Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 19. Januar 2000
Aktenzeichen: 16 Wx 191/99
(OLG Köln: Beschluss v. 19.01.2000, Az.: 16 Wx 191/99)
Auch in WEG-Sachen richtet sich in den Fällen einseitiger Erledigung der Wert regelmäßig nur noch nach den in den Vorinstanzen entstandenen Kosten des bisherigen Verfahrens.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 29 T 188/99 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihre Erstbeschwerde als unzulässig verworfen wird. Die Beteiligte zu 1. hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf einen Wert bis 4.000,00 DM festgesetzt. Unter Abänderung der Wertfestsetzungen des Amts- und des Landgerichts werden die Geschäftswerte- für die erste Instanz bis zum 28.01.1999 auf einen Wert bis 8.000,00 DM und für die Zeit danach auf einen Wert bis 6.000,00 DM, - für das Beschwerdeverfahren auf einen Wert bis 2.000,00 DM festgesetzt. Die anwaltlichen Gegenstandswerte belaufen sich - für die erste Instanz bis zum 29.01.1999 auf einen Wert bis 8.000,00 DM und für die Zeit danach auf einen Wert bis 5.000,00 DM,- für das Beschwerdeverfahren auf einen Wert bis 1.200,00 DM,- das Rechtsbeschwerdeverfahren auf einen Wert bis 2.400,00 DM.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind zerstrittene Mitglieder einer
Wohnungseigentümergemeinschaft, bei der die Antragstellerin 1/4 und
die Antragsgegnerin 3/4 der Miteigentumsanteile hält. Die
Beteiligte zu 1. hat in erster Instanz einen Eigentümerbeschluss
der Versammlung vom 05.10.1998 angefochten, in dem die Beteiligte
zu 2. sich mit der Mehrheit ihrer Stimmen zur Verwalterin gewählt
hat, während die Beteiligte zu 2. mit einem Gegenantrag von der
Antragstellerin ursprünglich die Zahlung von 3.900,00 DM verlangt
hat. Dieser Antrag war gestützt auf einen weiteren Beschluss in der
gleichen Versammlung, wonach die Beteiligte zu 1. nach Eingang der
Handwerkerrechnung für den Anstrich der Vorderfront des Hauses eine
Restsumme von 3.900,00 DM überweisen solle, und darauf, dass die
Beteiligte zu 1. ein Einschreiben mit Rückschein, das die Rechnung
nebst Zahlungsaufforderung enthalten habe, nicht abgefordert
habe.
Nachdem die Beteiligte zu 1. nach Zustellung des Gegenantrags,
dem eine Kopie der Rechnung beigefügt war, am 29.01.1999 den Betrag
von 3.900,00 DM auf das Reparatur- und Sonderkonto der Gemeinschaft
überwiesen hatte, hat die Beteiligte zu 2. ihren Gegenantrag
einseitig in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Das Amtsgericht hat dem Anfechtungsantrag stattgegeben, die
Erledigung des Gegenantrags festgestellt und die Beteiligte zu 1.
mit der Hälfte der Verfahrenskosten sowie der außergerichtlichen
Kosten der Beteiligte zu 2. belastet. Eine gegen die Feststellung
der Erledigung und der Belastung mit Kosten gerichtete sofortige
Beschwerde der Beteiligten zu 1. hat das Landgericht als nicht
begründet zurückgewiesen und ihr die Kosten des
Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten
der Beteiligten zu 2. auferlegt. Mit der hiergegen eingelegten
sofortigen weiteren Beschwerde begehrt die Beteiligte zu 1.
weiterhin die Abweisung des Gegenantrags und die Belastung der
Beteiligten zu 2. mit der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der
Beteiligten zu 1. erster Instanz sowie aller außergerichtlichen
Kosten der Rechtsmittelinstanzen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere
Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG), jedoch
schon deshalb nicht begründet, weil die Erstbeschwerde unzulässig
war.
1.
Bei der Feststellung der Erledigung aufgrund einseitiger
Erledigungserklärung handelt es sich um eine Entscheidung in der
Hauptsache die mit den allgemeinen Rechtsmitteln, also für die
dritte Instanz mit der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbar
ist, sofern der Wert der Beschwer 1.500,00 DM übersteigt(vgl.
BayObLG NZM 1998, 488; OLG Hamm, FGPrax 1999, 48;
Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 44 Rd. 100). Letzteres ist
der Fall.
In Fällen der Erledigung der Hauptsache ist es im Zivilprozess
höchst streitig, wonach der Streitwert bzw. der Beschwerdewert zu
bemessen ist. Während der Bundesgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass sich in Fällen einer
einseitigen (Teil-) Erledigung, der Wert regelmäßig nach den in den
Vorinstanzen entstandenen Kosten des erledigten Teils richte (vgl.
z. B. BGH NJW-RR 1996, 1210), ist die Rechtsprechung der
Oberlandesgerichte bzw. einzelner Senate von Oberlandesgerichten -
auch innerhalb des OLG's Köln - , uneinheitlich. Ein Teil der
Spruchkörper folgt dem Bundesgerichtshof (z. B. OLG Köln - 6. ZS -
WRP 1986, 117; OLG Köln - 12. ZS - OLGR 1992, 112; OLG Köln - 19.
ZS - VersR 1992, 518), während andere mit der wohl überwiegenden
Meinung in der Literatur annehmen, dass es bei dem ursprünglichen
Wert verbleibe (z. B. OLG Köln - 17. ZS - MDR 1995, 103 m. w.
Nachw.), und schließlich auch die Auffassung vertreten wird, dass
ein Teil des ursprünglichen Wertes anzusetzen sei, weil es um einen
Feststellungsantrag gehe ( z. B. OLG Köln - 22. ZS - JB 1991,
832).
Der Senat ist für Entscheidungen im Zivilprozess bereits früher
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gefolgt, da die ihr
zugrunde liegende wirtschaftliche Betrachtungsweiwe sachgerecht
ist, und schließt sich ihr in Óbereinstimmung mit weiterer
obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur (vgl. BayObLG WuM
1991, 715 = DWE - 1992, 43 = WE 1992, 227 LS; BayObLG WuM 1992, 568
= WE 1992, 284; OLG Düsseldorf, WE 1997, 311; OLG Hamm, FGPrax
1999, 48; Merle, a.a.O., § 48 Rd. 13; Staudinger/Wenzel, WEG, § 48
Rd. 34) auch für das WEG-Verfahren an. Etwaigen Fortwirkungen an
sich erledigter Anträge, die in Streitverfahren der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit in Betracht kommen können, und einem sich hieraus
ergebenden besonderen Interesse an der Feststellung der Erledigung
der Hauptsache bzw. der Abweisung eines entsprechenden Antrags,
kann durch die Annahme eines Sonderfalles, der auch auf der
Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglich ist
(vgl. BGH a.a.O.), Rechnung getragen werden.
2.
Da ein Sonderfall in dem hier gegebenen Fall eines
Zahlungsantrags ersichtlich ausscheidet, ergeben sich auf der
Grundlage eines übereinstimmend angenommenen Wertes von 4.000,00 DM
für den Beschlussanfechtungsantrag und eines Wertes des
Gegenantrags von ursprünglich 3.900,00 DM für die erste Instanz
folgende Geschäfts- bzw. Gegenstandswerte:
Verfahrensgebühren
a)
Wert
Gebühr
Faktor
Insgesamt
§ 48 I 1 WEG
8.000,00 DM
65,00 DM
65,00 DM
§ 31 I 1 BRAGO
8.000,00 DM
485,00 DM
§ 26 BRAGO
40,00 DM
525,00 DM
§ 25 BRAGO
16%
84,00 DM
609,00 DM
1.218,00 DM
b)
Demgegenüber hätten sich ohne den Gegenantrag folgende Kosten
ergeben:
Wert
Gebühr
Faktor
Insgesamt
§ 48 I 1 WEG
4.000,00 DM
35,00 DM
35,00 DM
§ 31 I 1 BRAGO
4.000,00 DM
265,00 DM
§ 26 BRAGO
15%
39,75 DM
304,75 DM
§ 25 BRAGO
16%
48,76 DM
353,51 DM
707,60 DM
Die Differenz beträgt mithin bei den
Verfahrenskosten 30,00 DM und bei den Anwaltskosten 510,40 DM,
insgesamt 540,40 DM.
B. Entscheidungs- bzw. Verhandlungsgebühren
Maßgeblich ist ab Eintritt des erledigenden Ereignisses und
nicht erst ab Erledigungserklärung (vgl. BayObLG NZM 1999, 853;
Merle a.a.O. § 44 Rd. 99) der Wert des Beschlussanfechtungsantrags
zuzüglich der (Mehr-)Kosten des erledigten Teils, also der
genannten 540,00 DM. Hieraus ergeben sich folgende Werte bzw.
Kosten:
Wert
Gebühr
Faktor
Insgesamt
§ 48 I 2 KostO
6.000,00 DM
50,00 DM
100,00 DM
§ 31 I 2 BRAGO
5.000,00 DM
320,00 DM
40,00 DM
360,00 DM
16%
57,60 DM
417,60 DM
835,20 DM
b)
Demgegenüber wären ohne den Gegenantrag
folgende Kosten entstanden:
Wert
Gebühr
Faktor
Insgesamt
§ 48 I 2, IV WEG
4.000,00 DM
35,00 DM
35,00 DM
§ 31 I 2 BRAGO
4.000,00 DM
265,00 DM
§ 26 BRAGO
15%
39,75 DM
304,75 DM
§ 25 BRAGO
16%
48,76 DM
353,51 DM
707,60 DM
Die Differenz beträgt mithin bei den
Verfahrenskosten 30,00 DM und bei den Anwaltskosten 127,60 DM,
insgesamt 157,60 DM. Die gesamten Mehrkosten infolge des
Gegenantrags belaufen sich auf 698,00 DM. Dies ist zugleich das
wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an einer Abänderung
der angefochtenen Entscheidung. Damit liegt ihre Beschwer unterhalb
des gesetzlichen Beschwerdewertes und ihre Erstbeschwerde war
unzulässig.
Nicht anders ergibt sich - nicht nur
wegen der Beschwer, sondern auch wegen der für den Geschäfts- bzw.
Gegenstandswert des Verfahrens der Erstbeschwerde maßgeblichen
Gebührensprünge in den Tabellen zur KostO und zur BRAGO - dann,
wenn man zur Bestimmung der wirtschaftlichen Auswirkungen des
erledigten Gegenantrags darauf abstellt, dass das Amtsgericht die
Antragstellerin mit den hälftigen Kosten des Verfahrens und der
Beteiligten belastet hat. Die Summe der insgesamt entstandenen
Kosten (oben A. a. + B. a.) beläuft sich auf 2.218.20,00 DM. Die
Hälfte hiervon beträgt 1.109,10 DM und liegt damit ebenfalls
unterhalb des gesetzlichen Beschwerdewertes.
3.
Zulässig ist dagegen die weitere Beschwerde, da hierfür die
Summe der in allen Vorinstanzen angefallenen Kosten maßgeblich ist
(vgl. BGH NJW-RR 1996, 1210). Aufgrund der oben genannten Zahlen
ergeben sich für das Verfahren der Erstbeschwerde folgende
Geschäfts- bzw. Gegenstandswerte und Kosten.
Wert
Gebühr
Faktor
Insgesamt
§ 48 I 1, 2, IV WEG
2.000,00 DM
20,00 DM
60,00 DM
§ 31 I 1 BRAGO
1.200,00 DM
90,00 DM
§ 31 I 2 BRAGO
90,00 DM
180,00 DM
§ 26 BRAGO
15%
27,00 DM
207,00 DM
§ 25 BRAGO
16%
33,12 DM
240,12 DM
960,48 DM
1.020,48 DM
Zuzüglich der anteiligen Kosten erster Instanz liegt daher der
Beschwerdewert über 1.500,00 DM (mit Geschäfts- bzw.
Gegenstandswerten in den Stufen bis 4.000,00 DM bzw. 2.400,00
DM).
III.
Im übrigen und unabhängig von allen Zulässigkeitsfragen sind die
Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts in der Sache
richtig.
Es ist im WEG-Verfahren bereits streitig, ob es in Fällen
einseitiger Erledigung überhaupt der Feststellung der Zulässigkeit
und Begründetheit eines Antrags bedarf. Ein Teil der Rechtsprechung
und Literatur meint, dass abweichend von zivilprozessualen
Grundsätzen die Erledigung der Hauptsache bereits dann
festzustellen sei, wenn infolge eines nach Anhängigkeit
eingetretenen Ereignisses ein Rechtsschutzbegehren gegenstandslos
wird, wobei die Frage der ursprünglichen Zulässigkeit und
Begründetheit des Begehrens nur im Rahmen der flexiblen
Kostenentscheidung nach § 47 WEG von Bedeutung sein könne (vg.
BayObLG NZM 1998, 488; BayObLG WE 1995, 63; BayObLG WE 1997, 153 =
WuM 1996, 722; OLG Hamm, FGPrax 1999, 48; Merle a.a.O. § 44 Rd.
99;). Demgegenüber wird auch vertreten, dass neben dem erledigenden
Ereignis nur noch die Zulässigkeit des ursprünglichen Antrags,
nicht aber dessen Begründetheit erforderlich sei (Weitnauer/Hauger,
WEG 8. Auflage, Anh. § 43 Rd. 35), während schließlich auch die
Meinung vertreten wird, dass die Prüfung wie im Zivilprozess zu
erfolgen habe, also die Zulässigkeit und Begründetheit
festzustellen sei (OLG Zweibrücken NJW-RR 1994, 1103 = WE 1995, 24;
Wenzel, a.a.O., § 44 Rd. 46).
Welcher dieser Auffassungen zu folgen ist, kann offen bleiben;
denn der Gegenantrag wäre ohne die nach Anhängigkeit erfolgte
Zahlung nicht nur zulässig, sondern auch begründet gewesen.
Die Antragstellerin, der nicht "erinnerlich" sein will, den
Benachrichtigungszettel über die Niederlegung des Einschreibens mit
Rückschein erhalten zu haben, verkennt, dass es hier nicht um die
Frage geht, ob eine Willenserklärung einem Anderen zugegangen ist,
sondern dass die Óbersendung der Rechnung bloße
Fälligkeitsvoraussetzung für die bereits vorher mit dem
bestandskräftigen Beschluss begründete Zahlungspflicht war und
Fälligkeit auf jeden Fall vor der Zahlung eingetreten war, nämlich
spätestens mit Óbermittlung der Rechnung im Verlaufe des
Verfahrens. Ohne die Zahlung hätte demnach der Gegenantrag in der
Sache Erfolg gehabt.
Dem Umstand, ob bereits vorher "Verzug" eingetreten war, konnte
daher von vornherein nur im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 47
WEG Bedeutung zukommen, und es entspricht in der hier gegebenen
Situation, in der - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei
festgestellt hat - ein Beteiligter eine abholbereite
Einschreibesendung trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht
abfordert - billigem Ermessen i. S. d. § 47 WEG, ihn mit den durch
sein Verhalten verursachten Kosten zu belasten. Auch in einem
Zivilprozess, dessen Kostenverteilungsgrundsätze in Fällen eines
Zahlungsantrags wegen entstandener Kosten der Instandhaltung
herangezogen werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 18.11.98 - 16
Wx 169/98 - = NZM 1999, 1155 LS) wäre die Beteiligte zu 1. nicht
mit dem Argument durchgedrungen, dass sie keinen Anlass zur Klage
i. S. d. § 93 ZPO gegeben hätte.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
beruht auf § 47 WEG. Es entspricht in der hier gegebenen Situation,
in der Ausgangspunkt ein Zahlungsantrag auf Beteiligung an
Instandhaltungskosten war, billigem Ermessen, der unterlegenen
Beteiligten zu 1. die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz
aufzuerlegen und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten
anzuordnen. Für eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO
liegen - wie ausgeführt - die Voraussetzungen nicht vor.
OLG Köln:
Beschluss v. 19.01.2000
Az: 16 Wx 191/99
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