Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. November 2001
Aktenzeichen: 34 W (pat) 11/00

(BPatG: Beschluss v. 15.11.2001, Az.: 34 W (pat) 11/00)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluß der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 2. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Patentabteilung das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Dose aus Weißblech mit gebördeltem Deckel und Boden, bei der Deckel und Boden aus einem doppelt reduzierten Blech hergestellt sind, wobei der Deckel/Boden mit dem Mantel durch Bördeln verbunden sind, wobei sich eine Überlappung von Mantel und Deckel/Bodenhaken ergibt mit Verringerung der Falzhöhe, dadurch gekennzeichnet, daß

das doppelt reduzierte Blech eine Stärke von 0,14 bis 0,18 mm aufweist, der Deckelhaken und der Mantelhaken eine Höhe von 1 mm und der Falz eine Höhe von 1,5 mm aufweisen und die Kerntiefe eine Abmessung von 1,6 mm aufweist, wobei sich der Rauminhalt der Dose durch die Verringerung der Mantelhöhe nicht verringert.

Drei Unteransprüche betreffen Ausgestaltungen der Dose nach Patentanspruch 1.

Im Prüfungs- und Einspruchsverfahren sind folgende Schriften zum Stand der Technik entgegengehalten worden:

Deutsche Zeitschrift Industrie-Anzeiger 26/1987, Seiten 26 bis 30, Deutsche Zeitschrift Bänder, Bleche, Rohre 9-1983, Seiten 250 bis 253, deutsche Patentschrift 29 00 568 C2, britische Patentschrift 1 124 968, deutsche Offenlegungsschrift 31 04 715 A 1 und Verkaufsinformation der Fried. Krupp Maschinenfabriken Essen VI 1.03.01, Stand 1.10.64.

Gegen den angefochtenen Beschluß richtet sich eine Beschwerde. Im Beschluß ist als Einsprechende die K... AG aufgeführt. Im Briefkopf der Beschwerdeschrift ist hingegen die Firma T... Industries aufge- führt. Im Betreff heißt es ua "Einsprechende K... AG", am Ende der Beschwerdeschrift zeichnen die Herren J... (ppa) und K1...(i.V.) für die T1... Industries AG. Im Text der Beschwerdeschrift wird zunächst unter Bezugnahme auf eine beiliegende notarielle Bescheinigung mitgeteilt, "daß die K... AG mit der T2... AG durch Neugründung der T3... AG verschmolzen ist und die T3... AG die Rechtsnach- folgerin der K... AG ist". Es wird gebeten die eingetre- tene Rechtsnachfolge und die neue Zustellanschrift "T1... Indust- ries AG, Abt. CJP-Patente" zu vermerken. Sodann heißt es im Text weiter: "Gegen den Beschluß der Patentabteilung 27 vom 02.12.1999 legen wir hiermit Beschwerde ein und beantragen 1. den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das eingangs erwähnte Patent zu widerrufen ...".

Mit Schriftsätzen vom 17. August 2000 und 30. November 2000 bekräftigt die Einsprechende, daß sie und nicht die T1... Industries AG Beschwerde ein- gelegt habe. Sie hält die Beschwerde für zulässig und ist der Ansicht, bereits aus der Beschwerdeschrift vom 7. Januar 2000 ergebe sich, daß Beschwerdeführerin die T3... AG sei; soweit die T1... Industries AG im Briefkopf und über den Unterschriften aufgeführt sei, beruhe dies auf einem Irrtum und sei ein Schreibfehler.

Die Einsprechende ist ferner der Meinung, daß die Beschwerde auch begründet sei, und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Beschwerde für unzulässig. Eine nicht beschwerdeberechtigte Dritte, die T1... Industries AG, habe Beschwerde eingelegt und die Beschwer- degebühr gezahlt. Zumindest könne aber aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerdeschrift nicht zweifelsfrei festgestellt werden, daß die T3... AG Beschwerdeführerin sei. Im übrigen sei der Gegenstand des Patents durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II A) Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist insbesondere von der beschwerdeberechtigten Einsprechenden fristgerecht eingelegt worden. Das ergibt sich jedenfalls aus ihren Schriftsätzen vom 17. August 2000 und 30. November 2000. Diese sind zu berücksichtigen, weil die Beschwerdefrist im vorliegenden Fall noch nicht in Lauf gesetzt ist.

Auf Anordnung des Senats ist nachträglich ein Zustellungsvermerk der Postabfertigungsstelle zu den Einspruchsakten des Deutschen Patent- und Markenamts (Bl 34) gebracht worden. Danach ist der angefochtene Beschluß vom 2. Dezember 1999 am 14. Dezember 1999 mit Einschreiben zur Post aufgegeben worden. Diese Zustellung war aber mit einem Mangel behaftet. Sie war an einen falschen Adressaten gerichtet, nämlich an die K... AG, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr bestand. Diese war bereits mit Wirkung vom 17. März 1999 mit der T2... Aktiengesellschaft zur T3... AG ver- schmolzen.

Anhand der Akten läßt sich somit die formgerechte Zustellung des Beschlusses nicht nachweisen.

Zwar mag die T3... AG bzw die T1... Industries AG den Beschluß letztlich erhalten haben, wofür spricht, daß zeitnah Beschwerde eingelegt worden ist. Dies führt entgegen § 9 Abs 1 des VwZG aber nicht zur Heilung des Zustellungsmangels. Denn PatG § 127 Abs 2 schließt die Anwendung dieser Vorschrift aus, wenn mit der Zustellung die Frist für die Einlegung der Beschwerde (§ 73 Abs 2) beginnt. Damit ist hier diese Frist noch nicht in Lauf gesetzt worden. Gleichwohl konnte bereits vor Fristbeginn wirksam Beschwerde eingelegt werden.

Auch kann der Inhalt der Schriftsätze vom 17. August 2000 und 30. November 2000, weil nicht verfristet, voll berücksichtigt werden. Diese stammen, wie sich aus dem Text vor den abschließenden Unterschriften (wenn auch im Widerspruch zum vorgedruckten Briefkopf und zur vorgedruckten Fußleiste) ergibt, von der T3... AG. Aus dem Inhalt dieser Schriftsätze ergibt sich eindeutig, daß die T3... AG Beschwerdeführerin sein soll. Deshalb kann offenbleiben, ob sich das schon aus der Beschwerdeschrift ergibt.

Entgegen der Auffassung des Patentinhabers ist auch die Beschwerdegebühr wirksam und rechtzeitig gezahlt worden, und zwar nicht durch die Einsprechende und Beschwerdeführerin, sondern eine Dritte, die T1... Industries AG. Das ist zulässig (Schulte, PatG, 6. Aufl § 73 Rdn 99; Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl, § 73 Rdn 112). Auch die Zahlung konnte bereits vor Beginn der Beschwerdefrist erfolgen.

B) Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.

1. Die Dose gemäß Patentanspruch 1 ist entgegen der Ansicht der Einsprechenden patentfähig.

a) Sie ist durch keine der entgegengehaltenen Schriften vollständig vorbeschrieben und daher neu, was auch die Einsprechende nicht in Abrede gestellt hat. Von den in den Entgegenhaltungen beschriebenen Gegenständen unterscheidet sie sich zumindest dadurch, daß der Falz eine Höhe von 1,5 mm aufweist.

b) Die offensichtlich gewerblich anwendbare Dose gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Sie geht aus von einer Dose aus Weißblech, wie sie bspw in der deutschen Patentschrift 29 00 568 gezeigt und beschrieben ist und bei der sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 verwirklicht sind. Bei dieser vorbekannten Dose ist der Materialbedarf für das Blech als zu hoch empfunden und dem Patent daher die Aufgabe zugrunde gelegt worden (vgl Sp 2 Z 15 bis 18 der Streitpatentschrift), eine Dose zu schaffen, bei der sich eine erhebliche Blecheinsparung ohne Deformierung der Bördelung (Faltenbildung) ergibt.

Diese Aufgabe wird bei der vorbekannten Dose durch die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst. Durch das erste kennzeichnende Merkmal wird die Stärke des für Deckel und Boden zu verwendenden doppelt reduzierten Blechmaterials festgelegt, durch die folgenden, die Geometrie des Dosenfalzes bestimmenden Maßangaben von Deckelhakenlänge, Mantelhakenlänge, Falzhöhe und Kerntiefe wird der Blechbedarf für die erfindungsgemäße Dose gegenüber der vorbekannten Dose verringert, während das letzte kennzeichnende Merkmal inhaltlich zum Ausdruck bringt, daß der Rauminhalt der erfindungsgemäßen Dose trotz verringerten Blechbedarfs sich gegenüber der vorbekannten Dose nicht ändern soll.

Entgegen der Ansicht der Einsprechenden sind die im Kennzeichen des Anspruchs 1 enthaltenen Maßangaben - jedenfalls innerhalb gewisser Grenzen - voneinander unabhängig und nicht so miteinander verknüpft, daß sie einander im Sinne einer Überbestimmung bedingen. Allerdings stehen die beanspruchten Maßangaben der erfindungsgemäßen Falzgeometrie in einem Verhältnis zueinander, wie es auch bei vorbekannten - allerdings größeren - Falzhöhen vorliegt. So ist das erfindungsgemäße Verhältnis von Deckel- oder Mantelhakenlängen zur Falzhöhe von 1,0 : 1,5 = 2/3 auch bei der vorbekannten Dose (vgl Anspruch 1 der deutschen Patentschrift 29 00 568, wie auch in der darin erwähnten SEFE L-Empfehlung vom Juni 1978, (S. 26 : 1,95 : 2,85 = ca. 2/3)) verwirklicht. Gleiches gilt für das patentgemäße Verhältnis von Kerntiefe zu Falzhöhe (1,6 : 1,5 = 1,067), das in der SEFE L-Empfehlung 3,07 : 2,85 = 1,077 beträgt. Dem Erfinder kommt daher das Verdienst zu erkannt zu haben, daß sich bei der aus der deutschen Patentschrift 29 00 568 bekannten Dose unter Beibehaltung der Verhältnisse der Falzgeometrie bei Verwendung eines doppelt reduzierten Bleches für Deckel und Boden mit einer Stärke von 0,14 bis 0,18 mm die Falzhöhe unter Vermeidung von Faltenbildung von 2,2 bis 2,6 mm (s. Anspruch 1 der DE-PS 29 00 568 auf 1,5 mm reduzieren läßt.

Diese Lösung war dem Fachmann - auch unter Berücksichtigung seines vorauszusetzenden Fachwissens - am Prioritätstag des Streitpatents durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt.

Entgegen der Ansicht der Einsprechenden gibt ihm die deutsche Patentschrift 29 00 568 aus sich heraus keine Anregung, die dort erwähnte Mindestfalzhöhe von 2,2 mm auf 1,5 mm zu verringern. Selbst wenn man der Auffassung der Einsprechenden folgt (vgl S 6 Abs 3 des Schriftsatzes vom 16. Oktober 2001), bei dem dort gezeigten Falz bestehe ein "nutzbarer Freiraum" von etwa 0,31 mm, dann würde eine Vermeidung dieses Freiraums bei unveränderter Länge von Deckelhaken und Mantelhaken - ausgehend von der Mindestfalzhöhe von 2,2 mm - allenfalls zu einer Falzhöhe von 1,9 mm führen, was deutlich über dem erfindungsgemäßen Wert von 1,5 mm für die Falzhöhe liegt.

Die deutsche Offenlegungsschrift 31 04 715 beschäftigt sich wie das Streitpatent ebenfalls mit einer Reduzierung des Blechbedarfs bei der Dosenherstellung (vgl S 4 le Z bis S 5 Abs 1). Bei einer Falzhöhe zwischen 2 und 3 mm, vorzugsweise 2,2 bis 2,6 mm (vgl S 6 le Abs) wird hier vorgeschlagen, den Deckelhaken mit einer Länge von höchstens 1/30, vorzugsweise 1/32 bis 1/48 des Deckelnenndurchmessers auszubilden. Selbst wenn man auch hier der Auffassung der Einsprechenden folgt, daß sich daraus eine Deckelhakenlänge von 1,31 mm ergeben kann (vgl S 4 Abs 4 des Einspruchsschriftsatzes vom 11. August 1997), ergäbe das bei unveränderten Falzproportionen lediglich das in dieser Schrift erwähnte Mindestmaß für die Falzhöhe von 2,0 mm, aber nicht den erfindungsgemäßen Wert von 1,5 mm.

Die britische Patentschrift 1 124 968 wie auch die übrigen entgegengehaltenen Schriften beschäftigen sich mit der Verwendung von doppelt reduziertem Blech für die Dosenherstellung, aber nicht mit der dabei auszuführenden Falzhöhe. Diese Schriften konnten daher allenfalls die Verwendung von doppelt reduziertem Blech entsprechend dem ersten kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 nahelegen, aber nicht die beanspruchte Falzhöhe. Im übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen zu diesen Schriften auf die auch insoweit zutreffenden Ausführungen der Patentabteilung im angefochtenen Beschluß verwiesen.

Die die Patentfähigkeit der Dose nach Patentanspruch 1 rechtfertigende erfinderische Leistung des Patentinhabers ist nach Auffassung des Senats vor allem darin zu sehen, daß er sich über die seit Jahren bestehende Fehlvorstellung der Fachwelt, eine Dose mit einer Falzhöhe von wesentlich weniger als 2,0 mm sei nicht herstellbar, hinweggesetzt hat. Dies gilt umso mehr, als zwischen dem Anmeldetag der deutschen Offenlegungsschrift 31 04 715, die mit 2,0 mm die geringste Falzhöhe im nachgewiesenen Stand der Technik nennt, und dem Prioritätstag des Streitpatents ein Zeitraum von knapp 10 Jahren liegt und es sich bei dem Patentgegenstand um einen ausgesprochenen Massenartikel handelt, bei dem auch kleinere Materialeinsparungen für seine Herstellung als Indiz für eine erfinderische Tätigkeit angesehen werden können.

Der Patentanspruch 1 hat aus diesen Erwägungen Bestand.

2. Die Ansprüche 2 bis 4 betreffen Ausgestaltungen der Dose nach Patentanspruch 1, die nicht platt selbstverständlich sind. Gemeinsam mit Patentanspruch 1 haben daher auch die Unteransprüche Bestand.

Ulrich Hövelmann Dr. Barton Ihsen Fa/Na






BPatG:
Beschluss v. 15.11.2001
Az: 34 W (pat) 11/00


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