Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 7. Januar 2014
Aktenzeichen: 2 Wx 302/13

(OLG Köln: Beschluss v. 07.01.2014, Az.: 2 Wx 302/13)

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 14. November 2013 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11. November 2013, 209 O 87/10, wird zurückgewiesen.

Gründe

1.

Aufgrund einer Entscheidung vom 12. März 2010 über einen Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG erging am 31. Mai 2010 eine Kostenrechnung nach § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO über insgesamt 800,00 € (4 Werke x 200,00 €), die die Beteiligte zu 1) am 21. Juni 2010 ohne Beanstandung beglich. Wegen der bereits am 2. März 2010 zusätzlich erlassenen einstweiligen Anordnung (§§ 49 ff. FamFG) ist ausweislich der dem Senat vorgelegten Akten keine Kostenrechnung ergangen. Mit Schreiben vom 8. April 2013 bat die Beteiligte zu 1) unter Hinweis darauf, die Entscheidung vom 12. März 2010 habe unter Berücksichtigung der mittlerweile ergangenen gefestigten Rechtsprechung des Senats lediglich ein Werk erfasst, um Rückerstattung des Differenzbetrages von 600,00 €. Nachdem keine Rückzahlung erfolgte, hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Juni 2013 Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt. Durch Beschluss vom 11. November 2013 hat die Kammer der Erinnerung stattgegeben und die Kostenrechnung der Gerichtskasse Köln sowie den dazugehörigen Kostenansatz dahin geändert, dass nur eine Gerichtsgebühr in Höhe von 200,00 € anfällt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 14. November 2013, der sich auf eine Verwirkung des eingelegten Rechtsmittels der Erinnerung beruft. Durch Beschluss vom 6. Dezember 2013 hat das Landgericht der eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.

2.

Die mit dem Ziel der Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG i.V.m. § 81 Abs. 2 GNotKG statthaft. Über das Rechtsmittel hat der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung zu entscheiden. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

a)

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) kann die nach 3 Jahren eingelegte Erinnerung gegen den Kostenansatz nicht als verwirkt angesehen werden.

Die Frage einer Verwirkung des Erinnerungs- oder Beschwerderechts wird in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, die verfahrensmäßige Befugnis zur Anrufung eines Gerichts gegen den Kostenansatz könne grundsätzlich nicht verwirkt werden (OLG Schleswig, SchlHA 2000, 118 (119); Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl., Stichwort Verwirkung, S. 1072; Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl. § 14 Rn. 55), denn die Verwirkung sei nur bei materiellen Ansprüchen oder prozessualen Rechten möglich. Nach anderer Ansicht (OLG Frankfurt, Rpfleger 1965, 182; Waldner in Rohs/Wedewer, KostO, Stand August 2012, § 14 Rn. 11; Treffer, JurBüro 1998, 174; sowie für den Antrag auf Geschäftswertfestsetzung: z.B. OLG Hamm, Rpfleger 1987, 204; OLG Schleswig, SchlHA 1982, 48) kann auch ein Rechtsbehelf gegen den Kostenansatz verwirkt sein. Dies wird zugelassen, wenn die Geltendmachung des Rechtsbehelfs als missbräuchliche Rechtsausübung (§ 242 BGB) zu beurteilen ist, der prozessuale Angriff also so lange verzögert wurde, dass die Kostenberechnung längst abgewickelt war und alle Beteiligten sich auf eine Erledigung des Kostenstreits eingestellt hatten (OLG Frankfurt, Rpfleger 1965, 182; KG, Rpfleger 1962, 117). Nachdem die vierjährige Verjährung nach § 17 Abs. 1 bzw. § 17 Abs. 2 KostO erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem eine rechtskräftige Entscheidung über die Kosten erging, könnte durch das Hinauszögern des grundsätzlich unbefristeten Rechtsmittels der Verjährungseintritt verhindert werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit erscheint es aus Sicht des Senats gerechtfertigt und erforderlich, der letztgenannten Auffassung zu folgen. Entsprechend kann grundsätzlich auch den unbefristeten Rechtsbehelfen in Kostensachen eine Verwirkung entgegengehalten werden. Denn auch dieses Verfahren wird von den aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätzen beherrscht (OLG Hamm Rpfleger 1980, 243; OLG München, NJW-RR 2013, 1083).

Unterschiedlich wird in der Rechtsprechung die Frage beantwortet, ab welchem Zeitpunkt überhaupt eine Verwirkung des Rechtsmittels geltend gemacht werden kann. Teilweise orientiert sich die Rechtsprechung allein an dem Ablauf der kürzeren Nachforderungsfrist des § 15 Abs. 1 KostO (so etwa OLG Schleswig, SchlHA 1982, 48). Andere Entscheidungen stellen auf die Verjährungsfrist des § 17 Abs. 2 KostO ab (so z.B. OLG Schleswig, SchlHA 2000, 118; vgl. auch OLG Hamm, Rpfleger 1987, 204). Einer Entscheidung dieser Streitfrage durch den Senat bedarf es hier nicht. Den Entscheidungen ist gemeinsam, dass der für eine Verwirkung maßgebliche Zeitpunkt nicht allgemein festgelegt werden kann. Eine Verwirkung vor Eintritt der Verjährung nach § 17 Abs. 2 KostO kommt vielmehr nur in seltenen Ausnahmefällen unter ganz besonderen Umständen in Betracht (vgl. OLG München, NJW-RR 2013, 1083; OLG Schleswig, SchlHA 2000, 118; Rohs/Wedewer, a.a.O., § 14 Rn. 11). Diese besonderen Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es sind über den bloßen Zeitablauf hinaus weder besondere Umstände ersichtlich noch werden diese von dem Beteiligten zu 2) geltend gemacht, nach denen die Landeskasse nicht mehr mit einer Rückforderung der überzahlten Gerichtsgebühren rechnen musste. Vielmehr hat das Landgericht in seiner Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Gerichtskosten in Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG bereits im Jahre 2010 im Streit stand. Insoweit war eine Vielzahl von Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren - auch durch die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) - im Hinblick auf die damals noch ausstehende Grundsatzentscheidung des Senats eingelegt worden. Letztlich bestand erst Anfang des Jahres 2013 aufgrund mehrerer Beschlüsse des Senats Sicherheit darüber, wie die Kosten in den Verfahren nach § 101 Abs. 1 UrhG zu berechnen sind. Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholung Bezug auf die von ihm geteilten Ausführungen in dem landgerichtlichen Beschluss und macht diese zur Grundlage seiner Entscheidung.

b)

Zutreffend hat das Landgericht auf die Erinnerung die Kostenrechnung abgeändert. Die von der Beteiligten zu 1) für die Hauptsache zu tragenden Gerichtskosten übersteigen nicht den in der Erinnerungsentscheidung des Landgerichts vom 11. November 2013 abgeänderten Betrag von insgesamt 200,00 €.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2013 - 2 Wx 328/12) sind die Begriffe des Antrages und der Entscheidung über den Antrag in § 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO nicht im formellen Sinne zu verstehen und nicht mit dem Begriff der Antragsschrift gleichzusetzen, so dass die Gebühr mehrfach anfällt, wenn mit einer Antragsschrift nach § 101 Abs. 9 UrhG die Verletzung von Rechten an mehreren Werken geltend gemacht wird. Vorliegend war das indes nicht der Fall; in der Antragsschrift des Ausgangsverfahrens vom 1. März 2010 sowie in dem dort angekündigten Antrag ist nur ein Werk angeführt, nämlich die Tonaufnahme "T" des Künstlers "Q", an dem die Antragstellerin die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte besitzt. Soweit - wie hier - die Verletzung der Rechte an einem Musikalbum durch den Rechteinhaber geltend gemacht wird, ist dieses als ein Werk im Sinne der zu § 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO ergangenen Rechtsprechung des Senats zu verstehen, und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Verletzer das gesamte Album oder nur Teile hiervon zum Download anbietet. Insoweit richtet sich das materielle Rechtsschutzbegehren an die Gestattung der Bekanntgabe der Verkehrsdaten derjenigen Personen, unter deren IP-Adressen in einen bestimmten Zeitraum die behaupteten Verletzungshandlungen hinsichtlich dieser Musikzusammenstellung vorgenommen worden sind. Etwas anderes mag dann gelten, wenn neben der Verletzung der Rechte an dem gesamten Album auch noch eine Verletzung der Rechte an einzelnen (Single-) Auskopplungen aus dem Album geltend gemacht wird. Dies ist hier indes ausweislich der Antragsschrift vom 15. Oktober 2012 nicht geschehen.

Unerheblich ist es auch, wenn mit einem Antrag nach § 101 Abs. 9 UrhG die Gestattung der Bekanntgabe der einer Vielzahl von IP-Adressen zuzuordnenden Verkehrsdaten erstrebt wurde. Vielmehr ist mittlerweile geklärt, dass die Gebühr nicht schon dann mehrfach ausgelöst wird, wenn die Auskunft für unterschiedliche IP-Adressen begehrt wird (vgl. OLG Düsseldorf, FGPrax 2009, 130; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 407; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2012, 230 [232]). Nichts anderes gilt, wie der Senat entschieden hat (Beschluss vom 23. Januar 2013 - 2 Wx 29/12), auch dann, wenn die Verletzungshandlung unter Verwendung unterschiedlicher Client-GUID begangen wurde, was zwar indiziell - aber nicht zwingend - auf das Handeln verschiedener Verletzer deutet, den für die Anwendung des § 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO bei typisierender Betrachtung maßgeblichen Sachverhalt aber nicht entscheidend prägt. Unerheblich für den Gebührentatbestand ist auch, ob sich das in der Antragsschrift des Ausgangsverfahrens bezeichnete Werk auf verschiedenen Chartcontainern oder Compilations findet (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 2 Wx 29/12). Für die Entscheidung über den Antrag in der Hauptsache fällt hier mithin nur eine Gebühr von 200,00 € nach § 128 e Abs. 1 Nr. 4 KostO an.

2.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, § 81 Abs. 8 GNotKG.






OLG Köln:
Beschluss v. 07.01.2014
Az: 2 Wx 302/13


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