Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 8/06
(BPatG: Beschluss v. 17.10.2006, Az.: 5 W (pat) 8/06)
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. August 2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Löschungsantragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat ein Löschungsverfahren gegen das Gebrauchsmuster 299 17 555 betrieben, das - nach zunächst erfolgter Zurückweisung des Löschungsantrags durch die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts - durch Beschluss des 5. Senats des Bundespatentgerichts vom 12. Januar 2005 gelöscht wurde. Die Verfahrenskosten beider Rechtszüge wurden der Antragsgegnerin auferlegt.
Nach Rechtskraft des Beschlusses vom 12. Januar 2005 hat die Antragstellerin beim Deutschen Patent- und Markenamt Kostenfestsetzung beantragt und u. a. eine 10/10 Prozessgebühr und eine 10/10 Verhandlungsgebühr von je 1007,25 € für die neben ihrem Patentanwalt mitwirkende Rechtsanwältin geltend gemacht. Zur Begründung trägt sie vor, dass in Patent-Nichtigkeitsverfahren die Doppelvertretung anerkannt sei und in Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren nichts anderes gelten könne.
Mit Beschluss vom 26. August 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung die Kosten für das Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt auf 3.788,47 € festgesetzt und den weitergehenden, auf die Erstattung der Rechtsanwaltskosten gerichteten Antrag unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung zurückgewiesen.
Gegen diese Zurückweisung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt vor, dass im Patent-Nichtigkeitsverfahren die Kosten einer Doppelvertretung regelmäßig von der unterliegenden Partei zu tragen seien. Dieser Grundsatz müsse auch im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren gelten. Denn ein Gebrauchsmuster gewähre seinem Inhaber die gleichen Verbietungs- und Unterlassungsrechte wie ein Patent. Wie im vorliegenden Fall sei der gleiche Gegenstand häufig sowohl durch ein Patent als auch durch ein Gebrauchsmuster geschützt. In einem Verfahren, das die Löschung eines Gebrauchsmusters zum Ziel habe, träten die gleichen technischen und rechtlichen Schwierigkeiten auf wie in Verfahren, die die Nichtigkerklärung eines Patents zum Gegenstand hätten. Demzufolge werde in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass die unterschiedliche Praxis nicht gerechtfertigt sei. Nachdem auch die Anwendung der PAGO bei der Kostenerstattung für Patentanwälte fallen gelassen worden sei, sollte nunmehr auch die der rechtlichen Bedeutung eines Gebrauchsmusters nicht mehr angemessene Praxis aufgegeben werden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. August 2005 aufzuheben, soweit die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.014,50 € nicht anerkannt worden seien und die Kosten entsprechend festzusetzen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die Erstattung der Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt kann nach § 18 Abs. 3 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, der auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO verweist, nur beansprucht werden, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Maßstab hierfür ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Das ist im vorliegenden Fall nach den für das Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vom Bundesgerichtshof aufgestellten und in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts ausgeformten Grundsätzen nicht der Fall.
Anders als in Patent-Nichtigkeitsverfahren wird eine Doppelvertretung durch Patentanwälte und Rechtsanwälte im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vor dem Bundespatentgericht in der Rechtsprechung regelmäßig nicht als notwendig angesehen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung zum Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren in GRUR 1965, 621, 626 - Patentanwaltskosten - die Auffassung des 5. Senats des Bundespatentgerichts gebilligt, dass eine Partei im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren durch einen Patentanwalt regelmäßig vollwertig vertreten sei. Lediglich bei Rechtsfragen, die außerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes lägen, etwa bei schwierigen gesellschaftsrechtlichen Fragen, könne die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts neben dem Patentanwalt notwendig werden. Solche Fragen sind vorliegend nicht ersichtlich.
Der Bundesgerichtshof hat darauf abgestellt, dass ein Patentanwalt durch seine Ausbildung und Berufspraxis so geschult ist, dass er die im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren regelmäßig auftretenden patent- bzw. gebrauchsmusterrechtlichen Fragen beherrscht. Dies gilt weiterhin und wird durch die geltend gemachte Erweiterung von Verbietungs- und Unterlassungsrechten des Gebrauchsmusters oder dessen rechtliche Bedeutung nicht beeinflusst.
Auch die bisherige Entscheidungspraxis des erkennenden sowie des 10. Senats geht in Fortführung der Entscheidung "Patentanwaltskosten" des Bundesgerichtshofs dahin, Doppelvertretungskosten nur dann anzuerkennen, wenn über den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hinaus schwierige rechtliche Fragen zu beurteilen sind (vgl. BPatGE 45,129 ff. m. w. N.).
Die Antragstellerin kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass in Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren die gleichen technischen und rechtlichen Schwierigkeiten aufträten wie in Patent-Nichtigkeitsverfahren. Die im Löschungsverfahren und im sich anschließenden Beschwerdeverfahren regelmäßig im Vordergrund stehende Beurteilung der Schutzfähigkeit, also der Neuheit und des erfinderischen Schritts, ist rein patentrechtlich zu qualifizieren. Bis zur Rechtskraft einer (zumindest teilweise) die Löschung zurückweisenden Entscheidung liegt im Gegensatz ein "geprüftes" Schutzrecht nicht vor. Der von der Antragstellerin aufgestellte Vergleich mit dem Nichtigkeitsverfahren geht daher schon aus diesem Grund fehl. Aber auch in rechtlicher Hinsicht trifft der Vergleich nicht zu. Die juristischen Anforderungen bei der Ausarbeitung einer Nichtigkeitsklage sind regelmäßig ungleich höher als die Anforderungen bei der Ausarbeitung eines Gebrauchsmusterlöschungsantrags. Auch die Begründungsanforderungen sind bei einer Klageschrift im Nichtigkeitsverfahren gegenüber der Antragsschrift im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren regelmäßig höher anzusetzen. Diese und die weiteren in der Entscheidung BPatGE 45,129 ff. genannten wesentlichen Unterschiede zwischen dem Klageverfahren in Patent-Nichtigkeitssachen und dem in Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuleitenden Antragsverfahren lassen es angezeigt erscheinen, die Frage der Notwendigkeit der Doppelvertretung durch Patent- und Rechtsanwalt weiterhin im Ansatz unterschiedlich zu behandeln. Unabhängig davon, ob die im Nichtigkeitsverfahren über eine analoge Anwendung der grundsätzlich eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 143 Abs. 3 PatG die Erstattungsfähigkeit von Patent - und Rechtsanwaltskosten grundsätzlich zu Recht anerkannt wird, ist jedenfalls im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren eine Erstattung nur im Einzelfall möglich, nämlich dann, wenn aufgrund besonderer (juristischer) Schwierigkeiten die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig erscheint (vgl. BPatGE a. a. O.).
Der Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach nunmehr die erstattungsfähigen Gebühren eines Patentanwalts in Gebrauchsmuster-Löschungsbeschwerdeverfahren nach der Gebührentabelle der BRAGO bzw. des RVG zu berechnen sind, geht fehl. Denn sie betrifft lediglich die angemessene Vergütung aufgrund der Vergleichbarkeit der Tätigkeiten von Patent- und Rechtsanwalt, berührt aber in keiner Weise die Frage, wann die zusätzliche Einschaltung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt erforderlich ist.
Dass besondere rechtliche Schwierigkeiten im vorliegenden Fall in einem Maße zu erwarten waren, dass eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Zuziehung eines Rechtsanwalts als sachdienlich ansehen durfte, wurde weder im Kostenfestsetzungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung noch in der Beschwerde - auch nicht hilfsweise - vorgetragen, so dass der Beschwerde insgesamt der Erfolg versagt bleibt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 3 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
BPatG:
Beschluss v. 17.10.2006
Az: 5 W (pat) 8/06
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