Landgericht Bochum:
Beschluss vom 7. März 2002
Aktenzeichen: 7a T 65/02

(LG Bochum: Beschluss v. 07.03.2002, Az.: 7a T 65/02)

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin nach einem Gegen-standswert von 1.614,75 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Gläubigerin ist Inhaberin eines vollstreckbaren Titels gegen den Schuldner über eine Hauptforderung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 26.11.1991 von ursprünglich 267,90 DM nebst Zinsen und Kosten. Wegen der weiteren Einzelheiten der titulierten Forderungen und der bisher entstandenen Vollstreckungskosten, die die Gläubigerin jeden einzelnen Betrag betreffend in EUR umgerechnet hat, wird auf die Forderungsaufstellung BI. 19 d. A. verwiesen, die mit 1.614,75 EUR endet.

Am 05.12.2001 beantragte die Gläubigerin bei dem Amtsgericht Recklinghausen den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldner zu 1) und 2) gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen werden sollten.

Das Amtsgericht bat mit Zwischenverfügung um Einreichung einer Forderungsaufstellung in DM-Beträgen.

Unter dem 02.01.2002 trugen die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vor, dass der beantragte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nunmehr in EUR zu erlassen sei.

Mit Zwischenverfügung vom 08.01.2002 wies das Amtsgericht darauf hin, dass die vorgelegte computermäßige Forderungs- und Vollstreckungskostenerstellung keine dem Anlass entsprechende, einfache Überprüfung zulasse. Die als Forderungsaufstellung vorgelegten Spezialauszüge mit Schlüsselzahlen/Erläuterungen und Abkürzungen auf dem Auszug/Kontostreifen, dessen Inhalt erst durch Anstrengung ermittelt werden könne, sei nicht hinreichend bestimmt. Auch die Einreichung einer Zinsstaffel genüge nicht. Rationalisierungsmaßnahmen in der Kontoführung des Gläubigers dürften nicht dazu führen, dass die Arbeit des Vollstreckungsorgans erheblich erschwert werde. Es sei nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans, die beizutreibende Forderung nebst Vollstreckungskosten mit großem Zeitaufwand an Hand von Spezialkontoauszügen, die nur mit umfangreichen Erläuterungen zu entschlüsseln seien, zu berechnen.

Die Gläubigerin überreichte mit Anwaltsschriftsatz vom 14.01.2002 eine weitere Forderungsaufstellung und vertrat dazu die Auffassung, die Kosten könnten daran ohne Probleme nachvollzogen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannte Forderungsaufstellung (BI. 7 - 9 d. A.) verwiesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.01.2002 wies das Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück, weil die Gläubigerin die Auflage nicht erfüllt habe. Zur Begründung führte es die bereits in der Zwischenverfügung vom 08.01.2002 erhobenen Bedenken aus und vertrat die Auffassung, es könne dem Vollstreckungsgericht nicht zugemutet werden, jede einzelne Position von DM Beträgen in EUR umzurechnen.

Gegen diesen, den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin am 24.01.2002 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 05.02.2002, die an diesem Tage bei Gericht eingegangen ist. Sie verfolgt ihren Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wie beantragt weiter und macht geltend, es sei willkürlich, wenn der EUR einerseits- bereits seit 1999 als Währung existiere, von der Gläubigerin aber gefordert werde, eine Gesamtforderung zum Stichtag 31.12.2001 in DM zu erfassen.

Weiter hat die Gläubigerin mit der Beschwerdeschrift eine aktuelle Forderungsaufstellung übersandt, auf die verwiesen wird (BI. 19: d. A.).

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen.

Der Schuldner war gemäß § 834 ZPO nicht am Verfahren zu beteiligen.

II.

Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPfIG, 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 ZPO n. F. zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Der EUR ist aufgrund des Euro-Einführungsgesetzes vom 09.06.1998 (BGBI. 1.. S. 1242) seit dem 01. 01. 1999 in Deutschland - wie auch in den weiteren 10 Teilnehmerstaaten - einzige und einheitliche Währung. Für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2001 bestand eine Unterteilung des EUR in die früheren nationalen Währungseinheiten zum jeweiligen Umrechnungskurs, wobei ein EUR einem Betrag von 1,95583 DM entsprach. Dies eröffnete für den Schuldner die Möglichkeit, Geldschulden nach seiner Wahl unbar in der Währung EUR oder mit dem Zahlungsmittel DM zu begleichen. Barzahlungen in der Währung EUR waren bis zum 01.01.2002 nicht möglich, weil Euro-Bargeld erst ab diesem Tage ausgegeben werden wurde.

Die danach für den Schuldner eröffnet gewesene Möglichkeit der unbaren Zahlung in EUR besagt jedoch noch nicht, dass der Gläubiger diese - innerhalb der Übergangszeit - auch verlangen konnte. Maßgebend dafür, ob der Gläubiger Zahlung in DM oder in EUR verlangen konnte, war das jeweils zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Lautet etwa ein Vertrag auf Zahlung in DM, konnte materiellrechtlich nicht Zahlung in EUR verlangt und nicht auf Zahlung in EUR geklagt werden (vgl. Art 8 Euro-VO II; Dierdorf NJW 98, 3145), selbst wenn der Anspruch erst in der Übergangszeit fällig geworden war.

Entsprechendes gilt für das Zwangsvollstreckungsverfahren, denn während der Übergangszeit lauteten alle "Rechtsinstrumente", d. h. auch alle gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen, weiterhin auf DM (vgl. Wax NJW 00, 489; Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., Rn 6 zu § 245 BGB; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., Rn 2 vor § 803). Aus Zahlungstiteln, die auf DM lauteten, wurde bis zum 31.12.2001 ausschließlich Zahlung in DM geschuldet. Deshalb waren in Vollstreckungsanträgen, die derartige Titel zur Grundlage hatten, die einzelnen Forderungsbeträge (Hauptsache, Zinsen und Kosten) zwingend in DM auszuweisen (so auch OLG München Rpfleger 99, 566 für die Vergütungsfestsetzung nach der BRAGO; Rellermeyer, Rpfleger 01, 291).

Andernfalls hätte über den Umweg des Erlasses eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Verpflichtung (des Drittschuldners) zur Zahlung in EUR begründet werden können, die materiellrechtlich im Verhältnis zum Schuldner nicht gegeben war.

2.

Daraus, dass der Schuldner bis zum 31.12.2001 nur Beträge in DM schuldete, folgt zugleich, dass die Höhe seiner Schuld für die 'Zeit bis einschließlich zum 31.12.2001 in DM-Beträgen zu ermitteln war und ist und zu diesem Stichtag eine Umrechnung in EUR zu erfolgen hat. Denn es war nicht Sache des Schuldners seine Zahlungsweise dem Begehren des Gläubigers anzupassen. Dementsprechend muss er auch nicht für die Vergangenheit vor dem 01.01.2002 prüfen, ob die ausgewiesenen, von ihm geschuldeten Teil-Forderungen zutreffend in EUR ermittelt sind.

3.

Daraus folgt weiter, dass auch das Vollstreckungsgericht nicht verpflichtet ist, entsprechend dem Vorgehen der Gläubigerin, alle in der Vergangenheit entstandenen DM-Beträge in EUR umzurechnen und darauf zu überprüfen, ob sie rechnerisch zutreffend ermittelt sind.

Ob das in jedem Fall - also auch dann, wenn nur wenige Beträge umzurechnen sind - zu gelten hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Vorliegend wären insgesamt mindestens 198 Positionen von DM-Beträgen in EUR umzurechnen. Dieser bei dem Vollstreckungsgericht von Hand zu bewältigende Arbeitsaufwand ist dem Vollstreckungsgericht nicht zuzumuten, zumal die Forderungsaufstellung der Gläubigerin computermäßig erstellt ist und es der Gläubigerin daher auch möglich ist, die Beträge bis einschließlich 31.12.2001 in DM-Beträgen auszuweisen, zu diesem Stichtag zu summieren und (einmal) in EUR umzurechnen.

4.

Nur vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass sie hinsichtlich der Bestimmtheit und der erforderlichen leichten Bestimmbarkeit der einzelnen Forderungen keine Bedenken gegen den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat, nachdem die Gläubigerin im Beschwerdeverfahren eine neue Forderungsaufstellung (Bl. 19 d.A.) eingereicht hat.

III.

Die Zulassung der nach § 133 GVG n. F. an den BGH zu richtenden Rechtsbeschwerde erfolgte gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F. wegen der grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 1 GKG, 3 ZPO, 57 Abs. 2 Nr. i, 1. Hs. BRAGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO






LG Bochum:
Beschluss v. 07.03.2002
Az: 7a T 65/02


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