Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2008
Aktenzeichen: 30 W (pat) 149/04
(BPatG: Beschluss v. 07.04.2008, Az.: 30 W (pat) 149/04)
Tenor
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
I Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die farbige Wort-Bild-Markehttp://agora/bpatg2/docs/D23399.3.giffür die Waren und Dienstleistungen der Klassen 09, 38 und 42
"Optische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte (soweit in Klasse 9 enthalten); elektrotechnische und elektrische Geräte für die Aufnahme, Aussendung, Übertragung, den Empfang, die Wiedergabe und Bearbeitung von Lauten, Signalen, Zeichen und/oder Bildern; elektrotechnische und elektrische Nachrichten- und Datenaufnahme-, -verarbeitungs-, -sende-, -übertragungs-, -vermittlungs-, -speicher- und -ausgabegeräte; Kommunikationscomputer, Software; optische, elektrotechnische und elektronische Geräte der Kommunikationstechnik;
Betrieb von Anlagen der Telekommunikationstechnik, von Telekommunikationsnetzen sowie zugehörigen Einrichtungen und Teilen; Internetdienstleistungen, nämlich Sammeln, Liefern und Bereitstellen von Informationen und Nachrichten im Internet; Bereitstellen einer ecommerce Plattform im Internet, Bereitstellen von Internet-Portalen für Dritte;
Beratung beim Aufbau und Betrieb von Anlagen der Datenverarbeitung von Datenbanken sowie von Telekommunikationsnetzen; Planung, Entwicklung und Projektierung von Telekommunikations- und Informationsverarbeitungsdiensten und -einrichtungen, Telekommunikationsnetzen sowie dazugehörender Tools; Planung, Beratung, Test und technische Überwachung auf dem Gebiet der Systemintegration und Produktintegration von Telekommunikationsnetzen und der Datenverarbeitung; elektronische Dienstleistungen, nämlich das Sammeln, Speichern, Übersetzen, Weiterleiten oder Verteilen von Daten, Informationen, Abbildungen, Video- und Audiosequenzen, Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informationen, insbesondere auch mittels interaktiv kommunizierender (Computer-)Systeme; Entwicklung, Erstellung und Vermietung von Datenverarbeitungsprogrammen und Datenverarbeitungsgeräten; Konzeption, Abwicklung, Wartung und Pflege von Internetinhalten; Internetdienstleistungen, nämlich Erstellung und Einrichtung von Internet-Präsentationen, Vermietung von Web-Servern, Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im Internet".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluss eines Prüfers des höheren Dienstes vom 23. April 2004 nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen, da dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle und es als rein beschreibende Angabe freizuhalten sei.
Die angemeldete Marke enthalte einen Schlüsselbegriff der Informationstechnik, der auch hierzulande in weiten Bereichen des Wirtschaftlebens Eingang gefunden habe; daher werde er von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres nur als Beschaffenheitsangabe dahingehend verstanden, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen für den Einsatz in der standortunabhängigen Technologie geeignet oder bestimmt seien oder dies zum Gegenstand hätten. Auch die nur geringfügige grafische Gestaltung könne das Freihaltungsbedürfnis nicht beseitigen und der Marke auch nicht die nötige Unterscheidungskraft verschaffen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die sich nunmehr auf die Verkehrsdurchsetzung ihrer Marke in Deutschland beruft, mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und das Eintragungsverfahren fortzusetzen.
Sie macht geltend, dass die Marke seit vielen Jahren repräsentativ für ihren Telekommunikationsbereich eingesetzt worden sei, und zwar nicht nur auf Produktverpackungen und Werbebroschüren, sondern auch auf Trikots und Stadion-Werbebanden von mehreren Weltfußballvereinen. Des weiteren legt sie einen Geschäftsbericht und Broschüren vor, woraus sich nach ihrer Meinung ergebe, dass die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung erfüllt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Sie hat in der Sache aber auch insoweit keinen Erfolg, als im Beschwerdeverfahren (erstmals) eine Verkehrsdurchsetzung der schutzsuchenden IR-Marke geltend gemacht worden ist (§ 8 Abs. 3 MarkenG).
1. Das Beschwerdegericht ist trotz der geltend gemachten Verkehrsdurchsetzung nicht von der Pflicht entbunden, zunächst die Schutzfähigkeit der begehrten Marke im Hinblick auf das hier insbesondere in Betracht kommende Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überprüfen und die Geltendmachung einer Verkehrsdurchsetzung im Sinne von § 8 Abs. 3, welche dieses Schutzhindernis überwinden könnte, nur hilfsweise zu berücksichtigen. An diese rechtliche Beurteilung durch das Gericht ist das Deutschen Patent- und Markenamt im weiteren Verfahren auch gebunden (§ 70 Abs. 4 MarkenG). Andernfalls könnte ein Anmelder auf diesem Wege das Verfahren unter Vermeidung einer negativen Beschwerdeentscheidung wieder völlig offen gestalten (vgl. BPatG Az. 25 W (pat) 44/04 vom 6. April 2005 - Kindernothilfe).
Insoweit teilt der Senat allerdings die Auffassung der Markenstelle, dass die beanspruchte Marke auch in der grafischen Gestaltung sowohl dem Eintragungshindernis einer beschreibenden freihaltungsbedürftigen Angabe als auch dem der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG unterliegt.
Nachdem die Anmelderin in der Beschwerde zu diesem Punkt keine weitere Begründung abgegeben, sondern sich einzig auf die Verkehrsdurchsetzung gestützt hat, wird auf die zutreffenden Ausführungen der Markenstelle verwiesen, die durch die Feststellungen des Senates bestätigt werden und die die IR-Markeninhaberin offenbar selbst nicht mehr in Frage stellt.
2. Nach dem Vorbringen der Anmelderin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das festgestellte Eintragungshindernis durch den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden ist.
Bei der Prüfung, ob sich ein als Marke beanspruchtes Zeichen im Verkehr durchgesetzt hat, ist von einer Gesamtschau aller Gesichtspunkte auszugehen. Dazu gehören einmal alle Maßnahmen des Anmelders, seine Marke auf dem Markt zur Geltung zu bringen, also der von der Marke gehaltene Marktanteil und die mit ihr erzielten Umsätze, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke usw. Sodann bedarf es auf der anderen Seite eines Nachweises, dass die Bemühungen des Anmelders ein Feedback ausgelöst und Erfolg gehabt haben. Die Maßnahmen müssen zumindest bei einem maßgeblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise und Mitbewerber die Annahme einer Betriebskennzeichnung hervorgerufen haben, was sich beispielsweise durch Erklärungen von Industrie- und Handelskammern wie auch im Wege demoskopischer Befragungen belegen lässt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, TZ 51 - CHIEMSEE). Für die Bejahung der Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen bedarf es indes keiner zahlenmäßigen Festlegung auf bestimmte Prozentsätze (z. B. über die 50+1%-Grenze hinaus, vgl. schon BGH GRUR 1991, 609, 610 - SL; BGH BlPMZ 2001, 322 - REICH UND SCHOEN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 8 Rdn. 326 ff.) und insbesondere auch keiner Abhängigkeit zur Bedeutung eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses (EuGH a. a. O. - Chiemsee).
Macht ein Anmelder die Verkehrsdurchsetzung erstmals im Beschwerdeverfahren geltend, hat er deren Voraussetzungen nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien in einer Weise schlüssig dazustellen und zu belegen, die dem Senat eine Beurteilung erlaubt, diesem Vorbringen entweder im Wege weiterer Ermittlungen nachzugehen (i. d. R. durch Zurückverweisung der Sache an die Markenstelle) oder ob der Vortrag ggf. bereits für eine Entscheidung zugunsten des Anmelders ausreicht. Beides ist indes vorliegend nicht der Fall, da es - vor allem bezogen auf den Anmeldezeitpunkt am 5. November 2001 - bereits am Nachweis einer langandauernden markenmäßigen Benutzung der beanspruchten Darstellung fehlt. So belegt der Geschäftsbericht aus dem Jahre 2003 allenfalls ganz allgemein die vielfältigen Aktivitäten der Anmelderin, aber nicht einen auf die konkreten Waren und Dienstleistungen bezogenen Umsatz mit der beanspruchten IR-Marke. Auch die weiteren Broschüren sind allesamt nur auf die Jahre 2003 oder 2004 bezogen und zeigen zudem die beanspruchte Marke nie in Alleinstellung, sondern immer in Kombination mit dem Firmennamen der Anmelderin, was indes für sich genommen keine zwingende Aussage zulässt, dass damit dem Verkehr die angemeldete Marke als kennzeichnender Hinweis nahegebracht worden ist.
Darüber hinaus hat die Anmelderin keinerlei Angaben über das mit dem Zeichen ausgelöste Medienecho gemacht, so dass keine Aussagen über die Bekanntheit der Marke gemacht werden können, nämlich ob es ihr gelungen ist, die Verkehrsauffassung in betriebskennzeichnender Weise nachhaltig zu beeinflussen.
Fehlt es damit aber bereits an grundlegenden Voraussetzungen für die Weiterverfolgung der Frage der Verkehrsdurchsetzung, kann dieses Defizit auch nicht mehr durch die Einholung eines demoskopischen Gutachtens ausgeglichen werden, so dass im Ergebnis nur festgestellt werden kann, dass es der Anmelderin nicht gelungen ist, die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung zu überwinden.
Dr. Vogel von Falckenstein Hartlieb Paetzold Ko
BPatG:
Beschluss v. 07.04.2008
Az: 30 W (pat) 149/04
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