwendungen in ihren organschaftlichen Rechten aus § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW sowie in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber den anderen Kreistagsfraktionen verletzt ist. Dem Rechtsstreit liegt damit ein konkretes organschaftliches Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 Abs. 1 VwGO zu Grunde.

Die Klägerin ist auch klagebefugt. Eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines organschaftlichen Rechtsverhältnisses innerhalb kommunaler Organe ("kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage") ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn es sich bei der geltend gemachten Rechtsposition um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handelt. Geht es, wie hier, um die Rechtmäßigkeit eines Kreistagsbeschlusses, setzt die Klagebefugnis dementsprechend voraus, dass dieser ein subjektives Organrecht des klagenden Organs oder Organteils nachteilig betrifft. Denn das gerichtliche Verfahren dient nicht der Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit des Kreistagsbeschlusses, sondern dem Schutz der dem klagenden Organ oder Organteil durch das Innenrecht zugewiesenen Rechtsposition. Ob eine solche geschützte Rechtsposition im Hinblick auf die Beschlussfassung des Kreistages besteht, ist durch Auslegung der jeweils einschlägigen Norm zu ermitteln.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 1988 - 7 B 208.87 -, NVwZ 1989, 470 = BayVBl. 1989, 378; OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 2604/99 -, NWVBl. 2002, 381; Urteil vom 24. April 2001 - 15 A 3021/97 -, NWVBl. 2002, 31; Urteil vom 26. April 1989 - 15 A 2805/86 -, OVGE 41, 118; Urteil vom 14. Oktober 1988 - 15 A 2126/86 -, Mitt NWStGB 1988, 394; Urteil vom 2. Februar 1972 - III A 887/69 -, OVGE 27, 258 (264); BWVGH, Urteil vom 24. Februar 1992 - 1 S 2242/91 -, NVwZ- RR 1992, 373; Schnapp, VwArch 78 (1987), S. 407 (415).

Nach diesem Maßstab ist die Klagebefugnis der klagenden Kreistagsfraktion im vorliegenden Fall zu bejahen. Für die dem § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW inhaltlich entsprechende Bestimmung des § 56 Abs. 3 Satz 1 GO NRW, wonach die Gemeinde den Fraktionen des Rates aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung gewährt, hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass diese nicht lediglich einen objektivrechtlichen Rechtssatz enthält, sondern den Ratsfraktionen darüber hinaus auch einen Anspruch auf Zuwendungen für die Geschäftsführung gewährt.

OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 2002 - 15 A 1958/01 -, S. 10 und 12 des Urteilsabdrucks.

Die innerorganisatorische Anspruchsnorm § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW vermittelt einer Kreistagsfraktion die Befugnis, die ihr gewährten Zuwendungen zum Gegenstand des kommunalrechtlichen Organstreits zu machen. Darüber hinaus kann sie geltend machen, andere konkurrierende Fraktionen seien durch die getroffene Verteilungsregelung zu ihren Lasten gleichheitswidrig begünstigt worden.

Vgl. HessVGH, Beschluss vom 21. November 1997 - 8 TG 3806/97 -, NVwZ-RR 1999, 188; Beschluss vom 11. Mai 1995 - 6 TG 331/95 -, NVwZ- RR 1996, 105 (106); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Februar 1987 - 15 K 1536/85 -, NWVBl. 1987, 53 (55).

Die Klage ist schließlich auch zutreffend gegen den Kreistag gerichtet. Klagen im Organstreitverfahren sind gegen den intrapersonalen Funktionsträger zu richten, dem gegenüber die mit der Organklage beanspruchte Innenrechtsposition bestehen soll.

OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 2604/99 -, NWVBl. 2002, 381 (382); Urteil vom 26. April 1989 - 15 A 650/87 -, NWVBl. 1989, 402.

Dies ist vorliegend der Kreistag als dasjenige Organ, das durch Beschluss über die Verteilung der Fraktionszuwendungen entschieden hat.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Kreistagsbeschluss vom 22. Oktober 1999 verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Organrechten aus § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW.

Mit der Formulierung "Der Kreis gewährt ..." begründet diese Vorschrift einen strikten Anspruch jeder einzelnen Fraktion auf Zuwendungen aus Haushaltsmitteln. Der Landesgesetzgeber hat diesen strikten Anspruch mit Wirkung vom 17. Oktober 1994 durch § 22 c Abs. 3 KrO NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1994 (GV NRW S. 270) in die Kreisordnung eingefügt und damit die Vorläufervorschrift des § 22 Abs. 7 vorletzter Satz KrO NRW in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15. Mai 1979 (GV NRW S. 408) abgelöst, in der es hieß, dass der Kreis den Fraktionen Zuwendungen aus Haushaltsmitteln gewähren kann. Infolge dieser Änderung steht die Gewährung von Zuwendungen dem Grunde nach nicht mehr im Ermessen des Kreistages. Jede Kreistagsgruppierung, welche die Mindeststärke nach § 40 Abs. 1 KrO NRW erreicht und damit Fraktionsstatus besitzt, hat einen Anspruch auf Zuwendungen zur Geschäftsführung. Insbesondere dürfen solche Zuwendungen einer Fraktion nicht mehr unter Berufung auf fraktionsbezogene Differenzierungskriterien wie etwa die Fraktionsgröße vollständig verwehrt werden.

Vgl. Rehn/Cronauge/v. Lennep, GO NRW, Stand: Januar 2002, § 56 GO, Anm. IV 1.; so schon zu früheren Rechtslage VG Köln, Urteil vom 8. Mai 1991 - 4 K 2279/90 -, Eildienst Städtetag 1991, 539; Bick, Die Ratsfraktion, S. 107 f..

Demgegenüber steht die Bestimmung der Höhe der Zuwendungen, die den Fraktionen gewährt werden sollen, weiterhin im pflichtgemäßen Ermessen des Kreistages. § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW ist insbesondere kein Anspruch auf eine Vollkostenerstattung zu entnehmen. Eine gesetzlich zwingende Erstattung aller Geschäftsführungskosten ließe den Umstand außer Acht, dass den Fraktionen weitere Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen wie etwa Finanzmittel der hinter ihnen stehenden Parteien oder Wählervereinigungen, Spenden Einzelner und Umlagen der Fraktionsmitglieder (vgl. Nr. 1.1 des Runderlasses des Innenministeriums des Landes NRW vom 2. Januar 1989 - III A 1 - 11.70 - 3906/88 - Grundsätze für die Finanzierung der Fraktionsarbeit kommunaler Vertretungen). Auch den Gesetzesmaterialien ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, der Gesetzgeber habe eine Vollkostenerstattung zwingend oder auch nur als Regelfall vorsehen wollen. Insbesondere der Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, auf dessen Empfehlung die Vorschrift von einer Ermessensnorm in eine Anspruchsnorm umgewandelt worden ist, enthält keine Aussagen, die auf eine solche Vorstellung des Gesetzgebers schließen lassen könnten.

LT-Drucksache 11/7060, Anlage mit den Diskussionsergebnissen aus der öffentlichen Sachverständigenanhörung, S. 19 f..

Entschließt sich der Kreistag dementsprechend, nur einen Teil der Aufwendungen zu erstatten, die den Fraktionen für ihre Arbeit entstehen, so steht diese Entscheidung mit § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW im Einklang, sofern dabei die übrigen Ermessensgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Chancengleichheit beachtet werden.

Bei der Festlegung des Finanzierungssystems ist der Kreis insbesondere an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden, der jenseits des Art. 3 Abs. 1 GG als objektivrechtliches Rechtsprinzip Geltung auch für die Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen und Organteilen beansprucht. Er ist insoweit in seiner Ausprägung als Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten.

OVG NRW, Urteil vom 14. Juni 1994 - 15 A 2449/91 -, NWVBl. 1994, 414 (415); VG Köln, Urteil vom 8. Mai 1991 - 4 K 2279/90 -, Eildienst Städtetag 1991, 539.

Demgegenüber kommt der formalisierte Gleichheitssatz im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Anwendung. Er zieht dem Gesetzgeber und auch dem kommunalen Satzungsgeber engere Grenzen als der allgemeine Gleichheitssatz und besagt, dass Differenzierungen nicht schon bei Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes, sondern nur bei Bejahung eines "besonderen" oder "zwingenden" Grundes zulässig sind. Das Bundesverfassungsgericht wendet diesen strengeren Maßstab auf den Wettbewerb unter den Parteien und die Ausübung des Wahlrechts der Bürger sowie auf den finanziellen Status der Abgeordneten an.

Grundlegend das Diäten-Urteil des BVerfG vom 5. November 1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 40, 296 ff.; ferner Beschluss vom 20. Juli 1978 - 2 BvR 314/77 -, BVerfGE 49, 1 (2).

Die Gewährung von Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen der Kreistagsfraktionen nach § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW ist nicht an diesen strengeren Maßstäben des formalisierten Gleichheitssatzes zu messen. Denn das BVerfG hat diese besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes, soweit es um finanzielle Zuwendungen geht, lediglich im Hinblick auf die Entschädigung von Abgeordneten entwickelt, mithin auf eine Entschädigung, die Alimentationscharakter aufweist. Für Aufwandsentschädigungen sind diese strengeren Grundsätze hingegen nicht anzuwenden, wie der Senat für die Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzende bereits entschieden hat.

OVG NRW, Urteil vom 14. Juni 1994 - 15 A 2449/91 -, NWVBl. 1994, 414 (415); ebenso Bick, Die Ratsfraktion, 1989, S. 144 f.

Um eine Aufwandsentschädigung im vorbezeichneten Sinn handelt es sich bei den Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen der Kreistagsfraktionen nach § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW. Denn es geht hierbei um die pauschal oder nach konkret aufgewendeten Beträgen bemessene Abgeltung der Auslagen für einzelne Tätigkeiten der Fraktion.

Ist damit eine differenzierte Bemessung der Höhe der Fraktionszuwendungen auf kommunaler Ebene prinzipiell zulässig, so hält auch das vom Beklagten im vorliegenden Fall gewählte System der Fraktionszuwendungen entgegen der Auffassung der Klägerin den Anforderungen des Grundsatzes der Chancengleichheit stand.

Gegenstand der dieser Feststellung zu Grunde liegenden Prüfung sind die im Beschluss vom 22. Oktober 1999 getroffenen Regelungen der Gewährung von Zuwendungen an die Kreistagsfraktionen, durch die die jeweilige Höhe der vorgesehenen Zuwendungen festgelegt worden ist. Dagegen ist mit der Bezugnahme in der Beschlussformel auf die "in der Vorlage genannten Grundlagen und Berechnungen" die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochene Motivation, den Bedarf der Fraktionen vollständig oder zu einem bestimmten Teil zu decken, nicht Regelungsinhalt des Beschlusses geworden. Denn eine solche Motivation lässt sich der Verwaltungsvorlage nicht entnehmen.

Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass der Beklagte den Fraktionen Zuwendungen pauschal vorab gewährt und sich damit die Praxis vieler anderer Kommunen zu Eigen gemacht hat. § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW verlangt nicht zwingend eine nachträgliche Erstattung auf der Basis tatsächlich getätigter und konkret nachgewiesener Ausgaben (Spitzabrechnung). Die Verpflichtung der Fraktionen aus § 40 Abs. 3 Satz 3 KrO NRW zur Führung eines Verwendungsnachweises in einfacher Form belegt, dass der Gesetzgeber diese Form der Gewährung von Fraktionszuwendungen als zulässig erachtet.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Februar 1987 - 15 K 1536/85 -, NWVBl. 1987, 53 (55); Bick, Die Ratsfraktion, 1989, S. 110 f..

Mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar ist insbesondere auch die vom Beklagten gewählte Staffelung der Personalkostenzuwendung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nicht, die Höhe der Zuwendungen an Fraktionen und Gruppen in Abhängigkeit von deren Mitgliederzahl zu staffeln. Eine solche Differenzierung nach der Anzahl der in einer Fraktion oder Gruppe zusammen geschlossenen Kreistagsmitglieder ist sachgerecht, weil sie sich an der typischerweise vorzufindenden Bedarfslage der Fraktionen oder Gruppen und an deren kommunalverfassungsrechtlicher Funktion orientiert. Diese Funktion besteht nach dem oben bereits Ausgeführten in der Bündelung und Koordinierung der Arbeit des Kreistages und seiner Ausschüsse. Sowohl der Sach- als auch der Personalaufwand, den diese Koordinierung erfordert, hängt, wie auch die Klägerin nicht bestreitet, zumindest zu einem erheblichen Teil von der Zahl der Kreistagsmitglieder ab, deren Meinungsbildung und Entscheidung in der geschilderten Weise zu bündeln ist. Nicht nur die Kosten für Papier, Porto, Telefon und Ähnliches (Sachaufwand), sondern auch der von der Klägerin beispielhaft genannte Zeitbedarf einer angestellten Geschäftsführungskraft bei der Vor- und Nachbereitung von Sitzungen durch Erstellung und Übermitteln schriftlicher Beratungsvorlagen, Einladungen usw. steigt und sinkt proportional mit der Anzahl der Personen, deren Arbeit zu koordinieren ist.

BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 4 N 98.1341 -, NVwZ-RR 2000, 811.

Der Einwand der Klägerin, etliche Fraktionstätigkeiten wie etwa die Vorbereitung, Durchführung und Protokollierung von Fraktionssitzungen sowie das Formulieren einer Pressemitteilung und deren Versendung an die örtlichen Medien nähmen bei einer kleinen Fraktion dieselbe Arbeitszeit in Anspruch wie bei einer großen Fraktion, steht einer bedarfsorientierten Staffelung von Fraktionszuwendungen nach der Fraktionsstärke nicht entgegen. Anlass zu rechtlichen Bedenken gegen diese Differenzierung bestünde allenfalls dann, wenn die Fraktionsarbeit ganz überwiegend oder nahezu ausschließlich aus Tätigkeiten bestünde, deren Zeitaufwand von der Fraktionsstärke unabhängig ist. Für eine dahin gehende Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, und auch der Sachvortrag der Klägerin gibt nichts dafür her.

Zu Unrecht beanstandet die Klägerin schließlich, die Bemessung der Höhe der Fraktionszuwendungen durch den beklagten Kreistag sei wegen mangelnder Sachaufklärung fehlerhaft. Dieser Einwand betrifft nicht den Inhalt der streitgegenständlichen Kreistagsbeschlüsse, sondern den diesen Beschlüssen vorangehenden internen Entscheidungsvorgang. Die Entscheidung des Kreistages nach § 40 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW darüber, in welcher Form und in welcher Höhe den Fraktionen Zuwendungen aus Haushaltsmitteln gewährt werden sollen, unterliegt jedoch nur hinsichtlich ihres inhaltlichen Ergebnisses der gerichtlichen Überprüfung; unerheblich ist, auf welchem verfahrensmäßigen Weg der Kreistag zu diesem Ergebnis gekommen ist. Insoweit gelten dieselben Grundsätze, die auch bei der gerichtlichen Überprüfung kommunaler Rechtssetzungsakte anzuwenden sind. Gegenstand der Prüfung sind nur diese Rechtssetzungsakte als solche, also das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens. Die subjektiven Vorstellungen und Motive der am Verfahren beteiligten Organe oder Personen sind unbeachtlich; nur die objektive Unvereinbarkeit des sachlichen Inhalts der Norm mit höherrangigem Recht führt zu ihrer Ungültigkeit.

OVG NRW, Urteil vom 7. September 1989 - 4 A 698/84 -, NWVBl. 1990, 266; Urteil vom 28. November 1986 - 22 A 1206/81 -, OVGE 39, 49 (52 f.).

§ 40 VwVfG, auf den sich die Klägerin zur Begründung ihrer abweichenden Rechtsauffassung beruft, ist nicht einschlägig. Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für Verwaltungsakte im Sinn des § 35 VwVfG, nicht auch für andere Handlungsformen des Verwaltungsrechts, insbesondere auch nicht für die hier in Rede stehenden Innenrechtsbeziehungen zwischen kommunalen Funktionsträgern, bei denen es an der für den Verwaltungsakt charakteristischen Außenwirkung fehlt. Soweit eine entsprechende Anwendung des § 40 VwVfG auf andere Handlungsformen, namentlich auch auf Handlungsformen zur Ausübung des Organisationsermessens im verwaltungsinternen Bereich befürwortet wird,

Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40, Rdnr. 47 m. w. Nachw.,

kann dies jedenfalls nicht für die Willensbildung bei Kreistagsbeschlüssen gelten. Wie bei Rechtsnormen wird auch hier nur die Regelung als solche überprüft, nicht aber auch der verfahrensmäßige Weg, auf dem sie zustande gekommen ist.

OVG NRW, Urteil vom 7. September 1989 - 4 A 698/84 -, NWVBl. 1990, 266; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40, Rdnr. 48.

Der Entscheidungsvorgang ist neben dem Inhalt der Satzung als dem Produkt dieses Vorgangs nur dann bedeutsam, wenn der Gesetzgeber nicht nur den sachlichen Inhalt der Norm, sondern auch den Vorgang der Willensbildung besonderen Anforderungen unterworfen hat.

OVG NRW, Urteil vom 28. November 1986 - 22 A 1206/81 -, OVGE 39, 49 (53).

Eine solche besondere Anforderung an den Vorgang der Willensbildung stellt der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang nicht. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus § 40 Abs. 3 Satz 3 KrO NRW, wonach über die Verwendung der Zuwendungen ein Nachweis in einfacher Form zu führen ist. Aus der Verpflichtung der Fraktionen zur Führung eines Verwendungsnachweises folgt nämlich nicht, dass der Kreistag sich dieser Verwendungsnachweise zur sachgerechten Ermittlung des künftigen Bedarfs zu bedienen hat. Die Funktion dieses Verwendungsnachweises besteht, wie auch sonst im Subventionsrecht, nur darin, die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendung in der Vergangenheit nachzuweisen. Insgesamt sollte, wie sich aus der Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Kommunalpolitik ergibt, in Anlehnung an die Diskussion auf Bundes- und Landesebene eine größere Transparenz bei der Fraktionsfinanzierung auch auf kommunaler Ebene geschaffen werden.

LT-Drucksache 11/7060, Anlage mit den Diskussionsergebnissen aus der öffentlichen Sachverständigenanhörung, S. 20.

Der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 verletzt die Rechte der Klägerin schließlich auch nicht deshalb, weil er sich Rückwirkung auf den 1. Oktober 1999 beigelegt hat. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen. Das hat das Verwaltungsgericht auf den Seiten 13 f. des Urteilsabdrucks zutreffend dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 08.10.2002
Az: 15 A 3691/01


Link zum Urteil:
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