Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 26. März 2010
Aktenzeichen: 38 O 21/10

(LG Düsseldorf: Urteil v. 26.03.2010, Az.: 38 O 21/10)

Tenor

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird folgendes angeordnet:

Die Antragsgegnerin hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen zu Wettbewerbszwecken

1. mit den Aussagen: "Zahnersatz garantiert 40% günstiger" und/oder "Bei außervertraglichen Leistungen sparen Sie garantiert 40% gegenüber regulären Angeboten" und/oder "Wenn Sie eine hochwertige Versorgung mit garantiert 40% reduzierten Zahnersatz- Kosten erhalten möchten […] wenden Sie sich an J" und/oder "ZAHNERSATZ 40% GÜNSTIGER" zu werben und/oder werben zu lassen, ohne darüber aufzuklären, auf welchen Grundpreis sich die 40 %ige Preisersparnis(garantie) bezieht, insbesondere wie nachstehend wiedergegeben:

"Bild/Grafik nur in der Originalentscheidung vorhanden"

und/oder

"Bild/Grafik nur in der Originalentscheidung vorhanden"

und/oder

"Bild/Grafik nur in der Originalentscheidung vorhanden"

2. mit der Aussage: "Hier erhalten Sie als Versicherter einer unserer Partner-Krankenkassen […] Ihren Zahnersatz ohne Zuzahlung" zu werben und/oder werben zu lassen, wenn Versicherte den Zahnersatz nicht in jedem Falle ohne Zuzahlung erhalten können, insbesondere wie nachstehend wiedergegeben:

"Bild/Grafik nur in der Originalentscheidung vorhanden"

3. für den Kauf von Zahnersatzprodukten durch Patienten mit der Erstattung von Praxisgebühren zu werben und/oder die Praxisgebühr zu erstatten, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

"Bild/Grafik nur in der Originalentscheidung vorhanden"

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

Tatbestand

Die Antragstellerin betreibt unter der Kennung Z einen Internetmarktplatz, auf dem Patienten einen Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes einstellen und Vergleichsangebote angeschlossener Zahnärzte unter Beteiligung mehrerer Krankenkassen einholen können.

Die Antragsgegnerin unterhält ein Dentallabor. Sie wirbt im Internet für Zahnersatzleistungen, u. a. mit den Überschriften "Zahnersatz 40 % günstiger" und "Zahnersatz ohne Zuzahlung". Wegen der weiteren Einzelheiten der Werbung wird auf die Abbildung in der Antragsschrift Bezug genommen.

Die Antragstellerin ist der Meinung, die Werbung sei unlauter, weil hinsichtlich der Prozentangabe eine Bezugsgröße fehle. Die Kosten für den Zahnersatz hingen von so vielen unterschiedlichen Faktoren ab, dass eine allgemeine Ersparnisangabe zudem als Alleinstellungsbehauptung nicht möglich sei. Vergleichbares gelte hinsichtlich der Zuzahlung. Nur in ganz beschränkten und für den Patienten kaum durchschaubaren Ausnahmefällen komme bei gesetzlich Versicherten der Wegfall einer Zuzahlung in Betracht. Schließlich stelle es auch eine unlautere geschäftliche Handlung und einen Verstoß gegen § 7 HWG dar, die Erstattung der Praxisgebühr in Aussicht zu stellen.

Die Antragstellerin beantragt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt,

wie erkannt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es sei davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin bereits seit mindestens zwei Jahren Kenntnis von dem Internetauftritt der Antragsgegnerin habe. Der Antrag sei zudem rechtsmissbräuchlich, weil unterschiedliche Abschnitte in mehrere Verfahren aufgespaltet worden seien. Der Antragstellerin fehle mangels Mitbewerbereigenschaft die Aktivlegitimation. Die Parteien seien auf unterschiedlichen Märkten tätig.

Im Übrigen seien die beanstandeten Werbeaussagen nicht unzulässig. Eine Alleinstellungswerbung liege nicht vor. Die prozentuale Ersparnis werde auf das allgemeine Preisniveau bei Zahnersatz nach der BEL II-Liste bezogen und sei nachprüfbar.

Hinsichtlich der Beanstandung ohne "Zuzahlung" werde durch den Sternchenhinweis ausreichend erläutert, welche Voraussetzungen erforderlich sind. Das Versprechen, die Praxisgebühr zu erstatten, sei zulässig, weil die Antragsgegnerin nicht Adressat der Praxisgebührenregelung und § 7 HWG nicht tangiert sei. Abnehmer der Produkte der Antragsgegnerin seien Ärzte und Zahnarztpraxen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen, ausgenommen die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 04.03.2010, 15.03.2010 und 25.03.2010.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der im Tenor beschriebenen Verhaltensweisen gemäß den §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Antragstellerin bemüht sich im Rahmen ihres Geschäftsmodells darum, Vertragsabschlüsse zwischen Zahnarztpatienten und Zahnärzten insbesondere im Bereich der Versorgung mit Zahnersatz im Sinne eines Kontaktnachweises zu vermitteln. Sie verdient beim Abschluss eines Vertrages zwischen einem Patienten und einem angeschlossenen Zahnarzt, der wiederum mit bestimmten Dentallaboren zusammenarbeitet.

Im Rahmen des Gesamtleistungspaketes einer prothetischen Versorgung bildet die labortechnische Arbeit einen erheblichen Kostenfaktor. Ein von der Antragstellerin ins Netz gestellter Heil- und Kostenplan hängt in seiner preislichen Einordnung für den Patienten maßgeblich auch von den Laborkosten ab. Wenn die angeschlossenen Zahnärzte etwa im Hinblick auf Vorbehalte gegenüber im Ausland gefertigtem Zahnersatz nicht bereit sind, mit der Antragsgegnerin zusammenzuarbeiten, wirkt sich dies auf die Preisbemessung eines von ihr eingestellten Alternativangebotes erheblich aus. Die Werbung der Antragsgegnerin beeinflusst damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Antragstellerin die Vermittlung eines Vertrages über Zahnersatzleistungen gelingt. Damit bewegen sich die Parteien insofern auf dem gleichen Markt, als Patienten dazu veranlasst werden, Zahnersatzleistungen mithilfe der Antragstellerin und deren Partnern oder aber der Antragsgegnerin und ihren verbundenen Praxen in Anspruch zu nehmen.

Im Rahmen dieses Wettbewerbsverhältnisses hat die Antragsgegnerin unlautere geschäftliche Handlungen vorgenommen. Die mit den Anträgen zu 1. und 2. beanstandeten Verhaltensweisen sind als irreführende Angaben über die Art der Preisberechnung anzusehen. Mit den Werbeaussagen "Zahnersatz garantiert 40 % günstiger" und "bei außervertraglichen Leistungen sparen Sie garantiert 40 % gegenüber regulären Angeboten" sowie "wenn Sie eine hochwertige Versorgung mit garantiert 40 % reduzierten Zahnersatzkosten erhalten möchten …" vermittelt die Antragsgegnerin den angesprochenen Verbrauchern, dass die Inanspruchnahme der Dienste der Antragsgegnerin stets zu einem garantierten Kostenvorteil von 40 % führt. Eine Bezugsgröße wird nicht genannt. Welche Angebote als "regulär" zu verstehen sind, bleibt offen. Soweit die in der sog. BEL II-Liste aufgeführten Preise und Leistungen gemeint sein sollen, ist weder deren Inhalt einem durchschnittlichen Verbraucher bekannt, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass außer der Antragsgegnerin alle oder zumindest die überwiegende Anzahl zahntechnischer Betriebe nur nach dieser Liste abrechnen. Hinzu kommt, dass die prothetische Versorgung wesentlich auch von der Höhe des Honorars des Zahnarztes bestimmt wird. Da die jeweiligen Leistungen von individuellen Verhältnissen des Patienten selbst abhängen, ist eine Werbung, die stets eine Kostenersparnis von 40 % garantiert, ohne eine Bezugsgröße zu nennen, als irreführende Angabe über die Art der Preisberechnung und zugleich als Spitzenstellungswerbung zu verstehen, für deren Berechtigung auch nach Darstellung der Antragsgegnerin keine konkretisierbaren Tatsachen vorgetragen sind.

Vergleichbares gilt hinsichtlich der Werbeaussage eines Zahnersatzes ohne Zuzahlung. Die Antragsgegnerin wirbt herausgehoben mit der Möglichkeit, dass ein Patient keinerlei Zuzahlung leisten muss. Dem Leser wird der Eindruck vermittelt, den Mitgliedern einer der Partnerkrankenkassen sei nicht nur eine 40 % günstigere sondern sogar eine insgesamt kostenfreie Versorgung mit Zahnersatz möglich. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine nahezu nur als theoretisch zu bezeichnende Ausnahmekonstellation. Nur für gesetzlich Versicherte, die besondere Voraussetzungen im Verhältnis zu ihrer Krankenkasse erfüllt haben - regelmäßige Vorsorge und Führung eines Nachweisheftes -, können in Bezug auf Regelversorgungsleistungen von Zuzahlungen befreit werden. Ein durchschnittlich informierter Verbraucher kennt die Unterschiede der Regelversorgung, einer gleichartigen oder andersartigen Versorgung nicht. Die Individualität der Patientenverhältnisse ermöglicht zudem den Verbrauchern nicht zu erkennen, welche Leistungsmerkmale jeweils erfüllt sind. Der betonte Hinweis auf die Möglichkeit der Zuzahlungsfreiheit stellt demnach einen absoluten Ausnahmefall als nicht unwahrscheinlich zu erwartendes Ereignis dar, um das Interesse und die Aufmerksamkeit auf das Angebot der Antragsgegnerin zu locken. Die Chance des Verbrauchers, tatsächlich einen Zahnersatz ohne jegliche Zuzahlung zu erlangen, ist jedoch verschwindend gering. Hierüber klärt nicht der sog. Sternchenhinweis auf. Zum Einen ist der Hinweis in sich kaum verständlich. Weder ist dem Verbraucher geläufig, was unter Regelleistungen der GKV zu verstehen ist, noch weist der Bonushinweis auf die vom Versicherten zu erfüllenden Voraussetzungen in erkennbarer Weise hin. Zum anderen darf der Hinweis nicht die Werbeaussage nahezu in sein Gegenteil umkehren.

Als unlauter ist schließlich auch die Werbung mit Erstattung der Praxisgebühr anzusehen. Es kann unentschieden bleiben, ob insoweit ein Verstoß gegen § 7 HWG vorliegt. Jedenfalls aber wird die Erfüllung des Gesetzeszweckes des Gesundheits-Modernisierungsgesetzes verhindert. Eine Werbung mit solchem Verhalten verstößt gegen die beruflichen Sorgfaltspflichten (vgl. OLG Stuttgart GRUR-RR 2005, 65) und ist daher zu unterlassen.

Die Geltendmachung der daher insgesamt als begründet anzusehenden Unterlassungsanträge erscheint nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Die konkret angegriffenen Internetdarstellungen sind auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht bereits Gegenstand einer anderen rechtlichen Auseinandersetzung. Es ist kein Anzeichen für missbräuchliches Vorgehen, wenn voneinander abgegrenzte Darstellungen gesondert abgemahnt werden.

Die zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, die Rechtsverstöße seien bereits seit längerer Zeit bekannt, hat der Geschäftsführer der Antragstellerin dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich in Abrede gestellt. Eine konkrete Kenntnis der beanstandeten Seiten habe erst seit dem 18. Januar 2010 bestanden. Insoweit hat der Geschäftsführer auf seine eidesstattliche Versicherung Bezug genommen. Unter den Umständen lässt sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin in Kenntnis der konkreten Rechtsverstöße durch langes Zuwarten zu erkennen gegeben hat, dass ihr an eiligen Maßnahmen nicht mehr gelegen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

Der Streitwert wird auf 100.000,- € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 26.03.2010
Az: 38 O 21/10


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