Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. Mai 1993
Aktenzeichen: 6 U 214/92
(OLG Köln: Urteil v. 26.05.1993, Az.: 6 U 214/92)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. November 1992 verkünde-te Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 478/92 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird,es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzuset-zenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000,00, ersatzweise von Ord-nungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu vollzie-hen am Geschäftsführer der Beklagten zu unterlassen,in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung innerhalb einer Zeit von 4 Wochen vor einem Saison-Schlußverkauf, wie nachstehend (in Ablichtung) wie-dergegeben, zu werben: pp. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschwer der Beklagten: nicht über 60.000,00 DM.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte war entsprechend dem im
Berufungsrechtszug präzisierten Klageantrag zur Unterlassung zu
verurteilen.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers
ist aus §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG gerechtfertigt. Der Inhalt
des angegriffenen Werbefaltblattes muß dem unbefangenen Verbraucher
- vor dem Hintergrund des konkreten Zeitpunkts seines Erscheinens -
als Ankündigung einer Sonderveranstaltung im Sinne des § 7 Abs. 1
UWG erscheinen. Da keine nach dem Gesetz zulässige
Sonderveranstaltung vorlag, war eine solche Ankündigung
unzulässig.
Um eine Sonderveranstaltung handelt es
sich, wenn - aus der Sicht der Verkehrsauffassung - außerhalb des
regelmäßigen Geschäftsverkehrs zur Beschleunigung des
Warenabsatzes Waren in einer Weise angeboten werden, die den
Eindruck entstehen läßt, nur für einen vorübergehenden Zeitraum
würden besondere Verkaufsvorteile gewährt. Die Verkehrsauffassung
wird geprägt zum einen durch den Gesamteindruck der konkreten
Werbung, zum anderen durch das, was "branchenüblich" ist (vgl. BGH
GRUR 1958, 395 - "Sonderveranstaltung I" -; GRUR 1980, 112 -
"Sensationelle Preissenkungen" -).
Die angegriffene Werbeaussage der
Beklagten ruft den Eindruck hervor, daß besondere Kaufvorteile
gewährt werden. Dies versteht sich angesichts der Ankündigung von
Preisherabsetzungen von "bis zu 50 %" von selbst, wobei der
Eindruck durch den Hinweis "drastisch reduziert" noch verstärkt
wird. Ebensowenig ist es zweifelhaft, daß die Veranstaltung der
Beklagten der Beschleunigung des Warenabsatzes dient. Dies ergibt
sich aus dem Text des Werbefaltblattes selbst, wonach die Beklagte
"drastische Preisreduzierungen" ankündigt und zum sofortigen
Zugreifen aufruft.
Die Verkaufsveranstaltung findet nach
dem Inhalt der Ankündigung auch außerhalb des regelmäßigen
Geschäftsverkehrs statt. Das Landgericht hat zutreffend
angenommen, hier werde ein vorweggenommener Saison-Schlußverkauf
angekündigt.
Ob ein aus dem Rahmen des regelmäßigen
Geschäftsbetriebs herausfallender vorweggenommener Schluß-verkauf
vorliegt, richtet sich, wie oben bereits angesprochen, nach der
Verkehrsauffassung. Maß-geblich ist insoweit das Gesamtbild, wie es
sich dem Publikum nach Art, Inhalt und Gestaltung der Werbung und
den sonstigen Umständen darstellt. Auch der zeitliche Abstand
zwischen den gesetzlichen Schlußverkaufszeiten und der
angekündigten Verkaufsaktion ist dabei von wesentlicher Bedeutung.
In der Regel kommt nämlich bei zeitlicher Nähe des Beginns oder
Endes des Schlußverkaufs jedenfalls dann leicht der Gedanke an eine
Vorwegnahme oder Verlängerung der Verkaufsaktion auf, wenn die
Ankündigung nicht deutlich erkennen läßt, daß es sich entweder um
Angebote des regelmäßigen Geschäftsverkehrs oder um einzelne
Sonderangebote handelt. Im Hinblick hierauf können besondere
Angebote um so eher den Eindruck einer vorweggenommenen oder
verlängerten Schlußverkaufsveranstaltung hervorrufen, je näher sie
dem Anfangs- oder Endtermin einer Schlußverkaufsaktion liegen.
Feste zeitliche Grenzen bestehen insoweit nicht. In der
Rechtsprechung wurde deswegen stets einerseits davon ausgegangen,
daß einzelne Sonderangebote innerhalb von zwei Wochen vor oder
nach einem Schlußverkauf nicht immer und zwingend allein schon
deshalb gegen die frühere Verordnung über Sommer- und
Winterschlußverkäufe bzw. gegen § 7 UWG n.F. verstoßen, weil sie im
Rahmen dieser Frist liegen (vgl. BGH GRUR 1982, 241, 242 -
"Sonderangebot in der Karenzzeit" -). Andererseits können, da die
Verkehrsbeteiligten vielfach keine klare Vorstellung von den
Terminen und Zeiträumen der Sommer- und Winterschlußverkäufe haben,
auch Werbe- und Verkaufsaktionen außerhalb einer solchen
zweiwöchigen Zeitspanne eine unzulässige Vorwegnahme eines
Schlußverkaufs sein, wenn nach den gesamten Umständen des Falles
der Eindruck erweckt wird, daß es sich um eine solche aus dem
Rahmen des regelmäßigen Geschäftsbetriebs herausfallende
vorweggenommene Verkaufsaktion handelt (vgl. BGH GRUR 1962, 36, 41
- "Sonderangebot/Sonderveranstaltung I" -; GRUR 1983, 184 - "Eine
Fülle von Sonderangeboten" -; GRUR 1983, 448, 449 - "Sonderangebot
außerhalb der Karenzzeit" -).
Die danach maßgeblichen Voraussetzungen
für die Zulässigkeit einer Verkaufsveranstaltung und Werbeaktion
vor Beginn der Saison-Schlußverkäufe hat das Landgericht im
Streitfall entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verkannt.
Bei der in dem Faltblatt beworbenen
Ware handelt es sich ausnahmslos um Teppiche. Diese sind
schlußverkaufsfähige Waren (vgl. Großkommentar/Jestaedt, Rn. 13 zu
§ 7 UWG) und dem Verkehr weitgehend als solche bekannt, da sie
erfahrungsgemäß im Rahmen von Saison-Schlußverkäufen in erheblichem
Umfang unter Herausstellung von Preissenkungen beworben
werden.
Schon das Deckblatt der Werbeschrift
stellt ohne Einschränkung "echte Orientteppiche" blickfangartig
als preisreduziert heraus und erweckt damit den Eindruck, nicht nur
einzelne Stücke, sondern "die Orientteppiche" seien derzeit bei M.
- im Großen und Ganzen - billiger. Ohne Erfolg macht die Beklagte
in diesem Zusammenhang geltend, auf dem Deckblatt seien lediglich
drei einzelne Teppiche bildlich wiedergegeben. Dies steht der
vorstehend getroffenen Feststellung nicht entgegen. Die
vollständige Wiedergabe weiterer Muster und der Dessins war, wie
für jeden Betrachter auf der Hand liegt, schon wegen des begrenzten
Raums auf dem Werbeblatt unmöglich. Im übrigen wird der Eindruck,
daß die Beklagte das Teilsortiment Orientteppiche im großen und
ganzen im Preis reduziert habe, dadurch verstärkt, daß sie im
unteren Teil des Deckblattes ausdrücklich darauf hinweist, bei
allen in diesem Prospekt gezeigten Teppichen handele es sich um
"Einzelstücke und Größen b e i s p i e l e aus unserem
umfangreichen Sortiment".
Wird mithin durch den Text der
Vorderseite der Eindruck hervorgerufen, von den Preisreduzierungen
sei die gesamte Warengruppe "Orientteppiche" betroffen, so weist
das angekündigte Ausmaß der Preissenkung zusätzlich darauf hin, daß
es sich hier nicht um übliche Sonderangebote oder
Preisreduzierungen im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes
handelt, sondern daß es um eine darüber hinausgehende Veranstaltung
geht. Angekündigt wird nämlich eine Preissenkung bis zur Hälfte des
bisherigen Preises bzw. - aus der Sicht der Verbraucher -
"Normalpreises". Hinzu kommen die Aufforderungen "sofort
zugreifen!" und der den einzelnen Preisangaben beigefügte Hinweis
"jetzt nur ...". Beides verstärkt den Eindruck, daß es sich hier um
eine lediglich vorübergehende Gelegenheit zu besonders
preisgünstigem Einkauf handele. Unter diesen Umständen erweckt das
dreieinhalb Wochen vor Beginn des Sommerschlußverkaufs 1992
verteilte Faltblatt den Eindruck, hier werde ein nunmehr
beginnender (vorgezogener) Saison-Schlußverkauf für Teile des
Teppichsortiments der Beklagten angekündigt.
Der Eindruck einer Sonderveranstaltung
wird durch das Innere des Faltblattes nicht abgemildert, sondern
eher verstärkt. Die dort herausgestellte Preisherabsetzung betrifft
nach dem blickfangmäßig hervorgehobenen Teil des Textes die
"Altbestände". Durch diesen nicht näher definierten oder erklärten
Begriff wird der Anschein erweckt, von der Preisreduzierung von
"bis zu 50 %" sei praktisch der gesamte bisherige Warenbestand der
Beklagten betroffen, ausgenommen hiervon seien lediglich die
Einkäufe der Beklagten aus jüngster Zeit. Die Ankündigungen
"verschiedene Brücken aus A." und "verschiedene Dessins aus der
Stadt J./I." treten nicht nur deutlich hinter diesen blickfangmäßig
herausgestellten Werbetext zurück. Ihnen steht vielmehr auch der an
jedem der abgebildeten Teppiche angebrachte Hinweis "zum Beispiel"
gegenüber, der im Kontext zu dem bereits zitierten Hinweis auf dem
Deckblatt - "Einzelstücke und Größenbeispiele aus unserem
umfangreichen Sortiment" - steht. Im übrigen folgt auch aus der im
Plural gehaltenen Auslobung "verschiedene Brücken aus ...",
"verschiedene Dessins aus ...", daß es sich hier nicht etwa um
einzelne nach Güte und Preis gekennzeichnete Waren im Sinne des § 7
Abs. 2 UWG handelt. Erneut wird der Leser auch auf den Innenseiten
durch die prominent gedruckte Aufforderung "sofort zugreifen!" und
die den Preisangaben jeweils zugesetzte Bemerkung "jetzt nur..."
zu der Annahme veranlaßt, es handele sich um eine vor-übergehende,
kurzfristige Gelegenheit zu besonders preisgünstigem Einkauf.
Die Beklagte macht geltend, durch
sinkende Wechselkurse der in den Herstellerländern geltenden
Währungen sei ein Preisverfall bei Teppichen eingetreten, der sie
zu drastischen Preisreduzierungen bei den Altbeständen zwinge.
Diese Preissenkungen seien mithin abschließend, die so
bezeichnete Ware werde nicht etwa später wieder teurer verkauft.
Dieses Vorbringen vermag eine abweichenden Beurteilung nicht zu
rechtfertigen.
Die Beklagte berücksichtigt mit ihrer
Argumentation nicht hinreichend, daß maßgeblich dafür, ob eine
Sonderverstaltung angekündigt wird, die Verkehrsauffassung und
damit das Gesamtbild der Werbung ist, wie es sich dem Publikum
darstellt (vgl. BGH a.a.O.). Wenn es sich im Streitfall - wie die
Beklagte offensichtlich geltend machen will - angesichts allgemein
sinkender Teppichpreise um ein Angebot des regelmäßigen
Geschäftsbetriebs handelt, so hätte sie dies im Hinblick auf die
zeitliche Nähe zum Sommerschlußverkauf und angesichts der
vorbeschriebenen Einzelheiten des Werbeblattes, die in ihrem
Gesamteindruck auf eine Sonderveranstaltung hinweisen, in einer
Weise klarstellen müssen, die deutlich erkennen ließ, daß hier eine
durch die Marktsituation bedingte dauerhafte Preisreduzierung
angekündigt werden sollte (vgl. BGH GRUR 1983, 448, 449 -
"Sonderangebot außerhalb der Karenzzeit" -). Eben dies geht aber
aus dem Werbeblatt nicht hervor. Die Aufforderung "sofort
zugreifen!" und der Hinweis "... jetzt nur ..." legen, wie oben
ausgeführt, vielmehr den gegenteiligen Schluß nahe. Ein nicht
unbeachtlicher Teil der Verbraucher, der von dem behaupteten
Preisverfall am Teppichmarkt keine Kenntnis hat, wird die Werbung
deswegen als Auslobung einer zeitlich befristeten Aktion verstehen
und gerade nicht als Einleitung einer generellen Preissenkung, von
der im Text des Faltblattes nirgends die Rede ist.
Soweit die Beklagte in diesem
Zusammenhang auf die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 31.
Oktober 1986 (2 U 157/86) verweist, läßt sie den Unterschied des
seinerzeit zu beurteilenden Sachverhalts zum Streitfall
unberücksichtigt. Abgesehen von der insgesamt abweichenden
Gestaltung der Werbung fehlte es damals an Hinweisen wie "... jetzt
nur ..." und "sofort zugreifen!". Vor diesem Hintergrund hat das
OLG Stuttgart die auf einem starken Preisverfall beruhende
Ankündigung einer "Orientteppich-Sensation, preisreduziert bis 60 %
und mehr" als mit den Bestimmungen über Sonderveranstaltungen
vereinbar angesehen. Begründet war dies ausdrücklich damit, der
Werbetext lasse die Möglichkeit offen, daß die Preise bis auf
weiteres niedrig blieben, es sich also nach der beanstandeten
Ankündigung nicht um ein unwiederbringliches Angebot handele.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO. Für eine Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO war entgegen
der Ansicht der Beklagten kein Raum. Soweit der Kläger im
Berufungsrechtszug seinen Antrag neu gefaßt hat, lag hierin
lediglich eine präzisere Anpassung an den als konkrete
Verletzungshandlung dargelegten Sachverhalt, ohne daß der
Streitgegenstand hierdurch verändert worden ist. Bereits im ersten
Rechtszug hat sich der Kläger zur Begründung seines Begehrens
ausdrücklich darauf berufen, daß das Werbefaltblatt innerhalb des
letzten Monats vor Beginn des Sommerschlußverkaufs 1992 verteilt
worden sei. Erkennbar hat der Kläger von vornherein ein
wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 UWG im Streitfall
gerade wegen der zeitlichen Nähe der Werbung zum
Sommerschlußverkauf als erfüllt angesehen. Der insoweit unpräzise
gefaßte Klageantrag ist zwar in das im ersten Rechtszug ergangene
Urteil übernommen worden; die Entscheidungsgründe ergeben aber, daß
auch das Landgericht maßgeblich auf den Zeitpunkt der Werbung
abgestellt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzen und entspricht dem Wert des Unterliegens der
Beklagten in der Berufungsinstanz.
OLG Köln:
Urteil v. 26.05.1993
Az: 6 U 214/92
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ef06b0dd7d8b/OLG-Koeln_Urteil_vom_26-Mai-1993_Az_6-U-214-92