Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juni 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 36/02

(BPatG: Beschluss v. 19.06.2002, Az.: 29 W (pat) 36/02)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. August 1999 und vom 8. Januar 2002 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen "Werbung" und "Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I)" zurückgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung

"ATM Broadcast Services"

soll für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer.

Klasse 16:

Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel).

Klasse 35:

Werbung und Geschäftsführung.

Klasse 38:

Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen.

Klasse 41:

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I).

Klasse 42:

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation.

als Wortmarke in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, teilweise zurückgewiesen, nämlich für "elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Werbung; Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation", da der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle, sie die genannten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibe und daher auch freihaltungsbedürftig sei.

Die angemeldete Wortfolge sei aus der gängigen Bezeichnung "Broadcast Services" unter Voranstellung der Fachabkürzung "ATM" sprachüblich gebildet. Die Bedeutung der Abkürzung als asynchroner Transfermodus sei nicht nur dem Fachverkehr sondern auch erheblichen Teilen des sonstigen Verkehrs ohne weiteres bekannt, wobei nicht erforderlich sei, dass dieser einen exakten Übersetzungsvorgang vollziehe. Technische Fachabkürzungen wie z.B. auch "UMTS" würden wegen der bestehenden Übersetzungsschwierigkeiten in den deutschen Sprachschatz übernommen; es reiche aus, wenn der Verkehr davon ausgehe, dass es sich um eine bestimmte Übertragungstechnik handle. Der weitere Bestandteil "Broadcast Services" sei ungeachtet seiner fremdsprachigen Begriffe dem inländischen Verkehr als Bezeichnung für Sende- bzw. Ausstrahlungsdienste bekannt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die die angemeldete Bezeichnung für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig hält. Sie trägt vor, "ATM Broadcast Services" sei eine sprachliche Neuschöpfung und in der konkreten Zusammenfassung aus Abkürzung und Vollwort nicht sprachüblich gebildet. Die Beschwerdeführerin weist auf eine Vielzahl anderweitiger Eintragungen von Wortkombinationen mit den hier angemeldeten Zeichenbestandteilen hin, u.a. auf eine Eintragung von "ATM" in Alleinstellung, woraus nach ihrer Auffassung folgt, dass das Hinzufügen eines weiteren Wortbetandteiles erst Recht die Unterscheidungskraft bewirke. Auch sei der Sinngehalt einer Abkürzung, die selbst eine Wortkombination repräsentiere, nicht ohne weiteres erfassbar. Dies gelte erst Recht, wenn sie ihrerseits innerhalb einer Wortkombination stehe. Auch wenn man den von der Markenstelle für die weiteren Zeichenbestandteile angenommenen Begriffsinhalte zu Grunde lege, ergäbe sich nicht die in den Beschlüssen festgestellten Bedeutungen. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bestehe keine sachbeschreibende Aussage. Daher bestehe auch weder ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis noch sei ein künftiges Bedürfnis zum Gebrauch des Kennzeichens durch Mitbewerber erkennbar.

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde hat überwiegend keinen Erfolg. Der Eintragbarkeit des Begriffs "ATM Broadcast Services" stehen mit Ausnahme der im Tenor genannten Dienstleistungen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG entgegen.

1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, was hier bei den beanspruchten Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 sowie den Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation" der Klasse 42 der Fall ist.

Die Abkürzung "ATM" steht für "asynchronous transfer mode". Wie die Anmelderin in ihrer als "Unterrichtsblätter" bezeichneten Fachzeitschrift für Aus- und Weiterbildung vom 10. Februar 2001, S 65/66 unter dem Stichwort "ATM" schreibt, handelt es sich hierbei um eine "standardisierte Übertragung- und Vermittlungstechnologie, um den Breitbandbereich von 2 Mbit/s bis 155 Mbit/s abzudecken. Ziel ist eine dienstintegrierende Kommunikation mit flexibler Bandbreitenzuweisung über ein breites Spektrum an Geschwindigkeiten, Diensten und Medien ....".

Die weiteren Zeichenbestandteile "Broadcast" und "Services" werden ohne weiteres mit ihren Bedeutungen "Übertragungs-, Sendungsdienst" verstanden. Beide aus dem Englischen stammenden Begriffe gehören zum englischen Grundwortschatz (Langenscheidt, Grundwortschatz Englisch 1999). Außerdem ist Englisch auf dem hier vorliegenden Gebiet Fachsprache. Weitere mögliche andere Bedeutungen, wie von der Anmelderin ausgeführt kommen aufgrund des Verständniskontextes zu den hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht in Frage. Darüber hinaus belegt die Internet-Recherche des Senats die Bezeichnung "Broadcast services" und "broadcasting services" als Fachbegriff für Übertragungsdienste, z.B. im Internet (vgl u.a. die Web-Sites von "liqumedia", der Kirchgruppe oder der TU Berlin). Die vorliegend beanspruchten Waren und Dienstleistungen richten sich im Gegensatz zur Auffassung der Anmelderin überwiegend an den Fachverkehr oder an interessierte und informierte Laien und nicht an das breite Publikum. Vorliegend sollen mit der Bezeichnung "ATM Broadcast Services" nämlich überwiegend Waren und Dienstleistungen aus den Bereichen Elektronik und Datenverarbeitung oder mit einem Bezug hierzu gekennzeichnet werden. Soweit hier teilweise auch Nicht-Fachleute angesprochen sind, setzen diese nicht zum alltäglichen Gebrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen wegen der Spezialität der Materie stets ein bestimmtes fachliches Verständnis voraus, das bei den entsprechenden Abnehmerkreisen regelmäßig auch vorhanden ist. In sachbeschreibender Bedeutung benutzt die Anmelderin selbst auch in Fließtexten die Bezeichnung "ATM Broadcast Services" in ihren "Allgemeinen Geschäftsbedingungen ATM Broadcast Services": In der Präambel steht ua.: "Die Deutsche Telekom AG erbringt die ATM Broadcast Services nach den Bestimmungen der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung und den nachfolgenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen....". Des weiteren lautet Nr. 1 der AGB: "Gegenstand der Bedingungen. Die nachfolgenden Bedingungen regeln die Bereitstellung und Überlassung rundfunkspezifischer Leistungen auf der Basis der ATM-Technologie im ATM-Breitbandnetz der Deutschen Telekom". In TZ 2.3. ist niedergelegt, dass der Kunde im Rahmen der Standardleistungen "mit Hilfe von angeschalteten ATM-spezifischen Endeinrichtungen ... Verbindungen in Selbstwahl bzw. durch Reservierungen über das Rundfunk-Netzmanagement-Zentrum zu anderen ATM-Anschlüssen von der Deutschen Telekom herstellen lassen oder entgegennehmen" kann. Auch Anschlüsse zu ausländischen Anschlüssen anderer Betreiber können ebenfalls grundsätzlich geschaltet werden. Nach TZ 2.6. beträgt die Mindestmietzeit für ATM-Anschlüsse ein Jahr". Daraus folgt für den Senat, dass die angemeldete Bezeichnung die Beschaffenheit bzw. Ausrichtung der in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern und die Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation unmittelbar schreibt.

2. Abgesehen von dem im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen fehlt dem Zeichen "ATM Broadcast Services" daher auch die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dieses Eintragungshindernis liegt dann vor, wenn einer Wortfolge ein für die in Fragen stehenden Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder es sich um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH MarkenR 2001, 480 f - LOOK mwN).

Wie bei der Prüfung des Schutzhindernisses nach § 8 II Nr 2 festgestellt, ist der angemeldete Begriff für den Verkehr eine konkrete Sachangabe für einen in EDV und Telekommunikation verwendeten Übertragungsstandard. und daher nicht geeignet ist, die Waren und/oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen zu unterscheiden.

Im Zusammenhang der Klasse 9 weist das Zeichen lediglich darauf hin, dass die noch streitgegenständlichen Waren für einen ATM-gestützten Datenaustausch bestimmt sind bzw. rundfunk- oder sonst sendespezifisch ausgerüstet sind.

Innerhalb der Klasse 16 gibt "ATM Broadcast Services" den Inhalt der Druckschriften bzw. die Materie wieder, mit denen sich die Lehr- und Unterrichtsmittel befassen.

3. Bezüglich der übrigen Dienstleistungen enthält "ATM Broadcast Services" weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sachgehalt noch kann das angemeldete Zeichen zur Bezeichnung wesentlicher Eigenschaften dienen. Ein unmittelbarer Bezug zwischen der Dienstleistung "Werbung" als solcher und ATM-gestützen Übertragungs- bzw. ATM-gestützen Sendediensten lässt sich nicht herstellen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Publikum in "ATM Broadcast Services" bezogen auf die Herausgabedienstleistungen eine im Vordergrund stehende Sachaussage über den Inhalt der betreffenden Druckerzeugnisse oder elektronischen Medien sehen wird, die Gegenstand dieser Dienstleistungen sind. Er wird vielmehr von einer vom Werkinhalt losgelösten Kennzeichnung ausgehen (vgl. BGH MarkenR 2001, 363 ff - REICH UND SCHÖN)

Grabrucker Baumgärtner Guth Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.06.2002
Az: 29 W (pat) 36/02


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