Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 26. Oktober 1999
Aktenzeichen: 4 U 86/99

(OLG Hamm: Urteil v. 26.10.1999, Az.: 4 U 86/99)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 22. April 1999 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert den Beklagten mit 30.000,00 DM (zugleich Streitwert für das Berufungsverfahren).

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, da das Landgericht ihm zu Recht untersagt hat, "im geschäftlichen Verkehr fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, in solchen Angelegenheiten Rechtsrat zu erteilen oder Prozeßführung als Prozeßbevollmächtigter zu betreiben".

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte mehrfach gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz verstoßen hat, indem er u.a. für ein Mitglied einen Vertrag angefochten und sodann fristlos gekündigt, die Wandlung und den Rücktritt erklärt und sich in dem folgenden Rechtsstreit als Prozeßbevollmächtigter bestellt hat (39 C 300/98 AG Wuppertal). In zwei weiteren Prozessen hat er ebenfalls als Prozeßbevollmächtigter Mitglieder vertreten (390 C 111/99 AG Offenbach und 90 C 514/98 AG Halle/Saale Kreis).

Der Beklagte, der sich nach § 1 seiner Satzung als Wirtschafts- und Wettbewerbsverband bezeichnet, kann sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz berufen, wonach es für die in Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz aufgeführten rechtsbesorgenden und rechtsberatenden Tätigkeiten dann nicht einer Erlaubnis bedarf, wenn auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigungen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähren.

Es handelt sich bei dem Beklagten nicht um eine berufsstandsähnliche Vereinigung - eine berufsständische Vereinigung scheidet von vornherein aus - i.S.v. Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz.

Für eine solche Vereinigung ist Voraussetzung, daß sie auf der Grundlage der gleichen oder ganz ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Stellung ihrer Mitglieder zur Wahrnehmung der für diese Stellung bezeichnenden wirtschaftlichen und sozialen Interessen gebildet worden ist (vgl. Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Art. 1 § 7 Rdn. 676, 677; OLG Köln NJW-RR 1990, 683 und 1999, 100 f.; OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 685 ff., 686).

Dieses Erfordernis erfüllt der Beklagte auch dann nicht, wenn der Senat die seit dem 12. Juli 1999 geltende Fassung seiner Satzung, die nach den Angaben seines Vorstandsvorsitzenden im Senatstermin im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit geändert worden ist, zugrundelegt. Nach § 5 Abs. 1 dieser Satzung können Mitglieder alle natürlichen und juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Gewerbetreibende oder Freiberufler werden. Zuvor konnten es natürliche und juristische Personen sein, die gewillt waren, die gemeinnützigen Zwecke des Vereins zu fördern. Das Kriterium "Gewerbetreibender oder Freiberufler" reicht nicht aus, um davon ausgehen zu können, daß der Beklagte auf der Grundlage wenigstens ganz ähnlicher wirtschaftlicher oder sozialer Stellung seiner Mitglieder gebildet worden ist. Dazu ist die Bandbreite der denkbaren Mitglieder zu groß, um von einer ganz ähnlichen wirtschaftlichen oder sozialen Stellung auszugehen, wie der Antrag auf Mitgliedschaft zeigt (vgl. Bl. 33 d.A.). Abgesehen von den dort angeführten unterschiedlichen Firmengrößen sind Bauunternehmen, Immobilien, Detekteien, Dienstleistungsunternehmen, Pharmaziefirmen, Medienbetriebe, Verlage, Werbeagenturen, Ärzte, Steuerberater und Rechtsanwälte aufgeführt. Ein im obigen Sinne verbindendes Element ist bei derart unterschiedlichen Mitgliedern nicht definierbar, da sie ihrer Struktur und Art nach zu unterschiedlich sind.

Auch das Vereinsziel hilft dem Beklagten nicht weiter. Die "Förderung mittelständischer gewerblicher und freiberuflicher Interessen" nach § 2 Abs. 1 der Satzung führt nicht zu deutlicheren Konturen hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Interessen, die für die soziale Stellung seiner Mitglieder bezeichnend sein müssen. Es handelt sich lediglich um eine allgemein gefaßte Zielsetzung, nicht aber um klar definierte Sonderinteressen, bei denen der Grad der Gemeinsamkeit der betroffenen Sonderinteressen nach der Lebensanschauung so erheblich ist, daß sich die Betroffenen in einer "standesähnlichen" Gemeinschaft befinden (vgl. Altenhoff/Busch/Chemnitz, a.a.O., Rdn. 677). Das gilt ebenfalls für das in diesem Rahmen angeführte Ziel der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Dieses ist ein allgemein gesellschaftliches Problem und nicht ein typisches Gruppeninteresse des Mittelstandes, wobei der Begriff "Mittelstand" selbst schon für die Annahme von speziellen Gruppeninteressen zu weitgehend ist.

Reichen schon die satzungsmäßigen Voraussetzungen auch in der jetzigen Fassung der Satzung nicht aus, um die Voraussetzungen des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz zu bejahen, so braucht der Senat der Frage nach der tatsächlichen Zusammensetzung des Mitgliederbestandes des Beklagten nicht nachzugehen.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, daß es vorliegend allein um den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz geht, nicht dagegen darum, ob der Beklagte die Anforderungen an die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 26.10.1999
Az: 4 U 86/99


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