Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. Mai 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 6/02

(BPatG: Urteil v. 14.05.2003, Az.: 3 Ni 6/02)

Tenor

Das Patent 195 11 977 wird für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 2. April 1995 angemeldeten Patents 195 11 977 (Streitpatent), das die Verwendung von Laserstrahlen zur Herstellung von Bildträgern zur Durchleuchtungsprojektion betrifft und 2 Patentansprüche umfasst. Die erteilten Patentansprüche lauten:

1. Verwendung von Laserstrahlen zur Herstellung von mit lichtdurchlässigen Mustern versehenen Projektionsscheiben, dadurch gekennzeichnet, dass das lichtdurchlässige Muster auf einem Träger aus parallel geschliffenem Glas mit einer lichtundurchlässigen oder teilweise lichtdurchlässigen Schicht beschichteten Seite durch partielles Abtragen der Schicht mittels des Laserstrahls erzeugt wird.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Muster mit einem Lesegerät in ein Computerprogramm aufgenommen wird und dieses Programm die Funktionen des Lasers steuert und das Muster auf die Projektionsscheibe überträgt.

Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 im Hinblick aufdas Patent IT 0127 1989 mit deutscher Übersetzungnicht neu seien, zumindest aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen würden.

Die Klägerin beantragt, das Patent 195 11 977 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

In Anbetracht des nachgewiesenen Standes der Technik legt die Beklagte mit der Eingabe vom 26. Juli 2002 neue Patentansprüche vor, die wie folgt lauten:

1. Verwendung von Laserstrahlen zur Herstellung von mit lichtdurchlässigen Mustern versehenen Projektionsscheiben, dadurch gekennzeichnet, dass das lichtdurchlässige Muster auf einem Träger aus parallel geschliffenem Glas mit einer mit einer lichtundurchlässigen Schicht beschichteten Seite durch partielles Abtragen der Schicht mittels Laserstrahlen erzeugt wird.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Muster mit einem Lesegerät in ein Computerprogramm aufgenommen wird und dieses Programm die Funktionen eines Lasers steuert, der das Muster auf die Projektionsscheibe überträgt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der Fassung der mit ihrem Schriftsatz vom 26. Juli 2002 eingereichten Patentansprüche 1 und 2 richtet.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent im Umfang der neuen Patentansprüche für patentfähig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents, §§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG. I.

1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung von Laserstrahlen zur Herstellung von mit lichtdurchlässigen Mustern versehenen Projektionsscheiben. Solche Projektionsscheiben, die auch Gobo genannt werden, werden in der Werbung eingesetzt, um mittels Lichtwerfersystemen Abbildungen und Darstellungen auf jeden beliebigen Untergrund zur Präsentation von Waren, zum Einsatz auf Messen, in der Außenwerbung, bei Lasershows oder in Diskotheken zu projizieren. Der Bildträger (Gobo), der bei der Projektion Temperaturen von bis zu 300 ¡C ausgesetzt wird, ist üblicherweise eine planparallele runde Scheibe aus Glas oder Metall mit einem Durchmesser von etwa 2 Zentimetern bis 15 Zentimetern.

2. Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde (s StrPS Sp 3 Z 59 bis Sp 4 Z 3), ein Verfahren zur Herstellung von mit lichtdurchlässigen Mustern versehenen Projektionsscheiben zur Verfügung zu stellen, das die Nachteile des Standes der Technik nicht aufweist und Projektionsscheiben mit lichtdurchlässigen Mustern liefert, deren Beschichtung thermisch dauerhaft beständig ist, wobei die Muster an ihren Rändern keine Randunschärfen aufweisen sollen. Außerdem sollen die dargestellten Muster ohne Hilfsstege hergestellt werden können. Eine weitere Aufgabe ist es, ein besonders einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen, das auch von ungeschultem Personal schnell erlernt und durchgeführt werden kann.

3. Zur Lösung beschreibt der neue Patentanspruch 1 die Verwendung von Laserstrahlen zur Herstellung von mit lichtdurchlässigen Mustern versehenen Projektionsscheiben, wobeia) das lichtdurchlässige Musterb) auf einem Träger aus parallel geschliffenem Glasc) mit einer mit einer lichtundurchlässigen Schicht beschichteten Seited) durch partielles Abtragen der Schicht mittels Laserstrahlen erzeugt wird.

II.

1. Das Streitpatent erweist sich auch in der Fassung der neuen Patentansprüche 1 und 2 als nicht bestandsfähig.

Die Neuheit der beanspruchten Verwendung kann im folgenden dahingestellt bleiben, weil es für den hier zuständigen Durchschnittsfachmann nach Auffassung des Senats der insoweit mit der Beklagten übereinstimmt, einen Graveur oder einen Damaszierer im Hinblick auf die aus der Patentanmeldung IT 0127 1989 bekannt gewordene technische Lehre zumindest keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um das beanspruchte Verfahren aufzufinden.

Die in der Klageschrift genannte italienische Patentanmeldung, die zum Patent IT 0127 1989 geführt hat, gehörte am Anmeldetag des Streitpatents zum Stand der Technik, der bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit berücksichtigt werden muss.

Die am 8. März 1993 eingereichte italienische Anmeldung unterlag entsprechend dem italienischen Patentrecht 18 Monate später, also am 8. September 1994 und somit vor dem für das Streitpatent maßgeblichen Zeitrang (2. April 1995), auf Antrag der freien Akteneinsicht. Damit hatte ab diesem Zeitpunkt ein nicht begrenzter Personenkreis die Möglichkeit, vom Inhalt der italienischen Patentanmeldung eine genügende Kenntnis zu erlangen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist oder die Öffentlichkeit durch einen besonderen Hinweis, zB in einem Amtsblatt oder Register, über die Existenz des Dokuments und dessen Zugänglichkeit informiert worden ist (vgl Schulte PatG 6. Aufl § 3 Rdn 58, 64, 71 mwN; GRUR int. 1990, 853). Es genügt die bloße Möglichkeit eines unmittelbaren eindeutigen Zugangs zu einer bestimmten Information, damit sie als relevanter Stand der Technik bewertet werden muss. Dies gilt unabhängig davon, ob überhaupt ein Grund dazu bestand, nach dieser Information zu suchen oder ob sich eine Recherche nur sehr schwierig durchführen ließ.

Da sich das erteilte italienische Patent inhaltlich unmittelbar aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ergibt (s Bl 130 Amtsakte zur parallelen Europäischen Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 96105271.9) und die Richtigkeit der deutschen Übersetzung von der Beklagten nicht bestritten wird, bezieht sich der Senat bei den folgenden Ausführungen auf den Wortlaut der von der Klägerin eingereichten deutschen Übersetzung zum italienischen Patent IT 0127 1989.

Die Entgegenhaltung IT 0127 1989 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Lichtfiltern, insbesondere für die Projektion von Bildern mit Hochleistungsprojektoren. Diese Lichtfilter werden eingesetzt, um ein Bild oder Mitteilungen auf Wände oder Bildschirme in Diskotheken, Theatern oder öffentlichen und privaten Lokalen zu projizieren. Da diese Projektionsscheiben in der Nähe von starken Lichtquellen positioniert werden, sind sie im allgemeinen aus Materialien gefertigt, die hohen Temperaturen widerstehen können (S 2 Abs 2 der deutschen Übersetzung von IT 0127 1989). Damit offenbart diese Druckschrift gattungsgemäße Projektionsscheiben.

Nach Patentanspruch 1 der Entgegenhaltung IT 0127 1989 wird zur Herstellung eines Lichtfilters zunächst eine Schicht von Material auf ein optisches Trägersubstrat aufgebracht, das eine Farbe oder einen Farbton aufweist. In einem folgenden Schritt wird dann ein vorbestimmtes Muster (vgl mit Merkmal a)) mittels teilweiser Entfernung der Schicht mit einem Laserlichtbündel entfernt (vgl mit Merkmal d)), das auf die Schicht gerichtet ist. Nach Patentanspruch 4 besteht das Substrat aus Glas, das eine hohe Hitzebeständigkeit aufweist (S 5 Abs 2 der deutschen Übersetzung von IT 0127 1989).

In der Druckschrift IT 0127 1989 wird jedoch nicht wörtlich offenbart, dass als Träger parallel geschliffenes Glas eingesetzt wird (Merkmal b)), das mit einer lichtundurchlässigen Schicht beschichtet ist (Merkmal c)).

Wie die Patentinhaberin in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents in Spalte 1 Zeilen 13 bis 17 sowie Spalte 4 Zeilen 29 bis 33 selbst einräumt, ist der Bildträger eines Gobos üblicherweise zB eine planparallele Scheibe aus Glas. Der Fachmann wird beim aufmerksamen Studium der Figuren 2 bis 5 der Entgegenhaltung IT 0127 1989, welche ebenfalls die Herstellung von Projektionsscheiben für die Projektion von Bildern mit Hochleistungsprojektoren (Gobos) betrifft, ohne weiteres mitlesen, dass als optisches Trägersubstrat gemäß Patentanspruch 4 der Entgegenhaltung parallel geschliffenes Glas eingesetzt werden kann. Merkmal b) des Patentanspruchs 1 kann somit nichts zur Patentfähigkeit beitragen.

Die patentgemäßen lichtundurchlässigen Schichten sind in der Regel Metallschichten, wie zB Chrom oder Silber, die durch Aufdampfen auf hitzebeständiges, parallel geschliffenes Glas hergestellt werden können (Streitpatentschrift Sp 4 Zeilen 29 bis 49). Da auch die gemäß Patentanspruch 3 der Entgegenhaltung IT 0127 1989 aufgetragene, zumindest für einen Teilbereich des sichtbaren Wellenlängenbereichs des Lichts undurchlässige Schicht aus einem Metall besteht, kann in der patentgemäßen Verwendung von Laserstrahlen zum Abtragen einer lichtundurchlässigen Schicht (siehe Merkmal c)) gegenüber der IT 0127 1989 keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden. Der Streitpatentschrift kann kein Hinweis entnommen werden, dass beim Abtragen von patentgemäßen lichtundurchlässigen Metallschichten besondere Maßnahmen gegenüber der aus Entgegenhaltung IT 0127 1989 bekannten Vorgehensweise zum Entfernen von Metallschichten ergriffen werden müssten. Die Argumentation der Beklagten auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 26. Juli 2002, dass der Fachmann die Techniken, die bei dichroidischen Filtern gemäß IT 0127 1989 angewendet werden, nicht auf Gobos, die mit den Maßnahmen des Streitpatents hergestellt werden, übertragen würde, können daher nicht greifen. Das gleiche gilt im Hinblick auf die geltend gemachten Unterschiede der Metallschichtdicke bei Gobos und dichroidischen Filtern, nachdem Schichtdicken im verteidigten Patenanspruch 1 nicht angegeben sind.

Somit liegt die Verwendung von Laserstrahlen zur Herstellung von Projektionsscheiben aus parallel geschliffenem Glas, das mit einer lichtundurchlässigen Metallschicht beschichtet ist (Merkmal c)), bei Kenntnis der Druckschrift IT 0127 1989 und der gegebenen Aufgabenstellung voll im Bereich des Wissens und Könnens eines Durchschnittsfachmanns. Die Maßnahmen des neuen Patentanspruchs 1 beruhen daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dieser Patentanspruch ist deshalb nicht bestandsfähig.

Patentanspruch 2 betrifft die Verwendung nach Anspruch 1, wobei das Muster mit einem Lesegerät in ein Computerprogramm aufgenommen wird und dieses Programm die Funktionen eines Lasers steuert, der das Muster auf die Projektionsscheibe überträgt.

Gemäß Patentanspruch 7 der Entgegenhaltung IT 0127 1989 werden Reflexionsmittel, die den Laserstrahl ablenken, mittels eines galvanometrischen Systems durch eine elektronische Kontrollausrüstung in Abhängigkeit von der darzustellenden Abbildung gesteuert. Nach Patentanspruch 8 enthält das elektronische Kontrollsystem ein Verarbeitungssystem, das geeignet ist, das Bild der zu erstellenden Abbildung aufzunehmen. Dies ist aber erkennbar nur eine andere Formulierung für die Maßnahmen des gültigen Patentanspruchs 2. Somit kann auch Patentanspruch 2 im Hinblick auf die Entgegenhaltung IT 0127 1989 keinen Bestand haben.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht auf Grund von § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Hellebrand Dr. Wagner Brandt Dr. Feuerlein Dr. Gerster Pr






BPatG:
Urteil v. 14.05.2003
Az: 3 Ni 6/02


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