Saarländisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 14. Juli 2004
Aktenzeichen: 1 U 193/04 - 34
(Saarländisches OLG: Urteil v. 14.07.2004, Az.: 1 U 193/04 - 34)
Unlautere Werbung mit "Tiefpreis-Garantie"
Tenor
I. 1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 2. März 2004 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 7IV O 7/04 - dahin abgeändert, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in an Letztverbraucher gerichteter Werbung oder sonst werblich den Verkauf von Einbauküchen mit der Ankündigung zu bewerben:
„- Küchen - Tiefpreis - Garantie. Egal, wer beim Küchenkauf anbietet - wir garantieren ihnen einen Preis, der 13 % unter jedem Mitbewerber-Angebot liegt“
und/oder entsprechend dieser Ankündigung zu verfahren.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise an ihrem Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.
II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Verfügungsbeklagte.
III. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Verfügungsbeklagten beträgt 10.500,00 Euro.
Gründe
I.
Der Verfügungskläger (fortan: Kläger) ist ein gerichtsbekannter eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Förderung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder und die Wahrung lauteren Wettbewerbs gehören.
Die Verfügungsbeklagte (fortan: Beklagte) betreibt im Saarland und Rheinland-Pfalz Einrichtungshäuser, zu deren Angebot u.a. Einbauküchen gehören.
In einer ganzseitigen Anzeige inserierte die Beklagte am 12.2003 in der Zeitung mit folgender Ankündigung:
„-Küchen-Tiefpreis-Garantie. Egal, wer beim Küchenkauf anbietet - wir garantieren ihnen einen Preis, der 13 % unter jedem Mitbewerberangebot liegt.“
Der Kläger hat die vorstehende Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet und nach erfolgloser Abmahnung den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die der Beklagten eine Werbung mit der vorbeschriebenen Aussage untersagt werden sollte.
Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, dass die angegriffene Werbung gegen § 1 UWG verstoße, weil die Beklagte sich bei Durchführung der darin enthaltenen Ankündigung in unlauterer Weise die Arbeitsleistungen ihrer Mitbewerber im Rahmen der Planung einer Einbauküche zu nutzen mache und dadurch auch die Preise der Mitbewerber unterbieten könne. Darüber hinaus sei das Unterlassungsbegehren auch unter dem Aspekt der wettbewerbswidrigen gezielten Kampfpreisunterbietung gerechtfertigt. Da die Beklagte sich abstrakt zur Gewährung eines bestimmten Nachlasses auf einen ihr noch unbekannten Preis eines Mitbewerbers verpflichte, nehme sie zwangsläufig einen Endverkaufspreis unterhalb des Einstandspreises in Kauf. Damit habe sie einen ruinösen Preiskampf eröffnet, der geeignet sei, Mitbewerber aus diesem Markt zu verdrängen.
Die Beklagte ist dem inhaltlich damit entgegengetreten, dass sie mit ihrer Werbeaussage lediglich einen günstigeren Preis auslobe, der sich auf jedes Küchenangebot eines Dritten, also nicht nur auf individuell geplante Küchen beziehe. Lediglich der Preis sei Grundlage für die Tiefpreisgarantie, nicht hingegen irgendeine Planung oder Arbeitsleistung eines ihrer Mitbewerber. Da die streitgegenständliche Werbung sich nicht gezielt gegen einen bestimmten Mitbewerber richte, und die abgegebene Tiefpreisgarantie darauf beruhe, dass sie aufgrund höherer Einkaufsumsätze besonders günstige Konditionen erhalte, liege die Argumentation einer wettbewerbswidrigen Kampfpreisunterbietung ebenfalls neben der Sache.
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird (Bl. 56 f. d.A.), hat das Landgericht nach mündlicher Verhandlung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass der Kläger für den erhobenen Anspruch bereits nicht aktiv legitimiert sei, jedenfalls aber die materiellen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches aufgrund ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes wie auch unter dem Gesichtspunkt einer unlauteren Preisunterbietung unterhalb der eigenen Einstandspreise nicht festzustellen seien.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Antrag weiterverfolgt. Er stützt sein Unterlassungsbegehren ergänzend darauf, dass die Werbung zugleich als irreführend im Sinne des § 3 UWG zu qualifizieren sei, weil die Beklagte entgegen dem Inhalt ihrer Werbeankündigung nicht alle Küchenmarken führe, die von ihren Mitbewerbern vertrieben werden.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beharrt auf ihrem bereits erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt. Die nunmehr nachgeschobene Hilfsbegründung stelle eine so genannte „versäumte Klagehäufung „dar, die im zweiten Rechtszug nicht mehr zuzulassen sei.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers, auf die gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO neues Prozessrecht anwendbar ist, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beklagte ist auf der Grundlage des § 1 UWG zur Unterlassung der beanstandeten Werbeaussage verpflichtet. Die entgegenstehenden Wertungen des Landgerichts halten einer Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
1. Der Kläger ist für den erhobenen Anspruch prozessführungsbefugt gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Der Kläger ist, wie dem Senat aus zahlreichen Vorverfahren bekannt ist, nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Aufgrund seiner Mitgliederstruktur hat er, wie höchstrichterlich wiederholt bestätigt, die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet (BGH WRP 1996, 194; BGH GR 1995, 122; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Einleitung UWG, Rdnr. 36, m.w.N.). Zwar kann die Prozessführungsbefugnis oder Aktivlegitimation eines Wettbewerbsverbandes dann zweifelhaft sein, wenn sich der ergänzende wettbewerbliche Leistungsschutz auf ausschließlich singuläre Interessen eines bestimmten Mitbewerbers bezieht. Im Streitfall sind indes nicht lediglich die Individualinteressen eines Einzelnen tangiert. Die der Beklagten zielt vielmehr darauf ab, Planungsleistungen einer unbestimmten Vielzahl von Mitbewerbern in einer unbestimmten Vielzahl von verschiedenen Einzelfällen zu übernehmen. Sie richtet sich mithin gegen alle Mitbewerber auf dem gesamten Markt für Einbauküchen im Einzugsgebiet der Beklagten. Bei dieser Sachlage scheidet eine missbräuchliche Verfolgung von Individualinteressen durch den Kläger ersichtlich aus (BGH WRP 1995, 104 f.; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Einleitung UWG, Rdnr. 36).
2. Die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit, wird in Wettbewerbsstreitsachen gemäß § 25 UWG in tatsächlicher Hinsicht - im Streitfall unwiderlegt - vermutet.
3. Das Unterlassungsbegehren ist auch sachlich gerechtfertigt, da die Beklagte sich durch die angegriffene Werbung sowie die Durchführung der darin enthaltenen Ankündigung in unlauterer Weise schutzwürdige Arbeitsergebnisse ihrer Mitbewerber zu nutze macht. Diese Wertung gebietet sich aus Sicht des Senats im Streitfall deshalb, weil es sich bei dem konkret beworbenen Verkaufsgegenstand um Einbauküchen handelt, deren konzeptionelle Gestaltung und Preiskalkulation regelmäßig einen nicht unerheblichen Arbeitseinsatz erfordern.
Dem Kläger ist in seiner Argumentation zu folgen, dass die Beklagte mit der angegriffenen Werbeaussage potentielle Interessenten einer Küche geradezu dazu auffordert, sich bei einem Mitbewerber der Beklagten eine Küchenplanung als Grundlage eines Angebotes erstellen zu lassen, um sich dann an die Beklagte zu wenden, die den vom Mitbewerber erarbeiteten und angebotenen Preis um 13 % zu unterbieten verspricht. Selbst wenn sich eine solche Intention der Beklagten nicht expressis verbis dem Erklärungsinhalt der Werbung entnehmen lässt, so korrespondiert diese doch mit dem regelmäßig zu erwartenden Kundenverhalten. In der Mehrzahl der Fälle wird bei einem Kauf eines derartlanglebigen und hochwertigen Gutes, das auf die räumlichen Besonderheiten und individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten wird, eine detaillierte konzeptionelle Planung und eine auf die konkreten Gegebenheiten ausgerichtete Preiskalkulation erforderlich sein. Eine Preisunterbietung mit dem Ziel, den betreffenden Kunden zum Kauf einer konkreten Küche bei der Beklagten zu veranlassen, setzt aber gerade voraus, dass diese über den Kaufwunsch in seiner konkreten Ausgestaltung ins Bild gesetzt wird, bevor sie sich selbst zur Lieferung der konkreten Einbauküche mit dem „garantierten Tiefpreis“ vertraglich verpflichtet. Dies wird regelmäßig - von den eher seltenen Fällen des Kaufes einer Standardküchenzeile abgesehen - hinreichend lediglich durch Vorlage des ausgearbeiteten Angebotes des zuvor aufgesuchten Wettbewerbers erfolgen können.
Zwar handelt derjenige, der sein Wettbewerbsverhalten auf einer fremden Leistung aufbaut, nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig, weil vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit auszugehen ist; ein Umkehrschluss aus spezialgesetzlichen Einschränkungen dieses Prinzips zeigt, dass Leistungsergebnisse außerhalb des spezialgesetzlichen Schutzumfangs grundsätzlich frei sind. Allerdings kann ein Mitbewerber, der ein fremdes schutzwürdiges Arbeitsergebnis unmittelbar übernimmt, den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit nicht für sich in Anspruch nehmen. Sein Verhalten ist wegen der Art seines Vorgehens zwar nicht schlechthin wettbewerbswidrig, wohl aber dann, wenn er sich ohne sachlich anzuerkennenden Grund ein fremdes schutzwürdiges Leistungsergebnis aneignet, dessen Früchte dem Erbringer dieser Leistung weder aufgrund eines Sonderrechts, noch auf andere Weise zugeflossen sind (im Einzelnen: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1, Rdnr. 495 f.; BGHZ 51, 41, 46; BGH-GR 27, 132).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sieht der Senat als gegeben an. Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Erstellung entsprechender Angebote für Einbauküchen nach gängigen verfügbaren Computerprogrammen stelle keine Leistung dar, die einen erheblichen Teil des kalkulierten Küchenpreises ausmache und die die zu fordernde wettbewerbliche Eigenart aufweise (Köhler/Pieper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 601 f. m.w.N.). Dass die Planung und Gestaltung einer Einbauküche einen nicht unerheblichen Arbeitseinsatz in zeitlicher Hinsicht erfordert, kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Eine sach- und fachgerechte Planung kann angesichtsderen Komplexität lediglich durch besonders geschultes Personal erbracht werden. Sie setzt regelmäßig ausführliche Gespräche mit dem jeweiligen Kunden voraus und verlangt unter Umständen ein Aufmaß der Küche vor Ort zur Vorbereitung des Verkaufsgesprächs. Sofern die hierbei erhaltenen Informationen letztendlich aufgrund von Softwareeinsatz in eine computermäßig erstellte Planung nebst Angebot einfließen, kommt der Arbeitsersparnis auf dieser letzten Stufe keine wesentliche Bedeutung zu. Dies berücksichtigend, bestehen keine Bedenken, bei einer derart arbeitsintensiven Planung und Preiskalkulation von einem schutzwürdigen Arbeitsergebnis auszugehen, das die Beklagte sich auf Kosten ihrer Mitbewerber zu nutze macht. Es ist anerkannt, dass für die Fälle der unmittelbaren Übernahme einer fremden Leistung dem Merkmal der wettbewerblichen Eigenart keine zwingende Bedeutung zukommt bzw. an dessen Feststellung lediglich geringere Anforderungen zu stellen sind (Köhler/Pieper, a.a.O., § 1 Rz. 604; BGH GRUR 69, 186, 188; BGH GRUR 79, 119, 120).
Die beanstandete Werbung verstößt nach alledem gegen § 1 UWG und ist bereits deshalb zu untersagen. Ob das Unterlassungsbegehren daneben auch unter dem Aspekt der wettbewerbswidrigen gezielten Kampfpreisunterbietung (§ 1 UWG) oder einer Irreführung im Sinne des § 3 UWG gerechtfertigt ist, kann mithin für die Entscheidung dahinstehen.
4. Die festgestellte Verletzungshandlung begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH-GRUR 1965, 198, 202; BGH-GRUR 1957, 342, 347; BGH GRUR 1972, 558, 559; Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Einleitung UWG, Rdnr. 252). Im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches kann diese regelmäßig nur durch Abgabe einer strafbewährten Unterwerfungserklärung ausgeräumt werden, zu der die Beklagte sich vorprozessual nicht bereit finden konnte (gefestigte Rechtsprechung: BGH-GRUR 1964, 274, 275; BGH-GRUR 1970, 558, 559; BGH-GRUR 1980, 241, 242; BGH-GRUR 1983, 127, 128).
Nach alledem erweist sich die Berufung des Klägers als begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Da das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einem Rechtsmittel nicht mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz1 ZPO), ist dieses damit ohne besonderen Ausspruch nicht nur vorläufig, sondern endgültig vollstreckbar.
Saarländisches OLG:
Urteil v. 14.07.2004
Az: 1 U 193/04 - 34
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